Die Pest im Kirchspiel Birnbach (1665/66)
(veröffentlicht
im Heimatbuch des Kreisheimatvereins Altenkirchen 1987 - hier veröffentlicht
mit freundlicher Genehmigung des Heimatvereins)
Im
Jahre 1665 erfaßt die Stadt Köln die letzte große Pestwelle.
Sie findet dort durch die allgemeine Unsauberkeit eine schnelle Verbreitung.
Man versucht natürlich, der Seuche Herr zu werden. Vor allem soll die Stadt von
den in den Straßen umherstreunenden Schweinen befreit werden. Als der
Aufforderung, sie aus der Stadt zu treiben oder abzuschaffen, nicht Folge
geleistet wird, erhalten die Waasenmeister und
Gesellen den Befehl, die Schweine in den Straßen und Gassen mit der Keule zu
erschlagen. Es hilft alles nichts die Pest schlägt unbarmherzig zu.
Im
Raum Köln wird von mehr als 10.000 Todesopfern in den Jahren 1665 - 1667
berichtet. Die Pest wird allerdings nur selten als solche bezeichnet, sondern
meist nur Contagion genannt, was etwa soviel wie
Infektion bedeutet. Die Hachenburger Obrigkeit versuchte natürlich mit allen
Mitteln, einen Übergriff auf die Saynischen Lande zu
vermeiden. Schon am 7. September 1665 wurde deshalb verordnet, daß keiner nach Köln oder in andere infizierte Orte reisen
und auch keine Fremden aus den Orten aufgenommen, beherbergt oder mit Kost und
Trank verpflegt werden dürfen, und dies alles bei Leibesstrafe, wie es heißt.
Am Rande ist dabei noch vermerkt, daß „Schultheiß und
Richter haben zu beachten, daß in Spezie
bei Birnbach die Kaufmannspost nicht einhalten solle, sondern die Brief zu Hilkhausen hineinstecken solle, und dem kölnischen
Postreiter sei anzudeuten, daß er im Saynischen in keinem Haus sich aufhalten solle.“
Am
20. Oktober 1665 folgt eine neue Verordnung wegen der sich annähernden „pestilensicher Contagion“. Darin
werden Straßensperrungen angeordnet, und befohlen, Häuser, Straßen und Ställe
sauber zu halten. Alle Schultheißen, Richter, Geschworene und Pastoren sollen
peinlich auf die Einhaltung achten. Es wird sogar Leibes- und Lebensstrafe bei
Ungehorsamkeit angedroht. Aber alle Vorbeugung nutzt nichts, am 1. Januar 1666
schreibt Pfarrer Ludwig Sohnius nach Hachenburg:
„Wohl, Edelersten hochgelehrten
geehrten Herrn Sekretär Euch hie allererst hiermit samt dero
hochgelehrten Canzlei zu
berichten wegen der vermutlichen Krankheit zu Hasselbach die izo angefangen. So ist ohne wahren Bericht darüber zu geben
des hiesigen Sendschöffen jetzt vor 3 Wochen ein Kind gestorben auch
vergangenen Donnerstag abermal ein Kind durch mich
begraben worden . . .“; und weiter heißt es in dem Schreiben, daß noch ein weiteres Kind unpäßlich
sei. Die Krankheit hatte also ihre ersten Opfer geholt.
Die
Kanzlei in Hachenburg reagiert schnell. Sie beauftragt den Corporal
Dietrich Klein, sich um das Kirchspiel Birnbach zu kümmern. Am 15. Januar 1666
wird angeordnet, daß zu Hasselbach der Sendschöff, in dessen Haus die Kinder gestorben sind, wie
auch in den gesunden Häusern, fleißig eine aus Altenkirchen herbeigeschaffte
Medizin zu brauchen sei. Aus dem Haus soll nichts an Mobilar
herausgenommen werden. Alle Katzen, Hunde und Tauben im Dorf müssen abgeschafft
werden. Die Schweine sollen zu anderen Orten getrieben und nicht im Dorf
gehalten werden. Der Mist im Dorf soll ausgefahren werden, und die
Schweineställe sollen stets sauber sein. Aber noch im Januar stirbt der
Sendschöffe von Hasselbach selbst.
Dies
scheint aber alles nur ein Vorbote der gräßlichen
Krankheit gewesen zu sein; trotz der drei Toten von Hasselbach blieb noch
einige Monate Ruhe im Kirchspiel. Wenigstens liegt keine Nachricht vor. Erst am
25. Juli 1666 geht es wieder los, Pastor L. Sohnius
berichtet damals an die Kanzlei: „Euer Edel das im Trauer zu berichten was
maßen sich leider, Erbarm Gottes, die Contagion
verbreitet und in Johannes Haus aufm Weyerbusch ein Anfang gemacht, dessen Tochter
nächst der älteren gestorben und heut begraben, auch jetzo noch ein klein
Mädchen kränkte, wies alsbald berichtet worden, daß
auch die älteste Tochter schon unpäßlich sei. Welches
groß lamentieren in unserem Kirchspiel thut . . .“
Jetzt
fängt also eine gewisse Panik an, und es ist auch verständlich, denn am 26. und
27., also zwei Tage nach den ersten Anzeichen, sterben innerhalb von 24 Stunden
die beiden Töchter des Johannes aufm Weyerbusch. Alle Dörfer des Kirchspiels
schaffen, wie geboten ihre Hunde und Katzen ab, nur in Hilkhausen
sind einige, die dem Gebot nicht Folge leisten.
