(von Karl Anhäuser)
Die Wied als rechtsrheinischer Nebenfluß des Rheins gehört zu den größeren Wasserläufen des Westerwaldes. Die Wiedquelle befindet sich am nördlichen Ortsrand von Linden.
1762 schreibt ein Chronist:
...Von mehrerem Belange ist die Wiedbach. Diese hat ihren Ursprung in dem Dreifelder Walde, fließet durch Dreifelden durch den großen Weier und ergießt sich nach einem großen Umlauf durch das Altenkirchensche und Churkölnische eine Viertelmeile unter Neuwied in den Rhein, nimmt also in dem Wiedischen ihren Anfang und endigt in demselben...
Betrachtet man den Verlauf der Wied von der Quelle bis zur Mündung mal etwas genauer, so sind es doch etliche Siedlungen, durch die bzw. dicht vorbei die Wied fließt: Linden, Dreifelden, Schmidthahn-Neumühle, Steinebach, Wied, Höchstenbach, Winkelbach, Marzauer Mühle, Hanwerth, Borod, Ober- und Niederingelbach, Widderstein, Michelbach, Altenkirchen, Leuzbach, Almersbach, Bergenhausen, Schöneberg, Fladersbach, Neitersen bzw. Neiterschen, Kahlhardt, Obernau, Strickhausen, Berzhausen, Bettgenhausen, Seelbach, Seifen, Döttesfeld, Oberlahr, Burglahr, Peterslahr, Mettelshahn, Neustadt, Reeg, Krummenau, Panau, Steeg, Wiedmühle, Kodden, Ober- und Niederhoppen, Sengenau, Alsau, Arnsau, Ober- und Niederbuchenau, Roßbach, Lache, Waldbreitbach, Hausen, Niederbreitbach, Bürder, Clemenshütte, Datzeroth, Laubachsmühle, Altwied, Segendorf und Irlich.
Ob entlang der gesamten Strecke der Wasserlauf überall und zu jeder Zeit Wied genannt wurde, muß bezweifelt werden, zumindest was den oberen Verlauf angeht. Eine diesbezügliche genaue Untersuchung anhand urkundlicher Quellen fehlt leider noch.
Als ein interessantes Beispiel für einen häufigen Namenswechsel von Wasserläufen soll hier eine Beschreibung des Holzbachs folgen, der ebenfalls an der Westerwälder Seenplatte entspringt und später bei Döttesfeld in die Wied mündet. Diese Beschreibung erfolgte 1769 auf Anordnung der Dierdorfer Landesherrschaft und wurde von dem Freirachdorfer Schultheiß Öttgen vorgenommen:
...Der Bach kommt aus dem Schön Erler Hofweyer und fließt von da auf die nicht entfernte sogenannte Kauten=Mühle, woselben sie die Hofbach genennet wird. Unterhalb besagter Mühle fließ sie bis bey Hartenfels. Hier heißt sie die Mylinger Bach, und die in der Gegend daran gelegenen Wiesen werden ebenfalls die Mylinger Wiesen genannt. Von Hartenfels bis Herschbach bekommt sie den Nahmen Wiedbach und bey Herschbach nennt man sie Niederbach, unterhalb Herschbach durch Freyrachdorf bis an die Marienhauser Terminey hat sie wieder den Nahmen Wiedbach, in der gantzen Marienhausener Gemark heißt sie die Holzbach, welches vermutlich daher kommt, weilen die von der Kuh=Heck kommende sogenannte Sauerbach, welche von denen Churtrierischen die Holzbach genennet wird, sich an dem Ort, wo die Marienhauser und Manrother Gemark anfängt, sich in die hiesige Bach ergießt. Bey der sogenannten Purr=Mühle zu Brückrachdorf, Giershofen, Dierdorf, Raubach, Puderbach und Reichenstein fließ der Bach vorbei und vereinigt sich ohnweit Döddesfeld mit der eigentlichen Wiedbach, welche ihren Lauf durch das Saynische hat...
