Norbert Langenbach

Die Albertsberger Bleigrube im Kirchspiel Hamm

Eine Postkarte gibt Rätsel auf

(veröffentlicht im Heimatbuch des Kreisheimatvereins Altenkirchen 1991 - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Heimatvereins)

Auch wenn man sich schon viele Jahre mit dem heimischen Bergbau geschichtlich auseinandersetzt, kann man nicht jedes Rätsel aus der Vergangenheit lösen. Interessant aber sind solche Versuche allemal, wie die folgenden Ausführungen zeigen:

Im Landeshauptarchiv Koblenz war vor einigen Jahren eine Ausstellung, in der alte Karten aus den vergangenen Jahrhunderten gezeigt wurden; u.a. eine farbige Federzeichnung von 98,5 x 66,5 cm Maßstab 1: 400 (110 mm = 20 Lachter), welche die "Albertsberger Bleigrube bei Hamm" aus dem Jahre 1749, 6. März, zeigte. Diese Karte erregte natürlich mein Interesse, da mir der Name bisher noch nicht bekannt war.

Die Federzeichnung war angefertigt von einem Johann Daniel Link, Berginspektor zu Hamm, als das Kirchspiel Hamm noch zu der Grafschaft Sayn-Hachenburg gehörte. Daß der Bergbau in diesem Kirchspiel schon sehr lebhaft umging, war aus dem Protokollbuch des Bergraths Freudenberg aus den Jahren 1772-1788 bekannt. Er hatte die in dieser Zeit in Betrieb befindlichen Gruben aufgelistet und beschriebe: Tränke und Alte Hoffnung bei Breitscheid, Masselbach, Erzengel und St. Michael bei Hamm bzw. Pracht, Isabella bei Fürthen, Hümmerich bei Marienthal und Güte Gottes bei Bruchertseifen. – Wo aber war nun die "Albertsberger Bleigrube", welche doch erst knapp 25 Jahre vorher noch in gutem Betrieb gestanden hatte? Wie aus der Federzeichnung zu erkennen war, hatten fünf Tageshaspelschächte und drei Blindhaspelschächte, die auf zwei verschiedenen Stollensohlen aufsetzten, das Erz gefördert.

Bei näherer Betrachtung der Karte aber ergaben sich schon zwei Hinweise. Da der Plan im Grund- und Seigerriß gezeichnet war, zeichnete sich ein Fluß von der Größe der Nister ab. Und gerade hier auf beiden Seiten des Flusses barg das Gebirge in seinen Erzgängen Blei, Zink und Kupfer. Der Verdacht drängte sich auf, daß diese "Albertsberger Bleigrube" mit den Gruben Güte Gottes und Mathilde bei Bruchertseifen bzw. Langenbach vielleicht in Zusammenhang zu bringen war. Jedoch in keinem mir bisher bekannten Fachbuch über Bergbau, gesichteten Akten oder mündlichen Überlieferungen war mir dieser Name begegnet.

Die am linken unteren Rand der Karte aufgeschriebenen Erklärungen gaben über den Bergbaubetrieb schon sehr interessante Hinweise. So waren die Tagschächte alle bis auf den Oberen Stollen abgeteuft. In dem Zeichnungsbild waren fein säuberlich die Haspeln und Fahrten (Leitern) eingezeichnet. Von dieser oberen Stollensohle hatte man vier weitere Ansätze von Blindschächten angelegt, wovon einer durchschlägig war auf die Tiefe Stollensohle. Berginspektor Link weist in seiner Beschreibung ausdrücklich auf zwei Schächte hin, welche "die Alten schon geteuft haben". Ersterer war viereinhalb Lachter (ca. 9 m) und der zweite Schacht achteinhalb Lachter (ca. 17 m) tief abgeteuft worden. Ebenso läßt sich aus der Beschreibung der Schluß ziehen, daß auch der Tiefe- wie der Obere Stollen schon lange vorher getrieben worden sind. Von der Grube Eselsberg (Güte Gottes) war ja schon in einem Kanzleiverzeichnis der Sayn-Hachenburgischen Verwaltung aus dem Jahre 1685 die Rede, die von Bestgens Kind Will Baur betrieben wurde.

