SEITE 18 | NR. 6 · SAMSTAG, 8. JANUAR 2011 |
Lokal-Thema
Meudterin spürt ihre Verwandten in den USA auf
Familienforschung Spurensuche von Sabine Diefenthal begann in Berod und führte über den großen Teich
Von unserer Redakteurin
Christel Debusmann
M Meudt. Mit einem alten Foto fing alles an. Sabine Diefenthal aus Meudt entdeckte das Bild im Familienalbum ihrer Mutter, und ihre Neugierde war geweckt. Drei ihr unbekannte junge Leute zeigt die Aufnahme. Auf der Rückseite steht: „Margaret, Clifford und Flo- rence – Christmas 1952“.
Sie rätselte, wer das Trio denn ist, und fragte überall bei Ange- hörigen nach. Vor allem ihr Ver- bleib interessierte sie. Und so be- gann Sabine Diefenthal vor ge- nau drei Jahren intensiv damit, Fa- milienforschung als Hobby zu be- treiben. Viel Zeit hat sie inves- tiert. Doch es hat sich gelohnt, denn der Kreis der Verwandten hat sich weltweit ausgedehnt.
Meist ist es ja eher der Fall, dass US-Amerikaner in Deutsch- land nach ihren Wurzeln suchen. Diesmal lief es umgekehrt. Die Meudterin machte sich zunächst daran, ihre Angehörigen mütter- licherseits zu finden, die sich vor mehr als 100 Jahren in die Neue
Sabine Diefenthal mit dem Bild, das ihre Neugier weckte, und dem Kleid, das Therese Schäfer ihrer Schwester Maria nach Deutschland schickte.
forschungen ergaben, dass es sich auf dem Bild um Nachkommen der Schwester ihrer Urgroßmutter Maria Schäfer handelte.
Sabine Diefenthal erzählt von damals: „Elf Kinder hatte das Ehe- paar Jakob (1846 bis 1917) und Margarete (1854 bis 1898) Schä- fer, das ausgangs des 19. Jahr- hunderts in Berod lebte. Bei der Geburt des Jüngsten starb die Mut- ter. Der Vater musste den Nach- wuchs allein großziehen.“ Der zweitälteste Sohn, Adam (1879 ge- boren), wanderte schon in jungen Jahren aus. 1895 machte er sich auf den Weg in die USA. Das jüngs- te Mädchen, Therese (geboren 1896), folgte ihm im Jahr 1921.
Der Bruder betrieb inzwischen in St. Louis/Missouri eine Bäcke- rei. Er hatte seine Schwester, die erst nach seiner Abreise zur Welt gekommen war, als Unterstüt- zung angefordert. Mit diesen Ba- sisinformationen nahm die Meudterin ihre weiteren Recher- chen auf. Kei-
ner der An-
gehörigen in Deutschland hatte noch eine Ahnung, wo die Ver- wandten in Amerika lebten. Der Kontakt zu ihnen war nämlich be- reits Anfang der 1960er-Jahre ab- gerissen.
Die Recherchen begannen müh- sam, denn den Namen Schäfer gibt es auch in Übersee sehr häu- fig. Das machte die Sache relativ schwierig. Doch die Familienfor- scherin gab nicht auf. Und als sie schließlich die Geburtsdaten von Adam und Therese Schäfer in Be- rod herausgefunden hatte, ge- staltete sich die Suche etwas ein- facher. Vor allem das Internet nutz- te Sabine Diefenthal für ihre Re- cherche. Sie beanspruchte dabei auch die professionelle und kos- tenpflichtige Hilfe des Anbieters Ancestry. Historische Daten und Dokumente sind dort gesammelt und einsehbar.
Sabine Diefenthal nahm so die Spur ihrer Verwandten von der Überfahrt bis heute auf. Die alten Schiffspassagierlisten, die im In-
gung stehen, brachten sie auf die richtige Fährte. Sie blätterte darin und fand sowohl den Übersee- dampfer, mit dem Adam Schäfer 1895 von Antwerpen nach New York kam, als auch den, mit dem seine Schwester Therese 1921 die Reise über Bremen nach New York antrat.
Sabine Diefenthal durchforstete Telefon- und Sterbeverzeichnisse oder Registrierungen von Solda- ten. Über die Volkszählungslisten gelang es ihr schließlich, Adam Schäfer inklusive aller Familien- mitglieder in St. Louis aufzustö- bern. Über diesen Ausgangspunkt hat sie inzwischen alle noch le- benden Nachkommen von Adam und Therese Schäfer aufgespürt. Einige wohnen noch immer in St. Louis, andere in Dallas/Texas und in Kalifornien. Die Deutsche stell- te zu allen wieder die Verbin- dung her. Es folgte ein reger Aus- tausch alter Fotografien. Regel- mäßig wird inzwischen per E-Mail und Telefon korrespondiert.
sind noch am Leben: Es sind die Kinder von Therese Schäfer. Auch die Familie väterlicherseits von Sa- bine Diefenthal hat Auswanderer in ihren Reihen. Mit einigen von ih- nen steht sie in losem Kontakt. De- ren Spuren zu verfolgen, war al- lerdings etwas leichter. Denn der Name Diefenthal kommt in den USA nicht so häufig vor, auch wenn er inzwischen in Diefen- dahl abgewandelt worden ist.