Am
29. Juli 1666 wird dann angeordnet, daß die
Zufahrtsstraßen zum Birnbacher Kirchspiel bei
Weyerbusch später in Hasselbach gesperrt werden. Wer nach Altenkirchen will, soll
über Werkhausen nach Helmenzen den Umweg machen und
keinesfalls durch Weyerbusch fahren.
Vom
Corporal Dietrich Klein aus Hachenburg, dem Pastor
Ludwig Sohnius und dem Geschworenen Theis Fuchs aus Wölmersen werden für jedes Dorf zwei Sendschöffen bzw. Männer
bestellt, die sich um die Kranken kümmern sollen. Außerdem müssen dies auch die
Blutsverwandten tun, sonst wird ihnen von der Regierung das Erbe streitig
gemacht. Tritt in einem Haus die sogenannte Contagion auf, so wird das Haus isoliert. War im Januar
1666 die Krankheit etwas abgeklungen, so schlug sie in den Monaten August,
September, Oktober mit aller Härte zu. Da nützt es nicht viel, daß Rauchwerk und Tränke gereicht werden und Kalk zum Kälken bereitgestellt wird. Es steht schlimm im Kirchspiel.
Pastor Ludwig Sohnius schreibt alle paar Tage nach
Hachenburg, wie es im Kirchspiel steht, und fast jedesmal
sind wieder einige oder ein Toter zu beklagen. Es müssen sich erschütternde
Szenen abgespielt haben. Jeder meidet jeden. Die Briefe von Sohnius
beginnen meist: „Euer wohl und edel, abermäßig
berichte ich wegen des jämmerlichen Zustandes bei uns...“, und dann folgt der
Ort und die Beschreibung. Das Einzige, was man tun konnte, war, die Häuser
auszuräuchern, einen Trank der als Medizin galt, zu nehmen, alles zu kälken und zu beten wie befohlen.
Auch
Theis Fuchs aus Wölmersen schreibt verschiedene
Bericht, denn er ist als Geschworener für das ganze Kirchspiel zuständig. Im übrigen war damals gerade Wölmersen
sehr stark betroffen. Im Oktober wird hier sogar eine Hütte oberhalb des Dorfes
als eine Art Isolierstation gebaut, wie- aus einem Schreiben vom 19. Oktober
1666 zu entnehmen ist. Aber es wird weiter gestorben. Es will auch keiner
zugeben, daß die Pest bei ihm herrscht. Am 4.
September wird folgender Bericht von einem Boten an den Canzleidirektor
Johann Heidfeld nach Hachenburg geschickt:
„Es
kommen Euer wohl, edel, hochwohl, gelehrte
Herrlichkeit hiermit unterthänig zu wissen wie das
ich im Kirchspiel Birnbach gewesen, weilen mich der Herr Amtmann solches anbefohlen.
Aber habe es aldar gar schlecht befunden wegen der
Pest, denn dieselbige regiert daselbsten gar stark
usw. usw.“
Es
ist nicht ganz klar, wieviel Menschen damals wirklich
gestorben sind, denn die Toten wurden auch heimlich beerdigt. So wird
berichtet, daß der Schneider, gemeint ist wohl der
aus Wölmersen, am 17. Oktober sein „metgen“ des Nachts ohne Wissen des Pastors begraben hat.
Daher ist auch die Liste wohl unvollständig, die Pastor Sohnius
von den Toten zusammengstellt hat, die an Pest
gestorben sind. Am 4. Dezember 1666 benennt er 23 Personen.
HASSELBACH Des Sendschöffen 3 Kinder und seine Mutter
MARENBACH Franz Wirt, vermutlich nicht an Contagio
RIMBACH Pitter Mentgen
WÖLMERSEN Weigants 2 Kinder,
seine Mutter und ihre Tochter, Schneiders metgen
HILKHAUSEN Clas und sein Frau
und sein metgen
WEYERBUSCH
Johannes sambt 6 Kinder und sein Mutter Heinrich
daselbst samt 3 Kinder.
Wenn
auch nur 23 Personen aufgezählt sind, so muß man
dabei berücksichtigen, daß damals die Einwohnerzahl
geringer war. Für das Jahr 1666 wurden noch 24 weitere Tote registriert, deren
Ableben man aber auf andere Ursachen zurückführte.
Quellen:
WHST - 340 - 1744 f.