Anno  2005

Eine berichtigte Chronik der Sippe „Brötz“

aus dem südlichen Westerwald

 

Niedergeschrieben von Konrad Brötz im Jahre 1933 aus amtlichen, kirchlichen und mündlichen Überlieferungen, überarbeitet von Hannelore Neffgen geb. Tiefers

 Vor etwa 20 Jahren, als ich mit der Erforschung meiner Vorfahren anfing, überließ mir eine weit entfernte Verwandte aus Essen eine Chronik der Sippe Brötz. Überglücklich machte ich mich daran, diese an Ort und Stelle zu überprüfen. Nach kurzer Zeit stellte ich fest, dass viele Fakten nicht stimmten und versuchte, diese zu berichtigen. Recherchiert habe ich im Bischöflichen Archiv in Limburg und in den Archiven einiger Pfarren, davon am meisten in Frickhofen. Meine Fassung folgt hier:

 
Nach mühseliger Suche entdeckte ich die ersten Spuren in Dietkirchen. Systematisch suchte ich nun in den dortigen verfilmten Kirchenbüchern. Im Buch Nr. 62 sind:

 Taufen von 1644 bis 1790

 Ehen von 1683 bis 1702

von 1721 bis 1790

 Tote von 1723 bis 1790

Leider hat das Buch große Lücken, und außerdem fangen die ersten Eintragungen von Toten erst im Jahre 1723 an.

Schon im Jahre 1662 erfolgte die erste Eintragung einer Taufe von Prötz Johann’s Tochter Anna Veronica. Bis zum Jahre 1869 fand ich 64 Täuflinge aus Dietkirchen und Dehrn ( Dehrn gehörte lange Zeit zur Pfarrgemeinde Dietkirchen ) mit dem Familiennamen „Brötz“. Damals wurde dieser Name auf die unterschiedlichste Art und Weise geschrieben: Prötz, Prötsch, Proetz und sogar Bretz. Nachdem ich alle 64 Personen in eine Liste eingetragen hatte, konnte ich ans „Auswerten“ gehen. Der vorher erwähnte Johann Prötz war mit Maria Schmitt verheiratet und beide waren vermutlich zwischen 1638 und 1640 in Dietkirchen oder Dehrn geboren, also mitten im 30jährigen Krieg. Außer der erstgeborenen Tochter Anna Veronica fand ich noch fünf weitere Kinder, wovon das letzte unser aller Vorfahre wurde. Dieses Kind war am 17.11.1680 in der Lubentiuskirche zu Dietkirchen auf den Namen Andreas Bretz getauft worden.

Diese Zeit vor über 300 Jahren muß auch in Dietkirchen eine furchtbare gewesen sein. Da ist natürlich der 30jährige Krieg zu nennen. Das Gebiet der mittleren Lahn war zwar kein Kriegsschauplatz, hatte aber als Durchgangsgebiet ( mit Lahnübergängen bei Diez, Limburg und Runkel ) unter Einquartierungen und Plünderungen zu leiden. Die Kriegstruppen plünderten, mordeten und forderten Abgaben an Vieh und Getreide.

Es wird in dem Buch von Marie – Luise Crone über Dietkirchen berichtet, dass das kaiserliche und das bayrische Heer auf den Feldern von Limburg – Dietkirchen – Dehrn – Ahlbach – Offheim – Niedertiefenbach – Steeden – Schadeck ein riesiges Feldlager aufschlugen. Das, was die Schweden übriggelassen hatten, wurde nun auch noch geraubt. Die Bevölkerung zog sich in sichere Schlupfwinkel der Wälder zurück. Viele Orte lagen verwaist. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts reaktivierte sich das Leben langsam wieder. Zunächst galt es, die Schäden zu beheben, besonders in der Landwirtschaft. Das Misstrauen der Bevölkerung, die nach Abschluß des Friedensvertrages nur langsam ihre Zufluchtsstätten aufgab, verstärkten die immer wieder durch das Land ziehende Soldatenheere.

So teilte der Heimberger Bernard Schnitt (wahrscheinlich ein Bruder unserer ältesten Vorfahrin) am 8. Februar 1677 mit, dass der „Dietkircher Markt“ 1676 nicht abgehalten werden konnte. Die Angst vor neuerlicher Kriegsgefahr muß die Menschen noch immer beunruhigt haben. Da ist es nicht verwunderlich, dass über viele Jahrzehnte, ja sogar zwei bis drei Jahrhunderte von einer großen Armut in Dietkirchen die Rede ist. Noch 1874 hieß es, Dietkirchen sei eine der ärmsten Gemeinden im Schulbezirk. So waren unsere Vorfahren, die wir ja nur mit Namen kennen, wie alle anderen Menschen dieser Gegend, einer großen Not ausgesetzt. Es ist darum nicht verwunderlich, dass von ihren Kindern nur einige am Leben blieben. Wie mögen sie überhaupt gelebt haben?

