Der Junggesellenverein

Ein Beitrag zur Entstehung und Entwicklung dieser Form des Männerbundes

1. Geographische Verbreitung
Der Junggesellenverein, der eine spezifische Form des Männerbundes darstellt, ist nur in einer relativ kleinen Region Deutschlands anzutreffen. Sein Verbreitungsgebiet wird, roh umrissen, von den Städten Koblenz, Bonn, Aachen und Trier begrenzt. Einzelne Ausläufer ziehen sich bis zum Nordrhein im Norden und in die Rheinpfalz bzw. Hessen im Süden hin. Erstaunlicherweise lassen sich auch Spuren dieses Vereinstyps in den bayerischen Alpen, in Westtirol, in der nördlichen Schweiz und sogar in Siebenbürgen nachweisen. Die umschrie- benen Gebiete decken sich etwa mit dem Ansiedlungsraum der Franken, Alemannen und Rheinfranken. In Siebenbürgen wurde der Junggesellenverein durch die Sachsen bekannt, die im 12. Jahrhundert aus der Rheingegend auswanderten, um sich dort anzusiedeln.

Die Bevölkerung des Verbreitungsgebietes des Junggesellenvereins war bis vor wenigen Jahrzehnten, wenn nicht ganz, so doch über 90 % katholisch. Aus den so genannten „Mor genbüchern“, die auch „Gemeinderöllchen“ genannt werden und bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, lässt sich nachweisen , dass in diesem Gebiet bis vor etwa 200 Jahren die Wirtschaftsweise in den meisten Dörfern noch stark germanisch-gemeinwirtschaftliche Züge trug. Die relative Abgeschlossenheit der Dörfer dieser Regionen und die enge Verbundenheit der Menschen mit Grund und Boden stellten gute Vorraussetzungen zur Entstehung von Vereinsformen mit starkem Eigenleben und Eigengesetzlichkeit dar.


2. Historische Wurzeln
Obwohl keine dokumentarischen Urkunden vorhanden sind, ist kaum zweifelhaft, dass die historischen Wurzeln des Junggesellenvereins bis tief in die heidnisch-germanische Urzeit hineinreichen.

Oben wurde das Vorkommen des Junggesellenvereins bei den Siebenbürger Sachsen erwähnt, die vor etwa 800 Jahren aus den Rheingegenden auswanderten. Da die typische Einrichtung des Junggesellenvereins nur bei den Franken und solchen Stämmen, die mit diesen in kulturelle Verbindung getreten sind, nachgewiesen werden kann, darf gefolgert werden, dass es sich hierbei vorwiegend um die Fortbildung einer uralten fränkischen Kultureinrichtung handelt. Dieser Stammeskult wurde insbesondere von den Alemannen und Sachsen übernommen und von letzteren auch in ihrer neuen Heimat weitergepflegt.

Die Hauptaktion des Junggesellenvereins, das „Maijeloog“ (Maigelage) enthält einen wie- teren Hinweis auf die weit reichenden historischen Wurzeln dieser Vereinsform. Es fällt dabei insbesondere die Identität mit der Feier des Frühlingseinzuges auf, die selbst bis in die graue Vorzeit der germanischen Völker zurückgeht. Dieses Naturfest lässt sich allerdings auch bei anderen alten Kulturvölkern nachweisen, die im Monat Mai ein entsprechendes Frühlings- fest veranstalteten. Natürlich darf daraus nicht geschlossen werden, dass der Junggesellenverein in seiner heutigen Form auch nur annähernd bei den Germanen schon existiert hat.

Die entscheidende Prägung, die sich heute noch deutlich aufzeigen lässt, erfuhr der Junggesellenverein durch die „Wepelingenschaften“ (Gefolgschaft von Grundherren) des Mittelalters. In jener Zeit ist von kirchlicher Seite her versucht worden, die Wepelingenschaften und in der Folge auch den Junggesellenvereinen in ihrem Sinne umzugestalten und sie für die Heiligenverehrung zu gewinnen. Die Kirche wollte dem Gebilde „Junggesellenverein“ einen neuen Lebensinhalt geben und die alten heidnisch weltlichen und stak erotisch ausgerichteten verdrängen. Dieser Versuch einer inneren Umgestaltung muss als gescheitert angesehen werden, denn es gelang zwar die Änderung der rein äußerlichen Bezeichnung indem ein kirchlicher Heiliger als Schutzpatron gewählt wurde, es blieben aber das Wesen des Gebildes und ihre Gebräuche weitgehend erhalten.



