Die Mühlen zu Luckenbach

Dieter Trautmann

(aus "Wäller Heimat" - Jahrbuch des Westerwaldkreises - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Westerwaldkreises)

Eine mittelalterliche Mühle hatte viele Besitzer

Am 5. Februar des Jahres 1414 verkauften Heintzgen von Steineberg, genannt Hermann vor dem Holtze, und seine Ehefrau Guitgen dem Abt und Konvent des Klosters Marienstatt ihren Anteil an der Mühle zu Luckenbach. Sie erhielten dafür 15 Gulden, 1 Malter Molterfrucht (Korn) und einen Rock für die Ehefrau (W. H. Struck: Das Cistercienserkloster Marienstatt im Mittelalter, Nr. 808).

Fünf Jahre später, am 8. September 1419, gaben Dietrich von Seibach und seine Frau Else zum Heil und Trost ihrer Seelen und der ihrer Vorfahren und Nachkommen dem Kloster Marienstatt einen halben Malter Molterfrucht aus ihrem Anteil an der Mühle zu Luckenbach.

"Damit das Kloster desto fleißiger unsern lieben Herrgott und die Muttergottes Maria für sie und ihre Freunde bittet und sein Gebet mit ihnen teilt" (Struck Nr. 828). Als die Vorgenannten im Jahre 1423 von ihrem verstorbenen Bruder und Schwager Gerhard einen halben Malter Molterfrucht von derselben Mühle erbten, gaben sie auch diesen dem Kloster Marienstatt (Struck Nr. 839).

Der Teil der Mühle, den die Grafen von Sayn innehatten, wurde von Graf Dietrich am 23. Oktober 1449, neben 3 Albus jährlichen Zinsen und 2 Malter Frucht, ebenfalls dem Kloster geschenkt. Er versprach dazu dem Kloster, daß die Grafen zu Sayn es in seinem neuen Besitz niemals stören und auch nicht zulassen werden, daß am Bach zu Luckenbach oder in der Nähe eine weitere Mühle entstehe (Struck Nr. 981). Die nun fast ganz dem Kloster gehörende Mühle wurde von diesem am 12. November 1460 mit Wassergang und allem Zubehör erblich an Henne Welder von Elkenroth verliehen. Henne Welder besaß selbst noch einen Malter jährliche Fruchtabgabe an der Mühle. Er gab als Pacht jährlich 6 Malter und ein Achtel Frucht und 3 Weißpfennig. Henne Welder gelobte vor dem Schultheißen, den Richtern und Schöffen des Gerichts der Feste vor der Stadt Hachenburg, den abgeschlossenen Vertrag treu zu halten.

Zum Unterpfand setzte er alles, was er an der Mühle besaß. Seine Kinder Günter, Heyntze, Katharina und Fye stimmten diesem Vertrag ebenfalls zu. Auch verpflichteten sie sich, die Mühle mit neuen Mahlsteinen auszurüsten, sie wieder gangbar zu machen sowie mit allem Zubehör in Ordnung zu halten. Anscheinend war die Mühle baufällig geworden und hatte erhebliche Schäden, denn zur Instandsetzung steuerte das Kloster 12 Gulden bei (Struck Nr. 1067 und 1068). Als Henne Welder verstorben war, übernahm sein Sohn Heintze Welder 1466 die Mühle zu denselben Bedingungen wie sein Vater und gelobte zugleich auch für seine Erben, alle Punkte des Vertrages unverbrüchlich zu halten (Struck Nr. 1110).

Am 25. März 1469 gaben die Witwe des Lotzen Gunther, Elchen von Elkenroth, und ihr ältester Sohn Hen, zugleich auch als Vormund der minderjährigen Kinder Gerlach, Heintze, Lene, Tryne, Elchen und Else, zu Heil und Trost ihrer Seelen und der ihrer Vorfahren dem Kloster den dritten Teil von 2 Achteln Frucht, das ihnen aus der Mühle zu Luckenbach zustand. Für diese Verschreibung erhielten Elchen und ihre Kinder vom Kloster 4 Achtel Frucht zum Geschenk und als Verzichtspfennig (Struck Nr. 1140).

Der Bannbezirk der Mühle

Wir erfahren auch, wer 1476 in der Mühle zu mahlen hatte oder zu ihr gebannt war. ("Mühlenbann" ist die Verpflichtung, das Getreide in einer bestimmten Mühle mahlen zu lassen.) Es waren die Ortschaften Atzelgift (Hatzelenguffte), Hommels-berg (Hummelsberg), Kotzenroth (Kotzen-roid), Luckenbach und Steineberg (Steyn-tenberg) (Struck Nr. 1195a).