Wie man sieht, wurde auch der Holzbach in früher Zeit teilweise Wiedbach genannt. In anderen alten Urkunden findet man für den heutigen Holzbach auch die Namen Holzwede oder Holzwiedbach, vielleicht zur Unterscheidung von der größeren Wied. Die älteste urkundliche Überlieferung findet man 1255 in der Form ...in parrochia Puderbag super aquam dictam Holzwide...
Die Frage, woher die Wied ihren Namen hat, ist in der Vergangenheit mehrmals aufgeworfen , aber bisher in der Forschung nicht einheitlich beantwortet worden.
Hans BAHLOW - Deutschlands geographische Namenwelt - Frankfurt 1965
- Seite 537 - sieht in der Wied einen prähistorischen-vorgermanischen Flußnamen, der seiner Meinung ursprünglich aus einem Sumpf- und Moorwasser hervorgegangen ist. Als Bekräftigung seiner These zählt er einige andere historische Wassernamen auf, die eine Vorsilbe Wid- führen.Henning KAUFMANN - Rheinische Städtenamen - München 1973 - Seite 221
- deutet die Wied als Waldbach, wobei er eine unbezeugte Urform *Widaha voraussetzt, zu ahd. Witu, Widu, mhd. Wite ‘Wald, Holz’.Werner METZLER - Die Ortsnamen des nassauischen Westerwaldes - Marburg 1966 - Seite 165 -
setzt die Wied mit ahd. Wida, mhd. Wide ‘Weide, salix’ gleich. Zu diesem Wortstamm gehört auch mundartlich Witt, die biegsame Weidengerte.Ich schließe mich der Deutung KAUFMANNS an und zwar im Sinne von ‘Bach, der aus dem Holz’ (= Niederwald) kommt. Für die Namengebung wird wohl erst der Verlauf nach dem Dreifelder Weiher entscheidend gewesen sein.
Urkundlich liegt uns mit Uuida bzw. Vuida (lies Wida) aus dem Jahre 857 die älteste geschriebene Form für die heutige amtliche Schreibweise Wied vor. In der Folgezeit, etwa ab dem 11./12. Jahrhundert, erscheint der Name der Wied häufiger in der urkundlichen Überlieferung, meist als Wide, Wede oder Wyde. Manfred FAUST - Rechtsrheinische Zuflüsse zwischen den Mündungen von Main und Wupper - Wiesbaden 1965 - Seite 89 - bringt dazu eine große Zahl von Beispielen.
Im heimischen Dialekt wird die Wied Wittbaach genannt.
Für einige Siedlungsnamen im Westerwald wurde die Wied zur Namensgebung herangezogen:
Dies ist zunächst Altenwied bei Neustadt - 1187 Wede, 1248 Wide, 1367 Aldenwiede, 1403 Altenwede, 1722 Altenwied, in den Urkunden genannt. Primär wurde nur die Burg so genannt, später auch die Siedlung zu Füßen der Burgruine. Die Burg, ursprünglich Bilsteiner Besitz, kam im 12. Jahrhundert an die Landgrafen von Thüringen, dann als Erbteil, zusammen mit der Neuerburg, an die Gräfin Mechthild von Sayn, die beide Burgen 1250 dem Kölner Erzstift übertrug. Altenwied wurde dann kurkölnischer Amtssitz. Die Burg, heute Ruine, liegt auf einem dreieckigen Plateau, daß auf zwei Seiten von der Wied umflossen wird und steil in deren Tal abfällt.
Es wird angenommen, daß die Burg bereits im frühen 12. Jahrhundert, also um das Jahr 1100, gebaut wurde, auf jeden Fall vor der zweiten Burg Wied (später Altwied genannt) am unteren Wiedbach.
Zu Altenwied gehörte früher auch eine Mühle, etwas oberhalb an der Wied gelegen. Daraus ist eine kleine Siedlung namens Wiedmühle entstanden.
In einer vor dem Jahr 1139 gefälschten Urkunde wird für das Jahr 1093 ein castrum Wide genannt, das spätere Altwied. Die erste sichere Erwähnung dieser Burg, damals Widhe geschrieben, stammt aus dem Jahr 1129. Es muß angenommen werden, daß die Burg erst kurz vor 1139 gebaut wurde, als Mittelpunkt einer Grafschaft. Auch hier wurde der Name der Wied auf die Burg übertragen, gleichzeitig als Benennung für das neugeschaffene Territorium der Grafschaft Wied.
