Birnbach

Birnbach und seine Kirche

Eine Zusammenfassung von Artur Bitzer

Anlässlich der 850 Jahrfeier in Birnbach 1981

Der Teil des Beitrages, der sich mit dem Alter der Kirche und des Dorfes befaßt, soll dazu dienen mit Ereignissen aus einer weit zurückliegenden Zeit bekannt zu werden, über die es keinerlei schriftliche Quellen mehr gibt und zum Teil auch nicht gegeben hat. ,,Man muß und kann annehmen, daß heißt es in der einschlägigen Literatur über vermutete geschichtliche Vorgänge. Ohne solche ,,Annahmen würde kein Wissenschaftler und kein Altertumsforscher auch nur einen Schritt weitergekommen sein. Es kann also angenommen werden, daß es sich so, wie geschildert, zugetragen hat.

Vor 850 Jahren, am 31. März des Jahres 1131, wurde in lateinischer Sprache eine Bulle (Päpstlicher Erlaß) von Papst Innozenz II. verkündet und an 33 Kirchen, neben andern an Birnbach, Hamm, Leuscheid und Altenkirchen gesandt. Der erste Satz dieser Kundmachung beinhaltete ins Deutsche übersetzt:

,,Indem wir, geliebte Söhne, euren Wünschen entgegen kommen, nehmen wir die Bonner Kirche, in welcher ihr dem Dienste Gottes obliegt, unter den Schutz des HI. Petrus und des apostolischen Stuhles und bestätigen durch schriftliche Urkunde, daß sämtliche Güter, welche dieselbe gegenwärtig rechtmäßig und canonisch besitzt oder in Zukunft mit Genehmigung der Päpste durch die Freigebigkeit der Fürsten und Opferwilligkeit der Gläubigen vernünftigerweise erwerben wird, euch und euren Nachfolgern fest und unverkürzt verbleiben sollen".

Dieses ist das älteste, bekannte, geschriebene und verläßliche Dokument über das Dorf und seine Kirche. In ihm wird unter anderem bestätigt, daß die Bimbacher Kirche schon vor dem Jahre 1131 existierte und mit dem St. Cassius-Stift in Bonn Verbindung hatte. Die Urkunde sagt aber nichts aus über das Alter der Kirche und erst recht nichts über das Alter des Dorfes. Die Kirche wird, und daran braucht nicht gezweifelt zu werden, weit über 300 Jahre älter sein. Sie war nicht aus Steinen sondern aus Holz gebaut, wie das in ländlichen Gegenden üblich war. Anfänglich war es eine Fränkische Kirche und Eigentum des Fränkischen Staates. Birnbach lag im damaligen Auelgau, in dem ein Gaugraf residierte. Die Geistlichen waren sogenannte Leutepriester und galten als Leibeigene des Königs. Irgendwann einmal ist der Auelgau auseinander gefallen. 1298 kam das Kirchspiel Birnbach durch Kauf an die Grafschaft Sayn. Die vorherigen Besitzer waren die Grafen von Neuenahr.

Es ist meines Wissens bis heute noch nicht geklärt und wird es wahrscheinlich auch nie werden, wer unsere heidnischen Vorfahren zum Christentum bekehrt hat. Waren es irische Mönche, Nachkommen der Kelten und Mitarbeiter des um 550 geborenen Gallus, dem Gründer des Klosters St. Gallen in der Schweiz, die im alemannischen Raum missionierten oder, wie wir in der Schule gelernt haben, der Angelsachse Bonifatlus, der 754 als Märtyrer in Friesland gestorben ist? Denkbar wäre, und manches deutet darauf hin, daß das römisch-katholische Christentum aus dem alemannischen Gebiet hierher gebracht worden ist.