Als im Jahre 1481 Graf Gerhard II. von Sayn dem Kloster 6 Malter Molterfrucht aus seiner Nistermühle schenkte, verzichteten Abt und Konvent auf ihren Anteil an der Mühle zu Luckenbach und gaben ihn an den Grafen zurück (Struck Nr. 1244). Dies ist der letzte Bericht über die Mühle.

Man muß annehmen, daß die im 15. Jahrhundert so oft erwähnte Mühle zu Lukkenbach sehr alt ist. Aus den Urkunden geht auch hervor, daß die Mühle und deren Einkünfte verschiedenen Besitzern mit verschiedenen Anteilen gehörten. Sie war sicher schon lange Zeit Bannmühle für die fünf genannten Orte. Nach einer Urkunde von 1346, in der die zur Heuzerter Mühle gebannten Orte genannt werden, endete der Bannbezirk der Heuzerter Mühle bei Streithausen. Folglich begann bei Atzelgift der Bannbezirk einer anderen, eben der der Luckenbacher Mühle. Dieser Bannbezirk der Mühle änderte sich aber im 17. Jahrhundert, als die saynischen Erbtöchter die Grafschaft Sayn in zwei selbständige Territorien, Sayn-Hachenburg und Sayn-Altenkirchen, aufteilten. Jetzt verlief plötzlich zwischen Luckenbach und Kotzenroth/Steineberg eine Landesgrenze. Von den zur Luckenbacher Mühle gebannten Orten blieben jetzt nur noch Atzelgift, Luckenbach und ein kleiner Teil von Hom-melsberg übrig.

Wo mag diese Mühle gestanden haben?

Da eine Skizze, Flurname oder eine genaue Ortsangabe in den Urkunden fehlt, ist dies natürlich schwierig. So kann der Standort am Rosbach (oder Luckenbach) gewesen sein, denn in den Urkunden ist immer von Luckenbach und dem Bach zu Luckenbach die Rede. Das starke Gefälle des Rosbachs durch die ganze Gemarkung ließ ja fast überall einen Mühlenbau zu. Auf der Suche nach Überresten der Mühle stößt man auf einen ziemlich breiten Wassergraben in der Nähe der Gustav-Adolf-Kapelle. Dieser Wassergraben nimmt seinen Anfang am Rosbach. Es ist also möglich, daß man das Wasser des Rosbachs staute und in diesem Mühlengraben zur Mühle leitete. Durch den großen Mühlengraben hatte man ein gewisses Wasserreservoir, und auch das Gefälle war ausreichend für ein genügend großes Mühlenrad. Leider ist der mutmaßliche Standort der Mühle durch den Bau der Kapelle verändert worden, so daß man aus den jetzigen Bodenverhältnissen nichts mehr erkennen kann. Dieser mögliche Standort ist allerdings nicht der einzige, sondern auch im alten Ortskern von Luckenbach wäre die Mühle ohne weiteres denkbar. Für einen Standort im Ort spricht auch die Tatsache, daß die Urkunden immer von einer Mühle in Luckenbach sprechen. Der Standort an der Kapelle liegt dagegen hart an der Grenze zu Atzelgift.

Doch in der Zeit, da unsere Mühle erwähnt wurde, gab es noch keine so ausgebildeten Gemarkungsgrenzen wie heute, und eine Mühle an der jetzigen Kapelle lag damals näher am Dorf Luckenbach als am Dorf Atzelgift.

Die gleichen Argumente kann man aber auch für einen Standort an der jetzigen Atzelgifter Mühle anführen. Dazu kommt hier noch die wesentlich größere zur Verfügung stehende Wassermenge. Warum hätte man an den kleinen Ros- oder Luckenbach gehen sollen, wenn direkt daneben die größere Kleine Nister sich anbot?

Trotz zahlreicher Urkunden des 15. Jahrhunderts bleiben außer dem ungeklärten Standort noch viele Fragen offen. Wann und wer hat sie erbaut? Wann und warum ist sie verschwunden? Fragen, die sicherlich für immer im Dunkel der Vergangenheit verborgen bleiben.

Die Kindsche Mühle

Eine Anfrage des Herzoglichen Amts in Hachenburg beantwortete Bürgermeister Kind von Luckenbach im Jahre 1850 wie folgt:,,. . . daß sich in hiesiger Gemarkung keine Mühle befindet."

