Die "Blaue Mühle" in Burglahr

Aus dem Jahrbuch 1993 des Kreisheimat-Verein Altenkirchen-Westerwald

Nachdruck mit dessen Erlaubnis

Foto der Mühle © 2003 by Horst Ascheid, Almersbach

Autor: Josef Kläser

An das Umschlagbild des Heimat-Jahrbuches 1989 wird sich gewiß noch mancher Leser oder Sammler erinnern. Die nach einem Foto von Horst Ascheid gestaltete Titelseite zeigt eine zum Teil in Fachwerk ausgeführte Gebäudekombination mit der Aufschrift ,,Blaue Mühle". Mühlennamen sind im Westerwald nur selten durch einen Farbbegriff gekennzeichnet. In den wenigen bekannten Fällen handelt es sich meist um Farbmühlen, deren Endprodukt die Gebäudefassaden im Laufe der Zeit mit einer feinen Farbschicht bedeckte. Die gelbe Farberde Ocker nahm beim Brennen eine rote Farbe an. Rebholz, Trester und Hefe, die in Weingegenden zur Farbherstellung Verwendung fanden, wurden beim Brennen schwarz. Gebrannter Kalk verbreitete sich beim Mahlen als weißer Staub.

So entstanden - wenn auch oft nur in volkstümlicher Ausdrucksweise -Mühlenbezeichnungen wie Rote Mühle, Schwarz- oder Weißmühle. Eine ,,Blaumühle" ließe sich auf diese Weise als Unternehmen der Ultramarinherstellung bestimmen. Doch trifft das auf die Burglahrer Mühle nicht zu, denn sie diente nie der Farbbereitung, sondern war stets Getreidemühle.

Läßt sich der Name schon nicht aus der Funktion der Mühle erklären, so vielleicht über den eines Besitzers oder Pächters? Zwar kommen im Westerwald Müller mit Namen Braun (Kasbach), Grün (Driedorf), und Schwarz (Niederroßbach) vor, doch ein Blau wird nirgends erwähnt. Wäre die Abbildung der 1989er Titelseite mehrfarbig gewesen, spräche sie für sich, und es könnte auf eine Erklärung verzichtet werden. Die Holzteile der Gebäude sind vornehmlich in Blau gehalten. Die Vorliebe der derzeitigen Mühlenbesitzerin Jutta Heine für diese Farbe war Anlaß, sie als Anstrich zu wählen. Deshalb heißt die ehemals herrschaftliche Mühle heute ,,Blaue Mühle" und nicht etwa Fuchsmühle nach ihrem letzten Eigentümer.

Die Mühle zu Laer

Die Mühle zu Burglahr war bis ins vorige Jahrhundert - wie das ,,Veste Haus" (Veste,Burg) oberhalb von ihr - herrschaftliches Besitztum. Mit einigen Anmerkungen zur Territorialgeschichte soll das Verständnis der Besitzverhältnisse erleichtert werden. Wann die Isenburger das Lehen über die später ,,Herrlichkeit Lahr" genannten Orte Burglahr, Oberlahr und Heckerfeld erwarben, läßt sich nicht angeben. 1325 verpfändeten sie es ihrem Lehnsherrn' dem Erzbischof von Köln, der das Pfand 1449 an Graf Heinrich von Nassau übergab. Von Johann und Bernhard von Nassau-Beilstein gelangte es an den Grafen zu Wied, bis es 1550 von Köln und 1592 von den Isenburgern als ursprüngliche Lehnsträger zurückerworben wurde. Nach deren Aussterben 1664 zog der Kölner Erzbischof es als erledigtes Lehen ein. Kurkölnisch blieb die Herrlichkeit Lahr fortan bis 1803, fiel dann an Nassau-Usingen (Wiesbaden) und 1815 an Preußen.

