Wassermühlen in der Kroppacher Schweiz

Heute klappert keine mehr am rauschenden Bach

Dieter Trautmann

Veröffentlicht in: "Wäller Heimat" - Heimatbuch des Westerwaldkreises Jahrgang 1987

(hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Westerwaldkreises)

Es gab in der Kroppacher Schweiz Getreide-, Öl-, Knochen-, Schneid-, Loh- und Walkmühlen. Auch die Hammerwerke und Drahtzüge gehörten dazu. Alle diese wassergetriebenen Werke bildeten jahrhundertelang die einzigen Maschinen in unserem Raum.

Zudem ist uns das tägliche Brot so selbstverständlich geworden, daß wir nicht mehr darüber nachdenken, woher der Grundstoff, das Mehl, eigentlich kommt. In erster Linie hängt das mit dem Verschwinden unserer Kleinmühlen zusammen. Zumeist sind die Gebäude wohl noch vorhanden, doch das alte, vielbesungene Mühlrad dreht sich nicht mehr. So schwindet langsam auch das Bewußtsein für diesen Handwerkszweig.

Die Vorläufer der Wassermühlen

Das Zerstampfen des Getreides in Mörsern war sicherlich die älteste Form der Mehlherstellung. Die ersten Handmühlen bestanden aus zwei losen Steinen. Auf einem großen Stein wurde das Getreide mittels eines kleineren Steines zu grobem Mehl zerrieben. Diese einfachen Mühlsteine, wegen ihrer Form auch Napoleonshut genannt, sind auch im Westerwald gefunden worden und im Landschaftsmuseum in Hachenburg ausgestellt. So fand Hugo Seeger 1961 in der Gemarkung Oberwambach einen dieser Steine, der etwa in die Zeit 400-100 v. Chr. einzuordnen ist.

Aus der gleichen Zeit stammt eine Weiterentwicklung der Handmühle, die Pendelmühle. Auf einem Bodenstein wird durch ständige Pendelbewegung ein Läuferstein durch menschliche Kraft bewegt. Zwischen den Steinen wird das Getreide zu Mehl zerrieben. Ein Exemplar, das ebenfalls im Landschaftsmuseum zu besichtigen  ist, fand 1935/36 Hauptlehrer Lücker bei Weitefeld.

Die Fortentwicklung dieser Mühlen führte zu den von Eseln oder Pferden gezogenen Göpeln, auch Roßmühlen genannt. Sie fanden hauptsächlich dort Anwendung, wo es an Wasserkraft mangelte. Die Roßmühlen gab es noch bis ins 20. Jahrhundert.

Die wassergetriebenen Mühlen

Die erste vom Wasser angetriebene Getreidemühle soll um das Jahr 88 v. Chr. in Kleinasien gestanden haben. In Deutschland sind Wassermühlen erstmals aus dem Jahre 370 v. Chr. im Moselgebiet nachweisbar. Diese ersten Mühlen waren unterschlächtig, so bezeichnet, weil das Wasser von unten an das Mühlrad anschlug. Die Drehung des Mühlrades wurde also durch die Strömung des Wassers bewirkt.

In dieser Frühzeit der aufkommenden Wassermühlen stand es nach der damaligen Rechtsauffassung noch jedem frei, auf seinem Grund und Boden eine Mühle zu errichten. Allerdings durfte durch den Mühlenbau niemand geschädigt werden. Um die Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert trat erstmals eine, dem späteren Mühlenbann ähnliche, grundherrliche Maßregel auf.