Um sich mit dem Alter eines Ortes im Vorderen oder Rheinischen Westerwald - so nennt man in der Untergliederung den hiesigen Teil des Rheinischen Schiefergebirges - vertraut zu machen, muß man sich weit in die Vergangenheit zurückversetzen. Etwa um 300 vor der Zeitenwende, also vor Christi Geburt, lebten auch in unserer Gegend Teile des indogermanischen Volksstammes der Kelten, deren Hauptmasse im heutigen Bayern und in Baden-Württemberg ansässig war. Zeugen keltischer Vergangenheit sind dort, besonders in den letzen Jahrzehnten, entdeckt worden. Keltendenkmäler gibt es hierzulande allerdings nur spärlich. Im Römisch-Germanischen Museum in Köln liegen zwei sogenannte Tüllenbeile aus Bronze, die von Helmeroth, Kreis Altenkirchen / Westerwald, stammen. Man hält es für wahrscheinlich, daß sie keltischen Ursprungs sind. Der Druidenstein bei Herkersdorf in der Verbandsgemeinde Kirchen soll eine keltische Kulistätte gewesen sein. Druiden waren keltische Priester, natürlich keine Christen. Sprachwissenschaftler haben herausgefunden, daß die Urform der Namen von Rhein, Lahn, Wied, Sieg und Ruhr aus dem keltischen herrühren. Die Kelten sind von den nach Westen vordringenden Germanen verdrängt worden. Geringe Teile haben sich mit den Germanen vermischt, wahrscheinlich mit den Usiper und Tenderer, zweier Stämme, die um die Zeitenwende hier ihren Wohnsitz hatten. Letzteres behauptet Tachus, der römische Geschichtsschreiber, in seinem Werk über ,,Germania". Er lebte um 55 bis 120 nach Chr. Im Gegensatz zu ihm hat Strabo, ein griechischer Georgaph und Weltreisender behauptet, diese Völkerstämme seien Kelten gewesen. Strabo war etwa 90 Jahre älter als Tacitus. Wir haben genügend Beweise und Gründe anzunehmen, daß der Römer über mehr Wissen verfügte als der Grieche. Nach der Völkerwanderung sind Germanen und Kelten seßhaft geworden. Die fränkischen Königsgeschlechter der Merowinger und Karolinger, besonders der ,,Große Karl", haben sie im riesigen Frankreich unter einen Hut gezwängt. Die Kelten mehr im Süden und die Germanen mehr im Norden. Man nimmt auch an, daß die Galater (Brief des Apostel Paulus) Kelten gewesen sind, die irgendwann einmal nach Kleinasien verschlagen wurden.

Vor Jahren war in etlichen Veröffentlichungen angedeutet, der Westerwald sei erst nach dem Jahre 1000 besiedelt worden. Bis dahin sei in diesem Gebiet nur eine Sumpf- und Moorlandschaft gewesen und der Rest Urwald. So was ist natürlich reiner Unsinn. Hinzu kommt, daß die geographische Bezeichnung Westerwald für unsern Teil erst knappe 300 Jahre alt ist.

Wenn die kleine Ortschaft Niederähren im Kirchspiel Schöneberg, Kreis Altenkirchen, schon im Jahre 994 urkundlich nachgewiesen wird, wie alt mag dann erst das Kirchdorf Birnbach sein! Wann der erste Siedler, Kelte oder Germane oder wer weiß wer, sich hier niedergelassen, das heißt Grund und Boden in Besitz genommen hat, wird ewiges Geheimnis bleiben. Ein Deutscher war es jedenfalls nicht, denn der Name und Begriff Deutscher ist erst im 8. Jahrhundert entstanden, im Gegensatz zu Welscher, den heutigen Italienern und Südfranzosen. Franken und später Deutsche waren unsere Altvordern, die nach der Volkerwanderung im heutigen Kirchspiel Birnbach wohnten. Im Großen und Ganzen kann man davon ausgehen, daß unsere keltischen-germanischen-fränkischen-deutschen Dörfer weit und breit über 2000 Jahre alt sind.

Wie groß Birnbach vor der Jahrhundertwende gewesen sein mag, weiß man nicht. Wo aber Kirchen gebaut worden sind, müssen auch Menschen gewohnt haben. Und nicht wenige, wenn man bedenkt, daß die Gotteshäuser in Mehren, Leuscheid' Flammersfeld und Altenkirchen, die mit der Birnbacher Kirche gleichaltrig sind, gar nicht so weit voneinander entfernt liegen. Aber schwarz auf weiß Geschriebenes hierüber gibt es eben nicht.