 

Andreas Bretz war also am 17.11.1680 in Dietkirchen geboren/getauft. Um 1704 / 1705 heiratete er Anna Catharina Wahn. Fünf Kinder sind in der Lubentiuskirche zwischen 1705 und 1712 getauft worden. Das jüngste bekam die Namen: Joannes Fridericus. In der Taufurkunde vom 08.09.1712 steht, dass dieses Kind, ehelicher Sohn des verstorbenen Andreas Bretz und der Anna Catharina getauft wurde. Taufpaten sind: Baron de Reiffenberg Johann Friedrich von Sain und die Pächterin des edlen Herrn von Waldernbach.

Weil ich mir absolut nicht vorstellen konnte, wie das Kind an diese Paten kam, schrieb ich an Herrn Dr. Gensicke, den Experten für die Westerwälder Landesgeschichte. Er antwortete folgendes:

Joh. Friedr. Anton Freiherr von Reiffenberg, geboren um 1645, gestorben am 21.12.1739 zu Sayn war der Sohn von Johann Philipp (1645 – 1722) und der Vater des Jesuiten und Historikers Philipp Friedrich (1719 – 1764), mit dem dieser Zweig im Mannesstamm ausstarb. Er war seit 1715 kurtrierischer Amtmann der Ämter Montabaur, Herschbach, Grenzau und Vallendar.

Dieser Zweig der Familie von Reiffenberg hatte einen freiadligen Hof in Dietkirchen mit zwei „Hofleuth“ (Pächtern), mit 79 Morgen Acker und Gärten. So besaßen sie auch im gegenüber liegenden (Lahn) Eschhofen zwei Höfe mit zwei Hofleuten.

Es war zwar nirgends vermerkt, dass der Vater des Täuflings ein Hofmann der Reiffenberg gewesen war, aber so wird es wohl gewesen sein.

Bretz manchmal auch Prötz Johann Friedrich, * 08.09.1712  blieb nicht in Dietkirchen, denn ich konnte ihn weder in den Sterbe – noch in den Heiratsbüchern entdecken. Jetzt half mir endlich die alte Chronik des Konrad Brötz. Er hatte zwar mit einem „Johann“ seine Chronik begonnen, sich aber auf die Altersangabe bei seinem Tod verlassen. Demnach starb er in  Maylingen im Alter von etwa 70 Jahren am 17.04.1775.  (Die KB nehmen es mit den Altersangaben nicht so genau.) Mit Maylingen ist Hintermeilingen gemeint. Dort gab es im Jahre 1775 noch keine Kirche, und so mussten die Gläubigen die Kirche in Lahr aufsuchen.

Wann und warum er seine Heimat Dietkirchen verließ und nach Hintermeilingen ging, lässt sich natürlich nicht mehr feststellen. Vermutlich hat er dort zweimal geheiratet, oder brachte seine erste Frau Maria Catharina schon mit nach Hintermeiligen. Im KB von Lahr entdeckte ich vier Taufeinträge von Kindern mit den Eltern: Joan Brötz und Maria Catharina. Leider standen, wie oft üblich, nur die Vornamen der Mutter dabei. Im Sterbebuch war ihr Tod am 16.12.1751 in Hintermeilingen vermerkt.

Seiner mutterlosen Kinder wegen muß der Witwer Johann Brötz sich schnell wieder eine Frau gesucht haben. Ein sehr schlecht lesbarer Heiratseintrag könnte der 02.01.1752 gewesen sein.

Die Auserwählte war Anna Catharina Jeuck, 24 Jahre alt und in Hintermeilingen geboren. Zur Zeit seiner 2. Eheschließung war unser Vorfahre schon 40 Jahre alt, also 16 Jahre älter als seine zweite Ehefrau.

Zwischen dem 16.03.1753 und dem 28.09.1771 schenkte sie ihrem Ehemann Johann Brötz neun Kinder. Seinen Todestag erwähnte ich weiter oben schon, nämlich am 17.04.1775, sie starb am 16.07.1791 in Hintermeilingen.

