Gebhardshain

775 Jahre Gebhardshain

Aus dem Jahrbuch 1995 des Kreisheimat-Verein Altenkirchen - Westerwald

Nachdruck mit dessen Zustimmung.

Autor: Norbert Lorsbach

Wenn die Gemeinde Gebhardshain im Jahr 1995 das Jubiläum der erstmaligen Beurkundung aus dem Jahre 1220 begeht, dann reflektieren die seither vergangenen 775 Jahre sicher nur einen Teil der Geschichte dieses alten Gerichts- und Kirchspielortes.

Das eigentliche Alter von Gebhardshain dürfte wohl deutlich höher einzustufen sein. Es gibt eine Reihe von Indizien, welche die Gründung des Ortes bereits weit vor dem Jahr 1000 vermuten lassen. Wohl kaum ist anzunehmen, daß die Siedlungsgeschichte von Gebhardshain erst mit der Beurkundung im Jahre 1220 ihren Anfang nahm. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, daß schon zur Zeit der erstmaligen Bezeugung des Ortes dort ein geformtes und gefestigtes Gemeinwesen Bestand hatte.

Nur wenige Jahre vor dem Eintreten des Ortes in die geschriebene Geschichte begegnet im Jahr 1216 mit Rorich von Gebhardhain, der Stammvater des niederadeligen Geschlechts derer von Gevertzhagen; als Truchseß des Grafen von Sayn. Doch erst im Jahr 1220 wird Rorich von Gebhardshain in einem Vertrag zwischen Siegfried von Runkel und Heinrich, Vogt von Westerburg, Dominus, also Herr von Gebhardshain genannt. Mit ziemlicher Sicherheit war das Adelsgeschlecht zu diesem Zeitpunkt schon länger in Gebhardshain ansässig.

Der im Jahr 1220 beurkundete Siedlungsname Gebhardshain leitet sich mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem konradinischen Vornamen Gebhard ab. Das mächtige und einflußreiche Haus der Konradiner hatte nämlich um das Jahr 1000 die Terntorialgewalt für den Gebhardshainer Raum inne. Unter den letzten Karolingern gehörten die Konradiner zu den führenden Familien des Kaiserreiches, was vor allem seinen Ausdruck darin fand, daß im Jahre 911, mit Konrad 1. ein Sproß dieses Hauses deutscher König wurde. Konrad 1. war der Sohn von Konrad dem Älteren, der 886 als Graf des Oberlahngaues und 897 als Graf des Hessengaues bezeugt ist. Ein Bruder von Konrad dem Älteren, mit Namen Gebhard, wird für die Zeit von 888 - 910 als Graf des Rheingaues genannt Mit dem Großvater der Brüder Konrad und Gebhard und Urgroßvater von König Konrad 1. begegnet, mit dem erstmals im Jahre 832 bezeugten Grafen Gebhard des Niederlahngaues und des Hessengaues, ein weiteres Mitglied aus dem Haus der Konradiner mit Namen Gebhard Dieser wird allgemein als der Stammvater der Konradiner angesehen und gründete im Jahre 879 das Stift Gemünden.

Die noch im Jahre 1504, bzw. 1517 belegte Beziehung des Gerichtes von Gebhardshain zu dem Gericht in Gemünden als seinem Oberhof und die vorübergehende, durch Schenkung der Konradiner zustande gekommene, landesherrliche Zugehörigkeit der Grundherrschaft Gebhardshain zum Stift Gemünden läßt vermuten, daß die Namensgebung für den Ort Gebhardshain in Verbindung mit dem konradinischen Vornamen Gebhard steht.

Allerdings dürfte wegen der zeitlichen Einordnung der Entstehung der -hain Orte, (etwa um das Jahr 1000) , hierfür wohl nur Gebhard der Sohn des im Jahre 959 bezeugten Konradiners Heribert in Frage kommen, wenn man unterstellt, daß die Namensgebung des Ortes in Zusammenhang mit dem konradinischen Vornamen Gebhard steht. Dieser, im Jahre 1016 verstorbene Gebhard folgt in direkter Linie dem Grafen Gebhard dem Gründer des Stiftes Gemünden. Der Ausschlag für die Namensgebung dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit in der Tatsache begründet sein, daß der Vater von Gebhard, der Graf des Kinziggaues, Heribert, kurzzeitig auch Pfalzgraf des Auelgaues war, in dessen Territorium sich Gebhardshain befand. Das einflußreiche Haus der Konradiner gelangte um das Jahr 950 in den Besitz des Auelgaues. Es ist durchaus denkbar, daß mit der Namensgebung für die hart an der Gaugrenze gelegene Siedlung Gebhardshain, die Machtstellung der Konradiner gegenüber der unmittelbar benachbarten und nur wenig später, (etwa um das Jahr 1000), neu erwachsenen Grundherrschaft Freusburg dokumentiert werden sollte.