 

Im Erläuterungstext zu dem erwähnten Titelbild im HJB 1989 heißt es, die Mühle werde urkundlich etwa um 1200 genannt. Weitere Angaben stammen jedoch erst aus späterer Zeit. Am 10. August 1455 stiftete der Kölner Erzbischof Diederich ,,zur Ehre Gottes und das der Gottesdienst um so fleißiger geschehen möge in der Kapelle in der Freiheit Lahr" unter anderem 3 Malter Korn für den Pfarrer. Er legte diese Jahresrente auf seine Mühle zu Burglahr. Warum es 400 Jahre später wegen dieser Stiftung zu Rechtsstreitigkeiten kommen sollte, werden wir noch erleben. Eine spätere Erwähnung der Mühle enthalten die Rechnungen des ,,Hauses Lahr" vom Jahre 1567. Darin werden die Einnahmen von der Mühle zu Laer mit 20 Mltr. (Malter) Korn und 12 Mltr. ,,Mangfrucht" (Fruchtgemenge) angegeben. Acht Jahre später vermerken die Rechnungen: ,,Derweil der Müller an der Pest gestorben, gleichfalls des Burggraiffen Hausfrauwe und ein Kindt' hait die Mull 2 Monat still gestanden daß niemantz darin gemillt". Deshalb beträgt die Einnahme für das Jahr 1575 an Korn auch nur 14 anstatt 20 Mltr. Im Jahr darauf erfordert die Mühle etliche Reparaturen am laufenden Werk: ein neues Mühlrad sowie die Ausbesserung des Bodensteins. Der zerbrochene Stein wurde nicht etwa erneuert, sondern geflickt. Dazu fertigte der Schmied ein Eisenband, das ihn wieder zusammenhielt. In der Umgebung mancher Mühlen finden sich heute noch auf diese Art reparierte Steine, sei es als Tischersatz oder als Mauerzier.

1659 erfahren wir erstmals den Namen eines Pächters. In diesem Jahre verpachtete nämlich die Kanzlei zu (Hönningen-) Arenfels im Namen des Grafen von Isenburg dem Johann F 1 o c k e r und seiner Frau die Mahl- und Bannmühle auf 14 Jahre für 18 1/2 Mltr. Korn und 3 Mltr. Korn für den Pastor. Dem Beständer wurde die Unterhaltung des Gebäudes auferlegt, während die gebannten Mahlgäste der Hunschaft Schöneberg und der Herrlichkeit Lahr die Beifuhr des benötigten Holzes sowie die Reinigung des durch ein Wehr aufgestauten Baches wie auch des Mühlgrabens zu besorgen hatten. Nach dem Heimfall von Lahr an Kurköln 1664 erfolgte die nächste Belehnung (1667) nicht mehr durch die Isenburger, sondern durch Erzbischof Maximilian Henrich von Köln, und zwar an die Gebrüder Heinrich und Konrad F a ß b e n d e r. Die 1455 zugunsten der Kapelle in der Freiheit Lahr auf die Mühle gelegte Abgabe von 3 Mltr. Korn hatten die Gebrüder P f 1 ü g e r als Mühlenpächter seit 1705 an das Kloster Ehrenstein zu liefern, weil von dort seit Anfang des 16. Jhdts. die seelsorgerische Betreuung der Lahrer Bewohner erfolgte.

Im Gegensatz zu anderen Bannmühlen' die von der Landesherrschaft häufig als erbliches Lehen an Interessenten vergeben wurden, blieb die Burglahrer stets eine Zeitbestandsmühle' deren Pachtperiode meist bei 12 Jahren lag. von 1716 - 88 waren es gewöhnlich ein Pächterduo oder -trio. Selbst die Gemeinde Burglahr äußerte 1776 den Wunsch auf eine Mühlenbelehnung. 1774 übernahmen Christian Fuchs aus der Bennau und Franz Heuser von Hohn den Bestand. Doch erreichte es Fuchs 1788, sich seines Mitpächters durch eine Abfindung zu entledigen. Seit dieser Zeit blieb die Familie Fuchs bis zur Stillegung des Mahlwerks Pächter bzw. seit 1820 mit einer kurzen Unterbrechnung von einem Jahr Eigentümer der Mühle.

