Ursprung und Besiedlung des Kirchdorfes Altstadt

(von Franz-Paul Jäger aus Altstadt (Hachenburg) - veröffentlicht zur 800-Jahr-Feier von Altstadt)

Schon die Ortsbezeichnung Altstadt, seit 1969 ein Stadtteil von Hachenburg, lässt erkennen, dass sich hier der Ursprung und die älteste bekannte Besiedlung von Hachenburg findet.

Die Verbindung von West- nach Mitteldeutschland, die Köln-Leipziger-Straße, verlief mit großer Wahrscheinlichkeit im frühen Mittelalter durch den Späteren Siedlungsbereich von Altstadt. So hat sicher ein Rastplatz, vielleicht auch eine Straßensicherung, den Anstoß für die Besiedlung unseres Dorfs gegeben. Auch die Tatsache. dass die schon in der frühen Karolingerzeit bekannten Straßensicherungen Altenkirchen und Königshofen-Neukirch (Stein-Neukirch) einen Tagesmarsch von Altstadt entfernt waren, lässt den Schluss zu, dass die Anfänge unseres Ortes in dieser Funktion zu suchen sind.

Die Siedlung lag damals im östlichen Randgebiet von Kurköln, im Grenzgebiet des sogenannten Auelgaues. Der Verlauf der Nister und des Bodenbaches trennte den Auelgau von dem angrenzenden Niederlahngau. Der Grenzverlauf war auch die Trennungslinie zwischen den 8istümern Köln und Trier. Kerngebiet des Auelgaues war das Gebiet um Siegburg an der unteren Sieg.

1131 bestätigte Papst Innozenz II. dem Stift St. Kassius und Florentinus in Bonn (Wiege der heutigen Bonner Münsterkirche) den Besitz der Kirchen zu Birnbach, Hamm und Altenkirchen mit deren Kapellen und Zehnten. Möglicherweise läst sich die Kirche zu Altstadt einer dieser Kapellen zuordnen. Auch der Apostel Bartholomäus, der bereits seit 1293 als Patron der Altstädter Kirche bekannt ist, wurde schon bei den ostfränkischen Karolingern hoch verehrt; dies könnte einen Hinweis auf das Alter und die Anfänge unserer Kirche geben. Ludwig der Deutsche, 843 - 576, ließ dem heiligen Bartholomäus schon die Frankfurter Pfalzkapelle, die Urkirche des heutigen Kaiserdomes, weihen.

Günter Heinrichs, der frühere Pfarrer von Altstadt, schreibt 1985 hierzu:

1100 könnte etwa das Datum für den Baubeginn der Altstädter Kirche in Steinbauweise sein. An der Stelle eines germanischen Ouell-Heiligtums könnte in karolingischer Zeit ein christliches Holzgebäude gestanden haben. Die Ortsbezeichnung ist wohl im Zusammenhang mit dem Bau der ersten Burg der Grafen von Sayn in der Gemarkung des Dorfes mit der St. Bartholomäus-Kirche geändert worden~ Erhalten ist dir Abschrift eines Briefes von Papst lnnozenz III. vom 11.Juni 1199. - Auszug aus der Übersetzung aus dem Lateinischen von Pater Guido Dupont. Darin wird dem Propst Bruno, dem Dekan Christian und den Kanonikern des St. Cassius-Stiftes in Bonn ihr Besitz bestätigt. Darunter sind aufgerührt "den Hof Aldenkirchen und die Kirche Almerspach, Aldenkirchen. Umgeriffen (!) Crophac mit Kapellen und allen Zehnten" ... Überliefert ist diese Urkunde nur ii) einer Abschrift aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Herr Dr. Hellmut Gensicke aus Wiesbaden hat sich besonders intensiv mit den Verhältnissen im Westerwald beschäftigt. Er ist überzeugt, "Umgeriffen" mit Altstadt gleich setzen zu müssen. Allerdings sei der Name offensichtlich verderbt (verfälscht) wiedergegeben, entweder schon durch den Schreiber in Rom oder durch denjenigen der später die Abschrift ausgefertigt hat. Jedenfalls kommt in späteren Urkunden der Name Umgeriffen nie mehr vor; sondern stattdessen sicht dann Haggenberg, so im "Liber valoris" aus Xanten. 1308 von älteren Vorla9en abgeschrieben. Das älteste Siegel mit der Darstellung des Heiligen Bartholomäus ist aus dem Jahre 1270 erhalten. der Unterschrift von Pfarrer Eckardus zugeordnet.