Die ersten Mühlen in der Kroppacher Schweiz wurden von den Grund- und Landesherrn errichtet, zumal der Bau einer Mühle mit erheblichen Kosten verbunden war. Denn zum Bau waren sicherlich fremde und teure Fachleute nötig. Die neue Mühle wurde dann in eigener Verwaltung betrieben oder verpachtet. So kennt das Mittelalter als Besitzervon Mühlen nur weltiche oder geistliche Grundherren. Zu größerem Grundbesitz gehörte an Zubehör auch eine Mühle. Diese ersten Mühlen waren sogenannte Bannmühlen. Dies bedeutete, daß die Errichtung weiterer Mühlen im Bannbezirk nicht erlaubt wurde und die zu dieser Mühle gebannten Orte nur in dieser Mühle mahlen lassen durften. Übertretungen des Bannrechts wurden hart bestraft. Dieser Bannzwang wurde 1158 als Mühlenregel des Reiches von Kaiser Friedrich Barbarossa festgeschrieben, das die Errichtung von Mühlen als alleiniges Recht dem Grundherrn überließ. Auch das fließende Wasser gehörte zum Recht des Landes­ oder Grundherrn, der es gegen eine Gebühr, den Wasserlaufzins, den Müllern verpachtete. Desweiteren waren die Mahlgäste oft zu Frondiensten, unbezahlter Arbeit an der Mühle, verpflichtet. Dazu gehörten z.B. das Anfahren von Bauholz, das Bauen von Dämmen, das Reinigen des Mühlgrabens u.a.

Im 14. Jahrhundert baute man die ersten oberschlächtigen Mühlen, die zum Betrieb ausreichend Wasser und ein genügend großes Gefälle nötig hatten. Die Drehung des Mühlrades bewirkte jetzt das von oben auf das Rad stürzende Wasser. Oft wurde auch das Wasser in einem größeren Mühlteich oder Mühlgraben in Zeiten, da nicht gemahlen wurde, gesammelt, um später zum Mahlen genügend zur Verfügung zu haben.

Die ersten Getreidemühlen in der Kroppacher Schweiz

Man kann davon ausgehen, daß schon zu Zeiten der Grundherrschaft Nister im 12. Jahrhundert unser Gebiet in Bannbezirke mit den dazu nötigen Mühlen aufgeteilt war. Die Mühle, die aus diesem Gebiet zuerst genannt wurde, ist die Nistermühle. Aus ihr und aus der Freiheitsmühle am Rotenbach schenkt Graf Heinrich III. von Sayn 1234 dem Kloster Marienstatt jährlich 20 Malter Korn (W. H. Struck: Das Cistercienserkloster Marienstatt im Mittelalter, Nr. 25). Die Nistermühle war Bannmühle für Altstadt, Hachenburg, Müschenbach und Nister. Über 100 Jahre später, im Jahre 1346, wurde erstmals die Heuzerter Mühle erwähnt, als Graf Johann von Sayn diese Mühle mit allem Zubehör dem Kloster Marienstatt schenkte (Struck Nr. 426). Zu dieser Mühle waren gebannt die Orte Astert, Ehrlich, Giesenhausen, Heimborn, Heuzert, Kroppach, Kundert, Limbach, Marzhausen, Mörsbach, Streithausen und die Höfe Lauterbach und Lützelau. Die dritte Bannmühle, die Mühle zu Luckenbach, erscheint zuerst 1414 in Urkunden (Struck Nr. 808). Zu ihr gehörten die Orte Atzelgift, Hommelsberg, Kotzenroth (Rosenheim), Luckenbach und Steineberg. Zu einer vierten Bannmühle, der Mühle zu Helmeroth, gehörten die Ortschaften Alhausen, Altburg, Burbach, Stein, Wingert und weitere Orte im jetzigen Kreis Altenkirchen. Als fünfte Mühle kam die Mühle im Kloster Marienstatt dazu, die aber nur für den Eigenbedarf betrieben wurde.

So lag also unser Gebiet im Bannbezirk von vier Mühlen. Dieses System der Bannbezirke funktionierte bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Im Jahre 1574 erhielten die von Holdinghausen die Genehmigung, in der Nähe ihres Hofes Lützelau eine Mühle zu erbauen. War diese Mühle sicherlich in erster Linie für den Eigenbedarf gedacht, schadete sie doch auch der Bannmühle zu Heuzert. Dies resultierte insbesondere aus den nach der Reformation (1560) - etwa im Jahre 1560 - auftretenden Spannungen und Differenzen zwischen den Grafen zu Sayn und dem Kloster Marienstatt. Das Kloster wehrte sich energisch gegen diesen Mühlenbau.