Ob die Kinder aus erster Ehe ins Erwachsenenalter kamen, konnte ich trotz intensiver Suche nicht feststellen. Ganz sicher weiß ich (belegt durch Urkunden), dass drei Kinder aus der 2. Ehe schon als Babys starben.

Den Heiratsbüchern der Pfarre Lahr konnte ich entnehmen, dass drei der übrigen sechs Kinder heirateten, zwei Söhne und eine Tochter. Einer der Söhne, Bretz Jacob (die Schreibweise wechselt dauernd) wurde am 23.01.1765 in Hintermeilingen geboren.

Im Alter von etwa 25 Jahren heiratete er um 1790 ein Mädchen aus Frickhofen. Ihr Name war Anna Maria Sick, geboren am 11.06.1767 in Frickhofen, Tochter der Eheleute Johann Georg Sick und Anna Elisabeth Schneider. Sie war deren viertes Kind, hatte noch drei Schwestern und einen Bruder, die alle ins Erwachsenenalter kamen; allerdings blieben zwei Schwestern unverheiratet. Der Sohn heiratete Elisabeth Hartmann aus Frickhofen, während die Ehemänner von zwei Töchtern aus Hintermeilingen stammten. Während Jacob Brötz auf das Anwesen seiner frisch Angetrauten in Frickhofen einzog, wechselte die Schwester zu ihrem Ehemann Johann Wilhelm Jeuck nach Hintermeilingen.

Vermutlich starb Johann Georg Sick im Jahre 1792 in Frickhofen. Den Sterbeeintrag konnte ich nicht finden. Zu dieser Zeit wurden die KB von Pfarrer Thüringer geführt. In den Eintragungen entstanden große Lücken und ähnliche Schlampereien. Die Handschriften wechselten oft, oder man „vergaß“ Taufen, Heiraten und Sterbefälle einzutragen. Martin Henrich Thüringer war von 1772 bis 1803 Pfarrer von Frickhofen.

Die Ehefrau von Johann Georg Sick, Anna Elisabeth geb. Schneider, starb am 27.12.1808 in Frickhofen. In ihrem Sterbeeintrag steht folgendes: Anna Elisabeth Schneider hinterlässt bei ihrem Tode fünf Kinder, (einen Sohn und vier Töchter). Sie hatte 12 Enkel, war 8 Jahre blind und starb (laut Eintragung) an Altertum mit 87 Jahren. (Das stimmt aber nicht, denn sie war erst 77 Jahre alt, als sie starb.)

Ich kann nur spekulieren, warum Jacob Brötz in das Anwesen  von Anna Maria Sick’s Eltern einzieht. Wenn nämlich ihr Vater 1792 starb, fehlte ein Mann im Haus. Der einzige Bruder hatte 1789 geheiratet und eine eigene Familie gegründet. Er wohnte im Unterdorf Nr.88, hatte also nicht das Anwesen seiner Eltern übernommen.

Die drei Schwestern und die Mutter brauchten sicher männliche Unterstützung, nachdem der Ehemann und Vater gestorben war.

Die Familie Sick / Brötz wohnte: Unten im Dorf, auf der Vordergaß, Wohnhaus Nr. 52

 

Hier wurden den beiden, meinen Urururgroßeltern, acht Kinder geboren, drei Söhne und fünf Töchter. Die ersten drei starben relativ jung, das vierte wurde mein Ururgroßvater. Er wurde am 31.01.1800 in Frickhofen geboren und auf den Namen „Georg“ getauft. Im Alter von 24 Jahren heiratete er die noch nicht ganz 20jährige Anna Maria Kühn.

In der am Anfang erwähnten Chronik steht folgendes über ihn:

Georg Brötz war Landwirt, ein braver, rechtschaffener Mann. Im Laufe von 22 Jahren schenkte seine Frau ihm zehn Kinder. Noch im Alter von 70 Jahren bearbeitete er für seinen Sohn Johann Georg dessen Land, da derselbe es nicht durfte, weil er im Jahre 1868 Flurschütz geworden war. Dieser Sohn war ein jüngerer Bruder meines Urgroßvaters, von dem ich zuerst berichten möchte. „Hansjörg“, so wurde er genannt, hatte 1855 in Frickhofen die Anna Maria Klee geheiratet. Im Laufe von 16 Jahren stellten sich sieben Kinder ein, wovon zwei im Babyalter starben.