Orte. in deren Nähe eine Burg gebaut wurde, änderten damit zuweilen ihren Namen. Aus Humbach wurde Montabaur, aus Holzhausen wurde Wallrabenstein.

Zur Ortsbezeichnung Umgeriffen kann es m.E. nur durch fehlerhafte Abschrift gekommen sein. Ein solcher Name gäbe keinen Sinn, wäre auch ohne Parallele. Statt dessen halte ich es durchaus für bedenkenswert, den Namen so zu lesen:

"Ungersiffen". Unger" ist die mundartliche Entsprechung für "Unter", Siffen- ist die alte Schreibweise für "Siefen" bzw. "Seifen"

In der Umgebung gibt es entsprechende Ortsnamen: Seifen bei Altenkirchen, Bruchertseifen bei Altenkirchen, Großseifen bei Bad Marienberg usw.. Verbreitet sind auch der Familienname .,Seiffert, Seifert", Siefert". Diese gehen zurück auf einen Beruf. In Umfeld des Siegerlandes ist das Gestein erzhaltig. Auch zwischen Wied und Nister gab es Erzgruben, zeitweise im Besitz des Grafen, später ii' der Hat~4 des Bürgermeisters und Hüttenmeisters Freudenber9. Unterhalb von Quellgebieten, an der Stelle, wo mehrere Quell-Bäche zusammenflossen, wurde Erz ausgewaschen. Das machten die ,"Siefer", "Seifer", "Siebert". 1461 steht in der Hachenburger Bürgerliste als Berufsangabe: "der Seifer zu Altstadt".

Im Haushalt wird ein Gemüsesieb benutzt, mundartlich die Seihe, das "Siff", Wasserinstallateure bauen im Keller als Geruchsverschluss einen Krümmer ein: Siffon oder Siphon. Dieselbe Bezeichnung gilt für die Verrohrung von Wasserläufen unter Wegen und Straßen. Ein "Siefen" oder "Seifen" bezeichnet Geländesenken, in denen sich Quellwasser sammelt. also ein Feuchtgebiet. Die Nassauische Landkarte von 1819 beschriftet das Feuchtgebiet oberhalb von Gehlert mit "Die Strieffen".

Augenfällig ist, dass in Altstadt zwei Siefen zusammenlaufen: a) aus Richtung Gehlert und b) aus Richtung ,,Mühlheckerwiese" Von da an nimmt der Rothbach seinen Anfang. Der Name des Baches deutet auf seine rötliche Wasserfärbung, die sich ergibt wenn erzhaltiges Gestein umspült und Rost mitgeführt wird. Der Ort mit der Bartholomäuskirche kann also eine Gründung von Leuten gewesen sein, die unterhalb der Siefen Erz gewaschen, ausgesiebt haben. Ohne den Burgenbau wäre dann inzwischen aus "Ungersiffen" Untersiefen oder Unterseifen geworden.

im folgenden ein Auszug aus dem Brief Papst lnnozenz 111. vom 11Juni 1199, in dem dem Propst Bruno. dem Dekan Christian und den Kanonikern des St. Cassius-Stiftes in Bonn ihr Besitz bestätigt wird (aus dem Lateinischen übersetzt von Peter Guido Dupont):

Bischof Innozenz, der Diener seiner Gottesdiener. den auserwählten Söhnen, Bruno, dem Vorgesetzten, Christian! dem Dekan und den Bonner Kanonikern sagt (er) Gruß und apostolischen Segen. Wenn etwas von uns erbeten wird, was durchschaubar verstandesmäßig stimmt, wollen wir es gern genehmigen und die allgemeine Zustimmung erreichen, so dass die gläubige Verehrung den schnellen Erfolg gewährleisten wird. Außerdem. im Herrn geliebte Söhne, stimmen wir euren gerechten Anträgen (Forderungen) zu und nehmen die Bonner Kirche auf, in der wir uns mit den zu göttlichem Dienst Berufenen unter dem Schutz des hl. Petrus und unserem Patronat der gegenwärtigen Urkunde (Schrift) vereinigen. Wir stellen fest und bestätigen, dass euch und euren Nachfolgern jedwede Besitzungen und alle Güter. die ihr gegenwärtig rechtmäßig und friedlich besitzt oder zukünftig mit Genehmigung des Papstes, des Kaisers oder des Königs, durch die Hingabe der Gläubigen vernünftigerweise erwerben werdet, unvermindert verbleiben sollen. Ii' dieser Urkunde haben wir dies unter Namensangabe dargelegt. Nämlich zwei Höfe in Bonn und einem Anteil des Zehnten.

