Die Familie Brötz und mit ihr verwandte Linien

 

recherchiert von Hannelore Neffgen ab 1988

 

Vor einigen Jahren noch war Frickhofen nichts anderes für mich als ein kleiner Punkt auf der Landkarte. Trotzdem möchte ich es wagen, über eine ganze Reihe von Familien auf diesem Punkt  der Landkarte zu schreiben - und das kam so:

Vielleicht kann sich mancher der Leser noch erinnern, dass man in der sogn. “Nazizeit” einen Ahnenpass erstellen musste, wenn man einen bestimmten Beruf erlernen wollte. In diesem Pass sollte die “arische Abstammung” abzulesen sein. Auch ich musste diesen Pass vorlegen, denn ich wollte in der Marienburg in Vallendar zur Lehrerin ausgebildet werden.

 

Meine Mutter, eine in Essen geborene “Brötz”, half mir dabei, denn ich hatte keine Ahnung, wer ihre Eltern waren und woher diese stammten.

Da fiel zum ersten Male der Name “Frickhofen”, der Ort, in dem mein Grossvater geboren war. Selbst meine Mutter kannte den Geburtsort ihres Vaters nicht. Er starb in Essen, als meine Mutter gerade 1½ Jahre alt war. Die Grossmutter, die aus Schermbeck in Westfalen stammte, ging mit ihren Kindern in ihre Heimat zurück und ich vermute, dass sie nie mehr Kontakt zur Familie ihres verstorbenen Mannes in Frickhofen hatte.

Nun, die Nazizeit ging vorüber, aber der Ahnenpass hatte die Zeit überlebt. Nach meiner Pensionierung als Lehrerin fand ich ihn in einer Schublade und dachte, dass ich die leeren Seiten mal “schnell” füllen könnte.

 

Im Verein für Familienkunde in Krefeld lernte ich eine Dame kennen, die den Mormonen angehörte. Ich erfuhr von ihr, dass die Mormonen weltweit Daten von Verstorbenen aus Archiven der Kirchen, Staats- und Bundesarchiven und Standesämtern sammeln und jeder im Archiv der Mormonen forschen könne. Sie bestellte mir im Zentralarchiv der Mormonen in Salt Lake City in den USA die verfilmten Kirchenbücher von Frickhofen. So fing ich an, Tage, Wochen und Monate die hinterlassenen Spuren meines Großvaters Johann Martin Brötz und seiner Familie zu verfolgen. Wahrlich eine interessante Spur. (Inzwischen sind alle Bücher bei den Mormonen gesperrt u. man muß in die entsprechenden Archive fahren.)

 

Ich merkte schnell, dass ich mich nicht nur auf den Namen “Brötz” konzentrieren konnte, denn in jeder Generation kam ja eine Frau dazu, die vor ihrer Eheschließung einen anderen Familiennamen trug.

So habe ich bis heute außer Brötz die Linien Rick ( von meiner Urgrossmutter ) Kühn, Strieder, Klee, Staudt, Schardt, Weyer, Jeuck und Sick verfolgt, aus denen Großmütter und bis zu fünfmal Urgroßmütter stammen. Aber auch die Geschwister der jeweiligen direkten Vorfahren schrieb ich auf, damit ich mir ein vollständiges Bild aus vergangenen Zeiten machen konnte. Dabei stellte ich fest, dass diese Vorfahren nicht nur aus Frickhofen, sondern auch aus den umliegenden Orten stammten, wie Thalheim, Dorchheim, Hintermeilingen, Dehrn, Dietkirchen und sogar aus der Nähe von Hachenburg.

 

Leider wird den Ahnenforschern auf den Spuren in die Vergangenheit eine Grenze gesetzt - der 30jährige Krieg (1618 - 1648 ). In dieser schrecklichen Zeit mußten nicht nur die Menschen Entsetzliches erleiden, so wurden auch oft mit den Kirchen deren gesammelten Unterlagen, wie Tauf-, Heirats- und Sterbebücher verbrannt.

Im “Kirchspiel” Frickhofen, zu dem in früheren Jahren Dorchheim, Wilsenroth, Mühlbach, Waldmannshausen, Dorndorf und Langendernbach gehörten, fangen die Taufbücher um das Jahr 1649 an.

