Katholischer
Junggesellenverein Leubsdorf/Rhein
Im
nördlichen Kreis Neuwied,
in der Eifel und im Rhein-Sieg-Kreis gibt es heute noch
Junggesellenvereine, die diese Tradition der Väter
fortführen. Sie richten die jährliche Kirmes aus,
nehmen an Stiftungsfesten befreundeter Vereine teil und arrangieren
sich auch bei anderen Aktivitäten innerhalb des jeweiligen
Ortes.
Einer dieser Vereine ist der
Kath. Junggesellenverein Leubsdorf/Rhein.
Der Verein wurde 1733 gegründet und kann am 01. Mai 2008 sein
275-jähriges Bestehen feiern.
Nachstehend
einiges zur Vereinsgeschichte des JGV Leubsdorf:
Leider
müssen das Ursprungsbuch und alle anderen
Schriftstücke des JGV bis Ende des 2. Weltkrieges für
uns als verloren gelten. Aus diesem Grunde stützt sich dieser
Artikel auf alte Festschriften (1933, 1958, 1973) und
überlieferte Gedanken, die durch eine Fragebogen- aktion bei
älteren Leubsdorfer Mitbürger zusammengetragen wurden.
Der Ursprung des Vereins ist unklar; eine
Art Bürgerwehr nach dem 30-jährigen Krieg oder Schutz
der sakramentalen Prozessionen ist nicht von der Hand zu weisen.
Der erste Kirmesaufzug fand am 01. Mai 1733
statt. Das mutet heute etwas seltsam an, da doch jener 01. Mai ein
Dienstag war. Einen Maifeiertag gab es noch nicht und der Kirmes-
sonntag (der erste Sonntag im Mai) war erst fünf Tage
später. Merkwürdig?! Das ist eine jener
Lücken, die wir heute leider nicht mehr zu schließen
vermögen. Seit 1752 wurden die Mitglieder namentlich
eingetragen und heute bewegt sich deren Zahl insgesamt um 1500. Ende
des 18. Jahrhunderts, anfang des 19. Jahrhunderts geriet man mitten in
die Wirren der Napoleonzeit. Der Mitgliederbestand ging stark
zurück und der Verein stand kurz vor der Auflösung.
Ein gebliebenes Zeichen dieser Zeit sind die Hüte der beiden
Offiziere und der Fähnriche, die
„Bonnebats-Hüte“ (v. Napoleon Bonaparte).
Um den Verein wieder zu festigen beschloss
man am 01. Mai 1833 ein Vereinsstatut, das neben allgemeinen Regeln 16
Paragraphen und 22 Anweisungen über Rechte und Pflichten der
führenden Offiziere des Vereins enthält. In diesem
(heute nicht mehr auffindbarem) Statut wurden allgemeine
Verhaltensregeln festgelegt und die Organisation des Vereins straff
geregelt, was den Verein aus der vorhergegangenen Krise
herausführte. Die einzige Textstelle, die uns bis heute
überliefert ist, zeugt von einem tiefen religiösen
Geist:
„Nun
hat jeder gehört, wie er sich
zu verhalten hat. Nun seit allesamt Gott befohlen, die ihr als getreue
Soldaten schreitet unter der Fahne Jesu Christi und unseren lieben
Patrone, welche sind Sankt Sebastian und Sankt Josef. Amen“
Die älteste aufgefundene Urkunde,
in der, der Junggesellenverein erwähnt wird, ist eine
Aufzeichnung des ehemaligen Lehrers Heinrich Pertzborn vom 14.08.1855.
Er schreibt in einer Art Tagebuch:
„Nachträglich
bemerke ich, dass am
14.08.1855 die Firmung von Linz vom Herrn Bischof Braun aus Trier
gespendet wurde und derselbe am 15. d.M. die hiesige Kirche besuchte.
Es ist hier ein Zwist zwischen dem Sendschöffen Hömig
und den Junggesellen wegen den Fahnen ausgebrochen, worin der Herr
Pastor mit als beteiligt betrachtet wird. Infolge dessen wurden die
Fahnen und auch der Traghimmel nicht (?) von den Junggesellen beim
Empfang des Bischofs getragen.“
Im Laufe der Zeit (Stand 1983) wurden 12
Trage- und 5 große Schwenkfahnen Eigentum des
Vereins.
Seit 1948 besitzt der Verein auch kleine Schwenkfahnen, mit denen heute
um höchste Punktzahlen und Preise geschwenkt wird.
Der
KJGV
stiftete aus Mitgliedsbeiträgen Leuchten für den
Josefsaltar. Der Altar selbst wurde
nicht (wie oft angenommen) vom JGV
gestiftet. 1906 beim Bau der neuen Kirche stiftete der JGV ein
Chorfenster. Der sakramentale Himmel ist Eigentum der Junggesellen,
dessen Vor- stand die Ehre hat, ihn auf Kirmes und an Fronleichnam
tragen zu dürfen.
Der Vereinsvorstand bestand früher
nur aus 3 Mann (Hauptmann, Leutnant, Schriftführer der die
Aufgaben des Kassierers mitbetreute). Für den Himmel zu
tragen, waren das zu wenig, also wurde der „4.