Das Erbstück wird in Ehren gehalten
Ein Erinnerungsstück ihrer Ver- wandten aus den USA hält Sabine Diefenthal in Ehren: Ein schwarzes „Sonntagskleid“ kam eines Tages per Paket über den großen Teich. Therese Angelo (früher Schäfer) hatte es wohl kurz nach dem Zwei- ten Weltkrieg an ihre Schwester Maria geschickt. Seither wird es von Generation zu Generation vererbt. Zunächst ging es an Maria Wolfs
Im linken Bild sind Adam Schäfer und seine Frau Marie (sitzend) mit Tochter Catherine Sohn Erwin zu sehen. Bei den drei Personen dahinter handelt es sich wahrscheinlich um rechte Bild zeigt Jakob Schäfer in Berod, umgeben von zehn seiner elf Kinder. Sein Sohn ausgewandert. Das kleine Mädchen an der linken Seite des Vaters ist die jüngste Tochter
Nachkommenschaft stark verzweigt
Familienbande Zwischen den Angehörigen von Bruder und Schwester besteht bis heute kein Kontakt
Adam Schäfer heiratete in den USA und hatte zwei Kinder, Toch- ter Catherine und Sohn Erwin. In- zwischen hat sich seine Nachkom- menschaft stark verzweigt. Im Bä- ckereigeschäft ist die Familie auch schon lange nicht mehr. Seit rund 60 Jahren betreibt die Familienli- nie der Schäfers, die noch immer in St. Louis ansässig ist, dort einen Handel mit Hobbybedarf.
Therese Schäfer trat ebenfalls in der Neuen Welt vor den Traualtar. Sie nahm den Nachnamen ihres Ehemannes, der italienischer Her- kunft war, Angelo, an. Das Ehe- paar hat wohl St. Louis verlassen.
Die Geschwister haben sich zer- stritten. Zwischen den Familien ih- rer Nachkommen, die alle in den Vereinigten Staaten leben, besteht bis heute kein Kontakt. Über den Grund des Zerwürfnisses gibt es nur Spekulationen, erzählt Sabine
Diefenthal. Sie hofft, dass über sie die Verbindung wieder aufge- nommen werden kann.
Weder die beiden Ausgewan- derten selbst noch ihre Nachfahren haben jemals wieder Deutschland besucht. Lediglich der Ehemann von Margaret, der Tochter von Therese, war als Soldat in Deutsch- land stationiert und suchte auch einmal die Verwandtschaft in Be- rod und Umgebung auf. Margaret ist es auch, die mit ihren Ge- schwistern auf dem Bild zu sehen ist, das Sabine Diefenthal im Fa- milienalbum entdeckte.
Auf dem Foto, das die Meudte- rin zum Anlass nahm, ihre Ver- wandten in den USA zu suchen, ist im Hintergrund auch eine Lampe zu erkennen. Sie befindet sich bis heute im Familienbesitz. Sie ist ein Identifikationsbeweis für die fami- liären Beziehungen.
Erwin Schäfer mit seinem neuen Auto, das ihm sein Vater gekauft hatte, in St. Louis.
Tod in Lieblingstaverne
Erinnerungen
Begebenheiten aus dem Leben von Adam Schäfer
Art Schaefer, der Urenkel von Adam Schäfer, hat die Geschichte seines Urgroßvaters zusammen- gefasst an Sabine Diefenthal ge- sandt. Sie lautet aus dem Engli- schen übersetzt in etwa folgen- dermaßen:
„Schaefers Bäckerei in St. Lou- is war dafür bekannt, dass dort Gangster herumhingen. Sie moch- ten ihn und verbrachten viel Zeit dort. Ich glaube, sie hielten dort so- gar ihre Treffen ab. Während die Prohibition galt, war der Verkauf von Alkohol verboten. Adam half wahrscheinlich dabei, hausge- machten Alkohol herzustellen. Da solche Aktivitäten illegal waren, brachten sie hohen Profit. Adam konnte so seinem Sohn Erwin in ei- ner Zeit, als die meisten Leute nur wenig Geld hatten, ein brand- neues Automobil kaufen. Die fol- gende Woche nach dieser Neu- erwerbung sah er ein anderes neu- es Auto, das ihm besser gefiel als
das erste. Er kaufte dieses auch noch.
Adam trank ab und zu mal ger- ne einen über den Durst. Er war be- kannt dafür, dass er an solchen Ta- gen, wenn er nicht ganz nüchtern war, seine Bäckerwaren ver- schenkte. Während ihn das bei den Nachbarn populär machte, missbilligte seine Frau diese Frei- giebigkeit.
Mir wurde auch erzählt, dass vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg Adam Mitglied einer Gruppe von Deutschen war, die Treffen abhielten und Infor- mationen austauschten, was in Deutschland vor sich ging. Das er- regte die Aufmerksamkeit der US- Regierung, und Adam geriet für ei- nige Zeit unter Beobachtung.
Adam starb in seiner Lieb- lingstaverne Satinas. Sie gehörte der Familie Nesselhouf, aus der sei- ne Schwiegertochter stammte. Er hatte dort einen Lieblingstisch, an dem er jeden Abend saß. Eines Ta- ges schien es so, als ob er in sei- nem Stuhl am Tisch schlafe. Als die Wirtschaft geschlossen wer- den sollte, versuchte man ihn zu wecken, aber er war tot.“
entnommen der Rhein-Zeitung - Westerwälder Zeitung vom Samstag, 8. Januar 2011, Seite 18
-hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Zeitung-