Nun erhielt ich vor einigen Jahren ein Postkarte "Gruß aus Bruchertseifen", die am 28. August 1899 geschrieben wurde. Diese Karte, ganz im Stil der Jahrhundertwende gestaltet, zeigte eine Landschaft mit Blick in die "Kroppacher Schweiz" und zwei Ansichten der schon damals bestehenden Gastwirtschaft gleichen Namens, die von M. Baumgarten bewirtschaftet wurde. Oben links auf der Postkarte aber waren zwei Zeichnungen, die einen Albertschacht und einen hochgezogenen Rundkamin zeigten mit dem Hinweis auf die Gesellschaft der Nisterthaler Erzbergwerke. Mein erster Gedanke war, es ist die Grube Güte Gottes, die ja in alter Zeit auch unter dem Namen Eselsberg bekannt und in der Sagenwelt ihren Platz gefunden hatte (s. Heimat-Jahrbuch 1979, S. 191). Aber die gezeichnete Seilbahn hinter dem Schachtgebäude machte mich stutzig. Wie Akten aus dem LH Koblenz ausweisen, geschah die landes- und bergpolizeiliche Prüfung des Entwurfs einer Drahtseilbahn von den Gruben Güte Gottes und Schellert (Gem. Mörsbach, Amt Hachenburg) auf der anderen Seite der Nister, beide waren zusammen geplant, bis zur Aufbereitung der Grube Mathilde an der Nister bei Langenbach erst am 7. Februar 1900. (Heute ist hier der Campingplatz.) In diesem Genehmigungsschreiben war die Länge der Seilbahnen vom "Albertschacht" bis Aufbereitung Grube Mathilde mit 1469 m angegeben. Schon am 24.Juli 1900 ging die Seilbahn in Betrieb. – Somit schien mir das Rätsel über den Albertschacht nun gelöst. Der Zeichner der Postkarte muß wohl schon vorher von dem Plan einer Drahtseilbahn gewußt haben und hatte sie im Vertrauen, daß sie auch gebaut wurde, mit eingebracht. Sie war zwar falsch eingezeichnet, sie kommt von oben her, setzte aber in Wirklichkeit hier am Schacht erst an, bis hinunter zur Nister. Das war für den Zeichner wohl etwas zu schwierig in der Darstellung,

Um aber in dem schon fast kriminalistischen Puzzlespiel noch eine Störvariante einzubringen, fand ich im Nachlaß des verstorbenen Obersteigers Lichtenthäler aus Hamm einen mit Schreibmaschine geschriebenen Zettel, auf welchem er geschrieben hatte: "Bleierzgrube Fürst von Anhalt bei Helmeroth: Um 1678 wurde diese Grube unter dem Namen "Albrecht" verliehen. Es ist anzunehmen, daß sie schon vor dem dreißigjährigen Krieg bebaut war. In neuerer Zeit wurde sie unter dem Namen Fürst von Anhalt neu verliehen...".

Stimmte meine Vermutung wieder nicht? Ich glaube doch, Herrn Lichtenthäler war hier bestimmt ein Irrtum unterlaufen. Die Vergleiche der eingezeichneten Stollengänge auf der Gangkarte des Siegerlandes, Blatt Hamm 1909-1911, geben Klarheit darüber. Der Tiefe Stollen von Fürst von Anhalt weist zwar eine Reihe von alten Schächten auf, wovon einer mit dem Namen Hypolytschacht eingetragen ist. Aber der Obere Stollen in seinem Grubenfeld hat keinerlei Hinweise auf alte Schächte. Die aber fanden sich gerade in der erwähnten alten Zeichnung vom "Albertsberger", die von Berginspektor Link so genau eingezeichnet und beschrieben waren. Also konnte es meiner Meinung nach die Grube Fürst von Anhalt nicht sein.

Aber auch in den Grubenfeldem Güte Gottes bzw. Eselsberg waren zwei Stollen, auf denen schon in alter Zeit abgebaut worden war. Fand ich hier nun die "Albertsberger Bleigrube"? Die Förderung von Güte Gottes wies z.B. im Jahre 1881 260 t Bleierz, 5 t Zinkerz und 153 t Spateisenstein aus. Und in ihrem Bleierz waren auch Spuren von Silber enthalten, worauf die Entstehung der Sage vom Eselsberg zurückzuführen ist.

Oder war die "Abertsberger Bleigrube" gar nicht in dem Grubenfeld Mathilde zu suchen, die ja noch näher an der Nister stand. Auch hier waren je ein Tiefer- und Oberer Stollen, auf denen schon in alter Zeit Bergbau umgegangen war?

Sind gar die "Albertsberger Bleigrube" und der Albertschacht zwei ganz verschiedene Grubensachen? Ich bin mir heute noch nicht sicher.

Aber sagen Sie selbst: Kann Bergbaugeschichte nicht spannend sein?


Quellenangabe:

LH Koblenz Best 30, Nr. 4764, Best. 702, Nr. 505, Best. 441, Nr. 26010.

Akten des Oberbergamtes Saarbücken.

Beschreibung des Bergreviers Hamm v. G. Wolf 1885.

Beschreibung rheinland-pfälzischer Bergamtsbezirke, Band I: Bergamtsbezirk Betzdorf von A. Hoffmann 1964.

Eigenes Archiv.

Fotos: Repro. N. Langenbach.