Die weiter oben angesprochene Schenkung der Gebhardshainer Besitzung an das Stift in Gemünden erfolgte mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls um das Jahr 1000 und ist möglicherweise vor dem Hintergrund des konradinischen Strebens zu sehen, auch die weit entfernt gelegenen Streubeziehungen eng an die Stammgüter des Grafengeschlechtes zu binden. Der heute noch erhaltene Gebhardshainer Gemarkungsname auf`m Kaiserstück könnte darauf hinweisen,daß Gebhardshain durch diese Schenkung ganz oder zumindest mit Teilen seiner Feldflur in das unmittelbare Besitztum des karolingischen Kaiserreiches überging, zu dessen Gütern auch das konradinische Stift Gemünden nach dem Jahr 1000 gehörte. Somit ist eine, damit einhergehende, implizite Zugehörigkeit des Gebhardshainer Besitzes zum Kaiserreich nicht auszuschließen. Eine solche Zugehörigkeit ist für andere Ortschaften des Westerwaldgebietes, in welchen sich ebenfalls Gemarkungsnamen mit dem Präf'ix Raiser oder Köng finden, urkundlich belegbar. Allerdings fehlte eine solche Beurkundung für Gebhardshain vollständig, so daß eine Deutung des Gemarkungsnamens aufm Raiserstück im zuvor genannten Sinne nur hypothetischen Charakter haben kann. Während die Grundherrschaft Gebhardshain dem konradinischen Stift Gemünden bald wieder verloren ging, blieb die gerichtliche Zugehörigkeit von Gebhardshain zu Gemünden noch bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts bestehen.

Wie die Endung des Ortsnamens Gebhardshain ausweist, wurde die konradinische Siedlung von einer Hecke eingeschlossen. Die Namensendung -hain, bzw. -hagen leitete sich aus dem mittelhochdeutschen hegen, bzw. hagen ab. In der mittelhochdeutschen Sprache stehen diese Wörter für Hecke, bzw~ Einfriedung um einen Platz, wofür in der Regel der Weißdornstrauch, bzw. die Hainbuche Verwendung fanden.

Diese Art der Einfriedung wurde im Mittelalter relativ oft praktiziert. Von daher finden sich im rechtsrheinischen Schiefergebirge viele Siedlungsnamen mit der Endung -hain oder hageni. Welchen Verlauf die Schutzhecke der konradinischen Siedlung Gebhardshain nahm, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Es kann aber als wahrscheinlich gelten, daß die heute noch fragmentell vorhandene Hecke aus Weißdorn und Hainbuchen, entlang der Grenze zwischen den Gemarkungen im untern Dorf und im Bitzen Garten, den Nachfolger der mittelalterlichen, dörflichen Schutzhecke darstellt. Die darin stellenweise vorkommenden Gehölzstärken sprechen für ein relativ hohes Alter des Heckenrestes und lassen vermuten, daß die dort verlaufende, ehemalige dörfliche Schutzhecke durch wiederholte Nachfolgepflanzungen immer wieder regeneriert wurde. Für den Heckenverlauf entlang der Grenze der Gemarkung im untern Dorf spricht auch die Vermutung, daß im Terrain dieser Gemarkung die Keimzelle des Ottes zu suchen ist. Diese Annahme wird nicht zuletzt nur durch die dortige, wettergeschützte Lage und das Vorhandensein einer starken, leicht zugänglichen Quelle gestützt. Noch bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts hinein war die Quelle des onnerao~born in einem großen ovalen Schöpfbecken gefaßt. Zu Beginn der siebziger Jahre verschwand auch der Rest der uralten Quellfassung für immer aus dem Ortsbild von Gebhardshain.

