Auswanderer
aus dem Daadener Land nach
Amerika
(von Volker Rosenkranz)
Bei der Bearbeitung der Ortschronik meiner Heimatgemeinde
Derschen und der Familienforschung ist aufgefallen, dass eine
ungewöhnlich große Zahl von Einwohnern aus Daaden und den
Nachbargemeinden ins Ausland ausgewandert ist.
Da die weitaus
größte Zahl der Auswanderer nach
Nordamerika zog, habe ich meine Forschungen auf diese beschränkt.
Es ist bekannt, dass
weitere Personen nach Afrika und
andere Kontinente gezogen sind.
Schwerpunkte der
Auswanderungszeiten finden wir um 1881
bis 1895, 1910 bis 1914 und 1922 bis 1930. Nach Unterlagen der
damaligen Amtsverwaltung Daaden wanderten alleine in den Jahren 1926
bis 1930 288 Personen nach USA, 31 nach Südafrika, 15 nach
Holland, 14 nach Südamerika, 7 nach Russland, 4 nach Luxemburg, 3
nach Sumatra, jeweils 2 nach Spanien, Schweiz, Tirol und jeweils eine
Person nach Kanada und Österreich aus.
Die ersten
nachgewiesenen Auswanderer aus dem Raum Daaden waren die Brüder
Johann Conrad und Johann Peter Jung aus Daaden, die um 1750 nach
Philadelphia reisten und auch dort gestorben sind.
Im Jahr
1753 entschlossen sich mehrere Familien aus dem
Daadener Raum, in die USA auszuwandern.
Heute
scheint dieser frühe Zeitpunkt
äußerst ungewöhnlich, wenn man die enormen Strapazen
bedenkt, die mit der Überfahrt und den anschließenden
Unwägbarkeiten eines fremden Landes auf die Auswanderer zukamen.
Anlässlich dieser schweren Entscheidung fragen wir
uns heute, was der Auslöser für diesen Entschluss war.
Hierüber kann man natürlich nur Vermutungen anstellen: War es
die bittere Armmut, welche die Bauern im Westerwald ertragen mussten?
Waren es die ewigen Gängeleien der weit entfernt
residierenden Landesherren, wie die Herzöge von
Sachsen-Weimar-Eisenach und die Markgrafen von Brandenburg-Onolzbach
oder waren es fremde Soldaten, die durch den Westerwald zogen und der
armen Bevölkerung die letzten Lebensmittel und sogar das Vieh
abnahmen?
Einer der
Beweggründe kann jedoch auch die Tatsache
sein, dass zu dieser Zeit schon die ersten Auswanderer, die um 1710
nach Amerika gesegelt waren, zu Besuchen oder um ein Erbe anzutreten in
den Westerwald zurückkamen und ihre neue Heimat in den
höchsten Tönen lobten.
Auch
erreichten Briefe die Verwandten Zuhause, in denen
mitgeteilt wurde “dass hier ein Mann in Frieden leben kann,
besser als ein Adliger unter Euch.“
Es kam sogar so weit,
dass Auswanderer, die in die alte
Heimat zu Besuch kamen, hier eingesperrt wurden und nach wenigen Tagen
aus dem Land gewiesen wurden, weil sie die Bevölkerung
„aufwiegelten und zur Auswanderung ermutigten.“
Im
Bestand des Landeshauptarchives in Koblenz Abt. 30 Nr.
39 befinden sich ausführliche Akten der damaligen Landesherren,
den Markgrafen von Brandenburg – Onolzbach (Ansbach) mit dem
Titel: „Acta betr. dass denen armen Inwohnern zu Daaden und
Biersdorf gnädigst verstattet worden, ihre Häuser zum Abbruch
zu verkaufen und nach America abreisen zu dürfen.“
Eine Kopie
dieser Akte befindet sich im Besitz der Library of Congress in
Washington, was die Wichtigkeit dieser Akten unterstreicht.
Im
März 1753 schrieb die Kanzlei in Altenkirchen an
den Landesherren: „In der ganzen hiesigen Grafschaft sind wohl
keine Gemeinden mit Mannschaften und Rauch-Stätten derart zu ihrem
größten Nachteil und Schaden übersetzet, als Daaden und
Biersdorff. Es sind nun dermalen verschiedene Inwohner entschlossen,
noch im instehenden Frühjahr nach America zu ziehen, dafern ihnen
erlaubt wird, ihre meist baufälligen und schlechte Hütten zum
Abbruch zu verkaufen.
Die zum
Abzug gesonnenen Unterthanen haben baldige
Resolution gebeten, damit ihre Abkäufer sich zeitig um das
benötigte Geld zur Bezahlung bewerben können.“
Die
betroffenen Auswanderer waren Johannes
Wilhelm Höfer zu Daaden, Johann Peter Meyer zu Daaden, Johann
Gerlach Klein zu Daaden, Johann Cregeloh zu Daaden, Johann Engel Jung
zu Biersdorf, Johann Peter Crämer zu Emmerzhausen, Martin Tiel zu
Derschen, Johann Anton Klöckner zu Derschen und Johann Peter Braun
zu Daaden.