3. Das „Maijeloog“
Als geschlossene Gruppe trifft der Junggesellenverein meist nur zweimal im ganzen Jahr in Erscheinung: bei dem „Maijeloog“ und der Dorfkirmes.
Am Vorabend des ersten Mai wird aus dem Wald ein Maibaum geholt, der mit bunten Bändern geschmückt in der Mitte des Dorfes aufgerichtet wird. Man ist stolz auf den eigenen Maibaum und konkurriert mit den Nachbarorten um den schönsten und größten. Nicht selten entstehen hieraus Konflikte, und man versucht, sich gegenseitig den Baum abzusägen oder gar zu stehlen. Mancher Leser dieser Zeilen wird sich vielleicht an eigene durchwachte Nächte unter dem Maibaum erinnern.

Am Abend, nachdem der Maibaum aufgestellt ist, ziehen die Junggesellen gemeinsam zur Dorfschänke, um das Maigelage zu feiern, dessen Höhepunkt in manchen Orten die Mailehenversteigerung bildet. Alle weiblichen und unverheirateten Mitglieder des Dorfes über 17 oder 18 Jahre wurden hier unter den Angehörigen des Junggesellenvereins im Wege der Versteigerung „an den Mann“ gebracht. Die Mailehenversteigerung ist in unserer Gegend nicht mehr üblich. Allerdings hat sich anderer Brauch erhalten, der eigentlich aus der Mailehen- versteigerung resultiert. Nach Abschluss des Maigelages ziehen die Junggesellen, wobei sich kleine Gruppen bilden, in den Wald, um ihrer Angebeteten einen „Maien“ zu holen, der noch in der Nacht aufgestellt wird. Dadurch wollen sie ihre Zuneigung dem betreffenden Mädchen öffentlich dokumentieren.


4. Die Dorfkirmes
Wenn auch die Dorfkirmes nicht ein für den Junggesellenverein typisches Fest war, so stellt sie heute im Vereinsleben einen jährlich wiederkehrenden Höhepunkt dar. Sie hat ihren Ursprung im Fest der jüdischen Tempelweihe (Chanukka), das Konstantin d. Gr. in der
christlichen Kirche einführte. Seit dem 9. Jahrhundert wird es mit allerlei weltlichen Lustbarkeiten verbunden, die sich meist über drei Tage hinziehen.

Die Vorbereitungen beginnen schon lange vor dem Fest, wenn die „Kirmesämter“ unter den Junggesellen versteigert werden. In größeren Vereinen müssen auch heute noch unter Umständen hohe Summen für die einzelnen Ämter gezahlt werden. Jeder, dem es gelingt, ein solches Amt zu ersteigern, hat während der Kirmes bestimmte Aufgaben zu erfüllen, die fest umrissen sind. So hat z.B. der Hauptmann zusammen mit dem Leutnant für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Umzüge zu sorgen, die sich täglich vor jeder Veranstaltung wiederholen. Zu den übrigen Veranstaltungen des Junggesellenvereins gehören weiter noch die gemeinsamen Ausflüge an schönen Sonntagen in den Wald, wobei gewöhnlich ein Faß Bier mitgeführt wurde. Infolge der Entwicklung in der jüngsten Zeit sind diese Ausflüge fast ganz ausgestorben.


5. Die „Hillichfeier“
Die dörfliche Abgeschlossenheit, die heute nur noch selten anzutreffen ist, verstärkte die Abneigung und das Misstrauen gegen alles Fremde. Bemühte sich beispielsweise ein Fremder um ein Mädchen des Dorfes, so versuchte man ihm die Liebschaft möglichst zu verleiden. Man passte ihm abends beim Nachhausegehen auf und „ließ ihn laufen“, wobei er nicht selten eine Tracht Prügel mit in Kauf nehmen musste. Gelang des dem Fremden trotzdem noch, ein Verhältnis anzubahnen, so war dessen Aufrechterhaltung meist nur dadurch möglich, dass er die Junggesellen für seine Absichten erwärmen konnte und ihnen möglicherweise etwas „traktierte“.