In der Chronik steht über ihn folgende Geschichte:

Im Walde von Frickhofen ist ein Berg, die Dornburg (Donarburg). Auf einer Seite des Berges liegt Geröll. Dicke Steine liegen dort, wie, wenn sie bis oben hin aufeinander gelegt wären. Diese Stelle nennt man „auf der Lah“. Unter den Steinen ist den ganzen Sommer über Eis. Man führt dieses auf den vulkanischen Ursprung des Berges zurück.

In diesen Berg grub Johann Georg gemeinsam mit dem Förster einen Doppelstollen, genannt „Eisloch“. In diesem kann man den ganzen Sommer über Eis und Schnee sehen.“

Da er als Flurschütz sein Land nicht bearbeiten durfte, tat sein alter Vater für ihn die Landarbeit. Das „Beiackern“ war verboten. Einst traf er seinen Vater an, wie er für ihn beiackerte. „Vater, was macht Ihr da,“ sagte er. „Ich muß Euch anzeigen!“ Er selbst hat aber die Strafe bezahlt.

Durch sein Amt machte er sich aber viele zu „Unfreunden“. Eines Tages kam jemand zu ihm und sagte: “Geh einmal unten im Wiesengrund nachschauen. Dein Schwager Schardt weidet dort fünf Kühe auf fremder Weide.“ Er musste selbstverständlich hingehen und überraschte seinen Schwager. Er zeigte ihn an. Derselbe musste 12 Taler Strafe bezahlen. Schardt suchte sich nun an ihm zu rächen. Er sagte: „Ich bringe dich ins Gefängnis!“

Eines Tages wurde im Wald Brennholz und Nutzholz versteigert. Des folgenden Tages kam sein Schwager zu ihm und sagte: „Ich habe gestern eine Wagenstange gekauft, nun hat man mir dieselbe im Wald gestohlen. Kannst du mir keine andere besorgen?“ „Ja,“ erwiderte er, „unten im Waldgrund liegt noch eine. Es ist vergessen worden, sie mit zu versteigern. Ich will den Förster fragen, ob du dieselbe bekommen kannst.“

Der Schwager ging hin und holte sich die Stange. Dann ging er nach Hadamar zum Gericht, zeigte ihn an und sagte: „Der Flurschütz hat eine Wagenstange aus dem Wald verschenkt.“ Es kam zur Gerichtsverhandlung, jedoch der Förster schwur: „Der Flurschütz hat mir die Sache erzählt, und da habe ich gesagt: Wenn es sich so verhält, dann kann der Mann die Stange bekommen.“ Da war die Rache des Schwagers zu nichts geworden und er konnte nach Hause gehen.

Eines Tages fand er, in einem Graben versteckt, drei Gewehre. Dieselben gehörten Wildschützen. Er ließ sie ruhig liegen. Auf dem Nachhauseweg rief man ihn in eine Wirtschaft hinein. In derselben saßen drei bekannte Männer. Diese sagten: „Es war dein Glück, dass du die Gewehre nicht aufgenommen hast. Du wärst nicht mehr lebend nach Hause gekommen.

Dieses alles verleidete ihm den Schützendienst. Er gab denselben auf und ging im Jahre 1871 nach Niederzeuzheim und leitete dort eine Ziegelei. Ein Jahr später ging er nach Arenberg, genannt “Roter Hahn“bei Koblenz und leitete dort ebenfalls eine Ziegelei. Wieder ein Jahr später, im Jahre 1873, machte er sich auf den Weg nach Siegen, um  dort Arbeit zu suchen. Er fand aber keine. Weil er kein Reisegeld mehr hatte, verkaufte er seine silberne Uhr für zwei Taler und fuhr nach Essen-Frillendorf. Dort arbeitete auf der Zeche Elise ein guter Freund aus Frickhofen, namens Horn. Zu dieser Zeit gab es noch keine „Waschkaue“. Die Bergleute mussten, schwarz wie sie waren, nach Hause gehen.

Er stellte sich am Zechentore auf, konnte aber keinen von den Schwarzen erkennen. Da kam einer von diesen auf ihn zu und sagte: „Guten Tag, Hansjörg“. Es war Horn. Derselbe wollte ihm nun Arbeit besorgen, jedoch er verzichtete. Es war ihm zu schrecklich!

Danach wanderte er weiter nach Horst bei Steele an der Ruhr, um sich dort nach Arbeit umzusehen. Da er aber schon über 40 Jahre alt war, konnte er nirgends ankommen. Er war voller Verzweiflung. Da traf er zwei gute Bekannte, zwei Vettern aus Frickhofen. „Ei, Brötz“, sagten sie. „Wo wollt ihr denn hin?“ „Ich möchte gerne Arbeit haben und kann keine bekommen.“ Sie nahmen ihn mit zu ihrem Werkmeister und sprachen für ihn. Dort bekam er Arbeit und sie besorgten ihm auch noch ein Kosthaus.

