Dieperzen und Honneroth
Aus dem Jahrbuch 1996 des Kreisheimat-Verein Altenkirchen - Westerwald
Nachdruck mit dessen Einverständnis
Autor: Hans Helzer
Seit 1979 gehört die bis dahin selbständige Gemeinde Dieperzen zur Stadt Altenkirchen. Ihre Gemarkung umfaßte neben dem Weiler Dieperzen auch den Hof Honneroth mit den Gutsgebäuden und dem vom Fabrikanten Bullrich erbauten Herrschaftshaus, das später als Landerziehungsheim diente.
Die Grafen von Sayn kauften Anfang des 17. Jahrhunderts in ,,ausgegangenen Dörfern" Boden auf und errichteten dort herrschaftliche Höfe. Genannt sind in diesem Zusammenhang Honneroth, Bergenhausen und Helmenzen. Der Hof Honneroth kam 1815 in den Besitz des preußischen Staates und sollte 1824 versteigert werden. Das gelang damals nicht, weil zu wenig geboten wurde. Offensichtlich ist der Hof später zu drei Teilen verkauft worden und wurde dann Anfang des 20. Jahrhunderts von Herrn Bullrich wieder zu einem 110 ha Land umfassenden Gut vereinigt.
1840 zählte die Kleingemeinde Dieperzen 43 Einwohner, 1905 waren es 73 und 1964 119. Der 1972 erschienene Luftbildatlas von Rheinland-Pfalz zeigt auf Seite 77 eine wohlgelungene Luftaufnahme Dieperzens. In dem dazugehörigen Text schreibt Prof. Dr. Heinz Fischer, der Weiler Dieperzen habe seine Einwohnerzahl von 1939 bis 1961 von 60 auf 118 fast verdoppelt. Dabei übersieht Fischer, daß ein Großteil der Einwohner in Honneroth wohnte und dort wiederum in Hofgebäuden neben einigen Flüchtlingsfamilien auch die mit Zweitwohnsitz gemeldeten Schüler des Landerziehungsheimcs gezählt wurden. Im Gemeindeverzeichnis von 1989 (,,Der Landkreis Altenkirchen") hätte der Professor nachlesen können, daß 1961 von den 118 Einwohnern der Gemeinde 39 in Dieperzen und 81 in Honneroth wohnten, darunter 55 Internatsschüler.
Die Gemeinde Dieperzen stellte schon 1905 den Antrag, mit der Nachbargemeinde Bachenberg vereinigt zu werden. Anlaß war wohl der gemeinsame Wunsch, in Bachenberg eine einklassige Schule zu errichten. Zur Vereinigung kam es damals nicht, wohl zur Gründung eines Schulverbandes. Auch der Versuch Dieperzens, sich mit Busenhausen zusammenzuschließen, fand dort 1930 kein positives Echo.
Erst 1957 gab es unter Ortsbürgermeister Seiler neue Überlegungen. Mehrheitlich (3 : 2) plädierte der Gemeinderat für die Umgemeindung in die Kreisstadt. Wichtigstes Argument war, daß 1/3 des um 3000 DM jährlich liegenden Steueraufkommens an den Schulverband gezahlt werden mußte und Kreis- und Amtsumlage der Zwerggemeinde die für den Wegebau nötigen Mittel nicht übrig ließen.
Eine Abstimmung unter den wahlberechtigten Bürgern ergab allerdings eine Mehrheit für die Selbständigkeit. Die Gegner des Anschlusses fürchteten, ihre Kinder müßten die Schule wechseln. Sie fanden Unterstützung bei den Bachenbergern, die um den Fortbestand ihrer kleinen Volksschule fürchteten, wenn die sieben Dieperzer Kinder nach Altenkirchen umgeschult würden. Die Schule in Bachenberg, an der jahrzehntelang der Mundartdichter Friedrich Hans Strippel unterrichtet hatte, zählte dann weniger als 20 Kinder.
Als besonderes Problem erwies sich auch der Weg nach Dieperzen, der damals bei der heutigen Firma Kuss von der Kumpstraße abzweigte. Die Katasterkarten bezeichneten den Weg in seinem über das Gelände des Honnerother Hofes führenden Mittelteil als ,,öffentlich ertraglosen Weg." Der Hofbesitzer legte dar, er habe den Weg aus eigenen Mitteln gebaut und unterhalten. Er lege keinen Wert darauf daß aus ihm ein ,,öffentlicher Weg" werde.
1957 trat die Staatskanzlei an die Stadt mit der Frage heran, ob in Altenkirchen eine Garnison für ca. 1000 Soldaten gebaut werden solle. Bürgermeister Dr. Emil Haas stand den Plänen skeptisch gegenüber, und Herr Bullrich war nicht bereit, sein Land in Honneroth für einen solchen Zweck zur Verfügung zu stellen, dafür sei der Boden zu gut.