Für die konradinische Epoche in der Gebhardshainer Geschichte gibt es keine bekannten Belege, in welchen die Existenz des Ortes zu dieser Zeit bezeugt ist. Allerdings lassen einige Urkunden um das Jahr 1000 mit ziemlicher Sicherheit den Schluß auf eine damalige Siedlung zu.

So wird im Jahr 1048 die Gebhardshainer Gemarkung im Staffels in der Abschrift der sog. Haiger-Urkunde erwähnt. Die Erstschrift dieser Urkunde datiert aus dem Jahr 913. Mit diesem Dokument bestätigt der Erbzischof Eberhard von Trier die Grenzen der damaligen Pfarrei Haiger. Unter den darin aufgezählten Grenzpunkten hat die Gemarkung im Staffels eine besondere Bedeutung, werden doch ansonsten in dieser Urkunde zumeist nur natürliche Grenzen, wie etwa Fluß- oder Bachläufe, benannt. Die Markanz dieser Örtlichkeit stellten wohl deren, offensichtlich von Menschenhand angelegten Feldterrassen dar. Diese Besonderheit spiegelt sich auch in dem mittelhochdeutschen Gemarkungsnamen im Staffels wider, womit die stufen-, bzw. terrassenförmige Ausbildung des dortigen Geländes beschrieben wird Auch wenn es zu dem urkundlich dokumentierten Grenzverlauf des Haigerer Pfarrsprengels bezüglich der Lokalisierung der Gemarkung Staffel - wie auch im Hinblick auf andere darin genannte Örtlichkeiten - unterschiedliche Auffassungen in der diesbezuglichen Forschung gibt, so spricht doch vieles dafür, daß es sich bei der genannten Gemarkung Staffe1 um den Gebhardshainer Distrikt im Staffels handelt. In keiner anderen Flur des fraglichen Grenzbereiches, weder in der Gemeinde Elbergrund noch in den Gemeinden Dauersberg oder Scheuerfeld, findet sich eine gleichlautende oder ähnliche Gemarkungsbezeichnung. Lediglich in der unmittelbar an den Distrikt im Staffels angrenzenden Elbener Gemarkung auf dem Staffels existiert ein analoger Gemarkungsname. Von daher kann der beurkundete Gemarkungsname Stafful nur mit der Gebhardihainer Gemarkungsbezeichnung im Staffels, respektive der Elbener Fortsetzung dieser Gemarkung in Verbindung gebracht werden. An dieser Beziehung dürfte auch die urkundlich bezeugte, aber irreführende Aufzählung der Gemarkung Staffu1 in der Reihenfolge hinter der Gemarkung Angeshart (Angsthardt) nichts ändern. Mit großer Wahrscheinlichkeit läßt sich diese Konstellation mit der Vertauschung der Reihenfolge in der Namensnennung erklären. Stellt man nämlich in der Haiger-Urkunde die

Nennung der Gemarkung Stafful vor die Bezeugung des Wizzensteines (Weiselstein), so ergibt sich daraus ein topologisch und geografisch nachvollziehbarer Grenzverlauf. Für die unterstellte Vertauschung der zuvor beschriebenen Reihenfolge spricht auch eine Vielzahl von anderweitigen, fehlerhaften Urkundenabschriften aus historischer Zeit, die, aus welchen Gründen immer, von der Fassung der Erstschrift teilweise erheblich abweichen. Von daher dürfte die Identität der urkundlich genannten Gemarkung Staffiel mit dem Gebhardshainer Distrikt im Staffels mehr als wahrscheinlich sein. Offensichtlich war das Gemeinwesen von Gebhardshain zu diesem Zeitpunkt schon so weit entwickelt, daß die leichter zugänglichen Flächen zur Deckung des Bedarfes an Ackerland nicht mehr ausreichten. Nur so läßt sich die relativ aufwendige, terrassenartige Erschließung der steilen Hanglage der Gemarkung im Staffels für die Landwirtschaft erklären.

Im Jahr 950 findet sich in einem Regest von König Heinrich 1. ein weiteres Indiz für die Existenz von Gebhardshain. Mit dieser Urkunde bestätigt der König dem Frauenkloster Herford i. W dessen Besitz an dem Hof Hombach, unweit von Gebhardshain gelegen. In nur geringer Entfernung vom Hofgut befindet sich die ehemalige Feuchtwiesengemarkung in der Hombach auf Gebhardshainer Gebiet. Man kann wohl davon ausgehen, daß zwischen dem Namen des Hofes und der Gemarkungsbezeichnung ein Kausalzusammenhang besteht, so daß aus der vorgenannten Urkunde auch die seinerzeitige Existenz der gleichnamigen Gebhardshainer Wiesengemarkung abgeleitet werden kann.