Rheida den Hof und die Kirche mit dem ganzen Zehnten.

Den Hof Lomere und die Kirche mit dem ganzen Zehnten.

Den Hof Walenveldt.

Den Hof Dattenveldt und die Kirche mit dein ganzen Zehnten.

Den Hof Berenbach und die Kirche mit dem ganzen Zehnten.

Den Hof Aldenkirchen und die Kirche, Almerspach, Altenkirchen, Umgeriffen, Cropac mit Kapellen und allen Zehnten, die dazu gehören.

Eine weitere Deutungsmöglichkeit wäre folgende: "Umgeriften", der erste Ortsname von Altstadt, könnte auch mit dem mittelhochdeutschen Substantiv "umbegrif" - das Umfassen, Umfangen, der Umfang - oder mit dem Verb umbegrifen, ummegrif (siehe Lexer, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 1729) umgeben, umarmen (althochdeutsch umbegrif(flan) in Zusammenhang stehen.

Bei Berücksichtigung der topographischen Ortslage von Altstadt könnte dieser Deutungsansatz auf eine Siedlung umgeben von kleineren Wasserläufen, einem Wall oder einem Graben hinweisen. Die Bestätigungsurkunde des Stifts St Kassius von 1199 ist nur in einer Kopialüberlieferung aus dem 16. Jahrhundert vorhanden, so dass In d« Übergangsphase von der mittel- in die neuhochdeutsche Sprache, die sich um 1500 vollzog, ein Übertragungsfehler des Schreibers die Ortsbezeichnung Umgeriffen verursacht haben könnte. Vielleicht war es im Hochmittelalter notwendig und üblich, das sich Klöster und Stifte ihren Besitz von der Autorität des Papstes bestätigen ließen, um sich gegen die Begehrlichkeit des Adels abzusichern.

Besonders im 12. Jahrhundert, wo deutsche Kaiser bzw. Könige oft in misslich« politischer und finanzieller Lage waren, nutzten große Adelsfamilien deren Bedrängnisse. Mit Kauf, Tausch, Erbschaft und Eroberungen mehrten sie Ihnen Besitz, was oftmals eine Veränderung der Landesherrschaft zur Folge hatte.

Interessanterweise sind die genannten Urkunden des Stiftes St. Kassius von 1131 und 1199 indem gleichen Jahr-hundert ausgestellt worden. Auch die Besitznahme unserer Region durch die Grafen von Sayn bewegt sich im gleichen Zeitalter.

Kirche und Ort Altstadt wurden 1199 erstmals urkundlich erwähnt. Sicherlich kann davon ausgegangen werden, dass die Besiedlung unseres Heimatdorfes viel weiter zurückliegen muss, wenn zu dem genannten Zeitpunkt schon ein Sakralbau in Altstadt bekannt wat Die Anfänge einer dauerhaften Besiedlung unseres Ortes könnten mit der Christianisierung unserer Region rechts des Rheines, im 7. bis 9. Jahrhundert, einher gegangen sein.

Bonifatius (Winfried geb. um 672, gest. 754) soll auf seiner Missionsreise von Echternach (Luxemburg) nach Amöneburg in Montabaur Station gemacht haben. Auch Orte wie Selters, Weitefeld und das Stift Gemünden finden bereits im 8. und 9. Jahrhundert Erwähnung. Eckardus, Pleban (Priester) an der Sankt Bartholomäuskirche. der 1270 zwei Urkunden unterzeichnete, findet als Pfarrer von Hachenburg Erwähnung. "In der Alderstadt" wird bereits 1343 und 1367 die Ansiedlung vor der Stadt bezeichnet. Mit der lateinischen Bezeichnung "de antiqua Hachenbergensis" wird unser Dorf 1485 beschrieben. 1490 ist wiederum die Schreibweise "In der Alderstad" dokumentiert. Diese Ortsbezeichnungen lassen alle erkennen, dass Altstadt der Ursprung der heutigen Stadt Hachenburg ist.