In dieser Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts war das Müllerhandwerk sehr in Verruf geraten. Dies lag aber nicht nur an den Müllern allein, die Zeitverhältnisse mit einem allgemeinen Sittenverfall waren Mitursache. Zum unrechten Moltern, erhöhtem Abzug des Mahllohnes, ließen sich viele Müller hinreißen, so daß viele Streitigkeiten zwischen Müllern und Bauern Anlaß zu Beschwerden gaben. Der Ruf der Müller war kein guter, ja die Müllerei galt als unehrlicher Berufsstand und durfte auch keiner Zunft angehören. Aus dieser Zeit stammt das Sprichwort: »In der Mühle ist das Beste, daß die Säcke nicht reden können».

Als einzige Verbesserung fällt in diese Zeit die Mechanisierung des Sichtvorganges durch Einführung des mit dem Mahlwerk verbundenen Beutelzeuges. Im Beutelzeug wurde das Mehl von der Kleie abgeschieden.

An Mühlenverordnungen findet sich aus saynischer Zeit nichts. Anscheinend war dies alles so selbstverständlich, daß neue Verordnungen nicht nötig waren. Einzig in Waldordnungen finden sich die Mühlen betreffende Artikel. In der umfangreichen Waldordnung des Grafen Adolph von Sayn vom Jahre 1565 wurde den Müllern untersagt, Holz zum Bau der Mühlenteiche zu verwenden. Und in der Waldordnung von 1739 wurde verordnet, Mühlgräben und Dämme mit Weiden zu bepflanzen.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts erbaute man in der Gemarkung Atzelgift eine neue Mühle, die jetzt nur noch die Orte Atzelgift, Luckenbach und ein Teil von Hommelsberg versorgte. Kotzenroth, Steineberg und der restliche Teil von Hommelsberg lagen jetzt in der abgetrennten Grafschaft Sayn-Altenkirchen. Und eben auch aus diesen Gründen wurde 1744 in Stein eine herrschaftliche Bannmühle errichtet. Die bisher zur Helmerother Mühle, jetzt ebenfalls in der Grafschaft Sayn-Altenkirchen, gebannten Orte erhielten nun ihre eigene Mühle.

Im 18. Jahrhundert war die Bevölkerung stark angestiegen und der Feldbau hatte sich dadurch auch auf die entlegenen Außenbezirke der Gemarkungen ausgedehnt. Doch war durch Einführung der Kartoffel der Getreideanbau zurückgegangen, so daß es den Müllern nicht besonders gut ging. Auch in der Ausübung der Landwirtschaft waren diese eingeschränkt, zumindest in der Viehhaltung. Der Müller sollte nicht in Versuchung geraten, die Früchte der Bauern an sein Vieh zu verfüttern.

Die Müllerei im Herzogtum Nassau

Nachdem im Jahre 1803 das Kloster Marienstatt aufgehoben und dessen Besitzungen eingezogen wurden, kam auch die Heuzerter Bannmühle unter herrschaftliche Verwaltung.

Eine Anfrage der Herzoglichen Hofkammer zu Weilburg im Jahre 1808 nach einer Mühlenordnung wurde vom herzoglichen Amt in Hachenburg dahingehend beantwortet, daß man von einer Mühlenordnung nichts wisse. Diese Anfrage bezog sich auch auf die übrigen Verhältnisse der Mühlen, insbesondere auf den Mahlmolter, ob geschrotet oder gebeutelt wird, ob eine Waage vorhanden sei und ob sonst Nachteile für die Mahlgäste und die Müller zu beseitigen wären. Der Mahlmolter betrug im Jahre 1808 1/18 von der zu mahlenden Frucht. Allein der Müller zu Stein erhielt 1/16. Mit Ausnahme der Nistermühle wurde in allen Mühlen nur geschrotet. Allein der Nistermüller durfte feineres, gebeuteltes Mehl herstellen. Waagen gab es noch in keiner Mühle. Allgemein war es üblich, daß man den Bedarf von acht bis vierzehn Tagen zum Mahlen in die Mühle brachte und man darauf warten konnte, das gemahlene Gut wieder mitzunehmen (Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 224, Nr. 3972).