Der Hinweis auf Gebhardshainer Gemarkungsnamen in frühen Urkunden belegt deutlich, daß die Entwicklung der Kulturlandschaft im Gebhardshainer Gebiet zu dieser Zeit schon weit fortgeschritten war. Diese Ausprägung hätte wohl kaum erreicht werden können, wenn man die Gründung von Gebhardshain um das Jahr 1000 ansetzt. Zudem ist die Existenz anderer, vergleichbarer Ortschaften im näheren Umkreis von Gebhardshain weitaus früher belegt.

So wird z. B. Weitefeld im Jahre 848 im Besitztum des Bonner Stiftes St. Kassius und St. Florentinus erwähnt. Dieses Stift verdankte seine umfangreichen Besitztümer im Bereich der mittleren Sieg den Pfalzgrafen des Anelgaues, welche gleichzeitig auch Vögte des Stiftes waren. Vor den Pfalzgrafen waren die Konradiner zeitweilig Vögte des Stiftes und Grafen des Auelgauesi. Neben Weitefeld besaß das Bonner Stift z. B. Jahrhunderte lang die Höfe Birnbach und Altenkirchen. Nach den Registerangaben des Stiftes ist, neben den bis heute bekannten Besitztümern im Bereich der mittleren Sieg, noch mit weiteren, frühen Schenkungen zu rechnen. Allerdings werfen die Reste des Traditionskodex des St. Kassius und St. Florentinus Stiftes nur wenig Licht auf die Herkunft des umfangreichen Besitztums dieses Stiftes. Ob sich Gebhardshain vor seiner, um das Jahr 1000 anzusetzenden Zugehörigkeit zum Stift Gemünden, ebenfalls im Besitz des Bonner St. Kassius und St. Florentinus Stiftes befand, kann daher nicht mit Sicherheit gesagt werden. Ein Indiz für eine ehemalige Zugehörigkeit von Gebhardshain zu dem Bonner Stift befindet sich allerdings in einer Urkunde von Papst Bonifatius IX. aus dem Jahre 1398. Mit dieser Urkunde reserviert der Papst einem Kleriker Theoderich Wolpis von Gebertrhan ein Benefizium mit und ohne Seelsorge für die Pfarrei Gebhardshain. Der Übernahme des Benefiziums sollte nicht entgegenstehen, daß der Papst dem genannten Theoderich Wolpis schon ein ähnliches Benefizium in Aussicht gestellt hatte, dessen Besetzung Sache des Abtes und Konventes vom Michaelsberg in Siegburg und des Probstes und Dekans vom Stift St. Kassius und St. Florentinus in Bonn war. Vielleicht wird hier eine längst versunkene, ehemals vollständige Bindung von Gebhardshain an das Bonner Stift deudich. Auf diese Bindung könnte auch die ursprüngliche Zugehörigkeit der Pfarrei Gebhardshain zum kölnischen Dekanat Siegburg hinweisen. Im ,,Liber valons" der Erzdiözese Köln wird die Kirche zu Gevershain im Jahr 1316 bezeugt.

Ungeachtet der offenen Frage, ob für Gebhardshain eine ehemalige Zugehörigkeit zum Bonner St. Kassius und St. Florentinus in Betracht kommt, kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß eine erste Siedlung in Gebhardshain bereits deutlich vor dem Jahr 1000 Bestand hatte. Es ist durchaus vorstellbar, das Gebhardshain nicht erst in Folge der Kolonisationspolitik der Konradiner entstand, sondern vielmehr eine dort bereits bestehende, ältere Siedlung unter dem neuen Namen Gebhardshain von den konradinischen Grafen zur Festigung ihrer Machtstellung im Bereich der Gaugrenze ausgebaut wurde.

Die Spur zurück in das Dunkel der Geschichte wird erhellt von einigen, bis heute überlieferten Gebhardshainer Gemarkungsnamen, aus welchen sich die Existenz des Ortes bereits zu germanischer, bzw. keltischer Zeit ableiten läßt.

