Alsdorf

750 Jahre Alsdorf

Zu den Anfängen in geschichtlicher Zeit

Aus dem Jahrbuch 1998 des Kreisheimat-Verein Altenkirchen - Westerwald

Nachdruck mit dessen Erlaubnis

Autor: Erich Vierbuchen

Im Monat Juli des Jahres 1248 bestätigten Verwandte des Burggrafen Eberhard von Aremberg und dessen Ehefrau, Adelheid von Molsberg, Herrin von Freusburg, die Schenkung der Letztgenannten an das Zisterzienserkloster Marienstatt im Westerwald.

Das Kloster war im Jahre 1212 zwischen Kirburg und Mörlen auf dem Altenklosterhof nach bedeutenden Schenkungen

des Burggrafenpaares gegründet worden. Nach der Verlegung des Klosters in das Nistertal war eine erneute Bestätigung der Schenkung offenbar notwendig geworden. Das Rechtsgeschäft beglaubigten 1248 mit ihrem Siegel u.a. der Erzbischof Arnold von Trier, der Graf von Sayn, die Herren Heinrich von Isenburg, Gerlach von Limburg und Diether von Molsberg. Wie im Mittelalter üblich, werden in der ausgefertigten Urkunde auch die Namen der Zeugen des Rechtsgeschäfts genannt: Neben Diether von Molsberg wird der Ritter Wilhelm von Alsdorf (Amilardisdorp) erwähnt. Damit wird im Jahre 1248 rein zufällig Alsdorf in geschichtlicher Zeit erstmals genannt.

Die Jahreszahl 1248 ist somit die historische Grundlage für die in Alsdorf geplante 750-Jahr-Feier im September 1998.

Der Beginn der Besiedlung des Heller- und Daadetales liegt Jahrhunderte weiter zurück. Die bisherigen Ergebnisse der Spatenforschung lassen erkennen, daß etwa ab dem 5. Jahr-hundert v. Chr. schon mit einer, wenn auch dünnen und wechselnden Besiedlung gerechnet werden muß. Auf der Alsdorfer Burg wird eine vorgeschichtliche Siedlung, eine Wallanlage, vermutet. Die frühen keltischen und später germanischen Bewohner suchten hier Eisenerze, die sie in ihren latenezeitlichen Schmelzöfen zum damals sehr wertvollen Eisen verarbeiteten. Im 8. Jahrhundert wurde der hiesige Lebensraum Grenzmark. Ausgehend vom fränkischen Königshof Haiger begann nun eine systematische Erschließung und Besiedlung. Der fränkische Staat war bemüht, das Land wirtschaftlich aufzuschließen; er förderte die Landwirtschaft und die Waldrodung; es ging ihm aber auch um die Eisengewinnung in diesem erzreichen Landstrich. Alle diese Bemühungen dienten vornehmlich der Grenzsicherung des fränkischen Staates gegenüber den noch heidnischen Sachsen. Es entstanden die befestigten, wehrhaften Höfe. Die fränkischen Siedler, die ausgehend vom Königshof Haiger hierher kamen, den Urwald rodeten und ihren Hof absteckten, waren freie Königsbauern und nur dem König untertan. Aus ihnen, den sogenannten ,,Freien Männern", rekrutierten sich in späteren Jahrhunderten die ,,Drei-Rauten-Männer". Das war der hiesige niedere Adel, der, wie die ,,von Alsdorf", die drei Rauten im Wappen führte. Aus den Einzelgehöften entwickelten sich bei zunehmender Siedlungsdichte die Dorf-Orte. Nicht weniger als 65 Dorf-Orte, darunter auch Alsdorf, entstanden so im Verlauf des 8. bzw. 9. Jahrhunderts hier und im benachbarten Siegerland. Wurzelten Orts- und Bachnamen in den davor liegenden Jahrhunderten sprachgeschichtlich vielfach noch im Keltischen, bildeten sich die Namen der Dorf-Orte hauptsächlich unter Verwendung des Namens des Siedlungsherren oder Siedlungsgründers.