Aus vorreformatorischer Zeit lagern im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Schriftstücke, auch von der Birnbacher Kirche, die schlecht zu entziffern sind. Der Text ist in deutscher Sprache abgefaßt, die ,,Hieroglyphen" sind aber fast unleserlich und daher ist es schwierig, den Wortlaut richtig zu übersetzen. Im vorliegenden Falle handelt es sich um ,,Weistum und Geding des Hofes zu Birrenbach vom 29.03.1556" In Gegenwart von Reinhartz von Castor, Konrads Georgi von Paderborn, Kanoniker der Stiftskirche binnen Bonn für das Kapitel - Johann Suidmich, Sein'scher Rentmeister, Konrad Stroe, Landschultheiß, Thomas von Linhs, Hofschultheiß, Roprichtz, Wiltförster und Notar.

Ist Hofgeding gehalten zu Birrenbach uff gewoentlichen Dinkplatzen. Der Hofschulte hat nach Errichtung und Befriedigung des Gedings durch den Landschultheiß die Geschworenen ußgenannt, zu weisen, was der Herren von Bonn zu Birrenbach Gerechtigkeit sei. 12 Personen unbeeidet. Ihnen wurde der Eid abgenommen. Drei alte Weistümer wurden vorgelesen:

,,Die Herren zu Bonn weisen hin zu allen Zehnten so im Kirchspiel in Birrenbach gelegn an Fruchten und smalen Zehnten (Zindten) behalten ist. Einen Zehnten gehört dem Pastor zu Birrenbach, Helmethuse genannt, mit seinem Zubehör. Wenn die Zehnten erhoben werden, sollen sie einen Ochsen zu 5 neu Brabantz für die Pächter schlachten und sollen 2 Wißbroitz geben und Wein genug.

Die Herren von Bonn sollen im Kirchspiel halten einen Knecht, Ochsen, Voelen, Bienen, Stieren und Gamßert und sollen auch beleuchten das heilige Sakrament durch das ganze Beheltnuß sechs Wochen. In dem Fasten soll die Bruderschaft St. Jakob die Dorn beleuchten. Der Landschultheiß soll beim Gericht sitzen, daß kein Gewalt geschehe. Die Geschworenen sollen dem Schultheiß für seine Gerechtigkeit geben alle Jahre ein paar schoen (Schuhe). Sie weisen den schmalen Zehnt, wie folgt, zu:

Die Hühner wenn sie auf einen dreischenkeligen Stuhl fliegen können, die Gänse, wenn sie auf dem Sterz gefedert, wenn sie Gerste beißen können. Die Lämmer soll der Knecht im Mai gesinnen und mag sie noch gehen lassen bis St. Romistag. Wenn die Frau oder der Herren Knecht nicht einig werden, soll die Frau nehmen ein Lamm zwischen ihre Beine und unter jeden Arm eins und lassen die andern 7 laufen und von den 7 mag der Knecht eins kießen.

Man soll den Mart, da dat Gedingh uffgehalten wird, mit Herringk bestraven, also daß der eine den andern ruirt und brengen ein arm Faß Weines und einen bodden ufschlagen und darin den Wein drei

schotteln so nach den Herr und also lang drinken als der Wein dauert. Nach dem mag der Lanther treiffen denselben nach seinem gefallen.

Nach Verlesung dieses Weistums haben sie es bestätigt. Der oberste Weg hinter dem Dorf sei ein Leichenweg von Wilmarshausen und der andere gleichfalls ein Kirch- Leichenweg nach Nitterschen. Was den Weg über die Bitz belegt, sagen, daß sie berecht sein würden, daß der Wirt seliger genannt dem Ohm solchen Weg und Ausfahrt durch Verwillligung und eine Baukumpf also nämlich gegen ein Wießgen eine Scheuer und ein Stück Landtz hinter dem Dorf sollt bekommen haben mit 2 Dünen oder Hecken befridden, wie noch heiligen tags seine Erben befridden müssen.

Wenn ein Geschworener stirbt und seine Hausfrau oder seine Erben das Gut entfangen wollen, das sie solches mit 4 rader alb tun sollen und sollen die Geschworenen solch Geld für ihre Belohnung behalten, dergleichen soll es gehalten werden, wenn einige Güter verkauft, verbeuth oder sonst einiges verwendet werden.