Der heutige Ortsname ist nachweislich seit 1657 gebräuchlich. Umgeriffen oder Vingeriffen, der ursprüngliche Ortsname, fand seit 1199 keine Erwähnung mehr Die Anfänge einer bescheidenen kommunalen Selbstverwaltung und Selbständigkeit vor Altstadt lassen sich in dem gräflichen Edikt von 1367 finden.

Graf Johann III. gab am 2. Februar 1367 aus "sunderlicher Gunst und fruntschaft" den armen Leuten, die seine Untertanen waren und außerhalb der Stadtmauern "in der fryheit onden an der Stadt" wohnten. dieselben Rechte wie den Bürgern Hachenburgs. Auch wird ihnen versprochen, sie weder zu "beden noch zu schätzen oder ihnen sonst Überlast zu tun, ob sie wohnen in Hachenburg oder in der alderstadt".

Nach dem Inhalt dieser Verfügung ist nicht auszuschließen, dass sich zu die5cm Zeitpunkt, nach Verleihung der Stadtrechte, das Gemeindeleben innerhalb und vor der Stadtmauer schon abgegrenzt hatte.

Die Leute in der "fryheit", oft in gräflichen Diensten und besonders privilegiert oder dort als Handwerker und Mühlenbesitzer wohnhaft, hatten sicher schon damals einen Sonderstatus.

Auch die Flurbezeichnung "In der Freiheit" lässt gewisse Rückschlüsse zu. So können wir vermuten, dass einige Hofbeamte ihren für damalige Verhältnisse komfortablen Wohnsitz -In der Freiheit" der Enge innerhalb der Stadtmauer vorgezogen, aber großen Wert auf den Bürgerstatus von Hachenburg legten.

Getreide-, Loh- und Walkmühle im Bereich der Freiheit am Oberbach (Mühlheckerwiese) standen in Abhängigkeit der Hachenburger Zünfte. Dies führte dann auch dazu, daß bei der schrittweisen Entwicklung von Altstadt zu einer eigenständigen Gemeinde die "Freiheit" und der angrenzende Bereich am Bach im Besitz der Stadt blieben.

"Das Altstädter Viertel", wie diese Enklave später amtlich bezeichnet wurde, war schon ein Kuriosum gegenüber den exakten Dorfgrenzen unserer Nachbargemeinden.

Graf Wilhelm zu Wittgenstein-Sayn bestätigte schon 1613 Gewohnheiten und Bräuche in der Altstadt:

"Am Montag den fünfzehnten Novem-bris Anno 1613 confirrnierte Graf Wilhelm zu Wittgenstein-Sayn auf Ansuchen der Gemeinen Nachbarschaft undt Inwohner in der Altstatt bei Hachenburg Gewohnheiten undt Bräuche welche Sie von ihren Voreltern und Vorfahren ahn sich bracht." Der deutliche Hinweis, daß die Gewohnheiten und Bräuche schon von Voreltern und Vorfahren übernommen wurden, läßt darauf schließen, daß unser Dorf als selbständige Gemeinde schon lange vor 1613 bestand. Als Nachweis für die Eigenständigkeit der Zivilgemeinde Altstadt, lange bevor sich 1656 Hachenburg vom Kirchspiel Altstadt trennte, soll die bis heute erste bekannte Gemeindesatzung unseres Ortes in ihrer Urfassung Erwähnung finden.

 

Hier ein Auszug im Original:

 

 Urkunde von 1367

 "Der Gemeinen Nachbarschaft In der Altstadt observierte undt Confirmirte Gebräuche und Gewohnheiten De Ao 1613

Ihnen dieselbige hiermit in Kraft im Nahmen Unsers Gnädigen Herrn, also daß dieselbe billig also unter Ihnen gehalten, undt hinjedweder, deren sich unterwerfen, auch dahe einer oder der ander dagegen Verbrechen würdte, billig mit ahn gezogenen Strafen, gestraft werden sollen, die gewohnheits Punkten sind diese.