Als Überbleibsel dieses Verhaltens, das nicht überall ausgestorben zu sein scheint, hat sich die „Hillichfeier“ erhalten. Am Vorabend oder Abend der Hochzeit begibt sich eine Abordnung des Junggesellenvereins in das Haus der Braut und macht bei dem Bräutigam die Rechte des Vereins geltend. Der Bräutigam ist verpflichtet, die Junggesellen zu bewirten und die Braut durch Zahlung eines Lösegeldes, das als „Jüra“ oder „Heules“ bezeichnet wird, vom Verein loszukaufen. Mit dem Hillichstab in den Händen wird von den Junggesellen ein Spruch vorgetragen, der in der Formulierung einzelne Variationen aufweist, aber meist bei fast allen Vereinen gleich lautet:

„Guten Abend, ihr Herren und Damen insgesamt,
besonders Herr Bräutigam und Jungfer Braut!
Ich bitte euch sämtlich, ihr werdet mich
nicht verspotten und auslachen,
wenn ich meinen Spruch nicht gut tu machen.
Denn als ich gestern Abend daran hab studiert,
so haben mich die Flöhe, wollte sagen:
die schönen Mädchen fixiert."



6. Das Fähndelschwenken
Anlässlich einer Bundesmeisterschaft im Fähndelschwenken der Junggesellenvereine erscheint es sinnvoll, sich bewusst zu werden, welche uralte Tradition in diesem rheinischen Brauchtum weiterlebt. Zwar wissen die Älteren unter uns, dass um die Jahrhundertwende schon große Stiftungsfeste abgehalten wurden, an denen ca. 20 bis 25 Fähnriche der einzelnen Junggesellenvereine in sportlichem Wettkampf aufeinander trafen, um ihre Leistungen an den Leistungen der anderen zu messen, dennoch ist den meisten vermutlich nichts über die Geschichte des Fähndelschwenkens bekannt. Leider konnte aus Zeitknappheit die nur spärlich vorhandene Literatur über das Fähndelschwenken nicht beschafft werden. Dennoch sollen an dieser Stelle einige bekannte Daten festgehalten werden.

Sieht man im Duden oder im Lexika nach, so findet man das Wort „Fähndel“ nicht. Lediglich im Wörterbuch der rheinischen Mundart ist zu lesen, dass man im Mittelrheingebiet unter Fähndel eine Fahne versteht, die der Fähnrich beim Fähndelschwenken gebraucht. Es handelt sich um eine Verkleinerungsform für Fahne, die für die rheinische Mundart ungewöhnlich ist. Sie passt eher in den alemannischen Sprachgebrauch, wo man z.B. eine kleine Kanne Kändel nennt. Daraus kann man vermuten, dass das Wort Fähndel nicht ein ursprünglich rheinischer Ausdruck ist. Diese Vermutung wird noch dadurch unterstrichen, dass das Wort Fähndel nur in der Zusammensetzung Fähndelschwenken gebraucht wird. In den Orten, die dem Schreiber dieser Zeilen bekannt sind, sagt man nämlich nicht: “Er hat das Fähndel gesteigert oder geschwenkt“, sondern bezeichnet das Fähndel als „de Schwenkfaan“. Wenn der Duden das Wort Fähndel auch nicht aufführt, so finden wir es dennoch in der Sprache der Dichter. Das bezeugt ein Vers des Dichters Kloßstock, der im 18. Jahrhundert lebte: „und ist es dann, wenn das Heer halb ins gefilde strömt, nur unschuldig? nicht auch, wenn bäche rinnen, das fähndel nicht droht?“