1961 erneuerte der Dieperzer Gemeinderat seinen Beschluß auf Eingemeindung, diesmal einstimmig. Zwischenzeitlich war in Niedererbach ein neues dreiklassiges Schulgebäude errichtet und die Schule in Bachenberg aufgelöst worden. Die wenigen Kinder aus Dieperzen wurden nach und nach in Altenkirchen eingeschult. Der Stadtrat stimmte dem Dieperzer Begehren zu. Dennoch kam es noch nicht zur Eingemeindung.
Die Gründe dafür dürften in der aufkommenden Diskussion um eine Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz liegen. Es gab damals Überlegungen, das Gebiet der Kreisstadt nicht nur um Dieperzen, sondern auch um die mit der Stadt eng verflochtenen Gemeinden Helmenzen, Mammelzen, Michelbach und Almersbach zu erweitern. Amts- und Stadtbürgermeister Dr. Haas, von 1959 - 1967 Mitglied des Landtags, sprach sich in einer Anhörung im Landtag gegen eine solche Lösung aus. Er befürchtete ein absolutes Übergewicht der Stadt in der um das Amt Weyerbusch vergrößerten Verbandsgemeinde. Ihm hätte nur durch die Bildung einiger größerer Gemeinde-Einheiten entgegengewirkt werden können. Dazu gab es aber keine Bereitschaft.. Erst nachdem die Stadt 1972 von den Erben Bullrich das Hofgut Honneroth erworben und der Landsiedlung Rheinland-Pfalz die Erstellung von Bebauungsplänen übertragen hatte, lebte die Eingemeindungsfrage wieder auf, denn 40% der Hoffläche lagen in der Gemarkung Dieperzen. Diesmal stellten die Dieperzer Gemeinderäte Bedingungen. Ihre Wasserleitung von Erbach her sollte fertiggestellt werden, dafür wollten sie die für diesen Zweck gebildete Rücklage in Höhe von 50.000 DM ausgeben. Es sollte überdies ein Ortsbeirat gebildet werden.
Der Stadtrat akzeptierte die Bedingungen. Ein Eingemeindungsvertrag kam 1973 zustande, unterzeichnet von Stadtbürgermeister Karlheinz Klöckner und Ortsbürgermeister Heinz Krämer. Aber bis zur Kommunalwahl ein Jahr später konnten die notwendigen Verwaltungsvorgänge nicht abgeschlossen werden. In Dieperzen mußte daher noch einmal ein Gemeinderat gewählt werden.
Das Mainzer Innenministerium erklärte, nur dann könne die Eingemeindung auch nach der Kommunalwahl problemlos vorgenommen werden, wenn sich bei der hypothetischen Annahme, alle 45 Wahlberechtigten in Dieperzen hätten sich für eine Partei oder Wählergruppe entschieden, im Stadtrat Altenkirchen keine Mandatsverschiebung ergebe.
In Dieperzen hatten 1974 38 Wähler von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht. Die CDU erhielt fünf Stimmen, die SPD 19 und die FDP 14 bei der Kreistagswahl. Die von Innenminister Heinz Schwarz CDU gewünschte Auswertung der Wahlen zum Stadtrat ergab, daß dann, wenn alle Dieperzer Wahlberechtigten die CDU gewählt hätten, diese Partei im Stadtrat ein Mandat mehr erhalten hätte zu Lasten der SPD. Sitzverteilung im Stadtrat damals: 6 CDU, 7 SPD, 3 FDP, 3 FWG.
Unter Hinweis darauf, daß bei zurückliegenden Wahlen die CDU in der Kleingemeinde immer die wenigsten Stimmen erzielte, schaltete die Verbandsgemeindeverwaltung den Verfasser dieser kleinen Abhandlung in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneten ein. Im Gespräch mit dem Innenminister war ein Abweichen von der juristischen Position der Landesregierung nicht zu erreichen.
Heinz Schwarz war zwar auch für die Auflösung von Kleingemeinden, wollte dem Begehren aber nur dann zustimmen, wenn der soeben gewählte Stadtrat sich noch einmal zur Wahl stellte. Dies lehnte der Rat aus Kostengründen ab.
Mittlerweile stellte die Landesregierung für Kleingemeinden unter 1000 Einwohnern ein Geldgeschenk bereit, wenn sie sich auflösen und mit einer anderen Gemeinde zusammenschließen wollten: Pro Einwohner wurden bei auf Auflösung 100 DM gezahlt, mindestens aber 20.000 DM. Dieses willkommene Geld verwandten die Dieperzer für den Wegebau im Ort. Mit der Kommunalwahl 1979 erfolgte die Eingemeindung, die mit einem von der Stadt ausgerichteten großen Fest in Dieperzen feierlich besiegelt wurde.
Zehn Jahre bestand noch ein Ortsbeirat. 1989 wurde er einvernehmlich vom Stadtrat aufgelöst.
Die großen Veränderungen, die in den letzten 20 Jahren im Gebiet von Honneroth eingetreten sind, sollen hier nicht näher dargestellt werden. Der neue Stadtteil wächst Jahr für Jahr. Bei der Kommunalwahl 1984 gab es in dem Stimmbezirk der Stadt, zu dem auch Dieperzen und Honneroth gehören, 199 Wahlberechtigte, 1989 waren es 265 und 1994 mehr als 460.