Herdorf

Die Herdorfer Gemeinden 1772

Aus dem Jahrbuch 1988 des Kreisheimat-Verein Altenkirchen-Westerwald

Nachdruck mit dessen Erlaubnis.

Autor: Heribert Kipping

Am 24.6.1350 wurde von Johann, Graf zu Sayn die Hohenseelbachurkunde ausgestellt und die Grenzen des Burgfriedens beschrieben. Aus dieser Urkunde geht auch hervor, daß Herdorf in drei Machtbereiche aufgeteilt war, und zwar:

1. das Oberdorf,

2. das Unterdorf und

3. die Königsmauer.

 

Oberdorf und Königsmauer lagen links der Heller und wurden durch die Sottersbach als Grenzfluß geteilt Die Bewohner dieser beiden Ortschaften gehörten zum Kirchspiel Daaden und wurden von der Herrschaft Friedewald verwaltet.

Das Unterdorf breitete sich rechts der Heller aus, gehörte zu der Herrschaft Freusburg und war dem Kirchspiel Kirchen zugeteilt.

Der Siegener Dr. Wilhelm Güthling veröffentlichte 1962 eine Arbeit von Johann Heinrich Lamprecht aus dem Jahre 1741, in welcher er die Ortschaften in den Ämtern Freusburg und Friedewald beschreibt. Über Herdort rechts der Heller (das Unterdorf) ist folgendes zu lesen:

Gr,,Herdorf ist teils Freusburgisch, teils Friedewäldisch. Die Jurisdiktion von Freusburg und Friedewald scheidet ein Fluß, die Sottersbach genannt.

Zur Freusburgischen Seite gehören 54 Räuche, haben an Acker und Wiesen 275 Morgen, schöne Hauberge, 1 Std. im Revier, grenzt an den Freien Grund und fließt durch das Dorf ein Fluß, die Heller genannt, so etwas Weißfische enthält, und worin sich erstgedachter Fluß die Sottersbach ergießt, hat Eisenbergwerke, die Bolmich und Grubestadt genannt, geben aber keine Ausbeute. Die Einwohner sind Berg- und Ackerleute, auch etliche Wirte, meistenteils katholischer Religion.

Das links der Heller liegende Oberdorf und Königsmauer beschreibt er folgendermaßen:

,Herdorf ist, wie bereits in der Beschreibung Kirchspiels Kirchen gedacht, teils Freusburgisch, teils Friedewäldisch und scheidet beide Ämter die Sottersbach und Königsmauer.

Zu dem Amte Friedewald und Kirchspiel Daaden gehören 14 Räuche, hat wenig Ackerfeld und Wiesen aber destomehr holzwächsiche Hauberge, hat Waldung 1) die Struth, 2) die Feldwiese, 3) die sämtlichen Struth, 4) den Berg Stahlert, 5) Ziegenberg, 6) die Hardt, 7) die Hasse.

Nebst diesem hat es einen Fluß, die Sottersbach, hat eine Kapelle und Kirchhof, worin die Lutherischen allein den Gottesdienst haben, ist ein Grenzdorf und stößt etwa eine viertel Std. an den Seelbachichen und, hat zwei Erz- oder Kupferwerke in seiner Gemark, die alte und junge Malscheid, so beide in Zubuße stehen und auf dem nächst dem Seelbachischen Kippel stehenden Berge liegend, ingleichen ein Eisensteinberg, der Wolf genannt, so sich frei treibt

Die Einwohner nähren sich von Ackerbau, Berg- und Hüttenwerk, sind meistenteils katholischer Religion und hat eine herrschaftliche Mühle und eine Privat-Eisenhütte. "Unter ,,Räuchen" sind die Schornsteine zu verstehen; oft aber rauchte für zwei Haushalte in einem Haus nur einer, weil nämlich die Steuer auf die Anzahl der Räuche erhoben wurde, leiteten die Leute ihre Herd- und Ofenrohre in einen gemeinsamen Schornstein, um die Steuer für einen Rauch zu sparen. Aus diesem Grunde waren die Zweifamilienhäuser in der Firste geteilt, was an etlichen der alten Häuser heute noch zu sehen ist. Anhand einer Liste an das hochfürstliche Amt Friedewald der Königsmaurer Gemeinde sowie der Bewohner des links der Heller liegenden Oberdorfs über das im Herbst 1772 eingebrachte Korn, bekommen wir eine kleine Vorstellung über die Größe der Ortschaften vor 215 Jahren.