 

Nach dieser etwas längeren allgemeinen Einleitung möchte ich nun über die einzelnen Familien berichten, soweit ich sie “ausgegraben” habe.

Die Spur meines Großvaters endete viel zu früh in Essen, genauer gesagt, in Essens Norden, im Segeroth. Hier war auch meine Mutter Anna Berta Brötz, als letztes von acht Kindern aus zwei Ehen, im Jahre 1896 geboren. Wie schon erwähnt, starb mein Großvater noch sehr jung 1898 mit 42½ Jahren an einer Lungenkrankheit. Er hatte bei Krupp gearbeitet und mußte, wie alle “Kruppianer”, in der Nähe seiner Arbeitsstätte wohnen. Diese industrienahe Wohnlage bürdete den Segerothbewohnern vielfältige ökologische Belastungen auf. Vor allem die Emissionen (Luftverschmutzung ) der Kruppschen Fabriken gingen bei herrschendem Westwind im Segeroth nieder und überzogen das Viertel mit Staub und Ruß. Die Luftqualität war dadurch derart beeinträchtigt, daß der Schularzt noch 1913 den Schulkindern des Segeroth den schlechtesten Gesundheitszustand aller Essener Kinder attestierte, da die eingeatmete Luft nicht die genügende Sauerstoffzufuhr zum Blute gewährleistete. Außerdem  galt das Segeroth als das Viertel mit der höchsten Wohndichte und dem zugleich niedrigsten Wohnkomfort in Essen.

(Diese Zustände sind in dem Buch: “Essens wilder Norden” ausführlich beschrieben.)

 

Da mein Großvater mit seiner Familie genau in diesem, im Buch beschriebenen, Stadtteil wohnte, interessierte mich dieser Artikel darin besonders. Wenn man sich nämlich vorstellt, aus welch landschaftlich idyllischer Gegend er stammte, stimmt es mich traurig, daß all seine Hoffnung auf ein besseres, finanziell gesichertes Leben schon so früh zerstört wurde.

 

In der Sterbeurkunde meines Großvaters stand vermerkt, daß sein Bruder Georg Brötz seinen Tod dem Standesamt gemeldet hatte. Es stand auch darin, dass seine Eltern die in Frickhofen verstorbenen Eheleute Johannes Brötz und Anna Maria geborene Rick waren. Durch diesen Vermerk erfuhr ich nun auch die Namen der Urgroßeltern. Eine weitere Idee verhalf mir, Licht in das Dunkel meiner Vorfahren zu bringen. Ich fuhr in das Stadtarchiv nach Essen, um dort Einsicht in die vielleicht noch vorhandenen alten Adressbücher zu erhalten. Es gab sie tatsächlich noch, und ich konnte feststellen, dass der Name Brötz zum ersten Male 1880 in Essen auftauchte. Neugierig geworden, suchte ich bis zum heutigen Tage alle eingetragenen Brötz heraus.

 

Der erste war Jakob Laurentius Brötz, 1881 folgte Johann Martin Brötz (mein Großvater) und zwölf Jahre später, im Jahre 1893, kam noch Johann Georg Brötz dazu. Jetzt war es einfach, im Archiv der Mormonen in den entsprechenden Büchern von Frickhofen die Geschwister meines Großvaters aufzuspüren, von deren Vorhandensein ich vorher keine Ahnung hatte.

 

Nun fing ich an, aus diesen Kirchenbüchern alles heraus zu schreiben, was “Brötz” hieß. Es kam eine Menge zusammen, aber allerdings nur fünf Kinder, die dem Ehepaar Brötz / Rick zuzuschreiben waren. Ich stellte fest, daß zwei von ihnen schon früh starben, und - wie ich schon beschrieb - drei von ihnen nach Essen gingen.

 

Zuerst möchte ich jetzt über die Familie meiner Urgroßeltern Brötz / Rick berichten, was zum Teil sehr schwierig war, herauszufinden.

Der Urgroßvater Johannes Brötz war das älteste von zehn Kindern des Ehepaares Brötz / Kühn, geboren am 24.11.1824 in Frickhofen ( genau 9 Monate nach der Hochzeit seiner Eltern ). Die Taufe fand einen Tag später in der Kirche St. Martin statt. Seine Taufpaten waren Johannes Brötz, der Bruder des Vaters und Anna Maria Staudt, die Tochter des Johannes Staudt.

