Gaue und Grafschaften

(Quelle: Hellmuth Gensicke: Landesgeschichte des Westerwaldes)

(Abschrift erstellt durch: Rolf Willmanns)


Der Auelgau


In den Resten des Traditionskodex des St.-Kassius- und Florentiusstiftes in Bonn wird der Auelgau zuerst 722/23 und 794/5 genannt. Seinen Namen führt er von dem fruchtbaren Landstrich um die Siegmündung, der das Kerngebiet des Gaues ausmachte. Über seinen Umfang unterrichtet uns eine beschränkte Anzahl zeitgenössischer Nachrichten. Obwohl der weitaus größte Teil des Gaues außerhalb unseres Bereichs liegt, seine die Gaubelege zunächst aufgezählt:


832: „in pago Aualgawie et in villa Rumedestorp“ (Rimelstorp) (=Romersdorf bei Honnef)

832: „in pago Aualgauhinse in villa vel marca que dicitur Reide“ (Rheidt)

859: „in pago Auelgaue in villa vel marca que dicitur ad Pleisam superiorem“ (Oberpleis)

882: „in pago Aualgauue ultra renum ad disapham curtem salaricum“ (Ober- und Niederdielfen?)

9. Jahrhundert: „Bodestorp in villa Aualgawe“ (Buisdorf)

9. Jahrhundert: „in Auelgau Berchoven“ (Berghoven) „et Flamersdorf“ (Flamersfeld?)

9./10. Jahrhundert: „in Auulgauuw“ „in marca Asiamariorum et in marca Laereriorum in fluvio Segen“ (Eschmar und Sieglar)

948: „in villa que dicitur Pleisa in pago Auelgawense“ „sub comitatu Herimanni comitis“ (Oberpleis)

966: „in pago Auulgowi in comitatu Eberhardi Limberge, Rameresdorf, Dullendorf, Breitenbach, Zeizendorp“ (Limperich, Ramersdorf, Dollendorf, Rheinbreitbach?, Zissendorf)

970: „in pago etiam Auelgove in comitatu Godefridi comitis in villa uel marca“ „Roonthorp“ (Rhöndorf)

996: „pago autem Aualgauwe in loco Filiche situm“ „in comitatu Herimanni comitis palatini“ (Vilich)

1015: „in villa Winters dicta in pago Auelgowe“ „in comitatu Ezzonis comitis“ (Königswinter)

1068: „Asmeri“ „in comitatu Herimanni comitis in pago Auelgowe“ (Eschma)

1096: „in monte Siegburg in Auelgoe“ (Siegburg)


Weitere Nachrichten des Bonner Traditionskodex setzen im 9./10. Jahrhundert zweimal „in pago Auelgawe“ mit „Helmrici comitatus“ gleich. Trotzdem muss es dahingestellt bleiben, ob Güter, die Volcmar von Withaveld (Weitefeld) „in comitatu Helmrici et in Gurdesheim marca sive in Rungrafa marca super fluvio Dreisafa“ dem Bonner Kassiusstift schenkte, auch im Auelgau lagen. Da diese Güter wohl bei Nieder- und Oberdreisbach im Hellerbachgebiet zu suchen sind, muss die Gaugrenze des Auelgaues wenig später hier von den Wasserscheiden des Siegflussgebietes nach westen zurückgedrängt worden sein, da diese Orte 1048 und wohl auch schon 914 im Sprengel der Haigerer Kirche lagen. Aus geographischen Erwägungen haben Philippi und Renkhoff schon früher die Vermutung ausgesprochen, dass das Siegerland dem Auelgau zugehört habe, doch hat diese Annahme, für die auch der frühe Besitz Kölner Kirchen im Siegerland zu sprechen schien, sich nicht eindeutig erhärten lassen. Bei zwei Gaubelegen, die sich auch heute nicht einwandfrei lokalisieren lassen, finden sich Namensanklänge im Siegerland. So könnte man das 882 im Auelgau bezeugte Disapha mit Nieder- und Oberdielfen, um 1300 Dyspe im Siegerland gleichsetzen, wenn man es nicht vorzieht, weiterhin an eine sonst unbekannte Wüstung im Kerngebiet des Gaues zu denken. Auch bei dem Flammersdorf des 9. Jahrhunderts wäre mit gleichem Recht, wie an Flammersfeld, wo ebenfalls kein Besitz von St.-Kassius nachzuweisen ist, an Flammersbach im Siegerland denken, das als „Flemersdorf“ auch sonst begegnet. Diese Vermutung hat jedoch keinen Anklang bei der Forschung gefunden, die heute fast durchweg mit Stengel das Siegerland einem fränkischen Grenzschutzraum zurechnet, der von der unteren Diemel bis an die obere Lahn, Eder und Sieg gereicht haben soll. Selbst wenn diese Belege auf die beiden Siegerländer Orte zu beziehen wären, müsste das Siegerland schon früh völlig aus dem alten Gauverband ausgeschieden sein, da es später nach Osten, dem Erzstift Mainz kirchlich angegliedert war. Im Auelgau wäre es ohnehin als Vorposten jenseits der weiten siedlungsarmen Flächen des mittleren Siegtals vom Kerngebiet des Gaues getrennt gewesen. Die Masse der Gaubelege reiht sich hart am rechten Rheinufer von Rheinbreitbach über Romersdorf, Rhoendorf, Königswinter, Dollendorf, Berghoven, Ramersdorf, Limperich bis Vilich bei Rheidt nördlich der Sieg, das mit Eschmar und Sieglar eine Gruppe im Nordwesten bildet, die sich über Siegburg, Buisdorf, Zissendorf siegaufwärts erstreckt. Südlich davon ist vereinzelt am Osthang des Siebengebirges Oberpleis im Pleistal und vielleicht Flammersfeld, falls man nicht an Flammersbach denken will, im Auelgau bezeugt.


