Die jüdische
Bevölkerung Schönebergs
Die Geschichte der Juden in
Schöneberg ist ein schwieriges Thema, da Quellen darüber selten sind. Bei der
älteren Geschichte der jüdischen Bevölkerung Schönebergs muss ich mich im wesentlichen auf den Aufsatz „Deutsch Jüdische Bürger
unserer Heimat" von Günter Heuzeroth verlassen,
obwohl in dem Teil über Schöneberg Fehler enthalten sind. Leider ist sein
Informant W. Gruen (Walter Grünebaum)
1977 in den USA verstorben, so dass
ich nicht nachfragen konnte.
Es ergibt sich etwa folgendes
Bild: Vor dem Pogrom von 1349 gab es
in Schöneberg wohl noch keine Juden, doch vor dem Dreißigjährigen Krieg bestand
schon eine größere jüdische Gemeinde. Die Zahl von einhundert Seelen oder gar
Familien halte ich für übertrieben, da Schöneberg 1561 wie auch um 1600 nur elf Feuerstellen besaß. Diese
Gemeinde soll sogar eine Synagoge besessen haben. 1728 wird ein Samuel Grün und 1733
ein Bineas Judel aus
Schöneberg erwähnt. Da es 1789 nur
zwei jüdische Familien im Kirchspiel gab, ist die Existenz einer Synagoge sehr
unwahrscheinlich. 1820 soll diese
abgebrannt sein, weil sie durch einen Blitzstrahl entzündet wurde. Danach ging
es anscheinend mit der jüdischen Gemeinde in Schöneberg bergab, was wohl durch
den Brand von 1854 verstärkt wurde. In einem Kaufvertrag tritt 1856 ein Juda Sternen aus Schöneberg auf, und in einem Auszug aus
dem Grundsteuerkataster von 1874 ist ein Jakob Lilienthal aufgeführt. 1858 und
1861 waren sechs und 1863 sieben Bewohner Schönebergs jüdischen Glaubens.
Nach dem Synagogenbrand gehörten
die Schöneberger Juden wohl zur Synagogengemeinde Altenkirchen, in deren
Heberolle für den Zeitraum vom 1. 4. 1881 bis zum 1. 4. 1882 ein Nathan aus
Schöneberg, welcher im Vergleich zu Juden auf anderen Dörfern die stattliche
Summe von 12 Mark im Monat (?) einnahm, aufgeführt. 1895 gab es in Schöneberg sechs Juden.
Einen Hinweis auf eine größere Anzahl gibt eine Straßenbezeichnung in
Schöneberg. Die heutige Bergstraße heißt bei den alten Leuten immer noch die „Judengass“. Zur Zeit der heute noch lebenden
Schöneberger hat jedoch kein Jude mehr dort gewohnt. Meine Großmutter wusste jedoch zu berichten, dass dort eine
jüdische Familie namens Kaune lebte.
Für das 20. Jahrhundert kann man genauere Angaben über die
jüdische Bevölkerung machen. 1925 gab es in Schöneberg sieben Einwohner
jüdischen Glaubens. In den dreißiger Jahren lebte eine Familie Lilientahl in Schöneberg, und zwar folgende Personen:
Sigmund Lilienthal mit Frau
Henriette, deren Sohn Jakob Lilienthal mit Frau und drei Kindern (...) und
seine Schwester Lina mit ihrem Mann Georg Landau. Während die Familien Sigmund
Lilienthal und Georg Landau sich ins Ausland absetzten, blieb die Familie Jakob
Lilienthal trotz Ausschreitungen in Schöneberg. In der ersten Maiwoche des
Jahres 1939 wurde sie weggebracht. Im Nationalblatt vom 8. Mai 1939 heißt es
dazu unter Flammersfeld:
„Schöneberg ist judenfrei. -
Schöneberg. In der vorigen Woche ist auch der letzte seiner Rasse aus unserem
Ort abgewandert, und zwar vorläufig mal nach Köln, nachdem sein Besitztum in
arische Hände übergegangen war. Schöneberg ist damit frei von Juden, und es
wird niemanden gegeben haben, der Jud Lilienthal eine
Träne nachgeweint hat.“
Ob sie wirklich nach Köln
gegangen sind, bezweifle ich. Die von ihnen hinterlassene Adresse, Köln,
Engelbertstraße 23, wohin auch der damalige Posthalter die Post schickte, war
meiner Ansicht nach die Adresse eines Bekannten oder Verwandten. Leider sind
die Meldeunterlagen der Stadt Köln über diesen Zeitraum im Krieg vernichtet
worden. Wie man mir mitteilte, war das Haus Engelbertstraße im Jahre
1938 im Besitz eines gewissen Moritz Rosenduft. In dem Haus wohnten anscheinend
nur jüdische Bürger. Die Bekannten oder Verwandten dort konnten die Post aber
nicht lange in Empfang nehmen, nach wenigen Monaten kam die Post mit dem
Vermerk Adressat „unbekannt verzogen“ zurück.
Abschließend bleibt zu bemerken,
dass das Verhältnis zwischen den Dorfbewohnern und den Juden anscheinend gut
war. Man berichtet nur im positiven
Sinne darüber, und es gab bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg sogar
Briefkontakte. Eine Quelle für Konflikte war je doch anscheinend die Metzgerei
der Lilienthals, welche im Anfang der dreißiger Jahre „arische“ Konkurrenz
bekam.
Foto:
Burckhardt (1958)
Das
"Judenhaus", das von der Familie Lilienthal bewohnt und 1977
abgerissen wurde.
(aus: Lutz Sartor: Die Geschichte meiner Heimatgemeinde Schöneberg bei Altenkirchen, in: Heimat-Jahrbuch des Kreises Altenkirchen (Westerwald) und der angrenzenden Gemeinden 1981, 69f, Altenkirchen 1980) – hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Heimatvereins für den Kreis Altenkirchen.
* 10. November 1895 in Schöneberg
ermordet in Maly Trostinec bei Minsk 1942
Frieda Lilienthal
geb.
Gottschalk
* 30. Oktober 1899 in Enzigsee,
Pommern
ermordet in Maly Trostinec bei Minsk 1942
* 10. September 1924 in Schöneberg
ermordet in Maly Trostinec bei Minsk 1942
* 13. August 1926 in Schöneberg
ermordet in Maly Trostinec bei Minsk 1942
* 28. Juli 1932 in Schöneberg
ermordet in Maly Trostinec bei Minsk 1942