Friedenthal

Friedenthal,ein Grenzort im Irsetal

Aus dem Jahrbuch 1996 des Kreisheimat - Verein Altenkirchen - Westerwald

Nachdruck mit dessen Erlaubnis

Autor: Helmut Wagner

Die kleine Ortsgemeinde Ölsen (100 Einwohner) hat einen fast unbekannten Ortsteil Friedenthal, ein Grenzort im Irsetal.

Der Weiler Friedenthal (3 Wohnhäuser) liegt ca. 1 ltrn nordwestlich vom Hauptort Ölsen in der Verbandsgemeinde Altenkirchen.

Viele Eigentümlichkeiten um diesen Ort verdienen es, einmal erwähnt zu werden. Seit Jahrhunderten bildet die Mitte des Irsebaches eine wichtige Territorialgrenze:

- im Mittelalter die Grenze zwischen der Grafschaft Sayn und dem Herzogtum Berg

- heute die Landesgrenze Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz die Kreisgrenze Rhein-Sieg-Kreis/Kreis Altenkirchen

- die Gemeindegrenze Windeck / Ölsen

Die ca. 150 m von Friedenthal liegende Gemeinde Niederirsen gehört bereits zur Verbandsgemeinde Hamm/Sieg.

Obwohl Friedenthal gemeindemäßig zu Ölsen mit der Postleitzahl 57612 gehört, wird der Ortsteil postmäßig von der Poststelle Pracht mit der PLZ 57589 versorgt.

Das Telefonnetz mit der Vorwahl 02686 (Weyerbusch) schließt das Haus Kirchner ein, die beiden anderen Wohngebäude sind an das Netz mit der Vorwahl 02682 (Hamm) angeschlossen, obwohl der Hauptort Ölsen die Vorwahl 02681 (Altenkirchen) hat.

Friedenthal gehört zur evangelischen Kirchengemeinde Hilgenroth. Aber Hilgenroth ist sehr weit. Daher gehen die Einwohner von Friedenthal in die evangelische Kirche von Leuscheid im benachbarten Rhein-Sieg-Kreis.

Die Kinder mußten früher in die weit entfernte Volksschule nach Birkenbeul marschieren. Aber bereits mit Beschluß der Königlichen Regierungen zu Coblenz und Cölln vom 17.4.1915 erfolgte eine Anderung dahingehend, daß die Kinder der näher gelegenen Schule zu Kocherscheid im Rhein-Sieg-Kreis zugewiesen wurden.

Wie ist der Ort Friedenthal entstanden?

Das erste Haus in Friedenthal war das Haus Kirchner.

Ein Urahn Kirchner zog um 1760 vom Hunsrück in das Bröltal zwischen Waldbröl und HenneŁ Dessen Sohn Johann-Heinrich Kirchner, geb. 1777, betrieb in Öleroth bei Ruppichteroth eine Schmiede und eine Mühle. Sein Sohn Friedrich Kirchner war Wagner und Schmied von Beruf und übte seine Handwerke ebenfalls im Bröltal aus. Aus der Ehe mit Elisabeth Röder gingen zwei Söhne hervor, Karl und Peter Kirchner. Während Peter den elterlichen Betrieb in Öleroth übernahm, mußte sich Karl Kirchner, geb. am 20.9.1845, nach einer neuen Bleibe umsehen, denn der Betrieb war nicht in der Lage, zwei Familien zu ernähren.

Das Schicksal verschlug Karl Kirchner und seine Ehefrau Helene 1878 ins Irsetal.

Sie bauten in diesem Jahre das erste Haus gegenüber von Mittelirsen jenseits des Irsebaches auf dem Gebiet der Gemeinde Ölsen im Kreis Altenkirchen und nannten den Ort Friedenthal. Die Eheleute Kirchner waren somit Begründer des Ortes.

Die Abgeschiedenheit und Einsamkeit des Tales dürften wohl Pate bei der Namensgebung zum Ort gestanden haben.

Die Schmiede wurde vorerst im ,,Stöverschen Schuppen" in Mittelirsen betrieben. Später wurde dann eine eigene Schmiede in Friedenthal neben dem Wohnhaus gebaut, die heute noch besteht.