Branntwein, Seuchen und Eisgang

Das sind drei scheinbar nicht in Einklang zu bringende Dinge. Doch haben sie gemeinsam, daß die Mühle unter ihnen zu leiden hatte. Beginnen wir mit dem Eisgang! Bachaufwärts - am heutigen Zeltplatz - hemmte ein Wehr das Wasser, um es in den Mühlgraben zu leiten. Durch den Wehrbau bildete sich ein kleiner Stausee in der Wied. Bei Hochwasser oder Eisgang konnte der Damm dem Wasser- bzw. Eisdruck nicht widerstehen, brach durch oder wurde sogar abgetrieben. 1709 hatte die kölnische Hofkammer (Finanzverwaltung) ihn wieder herrichten lassen. Die hohen Kosten von 260 Rtlr (Reichstaler) veranlaßten die Kammer im Laufe des 18. Jhdts., diese Last loszuwerden und auf die Pächter abzuwälzen. Um ihnen diese Beschwernis etwas zu erleichtern, wurde die Stellung des dazu erforderlichen Holzes aus Gemeindewaldungen zugesichert, wozu die Banngäste Frondienste leisten mußten. 1776 rissen Wasser und Eis den aus Holz gezimmerten und mit Steinen befestigten Damm innerhalb weniger Jahre zum vierten Male weg. Als im Januar 1786 der ,,Teich" wieder durch ,,aufgeschwollene Eisfahrt" zerstört worden war, weigerten sich die Mühlenpächter Heuser und Fuchs, die hohen Kosten der Reparatur zu übernehmen. Es erschien ihnen gewinnbringender, die Mühle in die Bennau zu verlegen und für den Transport von Getreide und Mehl von/nach Burglahr aufukommen, als ständig den Damm reparieren zu müssen. Doch der Kellner (Finanzbeamte) in Linz machte ihnen unmißverständlich klar, daß sie laut Pachtvertrag zum Wehrbau verpflichtet seien, sperrten sie sich aber weiterhin dagegen, fänden sich andere, die zur Pachtung der Mühle bereit wären. Vielleicht ging diese Drohung auf eine Eingabe des Burglahrer Einwohners Michael Heinz zurück, der dem Kurfürsten berichtet hatte, Fuchs wolle die Mühle verlegen, ungeachtet sie doch seit 500 Jahren dort stehe. Auch im Winter 1792/93 hatten Hochwasser und Eisgang den Damm wieder ganz weggerissen. Als Oberforst- und Jägermeister Freiherr von Weichs auf Anweisung der kurfürstlichen Hofkammer dem zuständigen Förster die Ausführung des Holzeinschlags zur Reparatur übertragen hatte, kam es zu Auseinandersetzungen mit den Lahrer Gemeindevertretern. Sie beschimpften ihn und bedrohten den Müller, falls er die Bäume abhauen lasse. Da aber die Holzzuweisung vertraglich geregelt war, suchten die Ortsvertreter nach Beweisen, um dem Müller wegen ,,sträflicher Tätlichkeiten" einen Prozeß an den Hals zu hängen. Bereits 1784 hatten sie ihm angelastet, er und sein Mitpächter seien keine Einheimischen, wohnten auch nicht in Lahr und durch die Unterverpachtung an einen Auswärtigen werde viel Holz verbraucht. Nachdem Christian Fuchs' ältester Sohn Heinrich auf die Mühle gezogen war, warfen sie ihm 1792 mehrere Vergehen vor:

Früher habe die Mühle zwei Gänge gehabt, jetzt besitze sie nur noch einen. Dadurch werde die Frucht, weil er den einzigen Gang zum Mahlen von Korn und zum Schälen sowie Mahlen von Hafer benutze, ,,geunsäubert". Zudem werde in der Mühle nichts gewogen. Fuchs berief sich zu seiner Verteidigung unter anderem auf den im Amt Altenwied vorherrschenden Brauch, wonach das Schälen und Mahlen mit den gleichen Mühlsteinen erfolge. Auf Verlangen der Gäste wiege er auch Frucht und Mehl; im übrigen sei es Gewohnheit, vom Korn- und Hafermahlen den 24., von Haferschälen aber den 18. Teil als Molter (Mahllohn) zu nehmen. Entgegen der Ansicht von Seiten der Gemeindevertreter bescheinigten ihm viele seiner Gäste ausgesprochenes Wohlverhalten. Deshalb wundert es auch nicht, daß die Gemeinden, schon bevor der Prozeß entschieden war, 500 Rtlr. zur Beweisführung zu bestreiten hatten.

Hier wie andernorts suchten die Bauern auch nach Möglichkeiten, sich des lästigen Banns zu entziehen. Das geschah nicht immer nur aus Unzufriedenheit mit ,,ihrem" Müller. Weite Anfahrten und schlechte Wegverhältnisse zur Winterszeit konnten ebenso ausschlaggebend sein wie etwa Viehseuchen. Bereits 1754 erklärten sich die Mühlenpächter B e c k e r und 5 c h n e i d e r mit Zustimmung des Kurfürsten damit einverstanden, daß, weil in der Herrlichkeit Lahr eine Viehseuche ausgebrochen war, wodurch die Bewohner des Dorfes Schöneberg (bei Asbach) abgeschreckt wurden, zur Burg ihrer Mühle zu fahren, sie eine andere Mühle aufsuchen konnten. Zur Schadloshaltung des Müllers mußten sie ihm aber den Molter erstatten.

In anderen Fällen vergab der Landesherr als Inhaber des Wasser- und Bannrechts die Konzession zum Bau neuer Mühlen oder zur Verpachtung von Mahlgästen. So hatte er die etwa 60 Kunden von Schöneberg, Heide, Altenburg' Kaltehöhe und Reeg auf ihre Eingabe von 1714 von der zwei Stunden entfernten Bannmühle separiert und gegen Entrichtung eines gewissen Betrages an den Burglahrer Müller seine Zustimmung zum Besuch der Kapaunsmühle bei Schöneberg erteilt. Durch die Länderneugliederung aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25.02.1803 war das kurkölnische Amt Altenwied an das Fürstentum Wied-Runkel (Dierdorf) gefallen. Den in einen anderen Staatsverband überführten Untertanen wurde fortan der Besuch der jetzt nassauusingenischen Mühle nicht mehr gestattet. Auf diese Weise verlor der Müller 2/3 seiner Kunden, konnte aber nur 50 % Pachtminderung durchsetzten

Lohnt sich ein Neubau?

Wie durch die Schonung der Staatsfinanzen die eigene Karriere gefördert werden kann, zeigt ein Vorgang aus der Zeit, als der Fürst von Nassau-Usingen (1803 - 15) Landesherr der Lahrer Herrlichkeit war.

Auf Bericht der Kellerei Linz, daß eine Reparatur an der Mühle nicht mehr möglich sei, ,,da solche dem Einsturz gänzlich nahe ist", beauftragte die Hofkammer in Wiesbaden den Werkmeister Weber, sich nach Burglahr zu begeben, um die Mühle zu besichtigen. In seinem Gutachten vom 08.09. 1804 legte er die Notwendigkeit eines Neubaues dar. ,,Es ist traurig", so merkte er an, ,,sich in die Lage des Bewohners der Mühle zu versetzen, da diese nur eine kleine Stube im unteren Stock, vor derselben eine sehr beschränkte Küche, neben dieser einen sehr baufälligen Stall hat und die übrigen Räume den Mühlenapparat enthalten." Zur Erhöhung der Mahlkapazität schlug er einen über ein weiteres Mühlrad angetriebenen zweiten Mahlgang vor. Die Westerwälder Mühlen bezeichnete er im Vergleich zu denen in der Wiesbadener Gegend als ,,weit zurück" und führte dies auf die holländische Gewohnheit zurück, die Backfrüchte nur zu schroten. Für einen Neubau, zu dem er einen Plan vorlegte, ermittelte er die Kosten auf 1260 Rtlr.