Ende Juli 1874 nahm er sich Urlaub und fuhr nach Hause. Er verkaufte sein Anwesen und fuhr am 02. August 1874 mit seiner ganzen Familie, seiner Ehefrau und fünf Kinder, nach Horst bei Steele a.d. Ruhr. Er arbeitete dort auf dem Stahlwerk, das aber nach einiger Zeit stillgelegt wurde. Zum Glück bekam er Arbeit auf der „Rheinischen Eisenbahn“, welche im Jahre 1875/76 gebaut wurde. Nachdem dieselbe fertig war, bekam er Arbeit am Hochofen. Anfang Januar 1883 wurde er krank, Diagnose: „Speiseröhrenverengung.“ Nach einer Fehloperation starb er am 11.05.1883 zu Horst, abends 22 Uhr, im Alter von 54 Jahren. Was für ein Leben!!!

Aber auch dasjenige seiner Ehefrau Anna Maria geb. Klee wird in der Chronik geschildert und ist wert, beschrieben zu werden.

Anna Maria Klee war am 10.06.1831 zu Frickhofen als Tochter des Musikers Konrad Klee und seiner Ehefrau Anna Maria Stimper geboren. Aus Geschwisterliebe brachte sie ihrem Bruder Jakob im Jahre 1850, als er beim Militär in Weilburg diente, in Begleitung ihres jüngeren Bruders Konrad, der dort bei einem Militärmusiker Musik studierte, sein Leibgericht, Topfkuchen hin. Es sind dies hin und zurück an die zwölf Stunden zu Fuß.

Im Revolutionsjahr 1848 machte man in Frickhofen auch eine kleine Revolution. Man sang Struwe- und Heckerlieder. Sie dauerte aber nur einige Tage. des Nachts mussten immer einige Familien abwechselnd Wache halten. Als die Reihe an ihre Familie kam, musste sie, weil ihr Vater und Brüder auf einer Englandreise begriffen waren, mit Wache halten.

Um etwas mit zu verdienen, nahm sie, wenn sie ein kind schenkte, ein fremdes Kind mit hinzu zum Schenken. Es hätte sie dieses aber bald das Leben gekostet. Als sie wieder einmal ein fremdes Kind mitschenkte, bekam sie den Starrkrampf und war mehrere Stunden scheintot. Sie hatte bei  der Erbteilung ein Stück Acker bekommen, auf welchem vier große Birnbäume standen. Ihre Mutter hätte das Stück gerne einer jüngeren Tochter gegeben, aber bei der Verlosung fiel es ihr zu. Ihre Mutter verwünschte das Land, darauf trugen die Bäume vier Jahre kein Obst. Im fünften Jahre hingen alle Bäume voll. Eines Tages gab es ein schweres Gewitter. Nach demselben kam jemand zu ihr und sagte: „Geh’ und beschau dir einmal deine Birnbäume.“ Sie nahm ihre älteste Tochter Maria mit um zu schauen. Ein Schreck befiel sie, als sie ankam. Ein Baum war vom Blitz glatt abgeschlagen, der zweite oben am Stamm, der dritte mitten durch gespalten und der vierte ganz zerstört. Als sie dies sah, hat sie bitterlich geweint.

In der Nacht vor ihrem Auszuge aus der Heimat (man erinnere sich: nach Horst bei Steele) ging sie barfuß zum Blasiusberg und hing dem Gnadenbild der Gottesmutter ihre Halskette mit silbernem Kreuz um.

Zuweilen hatte sie „Gesichte“. Sie war von ihrer Schwiegermutter Anna Maria Brötz geb. Kühn in Unfrieden geschieden. Im Jahre 1878 weckte sie ihren Mann und sagte: „ Steh einmal auf, deine Mutter steht vor dem Bett.“ Einige Zeit darauf bekamen sie die Nachricht, dass die Mutter in der betreffenden Nacht gestorben war.

Am 03. August 1898 sah sie des Nachts ihre Schwester Frau Margaretha Hahn aus Ilfracombe in England vor sich stehen. Des Morgens erzählte sie es ihrer Familie. Drei Wochen später bekam sie einen Totenbrief der bestätigte, dass ihre Schwester in jener Nacht gestorben war.