Erzbischof Hermann von Köln schenkte nun 1096 der Abtei Siegburg die Dekanie im „Auelgoe“, 1116 wurde der Abtei diese Schenkung bestätigt, und 1174 konnte der Abt sich im Besitz des Dekanats gegen die Ansprüche des Propstes von St.-Kassius und Florentius in Bonn behaupten. Wenn noch 1223 und 1229 der Dekan Ludwig im Auelgau genannt wird, so dürfte man hier geradezu einen Beweis für die räumliche Übereinstimmung von Gau und Dekanat erwarten. Die älteste Nachricht über den Umfang des Dekanats Siegburg ist uns erst 1316 im Liber valoris erhalten. Im benachbarten Oberbergischen deckt sich die aus der Lage der Grenzpfarreien erschlossene Grenz mit der nördlichen Wasserscheiden des Sieggebietes. Ostwärts der Kirchspiele Friesenhagen und Wissen ist endlich die Wasserscheide zwischen Asdorf und Wisser schon 1048 wohl Grenze gegen den Haigener Sprengel gewesen, auf dessen Kosten sich südlich der Sieg das Kirchspiel Gebhadshain nach 1048 nach Osten ausgedehnt hat. Da sich nun im weiteren Verlauf die Nister und der Lochumer Bach im Osten, die Wied im Süden gleichzeitig als Grenze des Dekanats und der Grafschaft Sayn, die aus der alten Gaugrafschaft des Auelgaues erwachsen, erweisen, könnte man versucht sein, für die Gauzeit die gleiche Grenze anzunehmen. Im Raume der mittleren Sieg, der bisher auch keinerlei Funde der fränkischen Zeit geliefert hat, fehlt jedoch jeder Gaubeleg, zudem lässt sich aus dem Ortsnamen hier nur eine außerordentlich dünne Besiedlung mit einzelnen Höfen für die Frühzeit erschließen. Es ist sicher kein Zufall, wenn das Bonner Stift St.-Kassius und Florentius 1131 in diesem Gebiet nördlich der Sieg die Kirchen zu Dattenfeld, Rupprichteroth, Nümbrecht, Waldbröl, Much, Wiehl und Friesenhagen, im Südosten die Kirchen von Altenkirchen, Birnbach, Leuscheid, Hamm und Uckerath besaß. Wir dürfen vielmehr wohl vermuten, dass dieser Raum erst seit dem 10. Jahrhundert, wo die Pfalzgrafen, wie vor ihnen wahrscheinlich die Konradiner, gleichzeitig Grafen im Auelgau und Vögte jenes Stiftes waren, planmäßig besiedelt und erschlossen worden ist, zumal er sich mit einer gehäuften Vorkommen von –hausen Ortsnamen deckt.


Westlich des Mahrbaches gehörte Asbach zwar 1183 bereits zur Kölner Diözese und wird 1316 im „Liber valoris“ auch das Kirchspiel Windhagen zum Dekanat Siegburg gerechnet, doch gehören beide Kirchspiele politisch nach Süden, wohin sie auch ihre Lage in Seitentälern der Wied ausrichtet, so dass hier der Dekanat Siegburg vielleicht auf Grund Kölner grundherrlicher Rechte über die Wasserscheiden nördlich der Wied, nach Süden vorgeschoben hat. Auch im Rheintal greift das Dekanat 1316 über die alten Gaugrenzen hinaus und umschließt die Pfarreien Unkel und Erpel, die 886 und 943 im Odangau und Bonngau bezeugt sind. Die Grenze des Dekanats ist demnach keineswegs mit der alten Gaugrenze gleichzusetzen.


Die Gaugrenze verlief schon im 10. Jahrhundert im Osten auf der Wisser-Asdorfwasserscheide und mit Ausnahme des Nisterunterlaufes am Westufer der Nister. Die späte Besiedelung dieses Raumes hat nach 1048 eine geringe weitere Ausdehnung nach Osten bis Gebhardshain erneut ermöglicht. Südlich der Sieg ist mit einem breiten unbesiedelten Grenzraum zum Engersgau zu rechnen. Da die Kirche zu Almersbach südlich der Wied 1199 dem Kassiusstifts in Bonn gehörte, hat jene planmäßige Siedlung der Auelgaugrafen offenbar auch aufs Südufer der Wied übergegriffen, ohne dort dauernden Geländegewinn gegenüber dem Engersgau verzeichnen zu können. Der Grenzsaum war nach Ausweis der Ortsnamen besonders breit am Unterlauf des Mehrbachs, dem er wohl nach Norden zum Leuscheid folgte, dessen Verlängerung über die Wasserscheiden zwischen Wied, Pleis- und Hanfbach zum Rhein südlich Rheinbreitbach wohl der alte Verlauf der Gaugrenze war.


Der Platz der Gaugerichtsstätte ist nicht sicher überliefert. Keineswegs ist die Höhe Spillhüll zwischen Ober- und Hinterplag im Kirchspiel Asbach als Gaumalstätte anzusprechen. Sie war nur Sitz eines späten Gerichtes und scheidet durch ihre Lage in einem Streifen unsicherer Gauzugehörigkeit von vorneherein aus. Eher gibt uns die „comitia de Hademare“ der Grafen von Sayn einen Hinweis auf eine Gerichtsstätte zwischen Siegburg und Bonn im Kerngebiet des Auelgaues, die vielleicht die ursprüngliche Malstätte des Gaues war.


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