Doch vier Jahre später, am 22. Juni 1854, stand im Herzoglich Nassauischen allgemeinen Intelligenzblatt zu lesen: "Heinrich Kind von Luckenbach beabsichtigt daselbst eine Mahlmühle anzulegen. Einwendungen sind binnen 4 Wochen, von heute an gerechnet, dahier vorzubringen, indem sonst im Verwaltungswege keine Rücksicht darauf genommen werden kann. Hachenburg, den 12. Juni 1854.

Herzogliches Kreisamt. Wolf."

Aber es dauerte noch bis zum Anfang des Jahres 1860, bis alle Schwierigkeiten ausgeräumt und das Gebäude mit dem Mahlgang und dem Mühlgraben errichtet waren. Johann Heinrich Kind errichtete die Mühle unterhalb der Hauptstraße nach Steineberg, dort wo der Rosbach die Straße kreuzt, hinter dem jetzigen Hause Hain.

Was mag ihn zu diesem Bau bewogen haben? Denn unweit Luckenbach stand die Atzelgifter Mühle, die eigentlich noch die zuständige Mühle für Luckenbach war. Hier wagte Kind viel, wenn er sich in Konkurrenz zum Atzelgifter und Streithäuser Müller begab. Wer würde bestehen können im Wettstreit um die Mahlgäste?

Im Dezember 1861 erging von der Herzoglichen Landesregierung zu Wiesbaden folgende Anordnung an das Herzogliche Amt in Hachenburg: "Es ist zur Anzeige gekommen, daß Heinrich Kind zu Luckenbach in der Gemarkung dieses Ortes vor einiger Zeit eine neue Mahlmühle erbaut habe. Da bis jetzt von dem Herzoglichen Amte deßhalb eine Vorlage nicht gemacht worden ist, so sehen wir einer Berichterstattung darüber entgegen, wann diese Mühle erbaut wurde, wer der Besitzer ist und auf welche Zeitdauer Wasser zum Betriebe der Mühle vorhanden ist, auch ist sich gutachterlich darüber zu äußern, welche Wasserlaufabgabe anzusetzen seyn möchte" (Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 224 Nr. 3408).

Man hatte also vergessen, ihn zur Abgabe von Wasserlaufgebühren heranzuziehen. Aber wer mag ihn angezeigt haben? Im März 1862 erging dann von der Herzoglichen Landesregierung die Anordnung, daß nach der Verordnung vom 24. April 1855 die jährliche Wasserlaufabgaben auf 10 Gulden festgesetzt wird. Diese sollte er außerdem vom 1. Januar 1860 an nachzahlen, doch wurde sie ihm auf seine Bitte hin von 1860 bis 1867 erlassen. Nach Auskunft des Luckenbacher Bürgermeisters hatte Kind sich durch den Mühlenbau hoch verschuldet.

Als Mahllohn erhielt er 1/18 des Mahlgutes (HHSTAW 224/3408). Schwierigkeiten bekam Kind auch mit den anliegenden Wiesenbesitzern, die das Wasser des Rosbachs auch für die Bewässerung ihrer Wiesen beanspruchten. 1863 regelte man dieses Problem mit einer Vereinbarung. Als im Jahre 1869 die Königliche Regierung zu Wiesbaden ein Verzeichnis über die Mühlen im Amt anforderte, stellte das Königliche Amt zu Hachenburg zusätzlich folgenden Antrag:

"Ferner schließe ich ein weiteres Verzeichnis der Mühlen an, bei welchen von Amts wegen eine Ermäßigung oder Abschreibung des Wasserlaufzinses erfolgen soll. Zu letzterem Verzeichnis bemerke ich, daß dem Müller Johann Heinrich Kind von Luckenbach der Wasserlaufzins von jährlich 5 Talern, 21 Silbergroschen und 5 Pfennigen in dem Zeitraum von 1860 bis 1866 mehrfach erlaßen worden ist. Die fragliche Mühle ist ein sehr ärmliches Etablissement, sie hat nur einen Gang und ist bei wenig Mahlgästen überdieß noch so wasserarm, daß die ganze Betriebszeit innerhalb eines Jahres sich durchschnittlich auf 6 Wochen bis höchstens 2 Monate beläuft. Der Müller selbst ist in äußerst dürftigen Vermögensverhältnissen und daher nicht in der Lage den Wasserlaufzins weder ganz oder theilweise abzulösen.

Der Wasserlauf ist seinerzeit offenbar zu hoch angesetzt worden, indem Mühlen, welche ebenfalls nur einen Gang aber das ganze Jahr über Wasser haben und in einer günstigeren Gegend bezüglich des Geschäftsbetriebes liegen, nur mit einem jährlichen Wasserlaufzins von 1 Taler, 4 Silbergroschen und 3 Pfennigen belastet sind. Ich erlaube mir daher gehorsamst zu beantragen, den Wasserlaufzins der Mühle mindestens auf 1 Taler, 4 Silbergroschen und 3 Pfennig hochgeneigtes herabzusetzen" (HHSTAW 405/24415).