Dies sind all solche Gewohnheiten und Bräuchen, welche die Gemeine Nachbar-schafdt undt Inwohner in der Altstatt bei Hachenburg bis ahnhero Von Ihren Voreltern und Vorfahren ahn sich bracht, undt unter sich also gehalten. Undt damitten ins Künftig dieselbe also tätt und Vest in allen Ihren articelen und punkten ohne einwende möchten observiert, auch von der obrigkeit dabei gehandthabt werdten. Als haben uns zu endt benennten alß zur Zeit Saynischen Räthen Befehl haben undt Dienern heut Dato den fünf zehnten Monatstag Novembris Anno Sechs Zehnhundert und Dreyzehn. Die Sämptliche Nachbahren Undt inwohner in der Altstatt alle-sambt dieselbe beständig Vor sich und Ihren Erben und Nachkommen also zu halten angelobten, zu sich gebetten, Ihnen Von wegen deß Hochgeborenen Grafen und Herrn, Herrn Wilhelmus, Graf zu Sayn und Wittgenstein, Herrn zu Homburg selbige zu Confirmiren und zu bestätigen, demnach dann wir nichts in selbigen befinden, so wir der die Natürliche billigkeit strebe.

Die einzelnen Punkte und der obige Absatz folgen der Verständlichkeit halber in modernem Deutsch:

Dies sind alle solche Gewohnheiten und Bräuche, welche die Gemeinde, Nachbarschaft und Einwohner der Altstadt bei Hachenburg von früher bis heute von ihren Voreltern und Vorfahren übernommen und gehalten haben. Damit diese Vereinbarung auch künftig in all ihren Artikeln und Punkten ohne Einwendungen eingehalten wird, soll diese von der Obrigkeit observiert (eingesehen) und auch von ihr gehandhabt werden.

Sämtliche Nachbarn und Einwohner in der Altstadt geloben vor sich und ihren Erben und Nachkommen, diese Gewohnheiten und Bräuche jetzt und in Zukunft einzuhalten. Hochgeborenen Grafen und Herrn Wilhelmus Graf zu Sayn und VVittgenstein bitten wir, den Saynischen Räten und Dienern Befehl zu geben, heute dem fünfzehnten Monatstag November Anno sechszehnhundertunddreizehn selbige zu confirmieren (bestätigen).

So werden wir künftig nach allen Artikeln und Punkten befinden, soweit es der natürlichen Verhältnismäßigkeit nicht widerstrebt.

  1. Zum ersten werden alle Jahre auf Walburgis (l. Mai) zwei Bürgermeister bestimmt. Sie sollen die Aufsicht über die Sachen und Bräuche der Gemeinde haben, damit diese in Ehren gehalten werden.
  2. Zu Walburgis werden alle Zäune der Gemeinde besichtigt. Befindet sich einZaun in einem schadhaften Zustand und ist gar umgefallen, so liegt es im Ermessen der Gemeinde, den Verursacher oder der Besitzer mit fünf Albus zu bestrafen.
    Wird der Zaun trotzdem nicht wieder hergerichtet, so wird der Eigentümer nach Gelegenheit (Aufwand) gestraft.
  3. Alle Christtags wird von der Gemeinde ein Schweinehirt erpflichtet. Der Schweine- und Ferkelhütung sind vier Zieltage gesetzt. Die einzelnen Zieltage sind Christtag, Maria Verkündigung,  Johannis der Täufer und Michaelstag. Wenn Ferkel nach Christag geworfen werden, so müssen sie ab Maria Verkündigung gehütet werden. Hat jemand den Hirten im Haus in Kost-und Logis (Wandertisch), und es werden neue Ferkel am Zieltag geboren, dann muß er diese vom nächsten Tag bis zum Zieltag hüten lassen.
  4. Schweine die im Wald (Forst) weiden, muß der Hirt tüchtig hinaus treiben. Der Schweinehalter wird mit fünf Albus von der Gemeinde bestraft.
  5. Verkauft jemand ein Schwein, ehe der Hirte im Haus ist oder ehe er an der Reihe ist, so darf er das Schwein nicht hüten lassen. Ist der Hirt im Haus, wo ein Schwein gekauft oder verkauft wird, muß dieses noch bis zum Zieltag gehütet werden.
  6. Auch wenn im Herbst die Schweine auf den Feldern gehütet oder im Haus gehalten werden sollen, muß trotzdem der Hirt bis Christtag die Hütung über nehmen.
  7. Wenn bei der Gemeindeversammlung (Vorstufe des Gemeinderats) einer den anderen der Lüge bezichtigt oder ihn sonst mit ehrenrührigen Worten an greift, muß er der Gemeinde mit fünf Albus zahlen, unser Gnädigster Herrn behält sich eine Strafe vor.
  8. Reißt einer dem anderen seinen Zaun ein, läßt das Holz liegen oder trägt es nach Hause, wenn das Holz verfeuert oder damit Licht gemacht wird, wenn einer dem anderen mit seinem Vieh in dessen Wiese oder Kräutergarten Schaden zufügt, wer seinen Rauch (Feuerstelle und Schornstein) nicht gebührend gebaut und in Sauberkeit hält, der wird von der Gemeinde mit einem halben Gulden bestraft. Unser Gnädiger Herrn behält sich Strafe wie auch Wiedergutmachung der Schäden vor.
  9. Wohnt ein Fremder bei einem Nachbarn (Aitstädter Einwohner), so gibt er demselben einen Albus (pro Monat?).
  10. Für die Bestattung eines Kindes aus der Altstadt gibt der Vater einen Gulden.
  11. Hat jemand etwas verloren und wird ein Nachbar des Diebstahls bezichtigt und von dem Geschädigten beim Bürgermeister angezeigt sowie eine Hausdurchsuchung beantragt so muß ein Altstädter Antragsteller nichts, ein Ausländischer dagegen einen Gulden bezahlen. Wird der Diebstahl bei einem hiesigen Einwohner entdeckt, wird derselbe von der Gemeinde, jedoch mit Rat der Obrigkeit und deren Strafe vorbehalten, nach angerichtetem Schaden bestraft.
  12. Auf Sankt Jakobstag wird von den Einwohnern eine Viehweide für die Pferde und Kälber eingezäunt. Die darf erst genutzt werden, wenn die Gemeinde einträchtig beschlossen hat. welches andere Vieh noch auf der Gemeindeweide gehütet werden darf.
  13. Wird gegen die Weideordnung verstoßen, so wird der Betreffende von der Gemeinde mit fünf Albus bestraft.