So begegnet z. B. im Bestimmungswort der Gemarkungsbezeichnung Brendsborn ein Relikt des indogermanischen Sprachschatzes. Mit dem Wort bhrendh werden darin die besonderen Eigenschaften, bzw. die Ergiebigkeit einer Quelle beschrieben. Tatsächlich treffen diese Eigenschaften auch heute noch zu. Die ergiebige Quelle des Brendsborn schwillt nach einem Regenguß binnen kurzer Zeit sprunghaft an und verwandelt den Quellbach in ein reißendes Wasser. Die gleiche Beobachtung müssen die Namensgeber der Quelle in germanischer Zeit gemacht haben. Erst in viel späterer Zeit wurde dem indogermanischen Begriff bhrendh rheinische Grundwort Born angehängt, womit ein natürlich fließender, nicht gegrabener Quellbrunnen benannt wird. Der Gemarkungsname Brendsborn könnte also durchaus als ein Indiz für eine Besiedlung in germanischer Zeit gelten.

Noch weiter in die Vergangenheit führt der Ursprung der Gebhardshainer Gemarkungsnamen Geiersknappen und in der Görsbach. Das Bestimmungswort Geier in der Gemarkungsbezeichnung Geiersknappen deutet nicht etwa auf das Tier hin, sondern stellt ein sprachliches Relikt aus der Zeit der Kelten dar. In der keltischen Sprache wurdc nämlich eine Anhöhe in der Art des Geländes der Gemarkung Geiersknappen mit dem Begriff Ayer, bzw. Aiger bezeichnet. Durch eine Lautverschiebung, wurde daraus in späterer Zeit das Wort Gayer, bzw. Geier. Das Bestimmungswort des Gemarkungsnamens Geiersknappen ist also keltischen Ursprungs. In Verbindung mit dem rheinischen Grundwort Knappe entstand daraus im Mittelalter die heute noch gebräuchliche Gemarkungsbezeichnung Geiersknappen.

Mit dem Bestimmungswort der Gemarkungsbezeichnung in der Görsbach begegnet ein weiteres Relikt der keltischen Sprache. Das mit görz gezischt ausgesprochene keltische Wort ghear entspricht ziemlich genau dem Bestimmungswort der Gemarkungsbezeichnung in der Görsbach. Mit dem Wort ghear bezeichneten die Kelten eine Grenze. Tatsächlich markiert der Bachlauf der Gemarkung in der Görsbach seit Menschengedenken die Grenze zwischen den Gemeinden Gebhardshain und Fensdor£ Verlief hier vielleicht schon in keltischer Zeit die Territorialgrenze der ersten Siedler von Gebhardshain?

Wenn man unterstellt, daß die Namensgebung für die keltischen Teile der Gemarkungsbezeichnungen Geiersknappen und in der Görsbach mit der Gründung von Gebhardshain in ursächlichem Zusammenhang stehen, so könnte man daraus schließen, daß eine erste Ansiedlung in Gebhardshain bereits zu keltischer Zeit Bestand hatte. Diese Theorie wird nicht zuletzt durch die, bis in die Hallstatt-Zeit zurückreichenden Anfänge des Siegerländer Bergbaus gestützt. Es ist durchaus vorstellbar, daß auch die hiesigen Erzvorkommen schon in keltischer Zeit durch Schürfungen erschlossen wurden.

Möglicherweise war es eine keltische Familie oder Sippe, welche in früher Zeit, weit vor dem Auftreten der Konradiner in Gebhardshain, den Grundstein für die Besiedlung des Ortes legte. Doch die Anfänge der Besiedlung können nur erahnt, können nur aus Indizien abgeleitet werden. Wann immer die Gründung von Gebhardshain erfolgte, sie bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen. Erst mit dem Auftreten der adeligen Familie derer von Gevertzhagen in der geschriebenen Geschichte wird die Existenz des gleichnamigen Ortes belegt.

