Der
Fahnenflüchtige von Liebenscheid
Johannes
Peter Freund von Liebenscheid im Oberwesterwald hatte sich im Ersten
Koalitionskrieg,den Österreich, Preußen und England
zwichen 1792 und 1797 gegen Frankreich führten,zu den
oranischen Gardedragonern anwerben lassen und in Holland
gekämpft. Als Ende 1794 die Niederlande an die siegreichen
Franzosen verlorengingen und der Prinz von Oranien und Fürst
zu Nassau nach England flüchtete, war der
Westerwälder Bauernsohn seiner Verpflichtung ledig geworden
und in die Heimat zurückgekehrt.
1796
trat er wieder in den Militärdienst ein und zwar beim Oranien
- Nassauischen Husarenkorps in Dillenburg, einer 1768
gegründeten berittenen Ordnungstruppe,die auf die
Fürstentümer Dillenburg, Diez, Hadamar und Siegen
verteilt war und Gendarmendienst versah. Dort unterschrieb der gewesene
Gardedragoner die nachstehende Kapitulationsurkunde: ”Nachdem
der Rekrut Johann Peter freund,gebürtig von Liebenscheid,21
Jahre alt, reformierter Religion, sich unter das mir gnädigste
anvertraute Hochfürstliche Oranien - Nassauische Husaren-Korps
auf sechs Jahre dergestalten frei und angeboten unterhalten lassen, mit
dem ausdrücklichen Vorbehalt, während diesen sechs
Jahren niemals weder um Heiraten noch um seinen Abschied zu verlangen
sich erkühnen will, auch die in der vorgelesenen Eskadrons -
Order enthalten Conditiones (Bedingungen) zu erfüllen
wohlbedächtlich verspreche ,nach Verlauf aber dieser
Kapitulationszeit, wenn es ihm nicht länger anstehen sollte,
seinen Abschied unentgeltlich zu erhalten hat.Z u mehrerer Sicherheit
ist diese Kapitulation von beiden Teilen unterschrieben.
So
geschehen Dillenburg den 1. Juni 1796
Leber
(Rittmeister)
Freund
Die
strenge Manneszucht im Husarenkorps und die durch die Teuerung immer
unzureichender werdende Besoldung scheinen dem jungen Husaren das
Soldatenleben bald verleidet zu haben. Nach einjähriger
Dienstzeit entfernte er sich aus seinem Bürgerquartier in
Dillenburg, wo er das letzte Quartiergeld schuldig blieb, und ging
wieder nach Liebenscheid .Nun war er fahnenflüchtig geworden,
doch scheint er sich dessen nicht recht bewusst gewesen zu sein. Als ob
er nie einen Eid geleistet hätte, schrieb er einen - recht
naiven - Abschiedsbrief an seinen nächsten Vorgesetzten im
Husarenkorps:
“An
den Herrn Quartiermeister Thies in Dillenburg. Johannes Peter Freund
von Liebenscheid.
Ich
muß dem Herrn Quartiermeister doch zu wissen tun, das ich zu
Hause bin und habe noch 5 Zettel vergessen, die überschicke
ich ihm mit dieser Gelegenheit nach Dillenburg und lasse Sie
vieltausendmal grüßen und alle Husaren, und ich werd
mein Lebtag kein Husar mehr. Sie können meine
Montierungsstücke wegtun. Auf der Stube liegt mein ganzer
Mantelsack mit Stiefeln ,Lederhose, Kittel und Hemden, eine Weste, ein
Halsband; meine Trense liegt in der Scheure, und Sattel und Zaum und
Mundsack mit Roßgeschirr ist in dem Ordonanzstall. Seien Sie
doch so gut und sprechen Sie mit der Bergerin (Quartiersfrau Berger)
,dass Sie keine Bange sollte haben vor dem Geld. Ich werde mit erster
Gelegenheit bei sie kommen und werde sie bezahlen.
Liebenscheid
den 29.Juni 1797”
Der
Kommandeur des Husarenkorps,Rittmeister Löber, beantragte bei
der Landesregierung in Dillenburg ein
“Kriegsverhör” gegen den
Fahnenflüchtigen; er konnte allerdings keinen Hinweis geben,
wie man denselben in jener Zeit der wechselnden Fremdbesatzungen vor
Gericht bringen könnte. So entging Johannes Peter Freund der
Bestrafung wegen Fahnenflucht, die ihn zu anderer Zeit nach Paragraph
16 der Artikel des Husarenkorps das Leben hätte kosten
können. Aus dem Beschluß der Landesregierung
,”Seine Arretierung und Bestrafung erst nach
völligem Abzug der Franzosen”vorzunehmen, ist wohl
nichts mehr geworden.
Ernst
Henn
Aus
dem Rheinlahn Freund 1968 Seite 241
Verlag
Heil Druck Bad Ems
Hier
veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Rhein-Lahn-Kreises
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