Den Glauben viermal gewechselt

von Ernst Henn,

aus: Rhein-Lahnfreund, Jg. 16, 1967 (Ausgabe Montabaur), Seite 64-65 - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Rhein-Lahn-Kreises

Ein Mann,der die vier Glaubenswechsel - wahrscheinlich als einziger - überstand,ohne sein geistliches Amt zu verlieren,war Jacob Ebersbach.Gegen Ende des 15. Jahrhunderts (vermutlich in dem nassauischen Dorf Ebersbach geboren,hatte er später in Bologna/Italien studiert und 1521 in Trier die Priesterweihe erhalten.Die Einführung der Reformation in Nassau unter Graf Wilhelm dem Reichen erlebte er als Kaplan in Siegen.Nachdem er in einem Handschreiben dem Grafen versicherte hatte,daß er den neuen Glauben lauter und rein verkündigen wolle,wurde er für denn evangelischen Pfarrdienst ordiniert und im Juli 1536 mit dem Kapellen Breitscheid und Langenaubach belehnt;sein Wohnort war Breitscheid.Fünf Jahre später wurde Jacob Ebersbach nach Haiger versetzt,kehrte aber (wahrscheinlich 1546) nach Breidscheid zurück.Die Belehnung mit der Kapelle Langenaubach scheint er im Zusammenhang mit dem Stellenwechsel verloren zu haben.

Jacob Ebersbach heiratete,als er über 40 jahre alt war und hatte später mindestens fünf Kinder.Bei der Türkenschatzung 1583 werden seine Söhne Johann und Hans als Hofbesitzer und deren drei Geschwister(vermutlich aus einer zweiten,späten Ehe des Vaters) ohne eigenen Haushalt und ohne Namensangabe erwähnt.

Im Februar 1549 mußte sich der Kaplan Ebersbach wie auch die übrigen Teilnehmer an der Visitation in Herborn entscheiden ob er das Augsburger Interim - das heißt die Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes - annehmen oder den Dienst aufgeben wolle.Mit nur wenigen seiner Amtsbrüder unterwarf er sich der Kaiserlichen Deklaration,und konnte an seine Kapelle und zur seiner Familie in Breitscheid zurückkehren.Nun las er wieder die Messe wie einst und spendete die Sakramente nach dem Brauch der katholischen Kirche.Von der evangelischen Lehre war im Augsburger Interim nur der Kelch beim Abendmahl und - für Jacob Ebersbach Entscheidung wahrscheinlich ausschlaggebend ! - die Priesterehe geblieben.

Als nur wenige Jahre später die lutherische Glaubenslehre ihre Freiheit zurückerhielt,war der Breidscheider Kaplan bereit,seiner Gemeinde nun wieder als evangelischer Geistlicher zu dienen.Solche Wandlungsfähigkeit mußte dem Landesherren willkommen sein - wie hätte er sonst auch die Pfarrstellen nach jedem Glaubenswechsel besetzen sollen?In Breitscheid wären Neubesetzungen ohnehin nicht leicht gewesen,weil die Kapelle nur wenig begütert war;kaum ein andere Kaplan mit Frau und Kindern hätte hier aushalten können wie Jacob Ebersbach,der - wahrscheinlich von seiner Ehefrau her - Grundstücke in der Dorfgemarkung besaß und damit die Landwirtschaft des Parrhofs aufbessern konnte.So war er in seiner Lebenshaltung gesichert,aber auch stärker an das Dorf gebunden,was seine Entscheidung in den Fragen der Glaubensänderung beeinflußt haben wird.

Der Kaplan Jacob Ebersbach war etwa 80 Jahre alt,als die Einführung der reformierten Glaubenslehre nach Calvin unter Graf Johann VI.entgültig vollzogen wurde.Es wird ihm nicht allzu schwer geworden sein,auch den vierten Glaubenswechsel mitzumachen,da seine Amts-und Lebenszeit dem Ende zuging.Doch blieb er vorerst im Dienst,obwohl er auf der Kanzel nicht mehr predigte,sondern nur noch aus dem Buche vorlas und die Kinderlehre aufgeben mußte,weil er das Gehör verlor.Einige Jahre hatten die Breitscheider auch noch Gedult mit ihm,dann aber baten sie denn Grafen,ihren Pastor,der "ein gar alter Mann"sein und unvermögenshalber seinen Dienst nicht mehr versehen könne,in denn Ruhestand zu versetzen.Jacob Ebersbach wehrte sich in einer Protestschrift an denn Grafen gegen die Beschwerden seiner Pfarrkinder und sprach von Undankbarkeit einem Manne gegenüber,der sich im Dienst verzehrt habe;aber er mußte einsehen,daß er den Ansprüchen des Amtes und besonders der neuen Anforderung,eine Volksschule einzurichten,nicht mehr gerecht werden konnte.Im Frühjahr 1582 wurde ihm ein Gerhilfe beigegeben;gegen Ende des gleichen Jahres wird er zum letzten Male erwähntn und zwar als gewesener Pastor.Sein Todesjahr ist nicht bekannt.

Als der Kaplan Jacob Ebersbach in Breitscheid starb,war er mindestens 85 Jahre alt und hatte über 60 Jahre lang in den Pfarrgemeinden Siegen,Haiger und Breitscheid als katholischer,lutherischer,nochmals katholischer,wieder lutherischer und schließlich reformierter Geistlicher gewirkt.Schreibfreudig wie einige seiner Nachfolger scheint er nicht gewesen zu sein.In dem von ihm im Jahre 1571 angelegten Pfarrbuch ist nur ein Verzeichnis der Einnahmen eingetragen;auch die Akten der Pfarrei Breitscheid im Staatsarchiv Wiesbaden enthalten außer dem "Revers" vom Jahre 1536 kein Schreiben von seiner Hand.So wissen wir denn auch nichts über die Gedanken und Gemütsbewegungen,die seine vier Glaubensänderungen begleitet haben werden.

Wie immer mann diese aber heute beurteilen mag:man wird "Ehrn Jacob" zugestehen müssen,daß er der ihm anvertrauten Herde ein guter Hirte gewesen ist.Die Christen Pflicht nach Römer 13,1 ("Jedermann sei untertan der Obrigkeit...") hatt er als Vorbild für seine Gemeinde erfüllt;der Nachsatz im Apostelwort("Denn es ist keine Obrigkeit,ohne von Gott..")war vor 400 Jahren bei dem Kaplan eines Westerwalddorfes wohl nicht umstritten.


Quellennachweis:
Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt.171.B 280 und 1208;J.H.Steubing,Kirchen und Reformationsgeschichte der oran.-nass.Lande.Hadamar 1804;Pfarrarchiv Breitscheid,Pfarreiakten 1571

Zurück / back