In den Anfangsjahren konnte man sich noch keine Lehrlinge oder Gesellen halten. So mußte dann Ehefrau Helene mithelfen. Oft hat sie den schweren Vorschlaghammer schwingen müssen, um dem glühenden Eisen Form und Gestalt zu geben. Nach einiger Zeit florierte der Betrieb und man konnte sich der Arbeit von Gesellen und Lehrlingen bedienen.

Der Sohn Fritz Kirchner erlernte ebenfalls das Schmiedehandwerk und übernahm den Betrieb. Fritz Kirchner heiratete am 10.4.1902 Christine Bender aus Mittelirsen.

Deren Sohn Heinrich, geb. am 28.12 1905, vermählte sich mit Berta Weller aus Heupelzen und übte traditionsgemäß ebenfalls das Schmiedehandwerk aus. Auch der Sohn Wilfried Kirchner, geb. am 19.6.1934, blieb dem Handwerk seiner Vorfahren treu. Allerdings war er der letzte Schmiedehandwerker der Friedenthaler ,,Schmitte". Die drei Söhne von Wilfried und Margot Kirchner geb. Lindner haben andere Berufe ergriffen und wohnen auswärts.

Nachdem die Irsetalstraße in den Jahren 1887 - 1892 von Birnbach bis Irsermühle auf einer Breite von 5,50 m ausgebaut war, siedelte sich unmittelbar neben dieser Landstraße (heute L 277) am Hang in Richtung Ölsen eine Familie Schmidt an.

Der Sohn Karl Schmidt, geb. am 20.8.1876, copulierte mit Charlotte Engelbert aus Mittelirsen. Deren gemeinsame Tochter Emile Schmidt war in erster Ehe mit H. Dorfeld aus Haderschen verheiratet. Dorfeld verstarb sehr früh, und so vermählte sich die Witwe in 2. Ehe mit Fritz Schenk. Der Sohn Erwin aus 1. Ehe fand seine Frau Hanni in Leidhecke im Leuscheider Land. Die Familie Dorfeld betrieb eine kleine Landwirtschaft in Friedenthal. Heute wird das Haus von Hanni Dorfeld und deren Schwiegersohn Detlef Lüling bewohnt.

Das dritte Wohngebäude in Friedenthal wurde 1914/1915 vom Bauunternehmen Peter Baum aus Heupelzen für den Schuhmacher Heinrich Schmidt errichtet. Schmidt stammte aus dem zuvor beschriebenen Haus und heiratete Luise Bay aus Obernau/Wied.

Der im Jahre 1918 geborene Sohn Wilhelm Schmidt, Anstreicher von Beruf, lernte als Soldat im 2. Weltkrieg in Sachsen seine spätere Ehefrau Lisabeth Kramer kennen und heiratete sie.

Die Tochter Ingrid vermählte sich mit Friedhelm Richter aus Marenbach. Deren gemeinsame Tochter Viola heiratete Dietmar Zucht aus Köln.

Vier Generationen bewohnen heute das Haus gegenüber der Kreuzung L 277/K 54 im Irsetal.

Im Irsetal war und ist es grundsätzlich ruhig und erholsam.

Nur nach dem 2. Weltkrieg kam hier etwas Unruhe auŁ Da verlief die Grenze zwischen der englischen und französischen Zone zwischen Friedenthal und Mittelirsen. Auf der Irsetalbrücke wurde eine Grenzkontrollstelle eingerichtet.

Die Besatzer kannten oft selbst nicht die genaue Zonenzugehörigkeit. So hat die Verwaltung der Gemeinde Herchen, Rhein-Sieg-Kreis in der englischen Zone am 2.11.1945 an Fritz Kirchner aus Friedenthal in der französischen Zone eine Fahrradkarte für ein NSU mit der Nummer 1773483 ausgegeben.

Die heutigen Einwohner von Friedenthal sind wirtschaftlich und kulturell mehr zum angrenzenden Windecker Ländchen orientiert. Auch die Sprache tendiert mehr zum Leuscheider Dialekt.

Man fühlt sich wohl im ruhigen Irsetal, weitab von den großen Verkehrsadern und der Hektik unserer Zeit.

In diesem Tal mit seinen vielen seitwärts abgehenden Nebentälern, Seifen und Gebirgseinschnitten kann der streßgeplagte Mensch von heute Zwiesprache mit der Natur halten und neue Kraft für den Alltag tanken.