Eine alte Sitte in neuer Zeit – große Hochzeiten.

Eine Hochzeit besteht aus folgenden drei Festtagen. Vorhochzeit, auch Kuchengelag genannt, eigentliche Hochzeit mit Hauptfeier und Nachhochzeit.

Die Vorhochzeit findet am Sonntag vor der eigentlichen Hochzeit statt. Eingeladen sind die Eltern und Geschwister der Brautleute, manchmal auch Onkeln und Tanten. Bewirtet werden sie mit Mittagessen und Bier, am Nachmittag mit Kaffee und Kuchen.

Die eigentliche Hochzeit mit Hauptfeier findet an einem der folgenden Wochentage nach der Vorhochzeit, gewöhnlich am folgenden Freitag statt. Je nach den Vermögensverhältnissen gibt es bei der Hauptfeier das Mittagessen mit Getränken (Bier), nachher Kaffee und mehrere Kuchenarten oder Brot und Butter. Nach dem Mittagsmahl wird die kirchliche Trauung vorgenommen, während die standesamtliche Trauung vorher in Flammersfeld stattfand. Das Kaffeetrinken hört nicht auf, bis auch der letzte Gast nachts oder am anderen Morgen den Heimweg antritt. Die Einladungen zu diesem Hauptfest sind gewöhnlich äußerst zahlreich. Alle Verwandten bis ins 3. und 4. Glied, auch viele Freunde und Bekannte aus nah und fern, kurzum der ganze Ort, mitunter 300, 400, ja bis 500 Personen werden geladen. Eingeladen wird durch besondere Boten oder Hochzeitslader. Sie ziehen, ein Blumensträußchen am Hut oder im Knopfloch, einen Krug Branntwein nebst Gläschen in der Hand von Haus zu Haus, von Ort zu Ort, um die vielen Gäste zusammenzurufen.
Die Gäste begeben sich am Hochzeitsmorgen so früh auf den Weg, daß sie zur Mittagszeit im Hochzeitshaus eintreten. Einer aus der geladenen Familie, in der Regel der Hausvater, trägt einen weißen Korb in der Hand. Im Korb ist der Hochzeitsschank, das ist ein Butterweck von drei bis fünf Pfund Gewicht, mit allerlei Figuren geschmückt, ferner ein bis zwei Dutzend Eier und Bohnen (Kaffeebohnen?). Auf jeden Butterweck kommt ein kleiner Zettel mit dem Namen des Spenders. Beim Kaffeetrinken muss der Butterweck vor seiner „Herrin ”stehen. Da die jungen Gäste nicht nur Kaffee trinken wollen, ist in einem Nachbarhaus eine Stube als Tanzraum hergerichtet, wo die Maiden und Jünglinge das Tanzbein schwingen können.

Bei Beginn der Dämmerung fängt das „Schenken” an. Um diesem wichtigen Vorgang einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, wird em besonderes „Bureau ”(Büro) eingerichtet. Das ist ein abschließbares Zimmer, in welchem die Braut an einem weißgedeckten Tisch sitzt. Neben ihr sitzen die Brautmädchen oder die Mütter. An der Gegenseite sitzt der „Protokollführer”. Er hat genau aufzuschreiben, von wem was und wieviel geschenkt wurde. Auf diese Weise wird jeder Gast „kontrolliert”. Das Geldgeschenk – je nach Verwandtschaftsgrad drei, zehn oder zwölf Mark – kommt in eine verdeckte Schüssel. Außerdem wird der Braut ein kleines Geldstück auf die Schürze gelegt, Schürzengeid genannt. Nach dem Schenken erhält jeder Gast ein Glas Wein mit Zucker oder ein süßes Schnäpschen. Hat der Gast keinen Kaffeedurst mehr, so verabschiedet er sich und begibt sich mit leerem Korb und leerem Geldbeutel auf dem Heimweg.

Am Sonntag darauf findet für die nächsten Angehörigen und die Nachbarsfrauen die Nachhochzeit statt. Bei dieser Feier geht es ähnlich zu wie bei der Vorhochzeit. Die Einladung wird noch vor der Haupthochzeit ausgesprochen. In den letzten Jahren ist das „Schenken ” vereinfacht worden, da ein Protokollführer nicht mehr wirken darf. Die Geschenke werden dem Brautpaar einfach überreicht.

Solch große Hochzeitsfeiern kann man geradezu als Unsitte bezeichnen. Es verwundert sehr, daß die Königliche Regierung oder einsichtsvolle Gemeinderäte diesem Treiben nicht Einhalt gebieten. Besonders die vielen Geschenke, die eine Familie im Laufe der Jahre aufzubringen hat, bilden eine drückende Selbstbesteuerung. Aber die Hochzeitsgeschenke sind es gerade, die diese großen Festlichkeiten mit so vielen Gästen veranlassen. Mitunter wird so ein Gewinn von rund 300 Mark erzielt. Zudem denken und sagen viele Eltern – wir haben so vielen Brautleuten die Hochzeit gehalten, also können wir auch viele Gäste einladen. So geht's in alter Weise weiter, obwohl alle Familien darunter leiden.


Dieser Beitrag wurde dem Artikel von Josef Marko "Alte Sitten und Bräche bei verschiedenen Festlichkeiten im Kirchspiel Flammersfeld" entnommen. Der Artikel wurde veröffentlicht im Heimtajhrbuch für den Kreis Altenkirchen 1992. - Hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Kreisheimatvereins Altenkirchen.


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