Himmelsstab“ auf der Generalversammlung versteigert. Mit der
Zeit entwickelte es sich so, dass der Träger des 4.
Himmelsstab die Aufgaben des Vereinskassierers übernahm.
Ein neuer Himmel musste angefertigt werden,
nachdem der alte von 4 betrunkenen Vorstandsmitgliedern in einen
Weinberg geworfen wurde, weil sich der Pastor weigerte darunter zu
laufen. Er wurde zwar einmal neu überzogen, hielt aber fast 80
Jahre. 1982
wurde vom JGV ein neuer Himmel gestiftet,
der nur von Leubsdorfer Handwerkern nach
dem
Vorbild des alten in Form und Maßen nachgebaut wurde.
Einen ersten Einschnitt im Vereinsleben des
20. Jahrhunderts brachte der 1. Weltkrieg. 16 Mitglieder des
Junggesellenvereins fielen diesem Krieg zum Opfer. Doch auch diesen
Eingriff von außen überlebte der Verein.
Anfang der 30er Jahre hatte er wieder 60 Mitglieder.
Noch heute gilt der Gründergedanke,
der in der Festschrift von 1933 zum 200-jährigen Stiftungsfest
so zusammengefasst wurde:
„Sittlichkeit,
Freundschaft und Geselligkeit
zu fördern, den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen nach zu
leben, Liebe und Anhänglichkeit an den Staat und die Obrigkeit
zu beweisen, durch geschlossene Teilnahme an einzelnen
Festgottesdiensten und Prozessionen zu Ehre Gottes, zur Verherrlichung
des Gottesdienstes beizutragen sowie durch Veranstaltung von
Festaufzügen und Fähndelschwenken das Kirchweihfest
verschönern zu helfen.“
Kurz
nach
der Machtübernahme der Nazis, der zweite große
Einschnitt für den KJGV. Es ist
die
wohl
schwerste Zeit für den Verein gewesen, denn die politischen
und später die militärischen Ereignisse gingen
natürlich
nicht an ihm vorbei. Zunächst wurde an allen Fahnen ein
Hakenkreuzwimpel angebracht, der
vorschriftsmäßig mit dem Hitlergruß
gegrüßt werden musste.
Ein Junggeselle bekam große Schwierigkeiten mit der
Obrigkeit. Als Kadett riss er (absichtlich oder nicht) den
Hakenkreuzwimpel von der Fahne, als man sich am 27.05.1937 vor der
Kirche zur Fronleichnamsprozession aufstellte. Er wurde angezeigt und
wegen „unehrenhaften Verhalten“ ins
Gefängnis geworfen. Der Bürgermeister setzte sich
für ihn ein, und er bekam von den Junggesellen und der
Leubsdorfer Bevölkerung fast 400 Karten zum Namenstag.
In den 40er Jahren mussten alle
Fahnenspitzen abgegeben werden. Damit daraus Patronenhülsen
gefertigt werden konnten.
1937
wurden alle Kath. Vereine in Deutschland aufgelöst und die
Kassenbestände dem Reich
zugeführt.
Der Kath. Junggesellenverein gehörte nicht dazu, denn in den
Statuten fand sich kein Vermerk, dass nur Katholiken aufgenommen werden
durften. Damals (wie heute noch) hieß es: „Jeder
Leubsdorfer Bürgerssohn kann in dem Jahr, in dem er 18 Jahre
alt wird, dem Verein beitreten“.
Obwohl
er
dem Namen nach ein katholischer Verein war, durfte er weiter bestehen.
Doch dieses Weiterbestehen war mehr als gefährdet, denn zu
Beginn des 2. Weltkrieges wurden fast alle Junggesellen eingezogen. Bis
auf wenige Ausnahmen ruhten alle Vereinsaktivitäten.
Hauptsächlich Adam Hauschild führte den Verein, oder
das, was davon noch übrig war, bis zum Ende des Krieges.
Während des Krieges fielen 42 Mitglieder des Vereins den
sinnlosen Tod für „Führer, Volk und
Vaterland“. Diese 42 und 16 Gefallenen oder Vermissten aus
dem ersten Weltkrieg werden uns immer eine Mahnung bleiben. Der Verein
war bis auf wenige Ausnahmen mitgliederlos. So wurde während
des Krieges das Mindestaufnahmealter auf 16 Jahre
zurückgestuft, damit den gefallenen Junggesellen wenigstens
ein Totenamt mit den Fahnen des Vereins gelesen werden konnte.
Doch
auch
diese Krise wurde überstanden und überwunden. Schon
1946 fand wieder ein Kirmesumzug statt. In unserer Gegend war das der
erste öffentliche Aufzug nach dem Krieg. Das haben wir dem
Umstand zu verdanken, dass die Offiziere und Fähnriche mit
„Bonnebats- Hüten“ ausgerüstet
waren, denn aus diesem Grund war die französische
Besatzungsmacht, die hier die politische und militärische
Verwaltung innehatte, dem Kath. JGV gegenüber humaner als
anderen Vereinen.