Diese
reisten alle mit ihren Frauen und Kindern und zum
Teil weiteren Familienangehörigen aus, insgesamt waren es ca. 65
Personen, die ihre Heimat im Raum Daaden verließen.
Da der
gräflichen Verwaltung durch den Verkauf und
Abbruch der Häuser Einnahmen durch Dienstgeld, Hühner- und
Brotgeld verloren ging, war zu befürchten, dass der Landesherr die
Anträge ablehnen würde. Amtsverwalter Georg Ludwig Billing zu
Friedewald befürwortete die Anträge und machte
Vorschläge zum Ersatz der verlorenen Steuern.
Im Falle
des Johann Peter Braun schreibt er, „dass dieser sein Haus an die
Gemeinde daselbst und diese solches wieder zum Abbruch nach Salchendorf
verkauft hat.
Der
Verkäufer ist ein schlecht bemittelter Unterthan, der auch sogar
seine geraden Glieder nicht, sondern nur ein Bein hat und mit
Schulhalten sich nährt.“
Am 16.
April 1753 wurde „denen nach America zu
ziehen willens seyende Untertahnen zu Daaden und Biersdorff die
Verkauffung der Häuser erlaubet.“
Johann
Peter Klein beschreibt in seinen Aufzeichnungen über die
Auswanderung, dass sie am 2. Juni 1753 die Heimat verlassen hätten
und am 2. Oktober 1753 Philadelphia erreichten.
Johann
Engel Jung, Johann Wilhelm Höfer, Johann
Anton Klöckner und Johann Gerlach Klein reisten mit der „Edinburgh“, die am 2. Oktober in Philadelphia
ankam.
Weiter
finden wir in der Schiffsliste der
„Edinburgh“ folgende Familien:
Johann
Friedrich Böhmer aus
Daaden, Johann Wilhelm Buhl aus Daaden, Johann Gerlach Mudersbach aus
Emmerzhausen, Johannes Reinschmidt aus Daaden und Johann Heinrich Stolz
aus Biersdorf, Johann Gerlach Wisser aus Weitefeld und Johann Wilhelm
Wollenweber aus Daaden.
Johann
Peter Braun, Johann Peter Crämer, Johann
Cregeloh, Martin Tiel und Johann Peter Meyer reisten mit der „Rowand“, die am 29. September 1753 in
Philadelphia anlegte.
Auf
der „Rowand finden wir auch Johann
Stefan Klöckner aus Derschen, den Bruder von Johann Anton
Klöckner.
Die
ausführlichsten Aufzeichnungen sind von den Familien Klöckner
erhalten.
Diese
Familie begab sich im Juni 1753 von Daaden aus auf
den äußerst beschwerlichen Weg zunächst nach Neuwied
und dann nach Rotterdam und stach von dort zusammen mit 42 anderen
Familien in Richtung Philadelphia in See.
Johannes
Stefan Klöckner, am 10. Januar 1727 in
Derschen geboren, heiratete seine Frau Anna Elisabeth Knautz am
20.April 1753 in Daaden.
In
ihrer Begleitung befanden sich sein Bruder Johann
Anton Klöckner, geb. am 8. März 1719 in Derschen und seine
Frau Elisabeth Margarethe Fischbach aus Daaden gemeinsam mit den
Kindern Engelbert, geb. am 13. Sept. 1747, Johann Stefan, geb. am 12.
Aug. 1750 und Tochter Margaretha, geb. 1752.
Weiterhin
befand sich Johann Peter Klöckner in Ihrer
Begleitung, der aber entweder umgekehrt oder auf der Reise verstorben
ist.
Johann
Stefan und Johann Anton nannten sich nach der Ankunft in der neuen
Heimat Stefan Kleckner und Antony Kleckner und lebten zunächst bis
1760 in Germantown, einem Vorort von Philadelphia, in dem schon viele
deutsche Auswanderer wohnten.
Antony
und Elisabeth bekamen in Germantown weitere sechs
Kinder, die sie in der St. Michael`s Lutherian Church tauften.
Nach
ihrem Aufenthalt in Germantown zog Antony mit seiner
Familie nördlich in den Ort Lower Saucon in Northampton County.
Dort kaufte er in den Jahren 1779 und 1783 mehr Land und gründete
den Ort Klecknersville, wo noch heute zwei aus Feldsteinen gebaute
massive Häuser aus dieser Zeit vorhanden sind, in denen die
Klöckners gelebt haben.
Antony
starb dort im Jahr 1804.
Stefan
Klöckner zog ebenfalls von Germantown nach
Norden und lebte zuletzt in Brunswick (Braunschweig) in Berks County in
Pennsylvania.
Er
starb im Jahr 1787 und hinterließ wie sein
Bruder Antony eine sehr große Nachkommenschaft, die noch heute
hauptsächlich im nordöstlichen Pennsylvania lebt.
Am 23.