Neben den Angaben zu vorgenannter Anfrage machte das Herzogliche Amt in Hachenburg auch einige Vorschläge für eine neue Mühlenordnung: Steht eine Mühle still, bei Reparaturen oder Wassermangel, hat der Mahlgast, bei fünf Gulden Strafe und Ersatz des Molters, drei Tage zu warten. Alsdann steht es ihm frei, auf einer anderen Mühle des Amts mahlen zu lassen. Alle zum Mahlen gebrachten Früchte müssen auf Verlangen des Mahlgastes vom Müller gewogen werden, so daß für jede Mühle eine Waage anzuschaffen sei. Und: »Alles in der Mühle gebracht werdende Gemäße (Maße) muß vom Gerichtsschöffen Fischer aus Hachenburg geeicht sein, besonders der Trichter und das Moltermaß, welche beide an zwei Seiten, das letztere auch oben und unten, mit Stiften versehen sein müssen, bei 10 Gulden Strafe.«

Weiter »sei das Vermischen des Mehls mit Sand bei fünf Gulden Strafe jedem Müller zu verbieten und zu verordnen, daß der Müller den Läuferstein, um das Reiben der Steine zu verhindern, gehörig stellen, auch nach dem Schärfen der Steine die zwei erstmal seine eigene Frucht mahlen müßte«.

Auch soll die Mühle immer reinlich und sauber gehalten werden, Federvieh und Spinngewebe haben da nichts zu suchen. Um dies alles zu überwachen, wären im Amt Hachenburg zwei Sachverständige nötig, die jährlich zweimal die Mühlen visitieren und alle Mängel dem Amt melden sollen (HHSTAW, Abt. 224, Nr. 3972).

Die Mahlordnung vom Jahre 1829

Eine Mahlordnung für das gesamte Herzogtum Nassau wurde im Jahre 1829 erlassen (Verordnungsblatt 1829). Diese Mahlordnung bezog sich auch auf die Verordnung über die Gewerbefreiheit vom Jahre 1819, und man muß feststellen, daß der Bannzwang nicht mehr so streng geübt wurde. Diese neue Ordnung bestimmte auch, daß der Molter oder Mahllohn der freien Übereinkunft zwischen Müller und Mahlgast überlassen wurde. Allerdings wurde als Höchstsatz nicht mehr als 1/16 des angelieferten Getreides oder die entsprechende Bezahlung in Geld festgesetzt. Ausgenommen wurden nur die alten Bannmühlen, die weiterhin den bisherigen Molter fordern durften.

Und damit alles ordentlich zuging, mußte ab sofort in jeder Mühle eine Waage mit den dazu nötigen Gewichten vorhanden sein. Über das Abwiegen der Früchte hatte der Müller einen Wiegeschein mit der Angabe des Gewichts, der Gattung und der Güte der Frucht und des Datums der Annahme auszustellen. Da jedoch die Güte der Getreidefrüchte jährlich schwankte, und um die Bevorteilung einer Seite zu verhindern, sollte jedes Jahr neu durch Mahlproben das Verhältnis Frucht zum Mahlprodukt durch Sachverständige festgesetzt werden. Weiter durfte der Müller das von verschiedenen Mahlgästen gebrachte Getreide nicht untereinander mischen. Auch mußte er darauf achten, daß keine Verunreinigungen im Getreide vorhanden waren. § 18 letztlich bestimmte dann: »Auf Getreidemühlen ist es untersagt, Tabak, Gips oder andere, der Gesundheit oder dem Geschmack nachteilige Materialien zu vermahlen«. Die Bannmüller wurden aufgefordert, wenn sie mehr als den gesetzlichen Molter erhielten, dieses Recht mittels Erbeihbrief zu belegen.