Die erste Tanzveranstaltung nach dem Krieg
fand im Saale Winzerverein statt. Man hörte Schallplattenmusik
und es konnte jeweils nur der halbe Saal tanzen, weil der Saal mit
Flüchtlingsmöbeln vollgestellt war. Schusswaffen
waren zu dieser Zeit noch verboten, so dass der
Schützenkönig am
Stiftungsfest 1946 durch Steinwürfe auf Flaschen ermittelt
wurde und ein Jahr später an Kirmes durch ein
Armbrustschießen. Bis 1949 waren viele der Kriegsgefangenen heimgekehrt, so dass in
alter
Umgebung wieder richtig gefeiert werden konnte.
Das ganze Jahr über wurde wieder an
jedem 1. Sonntag im Monat Schlag 13 Uhr Feldhausen gehalten.
Fastnachtmontag war Generalversammlung. Die gewählten und
ersteigerten Ämter traten auf Weißen Sonntag in
Kraft, an diesem Tage wurde auch das Vereinslokal gewechselt.
Eine Woche nach Kirmes war Nachkirmes
(Tanzveranstaltung). Jeder 2. Sonntag im Juli war Stiftungsfest, bei
dem ein eigener Schützenkönig ermittelt wurde. An den
vorgenannten Ter- minen wurde einiges geändert, weil man sich
der Zeit anpassen musste und nicht alles beizu- halten war. Nachkirmes
und Stiftungsfest gibt es nicht mehr. Die Feldhausen finden nicht mehr
regelmäßig statt, sondern nur, wenn etwas Besonderes
anliegt, dann aber auch samstags abends. Stiftungsfeste wurde 1933,
1958, 1973 und danach in einem Abstand von 5 Jahren gefeiert. Man lud
dazu Brudervereine ein, die zusammen einen Festzug gestalten und durch
Preisfähndelschwenken den besten Fähnrich
ermittelten. Die Statuten wurden 1980 überarbeitet und der
heutigen Zeit angepasst mit dem Vorsatz an überliefertem
Gedankengut festzuhalten.
1979
beschloss man nach langen Beratungen die Kirmes wie folgt
durchzuführen:
Sonntag vor Kirmes
Königsschießen
Kirmes
Samstag
17.00 Uhr Feldhausen
18.30
Uhr Festzug mit Fähndelschwenken
20.00
Uhr Tanz
Sonntag
05.00 Uhr Weckruf
09.00
Uhr Kirchgang mit sakramentaler Prozession
14.00
Uhr Vesper mit anschl. Fähndelschwenken und Königszug
20.00
Uhr Königsball
Montag
08.00 Uhr Kirchgang, anschließend Fähndelschwenken
09.00
Uhr Biermusik
14.00
Uhr Präsentierzug
Dienstag
08.00 Uhr Kirchgang, anschließend Fähndelschwenken
09.00
Uhr Biermusik mit offenem Ende
Vor
1966
gab es nicht regelmäßig Ehrendamen, sondern nur
dann, wenn eine neue Fahne geweiht wurde. Auch das hat sich seit 1966
geändert. Seitdem gehören die Ehrendamen, wie bei
allen Vereinen in der Umgebung, zu den Festumzügen des KJGV
und runden das Gesamt- erscheinungsbild des Vereins positiv ab.
Ein alter Brauch hat sich über die
ganze Vereinsgeschichte hinweg nahezu unverändert erhalten.
Die Sitte des Heulbierholens. Früher wurde das bei jedem
Leubsdorfer Mädchen gemacht, seit der
Statutenüberarbeitung 1980 nur noch bei den Mädchen,
die auch vorher als Ehrendamen mitgewirkt haben. An einem Sonntag vor
der Hochzeit kommen Hauptmann und Leutnant zu dem Mädchen und
bieten ihm ein Myrthensträußchen an. Wird dieses
Sträußchen angenommen, sind die beiden automatisch
mit dem Lambertusstab zur Hochzeit eingeladen; sie bekommen nach dem
Aufsagen eines alten Spruches einen Ehrenplatz gegenüber dem
Brautpaar.
Den Schluss dieses Artikel ziert ein Zitat,
das der Festschrift von 1933 entnommen wurde und heute noch genauso
gültig ist: „So hat der Verein alte Sitte und gute
Gebräuche trotz mancher Hindernisse während zweier
Jahrhunderte in Treue gehütet, bewahrt und gepflegt.
Möge der Junggesellenverein Leubsdorf, dessen Bestreben es
ist, das Gute und Schöne nach der Väter Weise zu
erhalten, auch fernerhin in Treue und Einigkeit zusammenstehen zur
Pflege der Geselligkeit und der Freundschaft, zur
Verschönerung der kirchlichen und weltlichen Fest unserer
trauten rheinischen Heimat“.
(von
Eberhard Krebs)
Quelle:
Festschrift zum 250jährigen Bestehen des Kath.
Junggesellenvereins Leubsdorf/Rhein
von 1983
(Verfasser Wolfgang Blumenthal)
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