Von der Regierung kam allerdings ein ablehnender Bescheid. Doch gibt dieser Antrag einen guten Einblick in die Verhältnisse von Mühle und Müller. Der unwirtschaftliche Betrieb seiner Mühle veranlaßte Kind zu einer Veränderung. Er verkaufte die Mühle an Anton Orden (auch Orthen) von Luckenbach. Orden stammte von Seelbach und heiratete ein Luckenbacher Mädchen. Er verzog um 1872 nach Hün-gesberg im Kreis Altenkirchen. Orden war bestrebt, besonders die Wasserverhältnisse zu verbessern, und richtete am 17. Juni 1871 folgendes Gesuch an das Königliche Landratsamt in Marienberg:

 

"Um Erlaubnis zur Vergrößerung meines Sammelweihers betreffend. Die ehemals Kindsche Mühle zu Luckenbach habe ich käuflich erworben, und beabsichtige ich zum besseren Betriebe meines Geschäfts den von jeher bestehenden Sammelweiher zu vergrößern um bei Fluthzeiten, Wasser ansammlen zu können was später zum Mühlenbetriebe verbraucht wird. Der seid dem Bestand der Mühle vorhandene Schütze soll, wie dieselbe von jeher gewesen ist, bestehen bleiben und gar nichts daran geändert werden; ebenso bleibt Ober- und Untergraben, wie die Mühle selbst, ganz im früheren Zustande und beabsichtige ich nur dem Weiher eine größere Ausdehnung zu geben wie auf der Situationszeichnung angegeben ist. Eine neue Stauanlage soll, wie aus dem vorhergehenden klar hervorgeht, nicht gemacht, sondern der frühere Zustand, ganz wie er ist und war, belassen werden. Mein Ansuchen geht daher nur dahin mir die Vergrößerung des Weihers gestatten zu wollen. Achtungsvoll zeichnet sich Anton Orden, Mühlenbesitzer" (HHSTAW 414/10).

Doch Orden hatte die Genehmigung nicht abgewartet und den Sammelweiher von sich aus vergrößert. So wurde von der Königlichen Polizei-Anwaltschaft zu Hachenburg ein strafgerichtliches Untersuchungsverfahren gegen ihn eingeleitet, mit dem Ergebnis, daß er drei Taler Strafe zahlen und die Ufer des Baches und Mühlengrabens wieder in ihren früheren Zustand versetzen sollte. Dagegen wehrte sich Orden, so daß die Strafe mit Bescheid vom Landratsamt am 11. November 1871 mit der Begründung aufgehoben wurde, "daß Sammelweiher nicht concessionspflichtige Anlagen im Sinne der Gesetze sind". Zugleich erfahren wir auch, wem Orden die Anzeige zu verdanken hat: "Dem Müller Johannes Kempf zu Streithausen muß daher überlassen werden, gegen den Orden den Rechtsweg zu bestreiten, falls er sich durch die gedachte Anlage in seinem Recht gekränkt glaubt."

Für das Jahr 1873 wurde die Mühle zu fünf Taler, 21 Silbergroschen und fünf Pfennig Wasserlaufzins veranschlagt, wobei der Müller eine Gewerbesteuerrückvergütung von 28 Silbergroschen und sieben Pfennig erhielt (1 Taler = 30 Silbergroschen = 360 Pfennig).

Am 21. November 1873 berichtete der Rezepturbeamte Antweiler zu Hachenburg der Königlichen Regierung zu Wiesbaden, daß die Mühle am 1. September 1872 als solche außer Betrieb und das Mahlwerk seit Mai 1873 abgebaut sei. Das Mühlengebäude, das jetzt dem Müller Gustav Schütz von der Nistermühle gehöre, sei zu einem Wohngebäude und der Mühlengraben zu einem Garten umgewandelt worden (HHSTAW 212/5375).

13 Jahre nach ihrer Erbauung wurde die Mühle also schon wieder geschlossen. Und was mit dem Gebäude geschah, steht im Jahre 1886 in der Schulchronik: "Am 4. Juli, auf einen Sonntag, brannte während des Gottesdienstes ein Haus ab, die sogenannte Mühle. Die Feuerspritze, welche im vorigen Jahr neu angeschafft worden, kam erstmals in Gebrauch. Ohne diese wäre wahrscheinlich bei dem für das Feuer so günstigen Winde ein großer Teil unseres Ortes ein Raub der Flammen geworden."