So könnten für den Ortsnamen Alsdorf die althochdeutschen Namen Amalhart oder Amelung namengebend gewesen sein: Das Dorf des Amalhart oder Amelung. Über verschiedene Formen: 1248 Amilardisdorp' 1297, 1342 Amelungisdorp, 1346, 1351 Ammilsdorp, 1344 Amelsdorp, 1330 Alxdorph' entwickelte sich seit dem Spätmittelalter die Schreibweise des Ortsnamens Alsdor£

Das ist nicht ungewöhnlich, da die Erwähnung des Ortes 1248 zeitlich viele Jahrhunderte von der Gründung des Dorfes getrennt ist.

Nach der Unterwerfung und Christianisierung der Sachsen durch Karl den Großen ging das Interesse des Reiches an der hiesigen Grenzregion weitgehend verloren. Mit dem Aufstieg der Sachsenherzöge zur Königsmacht im Jahre 919 zerfielen die Grenzmarken sogar. Einzelne Familien versuchten nun ihre Hausmacht auszubauen. Das waren zunächst die Herren von Freusburg mit den drei Eberköpfen, die heute die Stadt Betzdorf in ihrem Wappen führt. Schließlich setzten sich die Grafen von Sayn durch. Sie dehnten in den nachfolgenden Jahrhunderten ihre Macht über weite Teile des Westerwaldes und des Siegtales aus und wurden so die Landesherren unserer Vorfahren.

Was vom Königshof Haiger blieb, war die Urpfarrei Haiger, deren Kirchspielsprengel Erzbischof Eberhard von Trier im Jahre 1048 festlegte. Er umschloß unseren Raum und leitete damit eine bis heute bestehende fast jahrtausendealte geistige Bindung katholischerseits nach Trier ein.

Alsdorf ist erkennbar aus drei Hofbesitzergruppen zusammengewachsen. Das ist einmal die Hofanlage auf dem Vorgelände des Arsberges. Hier entwickelte sich ein heute noch erkennbarer Ortskern mit dem Hüttenschulzenhaus. Diese Hofanlage dürfte lange in herrschaftlichem Besitz gewesen sein. Mit ihr wird 1453 Wilhelm von Alsdorf von Graf Gerhard von Sayn ,,für treue Dienste" belehnt worden sein.

Die zweite Hofanlage befand sich am Fuße des Alsbergs, mit der Hölzernen Ecke und dem Hofacker als Mittelpunkt. Dieser Hof gehörte ursprünglich auch der Landesherrschaft. Die Sachsen-Eisenacher Landesherren waren bekanntlich immer in Geldnot. Sie verkauften diesen Hof 1701 an sieben sogenannte Erbpächter mit der Maßgabe, daß jeder von ihnen einmal 200 Reichstaler und fortlaufend jährliche Naturalien und besondere Geldleistungen an den Landesherrn zu entrichten hatte. Dafür durften die Erbpächter ihren Hofanteil als ihr Eigentum ansehen, sie konnten ihn vererben, verpfänden oder verkaufen.

Der preußische Staat verzichtete schließlich 1822 auf sein Obereigentum an diesem Hof und überließ es den letzten zwölf Besitzern.

Der dritte Hof war der Imhäuser Hof am Fuße der' Pracht. Seine Ländereien lagen zum größten Teil vor der Alsdorfer Burg. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie nach Gießen verschwanden 1860 seine letzten Gebäude. Im Mittelalter nannten sich seine Besitzer ,,von Imhausen". Heute erinnern noch Gemarkungs- und Straßennamen wie ,,Imhäusertal" und ,,Imhäuserhof" an seine Existenz.

Bei der Suche nach den Menschen in der Frühzeit der Alsdorfer Ortsgeschichte, etwa ab der Mitte des 13. Jahrhunderts, haben wir Schwierigkeiten: Die Menschen dieser Zeit konnten in aller Regel weder lesen noch schreiben. Schriftliche Zeugnisse konnten sie daher auch nicht hinterlassen. Erhalten sind die Spuren des niederadeligen Geschlechts der ,,von Alsdorf" von 1248 bis 1464 in Urkunden der Klöster, deren Wohltäter sie waren, und in Berichten benachbarter Landesherren, in deren Diensten sie standen. Vieles spricht dafür, daß sie zur weitverzweigten Verwandschaft der Edelfreien von Nister, einem der ältesten adeligen Geschlechter des Westerwaldes gehörten (Gensicke), wie auch das Geschlecht der ,,von Seelbach" im Grund Seelbach bei Burbach. Diese Familien führten die drei schräg gesellten Rauten, links oder rechtsschräg' im Wappen.