Das Fähndelschwenken ist ein Brauchtum, der besonders im Mittelalter gepflegt wurde. Urkundlich bezeugt ist es zum ersten Mal in Eger, wo die Egerer Fleischerzunft aufgrund eines besonderen Verdienstes das Recht erhielt, am Fastnachtsdienstag die Fahne zu schwenken (Vgl. Handbuch des deutschen Aberglaubens von Bächthold-Stäuble 1829). Das Fahnenschwenken wurde geübt und vor allem in Städten, insbesondere freien Reichsstädten. In der Stadt Köln lässt es sich urkundlich bis ins 16. Jahrhundert nachweisen (Vgl. Hackenbroch: Fahnenschlagen in Rhein. Land 1922). Zu der Zeit, als die ältesten Junggesellenvereine gegründet wurden, verlor das Fähndelschwenken mehr und mehr an Bedeutung. Das kann man aus dem „Großen vollständigen Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste“ von Zedler aus dem Jahre 1725 entnehmen. Dort heißt es: „Fahnen-Schwingen ist ein Exercitium, auf welches vor diesem, sonderlich bey Aufzuegen und Paradiren, grossen Solemnitaeten, in Stuermen und Scharmuetzeln sehr viel gehalten worden, wiewohl es nach der Zeit dermassen ins Abnehmen gerathen, dass es heutigen Tages fast nicht mehr, als in einigen Burger Aufzuegen geuebet, auf einigen Fecht-Boden noch gewiesen, und von denen sogenannten Klopff-Fechtern vor Geld noch praesentiret wird, welche denn auch gar viel sonderbare Stuecke und Lectiones mit diesen Fahnen zu machen wissen. Die hierzu gebrauchte Fahnen muessen nicht allzuschwer und rechter Proportion seyn, also dass der Handgriff, in welchem Bley gegossen wird, so viel waege, und just das Mittel der Schwere mit dem uebrigen Stock-Ende und angenageltem Taffent sey.“

Wenn das Fähndelschwenken im 17. Jahrhundert auch außer Übung gekommen ist, so hat es sich dennoch in einigen Gebieten erhalten, so. z.B. in der Schweiz und im Rheinland. In Köln erfreute es sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch besonderer Beliebtheit, was hervorgeht aus dem altkölnischen Liedchen (um 1826-1839):

„Minge Mann, minge Mann es Fenderich, Frau Fenderich bin ich –
Un wann minge Mann das Fendel schwenk, springen ich üvver Stöhl un Bänk –
Minge Mann, minge Mann es Fenderich, Frau Fenderich bin ich –
Schön ben ich, schön ben ich –
Schön ben ich, daß weiß ich.“

Heute wird die Kunst des Fähndelschwenkens nicht mehr in Städten, sondern nur noch in Dörfern und Vororten von Städten, die ihren dörflichen Charakter noch erhalten haben, gepflegt. Anlässlich der Kirmes schwenkt der Fähnrich das Fähndel zur Ehren der Bürger, der Kirmesgäste, des Bürgermeisters, des Pfarrers oder des Königs des Junggesellenvereins. Bei den Stiftungsfesten der Junggesellenvereine, die teilweise eine über 200-jährige Tradition haben, treffen die Fähnriche in sportlichem Wettkampf aufeinander, um ihr Können in der Kunst des Fähndelschwenkens zu beweisen. Wenn an den Stiftungsfesten der einzelnen Junggesellenvereine sich bisher auch sehr viele Vereine beteiligten, so war es dennoch so, dass immer nur die Fähnriche aus dem engeren Umkreis an dem Wettkampf teilnahmen. Die Bundesmeisterschaft im Fähndelschwenken der deutschen Junggesellenvereine, die von dem Junggesellenverein Bad Godesberg-Muffendorf ins Leben gerufen wurde, gibt Gelegenheit
dazu, Verbindungen zwischen den Eifelvereinen, den Vereinen aus dem Westerwald, dem Siegkreis und dem Raum um Bonn und Bad Godesberg aufzunehmen, zu festigen und zu stärken sowie der edlen Kunst des Fähndelschwenkens noch größere Beliebtheit zu verschaffen.



(von Eberhard Krebs)
Quellen: Festschrift des JGV Ohlenberg (1968 ?)
Hilberath, Leo: Der Junggesellenverein in der Eifel, Diss. Köln 1931
Zurück / back