Die weitere Lockerung des Bannzwangs

Wie vorher schon erwähnt, brachten das Gesetz über die Gewerbefreiheit von 1819 und die Mahlordnung von 1829 eine gewisse Lockerung in den alten Bannzwang. So konnte im Jahre 1833 Jacob Kempf den Drahtzug in Streithausen in eine Mahl- und Ölmühle umwandeln. Ebenso erhielt Daniel Jung von Heuzert 1835 die Genehmigung, daselbst eine neue Mahl- und Ölmühle zu erbauen, trotz Protesten der alteingesessenen Bannmüller zu Stein, Lützelau und Heuzert (HHSTAW, Abt. 224, Nr. 3776).

Und im Jahre 1850 wußten z.B. die Bürgermeister von Astert und Kundert nichts mehr von bestehenden Bannrechten. Bürgermeister Weyer von Kundert: »In hiesiger Gemarkung ist keine Mühle, und die Gemeinde dahier ist auch nicht bei eine Mühle gebannt, sondern jedem Bürger steht es frei seine Frucht mahlen zu lassen wo er will.« Bürgermeister Kempf von Astert:

»... auch ist keine Mühle in auswärtiger Gemarkung, die etwa ein Bannrecht in hiesiger Gemeinde besitzt« (HHSTAW, Abt. 224, Nr. 3405). Die Reste des alten Bannrechts abzuschaffen, wurde allerdings noch nicht verwirklicht. Doch war dies kein Hindernis für die Zulassung weiterer Mühlen, so z. B. in Limbach und Luckenbach.

Mit einer weiteren Verordnung wurde im Jahre 1855 die Wasserlaufabgabe (Wasserlaufzins) neu geregelt. Normale Mühlen hatten dann pro Wassergang mindestens zehn, höchstens aber 20 Gulden jährlich zu entrichten. Bei Öl-, Schneid- und Lohmühlen von unbedeutender Wasserkraft konnte diese Abgabe bis auf zwei Gulden herabgesetzt werden.

Diese Wasserlaufabgabe wurde nach 1866 unter Preußischer Verwaltung abgeschafft. Die Müller wurden durch Zahlung einer einmaligen Ablösesumme von dieser Abgabe befreit. Ebenso schaffte man die letzten Reste des Bannrechts ab, das ja eigentlich nur noch auf dem Papier bestand. Auch bestehende Frohnden, z.B. die Verpflichtung der zur Mühle gebannten Gemeinden, das Brand- oder Bauholz dem Müller zu stellen, wurde ebenfalls durch Ablösungsverträge geregelt.

Die Einführung des Walzenstuhls

Die wichtigste Neuerung in der Mühlengeschichte war um 1880 die Einführung des Walzenstuhls mit all seiner dazugehörigen Technik. Seit dem Mittelalter hatte die Müllerei mit dem alten Prinzip der zwei Mühlsteine Getreide gemahlen, und plötzlich war alles anders. Dazu kam noch, daß große Mühlen mit Dampfaniagen betrieben wurden. Gegenüber diesem Fortschritt in der Technik, die natürlich eine Kostenfrage war, mußten die ersten kleinen Mühlen ihren Betrieb einstellen. Der Gesetzgeber förderte zudem die großen Mühlen. In dieser prekären Lage schlossen sich die Müller im Oberwesterwald zu einer Innung zusammen und im Deutschen Reich fand ein Zusammenschluß im Deutschen Müllerbund statt.