Wie 1248 Wilhelm von Alsdorf sehen wir später Angehörige dieser Familie häufig im Zusammenhang mit dem Kloster Marienstatt erwähnt: 1297 ist es ein Ritter Friedrich von Alsdorf (Amelungisdorp), 1344 Wilhelm von Alsdorf (Amelsdorp).

Nicht nur dem Kloster Marienstatt sind sie Wohltäter gewesen: 1330 gewährte Konrad von Alsdorf (Alxdorph) dem Johanniskloister vor Siegen eine Rente aus seinen Gütern in Niederschelden. 1327 findet Friedrich von Alsdorf (Amelungisdorp) im Zusammenhang mit den Klöstern an der Lahn: Dietkirchen und Diez, Erwähnung. 1351 ist Wilhelm von Alsdorf Zeuge in einer Urkunde des St.-Georgenstiftes in Limburg a. d. Lahn.

Angehörige der Familie von Alsdorf verdingten sich auch zu Kriegsdiensten und saßen als Burgmannen auf befestigten Burgen der Nachbarschaft. Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts dienten sie über mehrere Generationen als Ritter den Herren von Westerburg.

Hier sind sie 1331, 1337 und 1350 belegt.

Die Herren von Westerburg waren mit Reinhard von Westerburg der Kopf des Westerwälder Adels, der sich in der Mitte des 14. Jahrhunderts mit kriegerischen Mitteln der territorialen Ausdehnung des Trierer Kurstaates auf rechtsrheinischem Gebiet widersetzte. An diesen Kämpfen müssen Angehörige der Familie von Alsdorf als Gefolgsleute Reinhards beteiligt gewesen sein. In der sogenannten ,,Grenzauer Fehde" fanden die Auseinandersetzungen einen Höhepunkt:

Im April des Jahres 1347 steht Reinhard von Westerburg mit seiner Mannschaft vor der Burg Grenzau im Brexbachtal. Es gelingt' ihm, den trierischen Amtmann aus der Burg zu werfen. Die Reaktion des Erzstiftes folgte auf dem Fuße. Schon wenige Tage nach diesem ,,Grenzauer Fenstersturz" machte sich von Koblenz aus eine für damalige Verhältnisse riesige Streitmacht von 800 Bewaffneten auf den Weg in den Westerwald, um die Burg Grenzau für Kurtrier zurückzuerobern. Hiermit hatten die Westerwälder natürlich gerechnet. Reinhard von Westerburg und seine Leute bereiteteten ihnen daher eine gehörigen Empfang! Aus einem Hinterhalt heraus fielen sie über sie her. ,,172 wurden jämmerlich erschlagen, andere in die Flucht geschlagen oder gefangen genommen", so formulierte es der Limburger Chronist Tilemann Ehlen von Wolfhagen. Die Niederlage für den Trierer Kurfürsten war vollkommen und die Westerwälder Dynasten mit Reinhard von Westerburg an der Spitze im Augenblick wieder Herr der Lage in diesem Teil des Westerwaldes.

*****

In den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts kam es in der Gemeinde Alsdorf zu Wegebauarbeiten im Rahmen eines Notstands-Programms zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Dabei wurde die vom Imhäusertal hochführende Straße, die über die ,,Burg" zur Weißen Ley und weiter zur ehemals Grünebacher Hütte führt, neu gebaut. Bei diesen Arbeiten wurden im Bereich der ,,Burg" mittelalterliche Bauteile und Waffen (z. B. Lanzenspitzen) gefunden. Es muß davon ausgegangen werden, daß die ,,Burg" nicht nur in vorgeschichtlicher, sondern auch in mittelalterlicher Zeit bewohnt gewesen ist.

In der fehdereichen Zeit des 14. Jahrhunderts waren die von Alsdorf nicht nur Gefolgsleute des Reinhard von Westerburg. Einer von ihnen soll sich in den Reihen der Seelbacher befinden haben, die von ihrer Ganerbenburg Hohenseelbach aus, zwischen Herdorf und Neunkirchen gelegen, Bauern und durchreisende Kaufleute in Angst und Schrecken versetzten; es war die Zeit des Raubritterunwesens. Im Auftrag des Reiches schleifte 1352 der im Kampf gegen den Westerwälder Adel führende Kurfürst Balduin von Trier die Burg Hohenseelbach. In Alsdorf sollen es wehrhafte Bauern gewesen sein, die das Raubnest des Alsdorfers auf der ,,Burg" niederbrannten und ihm selbst den Garaus machten.