Die veranschlagten hohen Neubaukosten veranlaßten Wiesbaden, Baron von Trott in Altenkirchen mit einer erneuten Überprüfung zu beauftragen. Er reiste im Frühjahr 1805 mit je einem Altenkirchener Zimmer- und Maurermeister nach Burglahr. Auch er befand das Gebäude als schlecht und baufällig, doch bezwecke eine Reparatur von voraussichtlich nur 320 Rtlr dasselbe wie der von Weber vorgeschlagene sehr teure Neubau. Zur weiteren Begründung führte er an: ,,Uberhaupt sind in hiesiger Gegend alle Bauernhäuser und hauptsächlich die Mühlen schlecht. Wenn der Müller unten eine kleine Küche und eine Stube, worin die Gäste im Winter sich wärmen können, hat, so ist er gleich allen übrigen Bürgern logiert". Er meinte, der Bau könne also so stehen bleiben, doch müsse das Dach mit Stroh, das der Landessitte angemessen sei, erneuert

werden. Was den Pächter betreffe, so habe dieser keinen Anspruch auf eine Vergrößerung des Gebäudes, da er von seinen 160 Kunden 91 verpachtet habe. Gleichzeitig zitierte er den Pachtvertrag von 1804, wonach die Bewohner von Schöneberg, Altenburg' Zurheiden, Thelenberg' Plag und Kalscheid (Kreis Neuwied) den Mühlengraben zu reinigen hatten, wozu ihnen der Mühlenpächter die Kost in Form von Erbsensuppe, Weckbrei und Brot reichen mußte. Der Gutachter fertigte einen Plan, der genehmigt, ihm selbst die Bauüberwachung und Altenlurchenern Handwerksmeistern die Ausführung übertragen wurde. Seinen Ausführungen im Gutachten fügte von Trott - der bisher wohl nur in Forstangelegenheiten tätig war - die Bitte um ,,feste Anstellung im Bauwesen" bei und überließ es der Kammer, seine Reisekosten nach Gutdünken festzusetzen. Das machte Eindruck. Die Wiesbadener Behörde war von Trotts Gutachten, das die Kosten des von Werkmeister Weber vorgeschlagenen Neubaues um 75 % unterschritt, so angetan, daß er die erbetene Anstellung erhielt. Webers weitere Verwendung wurde dagegen zur Disposition gestellt, indem geprüft werden müsse, ob er wegen seines die Kasse belastenden Vorschlags noch fernerhin gebraucht werden könne.

Privateigentumsmühle

Ein Edikt von 1812 beseitigte die zuvor erwähnten Frondienste zur Reinigung des Mühlgrabens und zugleich auch die damit verbundene Beköstigung. Am 07.04.1818 erließ das Finanzministerium in Berlin eine Verordnung zur Veräußerung der Domänen im Regierungsbezirk Koblenz. Bei der darauf erfolgten Versteigerung am 22.10. 1820 ging die Burglahrer Mühle zu einem Gebot von 660 Rtlr. an Heinrich B e t t g e n h ä u s e r von Flammersfeld über. Er verkaufte sie im Jahr darauf für den gleichen Preis an Theodor F u c h s, der bis zur Aufliebung des Mühlenzwanges' die 1845 erfolgte, jährlich 40 Berliner Taler wegen des Bannes zu zahlen hatte. Daß sich auch Behörden schon damals irren konnten, beweist die Angabe in den Koblenzer Versteigerungsakten, die Mühle rühre von Sayn-Altenkirchen her.