März 1753 schlossen Johann Stefan, Johann
Anton und Johann Peter Klöckner mit dem Kapitän des Schiffes
„Rowand“ Daniel Havart aus Rotterdam einen Vertrag, der die
Modalitäten der Überfahrt regeln sollte.
Der Text
des Kontraktes zwischen den Auswanderern und dem Kapitän der
„Rowand“ lautet wie folgt:
"Wir
die unterzeichnenden bestätigen und sind fortan
einverstanden mit den Bedingungen des Vertrages von Daniel Havart aus
Rotterdam, auf folgende Weise:
Erstens:
Der
oben genannte Daniel Havart erklärt sich bereit,
uns den Unterzeichnenden, ein komfortables Schiff für die
Überfahrt von Rotterdam nach Philadelphia zu besorgen.
Zu
diesem Zweck sollte das Schiff mit Schlafplätzen
auf dem Zwischendeck für jeden Erwachsenen von uns ausgestattet
sein. Das heißt jeder einzelne Erwachsene gilt als
vollständige Fracht.
Die
Schlafplätze sollten an beiden Seiten des
Schiffes sein und eine Größe von 6 Fuß und 1 ½
Fuß haben, damit die Überfahrt für jeden von uns bequem
und in privater Atmosphäre stattfinden kann.
Zweitens:
Das
Schiff soll mit genügend Proviant
ausgerüstet sein, das heißt frisches Brot, Mehl, Fleisch mit
Erbsen, Reis, Bohnen, Grütze, Butter, Käse und vieles mehr.
Das
alles soll für uns, die Unterzeichnenden vom
ersten Tag an Bord des Schiffes von Rotterdam nach Philadelphia zur
Verfügung stehen.
Es soll
wie folgt gehandhabt werden:
Sonntags.
1 Pfund Fleisch mit Erbsen, Reis oder Bohnen.
Montags:
1 Pfund Mehl pro Mahlzeit
Dienstags:
½ Pfund Schinken mit Erbsen, Reis oder Bohnen.
Mittwochs:
1 Pfund Mehl pro Mahlzeit.
Donnerstags:
1 Pfund Fleisch mit Erbsen, Reis oder Bohnen.
Freitags:
1 Pfund Butter, ½ Pfund in Salz
eingelegten Kabeljau mit Erbsen, Reis oder Bohnen.
Samstags:
6 Pfund Brot, 1 Pfund Käse und eine Erbsensuppe.
Ebenso
verlangen wir ein Maß Bier am Tag, so lange
es gut erhalten ist, und ein Maß Wasser. Sollte das Bier schlecht
werden, so verlangen wir 2 Maß Wasser am Tag.
Ferner
sollte von morgens 6 Uhr bis abends 6 Uhr eine Feuerstelle zum Kochen
und zum Wärmen der kranken und kleinen Kinder bereit stehen,
sofern es das Wetter und der Wind zulassen.
Zur
Vorsorge gegen Übelkeit an Bord sollten zwei
Fässer Essig und ein Fass Branntwein zur Stelle sein.
Ebenso
Gewürze und notwendige Medikamente, damit
keiner von uns erkrankt oder sogar sein Leben lassen muss, weil es an
diesen Dingen mangelt."
Der
Fahrpreis wird gemäß des Alters einer Person berechnet:
Kleine Kinder unter
vier Jahren haben kostenlose
Überfahrt. Kinder von vier bis vierzehn Jahren bezahlen die
Hälfte. Personen über vierzehn Jahre müssen den vollen
Fahrpreis zahlen unter folgender Vereinbarung:
Alle Personen, die
den vollen Preis oder zumindest die
Hälfte davon zahlen, zahlen in Rotterdam erst einmal 7 ½
Pistolen. (Anm.: Pistole war eine im Jahr 1740 von Friedrich II
eingeführte Goldmünze. Der Wert betrug 5 Taler.)
Diejenigen, die
nicht in der Lage sind zu bezahlen,
müssen etwas Vergleichbares im Wert von 8 Pistolen für ihre
Überfahrt zahlen.
Um die
Passagiere zu entlasten, wird ihr Gepäck ohne
weitere Kosten nach Philadelphia mitgenommen.
Quellenangaben:
- Persönliche
Korrespondenz mit S. Cook MacInnes, AlexandriaVA-USA und eigene
Recherchen in Klecknersville, Pennsylvania USA im Jahr 2001.
- Kirchenbücher der
Ev.
Kirchengemeinde Daaden
- Internet:
genealogy.com und
Olivetreegenealogy.com/ships
- Westerwald to America
.
Buch von Annette Kunselmann - Burgert und Henry Z. Jones Jr. 1989 ISBN
0-929539-32-X Verlag Picton Press, Rockport,MW - USA
Dieser
Artikel ist im
Heimatjahrbuch 2004 des Kreises Altenkirchen erschienen.
Ortsschild
von Klecknersville, Pennsylvania im Jahr 2001
Foto:
Volker Rosenkranz 2001
Eines von zwei Häusern,
die wahrscheinlich von Anton Klöckner ca. 1780 in Klecknersville
gebaut wurden
Foto: Volker Rosenkranz 2001
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