War 1248 der Ritter Wilhelm von Alsdorf der erste dieses Geschlechts der uns in geschichtlicher Zeit entgegentritt, ist es 1453 wieder ein Wilhelm von Alsdorf, der uns aber als letzter dieser Familie begegnet. Er wird 1453 von Graf Gerhard von Sayn ,,für treue Dienste" mit Haus und Hof in Sassenroth und einem Hof in Alsdorf belehnt. Seine Ehefrau war Bela (Elisabeth), geborene von Kotzenroth, aus der Linie Gebhardshain-Kotzenroth (heute Rosenheim): Die Ehe blieb kinderlos. Wilhelm von Alsdorf starb vor 1465. In diesem Jahr bestimmte seine Ehefrau in einem Testament über ihren ausgedehnten Besitz. Das Ehepaar war begütert, in Alsdorf, Sassenroth' Hagenbach, Bodenbach, Obenhard und Schutzbach, hatte je ein Gut in Derschen, Nisterberg und Bendorf a. Rh. sowie Liegenschaften in Hachenburg.

Wilhelm von Alsdorf und seine Ehefrau Bela waren Wohltäter des Klosters Marienstatt und Mitglieder der dortigen Gebetsbruderschaft. Dieser vermachte Bela in ihrem Testament ihr Haus mit Hofstätte, Kelterhaus, Weingarten und Zinsen in Hachenburg. Von ihrem Hof in Derschen stiftete sie dem Kloster regelmäßig Kerzen für das an den Samstagen gehaltene Salve Regine. Sie stiftete jährlich zur Errichtung des 1248 begonnenen Baues des Kölner Domes.

Bela von Alsdorf zog sich nach dem Tode ihres Mannes in ihr Haus nach Hachenburg zurück. Hier starb sie 1477. Neben dem erwähnten Grundbesitz muß das Ehepaar darüber hinaus sehr vermögend gewesen sein. Gold und Silber als Haushaltsgegenstände sowie Schmuck gehörten zu ihrem Hausstand. Kein Wunder, daß nach Belas Tod ihr Testament zu Erbstreitigkeiten führte, die auf Weisung des Papstes in Rom, vor den sie gebracht worden waren, vom Abt der Benediktinerabtei St. Marthais in Trier beigelegt werden mußten.

Das Siegel des Wilhelm von Alsdorf aus dem Jahre 1453 zeigt die drei linksschräg gestellten Rauten im Schild. Das Wappenschild umlaufend ist ein stilisierter geschachteter Balken erkennbar. Die Zisterzienserklöster führen ein rotweiß geschachteten Schrägbalken im Wappen. Die Abteikirche Marienstatt erhielt im 14. und 15. Jahrhundert ihre heutige Gestalt. In dieser Bauperiode wurden in die Schlußsteine der Joche die Wappen der Stifter und Wohltäter eingemeißelt. Der Wappenschlußstein im vierten Joch des nördlichen Seitenschiffes trägt in blauem Feld zwei gekreuzte brennende Fackeln. Bei der Beantwortung der Frage, wer die Träger dieses Wappens waren, wird nicht ausgeschlossen, daß es sich um mehrere Geschlechter, darunter auch Wilhelm von Alsdorf handelt. Bei den engen Beziehungen der Familie von Alsdorf zum Kloster, die m.E. nicht zuletzt im Wappen des Wilhelm von Alsdorf beredten Ausdruck findet, liegt diese Deutung durchaus nahe.

Etwa einhundert Jahre nach dem Aussterben der Familie von Alsdorf war die Einwohnerzahl Alsdorfs nach dem ältesten Steuerverzeichnis auf über einhundert angestiegen. Trotz dieses Anstiegs und der damit verbundenen Aufteilung der landwirtschaftlichen Nutzflächen müssen diese Menschen zumindest in einem bescheidenen Wohlstand gelebt haben, zu dem eine schon zu dieser Zeit florierende Hüttenindustrie beigetragen haben muß.