 

Zwei seiner nach ihm geborenen Geschwister, Mädchen, brachte die Mutter tot zur Welt. Von den überlebenden blieb nur die behinderte Schwester Katharina ledig, die anderen heirateten.

 

Johannes heiratete zuerst, u.zw. am 11.05.1851 in Frickhofen. Seine Auserwählte war die Witwe Anna Maria Breithecker geborene Rick. Im Alter von 30 Jahren heiratete sie am 08.07.1849 in der Kirche von Niederzeuzheim den 27jährigen Johann Breithecker aus Frickhofen. Sie war zu dieser Zeit schon ziemlich alt für eine Braut. Johann Breithecker hatte ein Haus mit Scheune und Stall von Peter Staudt gekauft. Dieser hatte das Anwesen zwischen den Jahren 1840 und 1843 bauen lassen. Außer Wohnhaus, Scheune und Stall gab es auch noch einen Hofraum und Hausgarten. Elf Monate nach der Eheschließung mit Johann Breithecker starb der Ehemann.

 

Johannes zog nach der Eheschließung mit Anna Maria in deren Haus ein und im Laufe von zwölf Jahren wurden hier fünf Kinder geboren. Es waren vier Jungen und ein Mädchen. Der Sohn Nr. 2 mit Namen Johann Vincenz, starb schon nach 12 Tagen. Das einzige Mädchen wurde nur 5 Jahre alt.

In den einzelnen Urkunden steht Johannes Beruf als Leineweber und Bauer angegeben. Trotzdem versuchte er eines Tages, in Essen Fuß zu fassen. Sein jüngerer Bruder Johann Georg, der mit Anna Maria geb. Klee verheiratet war, hatte es ihm vorgemacht. Dieser war am 2. August 1874 mit seiner ganzen Familie nach Horst bei Steele “ausgewandert”. Dort versuchte auch Johannes im Jahre 1876 Arbeit zu bekommen. Er blieb aber nur kurze Zeit und fuhr wieder nach Hause zurück, wahrscheinlich war er mit seinen 52 Jahren schon zu alt für einen Neuanfang. Am 11.01.1879 starb er 54jährig an einer Gelbsucht. Zwei Tage später, am 13.01. wurde er in Frickhofen beerdigt. Zu diesem Zeitpunkt waren seine drei Söhne, über die ich noch ausführlich berichte, 26, 23 und 16 Jahre alt.

 

Anna Maria Breithecker geborene Rick wurde also meine Urgroßmutter. Sie stammte aus Thalheim, einem Nachbarort von Frickhofen. Wie schon berichtet, hinterließ ihr verstorbener erster Ehemann in Frickhofen ein Haus in der Hintergasse Nr. 132 und sehr viel Land. Vom herzoglichen Justizamt in Hadamar wurde genau festgestellt, was Anna Maria  geerbt hatte. Kinder hatten sich in der kurzen Ehe nicht eingestellt.

Natürlich hatte ich vor meiner Ahnenforschung den Namen “Rick” noch nie gehört und so sammelte ich nebenbei alle Daten, die die Familie Rick betrafen. Anna Maria war am 27.03.1819 in Thalheim geboren und hatte, nach meinen Recherchen nur einen zwei Jahre jüngeren Bruder. Ihre Eltern, auch aus Thalheim gebürtig, mussten sich mit ihrer Hochzeit schon sehr beeilen, denn der Nachwuchs stellte sich genau 18 Tage später ein. Der Beruf des Vaters wird in den Taufbüchern mit “Händler” angegeben, vermutlich gehörte er auch zu den sogn. Landgängern. Sie verkauften zwar keine Kochlöffel wie die Frickhöfer, sondern handelten mit Artikeln aus Wachs, wie z.B. Kerzen, die in den Wintermonaten hergestellt wurden.

Die Eltern von Anna Maria waren Anton Rick und Maria Weier.

 

Thalheim gehörte zur Zeit ihrer Geburt zum Kirchspiel Niederzeuzheim. Die Geschichte dieser “Rickvorfahren” hat ebenfalls eine Menge interessanter Aspekte.