Bei der Burg bildete sich eine Siedlung, die eine gehobene Stellung besaß, 1595 als Flecken genannt: Schloß, Flecken und gantzer Burgfrieden zu Wied.
In der urkundlichen Überlieferung finden wir folgende Formen für (Alt-) Wied: 1326 Weydt, 1327 inferior Wyede, 1331 Nydderwydde, 1337 Nederyn Wede, 1429 Weda, 1492 Wied im Tal, 1533 Altenwidde, 1535 Widde, 1664 Gräffenwied, 1671 Gravenwiedt, 1693 Gräwenwied und seit etwa 1768 Altwied.
Die Burg liegt auf einer Bergzunge, die nach Osten steil abfällt und an drei Seiten von der Wied umflossen wird.
Altwied wird in der heimischen Mundart Aalwi´tt gesprochen, also mit Endbetonung; das vorgesetzte Attribut "Alt" bleibt nebentonig.
Neuwied, die heutige Kreisstadt, ist eine noch junge Siedlung, erst etwa 350 Jahre alt. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde der Ort Langendorf wüst, d.h. die Siedlung verschwand vollkommen. Nur wenige Jahre nach Kriegsende gründete der regierende Graf Friedrich zu Wied innerhalb der Gemarkung der geschleiften Siedlung Langendorf einen neuen Residenzort mit dem kaiserlichen Privileg von 1653, den "Ort und Platz Newen Wiedt zu einer Stadt zu machen". Neben dem "Hauß Newen Wied" (= Schloß) entstand eine Siedlung, die als junge Stadt "Neuenwiedt" rasch aufblühte. Bis 1806 war sie zunächst die Hauptstadt der "unteren Grafschaft Wied" und dann des Fürstentums Wied-Neuwied. Im 19. Jahrundert wuchs Neuwied mit dem benachbarten Heddesdorf zusammen.
Neuwied hat also seinen Namen zur Unterscheidung von Altwied erhalten.
Mundartlich spricht man von Näiwítt, also auch mit Endbetonung, und noch heute werden die Neuwieder in den Nachbarorten scherzhaft als Näiwi´dder Schärjer bezeichnet.Schärjer ist das Dialektwort für den, der eine Schubkarre, eine Schürreskarre - mundartlich Schärskaa - vor sich her schiebt.Vor etwa 100 Jahren waren solche Karren das Hauptarbeitsgerät der Neuwieder zum Be- und Entladen der Rheinschiffe.
Schließlich gibt es am Oberlauf noch die gleichnamige Siedlung Wied, die urkundlich 1461 mit Wide, 1534 mit Wyede und 1579 mit Wiedt überliefert ist. Auch hier wurde der Name des Wasserlaufs zur Siedlungsbenennung herangezogen. Die Siedlung dürfte im 11./12. Jahrhundert entstanden sein. Ein Großteil der südwestlichen Gemarkungsgrenze - also nach Höchstenbach hin - bildet sie Wied.
In der örtlichen Mundart sagt man zu Wied Witt.
Auch bei Widderstein, Gemeinde Michelbach, scheint die Wied bei der Namengebung eine Rolle gespielt zu haben, denn anders ist der Anlaut Widd- nicht zu deuten. Leider liegen mir keine älteren Überlieferungen des Ortsnamens vor, so daß hier auf eine Deutung verzichtet werden muß.
Der Name Wiedischhausen, Gemeinde Elgert, weist darauf hin, daß der Ort früher mal zur Grafschaft Wied gehörte.Ursprünglich gab es dort zwei Hausen-Siedlungen, die durch Zufügen von Wiedisch und Marien unterschieden wurden. Auch hier liegt Endbetonung vor, wodurch Wiedischháusen und Marienháusen gesprochen wird.
Abschließend sei noch angemerkt, daß in einigen Gemarkungen entlang der Wied auch Flurnamen mit den Namen Wied oder Wiedbach erscheinen.
Wer zu diesem Thema irgendwelche Fragen hat, dem stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung. Hier meine Email-Adresse: karl.anhaeuser@t-online.de
Karl Anhäuser