Sie hat viel schweres Leid mit Geduld ertragen. Sie musste ihr liebes Haus verlassen, ihr ältester Sohn Peter starb mit 27 jahren. Ihr zweiter Sohn Georg ging mit 22 Jahren in die fremde und sie sah ihn niemals wieder. Ihr jüngster Sohn Johann wurde im Alter von 4 Jahren überfahren und starb tags darauf. Sie starb im Alter von 75 Jahren am 16. Mai 1906 in Steele an einem Schlaganfall.

Dabei hatte das Schicksal eigentlich einen anderen Weg für sie vorgesehen. Sie war nämlich zuerst mit dem zwei Jahre älteren Bruder ihres späteren Mannes namens Jakob verlobt. Seine Mutter, besagte Anna Maria Brötz geb. Kühn, war aber nicht damit einverstanden, weil sie die Tochter eines Musikers war. Jakob verließ vor Zorn die Heimat und wanderte nach Amerika aus, genauer gesagt, nach Texas. In der Chronik wird es so geschildert:

Seine Braut, die Anna Maria Klee, sollte ihm folgen. Sie hat aber nie mehr von ihm einen Brief erhalten. Es stellte sich viel später heraus, dass alle seine Briefe, die er an sie schrieb, von seiner Mutter abgefangen und ihr unterschlagen wurden.

Er begann in Texas ein Fuhrgeschäft mit zwei Pferden, damit vermittelte er den Verkehr zwischen zwei Städten. Eines Tages verendeten ihm beide Pferde. Kurze Zeit darauf bekam er zum Abendessen Gurkensalat. In der Nacht erkrankte er und starb noch in derselben Nacht um das Jahr 1854. (Ziemlich unglaubwürdig, aber so steht es in der Chronik.)

Weiter heißt es: Sie, die Anna Maria geb. Kühn, war gegen die Familie ihres Sohnes Johann Georg immer unfreundlich, da derselbe sich nicht ihrem Wunsche gemäß verehelicht hatte. er sollte sich eine Bauerntochter zur Frau nehmen und keine Musikertochter. Trotzdem hatte sie noch mehr Land mit in die Ehe gebracht als er.

Als eines Tages von den Verwandten aus Dehrn bei Limburg namens Brötz einige auf Besuch bei ihnen waren, kamen auch die beiden ältesten Kinder ihres Sohnes, um die Verwandten zu begrüßen. Sie hatte den Tisch voll Kuchen stehen, aber den Kindern ihres Sohnes bot sie kein Stückchen an.

Nachdem ihre Tochter Maria gestorben war, schenkte der Großvater ein Paar neue Schuhe der Verstorbenen seiner Enkelin Maria. Sie aber ging hin und holte dieselben wieder und schenkte sie einer anderen Enkelin.

Ihr Sohn Johann Georg hatte mit seinem Vater vereinbart, dass er das elterliche Anwesen übernehmen solle. Seine Mutter aber verhinderte dieses und vermachte es ihrer jüngsten Tochter Elisabeth. Sie muß aber in der Todesstunde ihr Tun bereut haben. In derselben Nacht (wie vorher beschrieben) erschien sie ihrer Schwiegertochter und stand vor deren Bett.

 

Nun ist die Rede von meinen Urgroßeltern, von Johannes Brötz, dem ältesten Sohn der Eheleute Brötz/Kühn. Er wurde am 24.11.1824 in Frickhofen geboren. Auch er versuchte eines Tages im Jahre 1876 sein Glück in Horst bei Steele, um dort zu arbeiten. Er blieb aber nur kurze Zeit dort und kam wieder nach Hause zurück.

Im Mai 1851 hatte er sich mit der Witwe Breithecker verehelicht, die mit Geburtsnamen Anna Maria Rick hieß. Ihre Ehe mit Johannes Breithecker hatte noch kein Jahr gedauert, als er starb. Anna Maria stammte aus der doch einigermaßen berühmten Familie Rick vom „Gellershof“ in der Nähe der Abtei Marienstatt. Sie war in Thalheim geboren und zu ihrem ersten Ehemann nach Frickhofen gezogen. Johannes Brötz, mein Urgroßvater, übernahm deren Anwesen. Er war zwar ein einfacher Bauer, der es gewiß nicht leicht in seinem Leben hatte. Fünf Kinder wurden geboren, von denen zwei im Babyalter starben. Die drei überlebenden waren Söhne, die es nacheinander nach Essen-Segeroth zog.

Deren Leben habe ich in einer anderen Gechichte beschrieben.

 

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