Falsches Maß genommen?

395 Jahre war die Lieferung von 3 Mltr. Korn an die Pfarrei Brauch, die Kurfürst Diederich 1455 auf die Mühle gelegt hatte, bis 1850 Pfarrer Buslay von Oberlahr gegen Mühlenbesitzer Theodor Fuchs klagte, er liefere zu wenig Korn. Ursache dieses durch alle Instanzen geführten Prozesses war die komplizierte Umrechnung des Lahrer Getreidemaßes in preußisches Maß. Auf das Lahrer Malter zu 300 Pfund stütze sich die 1455 gestiftete Abgabe, auf das preußische berief sich der Müller seit 1846, indem er nur noch 2 Mltr. und 5 von 16 Viertel abführte. Fast vier Jahre mühten sich die Gerichte, die Verhältnisse zwischen Lahrer, Altenkirchener, Hachenburger und Preußischer Maßordnung zu ergründen. In erster Instanz urteilte das Kreisgericht zu Altenkirchen 1850 zugunsten des klagenden Pfarrers. Die Berufung des Fiskus und des Müllers vor dem Justizsenat in Ehrenbreitstein endete l85l zu ihren Gunsten. Bei einer Revision vor dem königlichen Obertribunal in Berlin fand das Ehrenbreitsteiner Urteil seine Bestätigung und das Verfahren sein Ende.

Mühlennebenbetriebe

Mehrfach waren in der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. Pächter und Pachtinteressierte mit Gesuchen bei der Hofkammer des Kurfürsten in Bonn vorstellig geworden, um der Getreidemühle eine Ölmühle angliedern zu dürfen. Doch kam es trotz erteilter Genehmigung wohl nicht zur Ausführung des Plans, denn 1849 erhielt Theodor Fuchs erneut eine diesbezügliche Konzession. Nach einer Aufstellung über Mühlen im Kreis Altenkirchen wurde 1910 die Getreidemühle des Friedrich Fuchs als Haupt- und das dabei befindliche Sägewerk als Nebenbetrieb angegeben. Mäuse als ungebetene, Hühner und Schweine jedoch als nutzbringende Gäste brauchten in einem Mühlenbetrieb nie zu darben. Deshalb heißt es schon in einem Spottlied ,,Die Müller haben die fettesten Schwein', die im ganzen Lande sein. Sie mästen's aus der Bauern Säcken". Das traf gewiss nicht auf alle Müller zu, denn weiter vorn wurde zum Beispiel schon erwähnt, daß die Mahlgäste dem Mühlenpächter Heinrich Fuchs Redlichkeit und Rechtschaffenheit bescheinigten, und 1818 stellte ihm auch die Kellerei Linz ein gutes Leumundszeugnis aus. Die neben der Burglahrer Mühle unterhaltene Hühnerfarm vor dem letzten Krieg bot sich zur Verwendung anfallender Fruchtrückstände förmlich an. Auf weniger natürliche Weise läßt sich die Kombination Walzenmühle und Straßenbauunternehmen erklären, das Johann Fuchs eigen war. Anfang der 50er Jahre erkannte er, daß Klein- und Mittelmühlen in einem zur Großmüllerei tendierenden Land kaum noch Zukunft hatten und legte die mit zwei Mahlgängen und zwei Walzenstühlen ausgestattete leistungsfähige Mühle still.

Seit 1974 hat die ,,Walzenmühle Johann Fuchs" - wie eingangs geschildert - einen neuen Namen und eine neue Besitzerin. Frau Jutta Heine verstand es, unter weitestgehender Belassung des Mühleninventars' ein Hotel für jugendliche Reiter zu schaffen, in dessen Schlafgemächern nicht zu übersehen ist, welcher Funktion die Räume einst dienten. Bei so viel Geschmack und Verständnis für Tradition darf man dem Haus, der Besitzerin und ihren Gästen mit dem alten Müllergruß ,,Glück zu!" wünschen.


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