Das
Mühlengewerbe
- Ein
wichtiges Gewerbe zur Zeit unserer Vorfahren -
(von Hannelore Neffgen)
Das Mühlengewerbe hatte seit alters her bis ins 19. Jahrhundert
hinein in der Rechtsordnung und im Gewerbeleben eine
Sonderstellung. Wirtschaftlich waren die Getreide- und die Öl-
oder Schlagmühlen entscheidend für die Ernährung der
Bevölkerung - jedenfalls bis zur Einführung der Kartoffel (die
deshalb auch von den Müllern als unwillkommene Konkurrenz
betrachtet wurde). Rechtlich machte es die technische Eigenart
der Müllerei mit ihren für damalige Verhältnisse komplizierten
maschinenartigen Vorrichtungen und den umfangreichen Bauten wie
Wasserdämmen, Wehren, Gräben, Schleusen und Mühlrädern wegen
der Kostspieligkeit der Anlagen notwendig, die Mühlenbetriebe
auf Kosten der Gesamtheit einzurichten.
In der fränkischen Zeit gehörten die Gewässer der sogen.
Markgenossenschaft, also den Grundstücksnachbarn, und deshalb
hing die Nutzung eines Wasserlaufs von ihrer Zustimmung ab. Darum
hing die Nutzung eines Wasserlaufs zur Bewässerung, Schifffahrt
oder Mühlenbetrieb vom Genossenschaftswillen und
Gemeindebeschluss ab, die die Grundlage der zunächst
markgenossenschaftlichen, später grundherrlichen und
schließlich staatlichen Wasserhoheit und des Wasserrechts
bildeten.
Die Mühlen genossen als wichtiges Hilfsmittel für die
Lebensmittelzubereitung und hinsichtlich ihrer Lage an einsamen
Orten, meist in Gehölzen und Weidegründen, seit jeher einen
erhöhten Rechtsschutz. Die mittelalterlichen Rechtsbücher
zählen die Mühlen ausdrücklich zu den befriedeten, gegen jede
Gewalttat geschützten Sachen (Mühlenfrieden) und
ahnden den Friedensbruch mit schweren Strafen nach dem
Sachsenspiegel, z.B. mit dem Tod durch Rädern.
Mit dem 10. Jahrhundert verschwand der selbständige Kleinbesitz
der Markgenossenschaften, und an seine Stelle trat der
Großgrundbesitz. Die Mühlen wurden - mit Knechten betrieben-
Teil der Fronhöfe der Grundherren, die sich die Rechte an dem
genossenschaftlichen Besitz, der Allmende, aneigneten
und sie blieben es bis zum 12. Jahrhundert. Danach wurden sie
gegen jährliche Abgaben an Pächter verliehen, die sie auf
eigene Kosten betrieben.
Mit der Ausbildung des Territorialstaates im 12. Jahrhundert kam
es zu einer staatlichen Mühlenhoheit, die zusammen mit dem
Mühlenbann für das Mühlengewerbe bis ins 19. Jahrhundert eine
völlig neue Rechtsgrundlage schuf. Kennzeichen der neuen
Rechtslage war der Wasser - und Mühlenzins, die für die
Benutzung des Wassers an landesherrliche Finanzverwaltung, die
Rentkammer, zu leistende Abgabe.
Es gab zweierlei Mühlen: die herrschaftlichen, die Eigentum des
Landesherren waren, und die Eigentums - oder Privatmühlen von
Privatpersonen, die in aller Regel weltlichen und geistlichen
Herren gehörten.
Private und landesherrliche Mühlen wurden gewöhnlich nicht in
eigener Regie, sondern entweder in Erbpacht oder in Zeitpacht
betrieben. Im Hadamarischen ( im unteren Westerwald ) war die
Erbleihe die vorherrschende Form der Verpachtung, bei der der
Pächter das Nutzungsrecht an der Mühle vererben konnte. Der
Müller konnte aber auch als Pächter jederzeit vom Vertrage
zurücktreten.
Der Erbleihbrief spezifizierte die Bedingungen, unter denen eine
Mühle erblich verliehen wurde. Neben der einmaligen
Erbleihgebühr war die Zahlung des jährlich, meist zu Martini,
an die herrschaftliche Kellerei zu entrichtenden Pachtzins aus
einer nach Malter ( Getreidemaß ) berechneten Menge
Korn für das Pachtverhältnis maßgebend. Zu dieser
Fruchtpachtabgabe waren je nach Größe der Mühle ein bis zwei
Mühlenschweine sowie Gänse und Eier für die Hofhaltung zu
entrichten.
Es kam besonders im 18. Jahrhundert vor, dass die Müller den
Antrag stellten, ihre Naturalpacht in eine Geldpacht zu
verwandeln. Denn, wenn wegen Trockenheit im Sommer oder wegen
Hochwasser die Mühle nicht mahlen konnte, wenn wegen
Überschwemmung oder Eisgang Wehr und Mühle beschädigt worden
waren, und wenn wegen Missernten oder Plünderungen der einsam
gelegenen Mühlen in Kriegszeiten das Getreide knapp wurde, waren
die Müller oft nicht imstande, den Pachtzins in natura zu
erstatten. Das Missliche war, dass die Müller keinen
Rechtsanspruch auf Pachtnachlass hatten, wenn sie einmal
unverschuldet im Gebrauch der Mühle behindert worden waren.
Allerdings ließ der Landesherr meist doch etwas von der
Pachtsumme nach, falls sie untertänigst darum nachsuchten und
die von ihnen beigebrachten Gutachten, etwa des Landeskellers,
begründet erschienen; das änderte aber grundsätzlich nichts
daran, dass das ein landesherrlicher Gnadenakt war.
Der Erbpächter hatte die laufenden Unterhaltungskosten für
Gebäude, Einrichtung und Wasserbauten mit Ausnahme
außerordentlicher Reparaturen auf eigene Kosten zu tragen. Dies
war in den Mühlenbriefen festgelegt. Während die Unterhaltung
der meist nur aus Holz und Lehm in Fachwerkbauweise errichteten
Mühlengebäude keine größeren Kosten verursachte, erforderte
die Reparatur und Wiederherstellung von Mühlenwehren bedeutend
höhere Kosten.
Die Mühlengebäude hatten bescheidene Ausmaße. Durchweg lagen
Wohnhaus und Mühlenraum unter einem meist mit Stroh gedeckten
Dach. Hinzu kamen die Stallungen für Schweine, Kühe, Esel und
Pferde. Fast alle Müller betrieben als Nebengewerbe die
Landwirtschaft.