 

Um den Leser nicht zu verwirren, möchte ich später über die Familie Rick, die ja auch die Vorfahren der beiden Brüder meines Großvaters waren, berichten.

 

Der älteste Sohn, Jakob Laurentius, heiratete in dem Jahr, in dem sein Vater den Versuch in Essen startete, die Katharina Weser aus Niederhadamar. Seinen zweiten Namen Laurentius erhielt er, weil er am Tag des Laurentiusfestes geboren war, am 07.08.1852. Diesen beiden wurde noch in Frickhofen im Jahre 1878 die Tochter Anna geboren, bevor die kleine Familie, wie schon beschrieben, 1880 nach Essen ging.

Ein Jahr nach dem Tode des Vaters wurde das Haus in der Hintergasse Nr. 132 verkauft. Laut Akten aus dem HSA in Wiesbaden weiß ich, daß der Käufer Karl Sturm hieß. Dabei lebte die Mutter, Anna Maria geb. Rick, und der zu diesem Zeitpunkt 17jährige jüngste Sohn Johann Georg noch in Frickhofen. Ob die Mutter noch bis zu ihrem Tode im Jahre 1882 in dem Haus bleiben konnte, entzieht sich meiner Kenntnis. Man überlegt auch, warum das Haus noch bei Lebzeiten der Mutter überhaupt verkauft wurde. Sollte der Erlös das Leben der Mutter absichern, nachdem ihre Söhne Frickhofen verlassen hatten? Viele ungeklärte Fragen, die wohl nie mehr geklärt werden können, denn auch der letzte Sohn verließ seine Heimat. Er zog wahrscheinlich mit einem der wandernden Kaufleute, die in Nah und Fern Kochlöffel und andere heimische Erzeugnisse verkauften. Er kam nachweislich bis nach Zwickau, wo er eine Frau fand und heiratete. Aber auch er kam mit seiner Ehefrau und seinem erstgeborenen Sohn nach Essen zu seinen beiden Brüdern.

 

Das Elternhaus fand 1910 einen neuen Käufer. Es wurde von Jakob Heun gekauft, der es 1956 an seinen Sohn Johannes vererbte. Von ihm wiederum erbte es seine Tochter Elfriede mit ihrem Mann Kurt Waldhaus. Im Laufe der Zeit erhielten die Häuser in der Hintergasse neue Hausnummern und irgendwann auch den neuen Straßennamen “Im Niederdorf”. Das ehemalige Haus von Brötz / Rick erhielt die Nr. 5, heute trägt es die Hausnummer 6.

 

In Essen wurden dem Ehepaar Brötz / Weser noch vier Kinder geboren, es waren drei Buben und ein Mädchen. Von diesen blieb leider nur das jüngste am Leben, Paul Jakob mit Namen. Die älteste Tochter Anna, noch in Frickhofen geboren, heiratete um die Jahrhundertwende den Peter Anton Strieder aus Frickhofen. Er war der älteste Sohn des Ehepaares Peter Liborius Strieder und Maria Regina Kühn, am 16.01.1874 geboren. Ihm folgte der Bruder Jakob Stephan Strieder, der 1879 in Frickhofen das Licht der Welt erblickte. Ein drittes Kind, eine Tochter, wurde noch geboren, aber sie lebte nur 15 Tage. Zwei Monate später starb auch die Mutter. Der Vater Peter Liborius war von Beruf Schmied und wohnte auf der Lange Strasse. Hier hatte er auch seine Schmiede. Nach dem Tod seiner Frau heiratete er ein Jahr später Katharina Jakobine Schardt, die ihm 1884 und 1885 die Söhne Georg und Adolf gebar. Nach weiteren Kindern habe ich noch nicht geforscht.

 

Dem Ehepaar Peter Anton Strieder / Anna Brötz wurden in Essen drei Kinder geboren, ein Sohn und zwei Töchter. Das herauszufinden war gar nicht so einfach und gelang nur mit Hilfe von netten, hilfsbereiten Menschen in Frickhofen, die die Familie kannten.

 

Hier lasse ich die Geschichte erst mal enden. Demnächst werde ich sie zu Ende schreiben.

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