Wenn man davon ausgeht, daß jeder Haushalt in diesem Jahr Korn geerntet hat, haben wir zum erstenmal eine Aufstellung aller Haushalte der linken Hellerseite in Herdorf. Obwohl schriftliche Belege aus der Zeit der Landnahme der Frankenkönige fehlen, geben doch die Bodenfunde der einzelnen Siedlungen sowie die Namen der Verteidigungsanlagen sichere Auskunft darüber, daß der Herdorfer Raum schon über 2000 Jahre besiedelt ist.

Die Archäologen aus Koblenz kommen gern nach Herdorf, um die Siedlungen sowie die Bodenfunde aus der Eisenzeit zu besichtigen; und immer wieder bewundern Fachleute anhand der gefundenen Waffen und Geräte die Schmiedekunst der Eisenleute vor über 1000 Jahren.

Vermutlich hat die Gemeinde rechts der Heller im selben Jahr auch eine Kornliste aufgestellt und dem für sie zuständigen Amt in Freusburg übergeben. Leider ist diese bisher nicht aufgetaucht; sie würde eine Lücke in der Herdorfer Geschichte schließen, sollte sie einmal gefunden und veröffentlicht werden.

Die Königsmauer umschließt in einem gleichschenkeligen Dreieck auf einer Spornlage das Gelände der Kirche. Der Name Königsmauer, sowie die Bauart der Anlage, deuten daraufhin, daß hier eine Karolingische Curtis (fränkische Straßensicherung) gebaut wurde. Mit dem Bau dieser Befestigungsanlage sicherten die Frankenkönige die Bevölkerung vor kriegerischen Angriffen. Daß im Bereich der Königsmauer eine Hütte betrieben wurde, bestätigten eindeutig die noch vorhandenen Reste grober Ofenschlacke.

Auch ist sie in der von Dr. Paul Fickeler 1954 veröffentlichten Karte über Hütten und Hämmer im 15. Jahrhundert, die dieser anhand der ältesten Katasterkarten und Renteiverzeichnisse erstellt hat, eingezeichnet (die ebenfalls eingezeichnete Sottersbach heißt hier noch ,,Suderbach"). Ob das Gebläse für die Hütte mit Wasserkraft in Gang gesetzt oder ob ein Tretgebläse benutzt wurde, wie z.B. hei der Hütte, die bis zum Dreißigjährigen Krieg an der oberen Sottersbach betrieben wurde, ist nicht mehr festzustellen, weil diesbezügliche Anhaltspunkte fehlen. Daß die Hütte an der oberen Sottersbach mit einem Tretgebläse ausgerüstet war, ist durch eine urkundliche Zeichnung aus dieser Zeit nachgewiesen.

Die erste Wasserleitung, welche die Königsmauer mit Wasser versorgte, wurde zum Teil bei Ausschachtungsarbeiten in der Furth der Sottersbach unterhalb der alten Knabenschule gefunden. Dieser Fund bestand aus zwei ausgehöhlten Baumstämmen, die mit einem Stück Eisenrohr verbunden und mit Lehm abgedichtet waren.

Bei Erdarbeiten in einem Haus der Königsmauer wurden verschiedene Kulturschichten aus der Vergangenheit sichtbar. Unter dem Brandschutt aus dem Dreißigjährigen Krieg fand man Werkzeug aus Eisen sowie Gefäße und Knochen, die aus der Karolingerzeit stammen. In einem zweitem Raum lagerte nur Holzkohle und in einem weiteren gemischte Erze, wie Glaskopf- und Brauneisenerz. Vermutlich hat hier jedes Haus auf eigene Rechnung in einem gemeinsamen Schmelzofen ihr Erz verhüttet (die gesicherten Bodenfunde sind zum Teil im Herdorfer Heimatmuseum zu besichtigen).

Nachtrag: Zu dem heutigen, modernen Herdorf finden Sie Informationen auf der Homepage der Stadt Herdorf.

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