Doch die Lage der Kleinmühlen ver­schlechterte sich zusehends, zumal auch die Getreideeinfuhren die großen Mühlen begünstigten. Der Stopp dieser Einfuhren und die Förderung des eigenen Getreide­anbaus ließen viele Müller wieder aufatmen. Die wirtschaftlichen Maßnahmen im I. Weltkrieg steigerten sogar die Mühlenkapazität, die durch die Elektrifizierung noch verstärkt wurde. Die Mühlen waren aller­dings nicht mehr ausgelastet, und es kamen schon um 1930 Pläne auf, diese Überkapazitäten drastisch zu verringern. Doch die Getreidemarktordnung des Dritten Reiches, die Produktions- und Preisvorschriften sorgten dafür, daß alle Mühlen, obwohl sie nur halb ausgelastet waren, ihr Auskommen hatten. Die Kontigentierung beseitigte die Überproduktion, und die Typenbeschränkung auf einige Standardmehle machte mit dem Vielerlei von Mehlsorten ein Ende.

Der Niedergang unserer Kleinmühlen

In den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren, als die großen Mühlen zerstört waren oder stillagen, war man froh, daß es noch kleine Mühlen gab. Zu dieser Zeit herrschte in unseren Mühlen Hochbetrieb. Doch der Vorsprung, den die Kleinmühlen hatten, schmolz mit dem Einsetzen des Wirtschaftswunders schnell zusammen, und es folgte ein rascher Niedergang. Die Modernisierung der Großmühlen und die dadurch kostengünstigere Vermahlung machte die Fortführung von Kleinmühlen völlig unrentabel. Sie hatten die Kleinmühlen bald überholt und waren in der Mitte der 50er Jahre wieder marktbeherrschend. Dazu kam, daß die bestehenden Überkapazitä­ten abgebaut werden mußten.

Die Müllerinnung des Oberwesterwaldes mit ihrem Obermeister Ernst Jung empfahl schon 1953 den Müllern, wenn der Betrieb nicht zu einer konkurrenzfähigen Mittelmühle ausgebaut werden könne, sich so bald wie möglich nach anderen Erwerbsmöglichkeiten umzuschauen. Kritisiert wurde dabei auch die Haltung der Bundesregierung. Doch die ersten Konkurse und Stillegungen leiteten das Mühlensterben ein, das natürlich auch durch den ständigen Rückgang der landwirtschaftlichen An­baufläche noch gefördert wurde. So wurde den Müllern letztlich empfohlen, gegen die Auszahlung einer Entschädigung ihre Mühle stillzulegen. Die Entschädigung richtete sich nach der Kapazität bzw. der Walzen­länge, der technischen Einrichtung und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung. Für eine Tonne Tagesleistung wurden im Durchschnitt 9.000,- DM Abfindung gezahlt. Mit dieser Entschädigung sollte die Möglichkeit geschaffen werden, andere Erwerbsmöglichkeiten aufzubauen, wie Vergrößerung der Landwirtschaft, Errichtung einer Fremdenpension oder ähnliches.

Gesetzlich wurde 1955 die Neuerrichtung von Mühlen verboten. Und das Mühlenstillegungsgesetz vom Jahre 1957, es galt rückwirkend bis 1953, leitete die letzte Phase einer jahrhundertelangen Geschichte unserer Mühlen ein. Jeder, der sich zur Stillegung seiner Mühle entschloß, mußte sich auch verpflichten, 30 Jahre seine Mühle nicht wieder in Betrieb zu setzen. Ende des Jahres 1961 waren von 54 Mühlen im Oberwesterwald 22 stillgelegt. Trotzdem hatte die Stillegungsaktion noch nicht den gewünschten Erfolg, so daß durch eine 2. Novelle zum Mühlengesetz weitere Müller zur Aufgabe überredet werden sollten. Für die standhaften Müller wurde jedoch der Existenzkampf immer härter, trotz eines Wirtschaftswunders, so daß letztlich auch die letzten unserer Mühlen ihren Betrieb einstellten.

Eine Möglichkeit, um nach der Stillegung die Wasserkraft weiter auszunutzen, bestand in der Installation von Kleinkraftwerken. Eine kleine Turbine mit angeschlossenem Generator erzeugte Strom für den eigenen Bedarf und Überschüsse konnten gegen Entgelt in das Versorgungsnetz der KEVAG eingespeist werden. Von dieser Möglichkeit machten einige Müller Gebrauch. Allerdings war dies nur ein Tropfen auf einen heißen Stein, wovon kein Müller leben konnte.