Notar: Joh. Fröhlich in Croppach, ein Kleriker des Bistums CöIn".

Am 31. Januar (Hartmond) 1558 verpachtete das St. Cassius-Stift dem Grafen von Sayn für jährlich 160 oberländische Gulden, neben andern Dörfern in der Grafschaft Sayn, von Kirchspiel Birnbach, damals Berenbach oder Birrenbach genannt, die Zehnten der Dörfer Rympach (Rimbach), Wylmershuißen (Wölmersen), Hilkirchhuißen (Hilkhausen), Wernieckhuißen (Werkhausen), Querysell (Oberirsen), nd Oueralefff (Oberölfen). Den Hof zu Birnbach pachtete auf weitere 12 Jahre der Sohn Theißen der Witwe Peters für 12 Rader alb auf weitere 12 Jahre vom Cassius-Stift in Bonn.

Wo der Hof zu Bimbach einmal gestanden hat, ist bisher noch nicht festgestellt worden. Nach meinem Dafürhalten könnte er da seinen Platz gehabt haben, wo bis zur Jahrhundertwende die alte Zehntscheuer, im Volksmunde auch Pfaffenscheuer genannt, gestanden hat. Dort steht ja bekanntlich heute das Gemeindehaus. Und das alte Pfarrhaus stand in unmittelbarer Nähe. Könnte nicht auch die erste Bimbacher aus Holz gebaute Kirche dort irgendwo ihren Standort gehabt haben? Wer will es verneinen, wer kann es bejahen?

Und das geschah vor 420 Jahren.

Der Graf von Sayn, als reichsunmittelbarer Landesherr, war t evangelische geworden und führte 1561 die Lehre Luthers im Kirchspiel Birnbach ein. Der Nürnberger Religionsfriede im Jahre 1532 und der Augsburger Religionsfriede von 1555 bestimmten, daß die weltlichen Landesherren - und das waren die Grafen von Sayn - ihre Religion wechseln konnten und ihre Untertanen dem Religionsbann unterworfen waren. ,,Wessen das Land, dessen die Religion" war in Augsburg ausgehandelt worden. Der Habsburger, Karl V., römisch-deutscher Kaiser, in dessen Reich die Sonne nie unterging, hatte das seinen protestantischen Landesherren, wenn auch widerwillig, zugestehen müssen. Kirchen nebst kirchlichem Eigentum gingen in Besitz und Eigentum der Protestanten über. Wie sich das Cassius-Stift und der Graf von Sayn bzw. das Kirchspiel Bimbach, bezüglich des obigen Vertrages geeinigt haben, ist nicht bekannt.

1605 führte der keinen Widerspruch duldende Graf Wilhelm von Sayn die reformierte Lehre des Schweizers Calvin im Kirchspiel Birnbach ein. Der lutherische Pfarrer, Valentin Apanus, sein richtiger Name war Bienemann, wurde, da er sich nicht sofort dem gräflichen Willen beugte, außer Landes gejagt. Die schriftliche Anordnung des rabiaten Grafes hatte folgenden Wortlaut:

,,Wir befehlen, daß uff den 9. dieses (9. Oktober 1605) der Anfang mit der Reformation gemacht werde, um zu sehen, wie sich die Geistlichen anstellen, wenn sie nicht wollen, ist ihnen der Termin bis uff den letzten solchen Monats anzudeuten, mit der Drohung, da sie nicht unsere Lehre annehmen wollen, sollen sie mit Gewalt ausgeschafft werden; so in gleichem auch die Unterthanen bei Verlust ihres Habs und Guts. Darnach Ihr Euch zu richten".

Die Calvinisten duldeten keinerlei Ausschmückung der Kirchen und entfernten alles was an die katholische oder lutherische Zeit erinnerte, dazu Orgel, Altar und manch wertvolles Kunstwerk. Es ist vermutet worden, daß sie alles kurz und klein geschlagen und alle kirchlichen Unterlagen vernichtet haben. Bis zum Jahre 1817 blieb Birnbach reformiert. Seitdem gehört die Bimbacher Kirche zur Union, einer Vereinigung der lutherischen und reformierten Kirchen.