  14. Alle Einwohner sind bei Strafe verpflichtet, Schaden von der Gemeinde abzuhalten.
  15. Wenn die Gemeinde zur Versammlung läutet und ein Einheimischer nicht persönlich erscheint, wird er mit fünf
    Albus von der Gemeinde bestraft. Bleibt ein Hiesiger den Gemeindearbeiten fern, so muß er den Nachbarn und Einwohnern fünf Albus Strafe zahlen.
  16. Sollte jemand sich weigern, bei Übertretung einer dieser Punkte die Strafe zu bezahlen, so muß er zusätzlich den Nachbarn und Einwohnern einen Gulden Strafe zahlen.
  17. Mit der Schaf- und Kühehütung wird es wie mit der Schweinehütung gehalten.

Nachdem sämtliche Nachbarn in der Altstadt versprochen haben, die siebzehn Gewohnheitsposten einzuhalten, bitten sie um Bestätigung derselben, damit sich künftig niemand beklagen möchte.

Nachdem die Einwohner von Altstadt fleißig darum gebeten, haben wir als Unterzeichner, im Namen des Wohlgeborenen unseres Gnädigen Herrn Grafen Wilhelmus zu Sayn-Wittgenstein, durch  Seine Gnade all diese Gewohnheiten in Kraft gesetzt.

Gegeben und geschehen, Hachenburg. Montag, den 15. Novembris anno 1613

Johannes Holtmanus

Annastasig Kornzweyg

Lange nachdem Altstadt schon ein eigenes Gemeinwesen bildete, erfolgte erst 1656 unter der Regentschaft von Graf Salentin die kirchliche Trennung Hachenburgs von der Altstädter Mutterkirche. Viele Prozeßakten überliefern uns häufige Grenzstreitigkeiten zwischen der neuen und der alten Stadt. Diese fanden erst nach der exakten Festlegung der Gemeindegrenzen im ausgehenden 18. Jahrhundert ein Ende. Ihre letzte Ruhe fanden Hachenburger und Altstädter bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts auf dem hiesigen Kirchhof. Nach dem Zerfall und dem Abbau der Stadtmauer dehnte sich die Stadt immer mehr in Richtung Altstadt aus. Als Mittelpunkt des verhältnismäßig großen Kirchspiels und auch als wirtschaftlich gesunde Zivilgemeinde konnte Altstadt bis 1969 seine Eigenständigkeit erhalten. Aber auch nach dem Verlust der kommunalen Eigenständigkeit bewahrten die Altstädter einige ihrer Eigenheiten.

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