Die Müllerei heute

Die Herstellung von Mehl der verschiedensten Klassen geschieht heute nur noch in großen Mühlenbetrieben. Diese sind mit den modernsten Anlagen ausgestattet, vollständig automatisiert und größtenteils schon computergesteuert. Vom alten Beruf des Müllers ist nicht mehr viel übriggeblieben. Trotzdem wird dieser Beruf immer noch mit drei Jahren Lehre ausgebildet. Dazu gibt es zwei überregionale Ausbildungsstätten in Stuttgart und Gifhorn. Die Kontrolle über die Mühlenprodukte übt die Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung in Frankfurt aus. Weizenmehl ist in folgende Typenklassen eingestuft: 405, 550, 630, 812, 1050, 1200, 1600, 1700 und 2000. Für Roggen gibt es die Klassen: 610, 815, 997, 1150, 1370, 1590, 1740 und 1800. Ausschlaggebend für die Einstufung ist der Aschegehalt des Mehles nach dem Verbrennen.

Rückblick

»Es klappert die Mühle am rauschenden Bach ...«, ähnliche Lieder finden sich im deutschen Liedgut sehr zahlreich, Lieder, die von klappernden Mühlen, von schönen Müllerinnen, jungen und alten Müllern erzählen. Und viele Sagen, Märchen und Geschichten ranken sich um die Mühlen. Es ist sicherlich kein Zufall, daß sich der im Herzen unseres Volkes vorhandene Sinn und Hang zur Romantik gerade so stark zu den Mühlen und ihren Menschen hingezogen fühlt. Ein übriges dazu ergibt sich aus ihrer Lage, da sie zumeist abseits von Dörfern in reizvollen Tälern liegen.

»Das Wandern ist des Müllers Lust ...«, auch dieses Lied erzählt vom Berufsstand der Müller, insbesondere von der früher üblichen Wanderschaft. Das Sammeln von Erfahrungen auf der Wanderschaft gehörte mit zu einer guten Ausbildung. Und gute Müller übergaben ihre Mühle nur einem Nachfolger, der auch entsprechende Wanderjahre vorweisen konnte. Aber vergessen wir nicht die Müllerin; ihr Arbeitspensum stand dem des Müllers in nichts nach. Oft mußte sie den Müller vertreten, der die Arbeiten in der zumeist angeschlossenen Landwirtschaft erledigte.

Über die Müller schrieb Stefan Andres einst: »Sie waren in allen Handwerken zuhause. Sie waren grob und kunstsinnig. Sie verstanden das Wasser, das Korn und... die Bauern. Sie waren ein seltsames Geschlecht. Kobolde im silbernen Mehlstaub, zauberhaft, weil sie das lebendige Korn zur Speise umwandelten, aber auch zauberhaft in ihrer Unruhe, die mit den Wellen des Baches zum Flusse, zum Strom, zum Meer eilte, die in den seßhaft gewordenen weiterwirkte und rauschte in ihren Liedern, Sprüchen und Geschichten, von denen sie prall waren wie ein Sack voller Körner.«

Bedenken wir auch, wieviele Menschen noch heute den Namen "Müller" tragen und wieviele Ortsbezeichnungen mit "Mühl" beginnen.

Schon lange sind unsere kleinen Mühlen unwirtschaftlich, unrentabel, stillgelegt. Doch ihr kultureller Wert ist hoch anzusetzen, und die Erhaltung der letzten Mühle ist eigentlich eine Pflicht. Wieviel ist in dieser Richtung zerstört worden! Hier hat die Denkmalpflege zu spät eingesetzt. Trotz Wiederherstellung einiger Mühlen in Freilichtmuseen hätte man auch Mühleneinrichtungen an ihrem Standort erhalten sollen.

Ob wir es erleben werden, daß wie einst der Müllergruß durchs Nistertal hallt: »Glück zu!«?