Über Jahrhunderte hinweg bestimmt das Adelsgeschlecht als Grund- und Gerichtsherr die Geschicke der Region des Gebhardshainer Landes. Die Teilhabe am Kirchsatz der Pfarrkirche St. Maria Magdalena zu Gebhardshain läßt auch den kirchlichen Einfluß erkennen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist sowohl der Bau der Kirche zu Beginn des13. Jahrhunderts als auch die gleichzeitige Errichtung der Pfarrei Gebhardshain durch das Betreiben des AdelsgescMechtes zustande gekommen. Als sich die Herren von Gevenzbagen im Jahr 1545 auf ihr Gut Attenbach im Rheinland zurückzogen, war Gebhardihain durch ihr Wirken als Gerichts- und Kirchspielort seit Jahrhundetten bereits Mittelpunkt des gesamten Gebhardshainer Landes. Diese Mittelpunktfunktion blieb dem Ort über 775 Jahre hinweg bis heute erhalten. Als Pfarrort und als Sitz der Verbandsgemeindeverwaltung sowie als regionales Schul- und Wirtschaftszentrum kommt der uralten Ansiedlung Gebhardihain auch in Zukunft eine angemessene Bedeutung zu.

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Im Rahmen der kommunalen Neugliederung wurde 1968 die Verbandsgemeinde Gebhardshain als Nachfolgerin der im Jahre 1816 gebildeten Bürgermeisterei Gebhardshain gegründet worden. 1816  bestanden 18 einzelne Ortschaften (Wohnplätze) mit insgesamt 2.474 Einwohnern, die später teilweise zusammengefasst wurden. Zur Verbandsgemeinde Gebhardshain gehören heute die 12 Ortsgemeinden Dickendorf, Elben, Elkenroth, Fensdorf, Gebhardshain, Kausen, Malberg, Molzhain, Nauroth, Rosenheim, Steinebach/Sieg und Steineroth.

Die Ortsnamen Weiselstein, Dauersberger Mühle, Hommelsberg, Steineberg, Auf der Höhe, Seifen und Niederndorf sind nach den Zusammenlegungen als eigenständige Einheiten nicht mehr vorhanden.

Das Gebiet der Verbandsgemeinde umfasst heute rund 4.898 ha.

Die Gegend war früher ein Schwerpunkt der eisenfördernden Industrie, die auf den in der devonischen Grauformation in größeren und geringeren Gangkomplexen sowie in einzelnen Stücken liegenden Spateisenstein-, Brauneisenstein oder Eisenglanzvorkommen aufbaute.

Es gab auch umfangreiche Basaltvorkommen, die vorwiegend bis zur Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts ausgebeutet wurden (Rosenheimer Lay, Käusersteimel). Heute zeugen noch die ehemaligen Basaltsteinbrüche und ein Teil der Abbauanlagen davon.

Da seit 1225 die Pfarrei Gebhardshain nachweisbar bestand, ist davon auszugehen, dass die Gemeinde Gebhardshain als eigenständiges Gemeinwesen schon seit 1220 bestand. Die Besiedelung dürfte jedoch schon wesentlich früher erfolgt sein. Dies bezeugen die ersten Urkunden der adligen Familie von Gevertzhagen aus den Jahren 1216, 1220, 1221 und 1225. Die Stammburg dieser Familie lag Anfang des 13. Jahrhunderts in der Gemarkung "Görsbach" am Bachlauf zwischen Fensdorf und Gebhardshain.

Zwei weitere Burgen der Ritter von Gevertzhagen waren die Hildburg, zwischen Elkenroth und Dickendorf gelegen und die Burg am Junkernplatz, zwischen Luckenbach und "Kotzenroth". Wahrscheinlich unterstanden die Ritter von Gevertzhagen dem Grafen von Sayn.

Es ist davon auszugehen, dass Gebhardshain zum Herrschaftsgebiet Freusburg gehörte. Im Jahre 1606 bestand die Herrschaft Sayn aus vier Ämtern, und zwar Hachenburg mit 5 Kirchspielen, Altenkirchen mit 7 Kirchspielen, Sayn mit 1 Kirchspiel und Freusburg mit den 4 Kirchspielen Fischbach, Kirchen, Daaden und Gebhardshain.

1626 wurde nach einem 20jährigen Prozess die Herrschaft Freusburg an den Erzbischof von Trier abgetreten. Nach dem 30jährigen Krieg fiel die Freusburg wieder an die Gräfin von Sayn. 1652 wurde die Grafschaft Sayn in zwei Teile geteilt, wobei Gebhardshain zur Grafschaft Sayn-Altenkirchen kam.

Bereits 1646 bestand das Kirchspiel Gebhardshain aus den Gemeinden, die später zu einer Bürgermeisterei (Amt) zusammengeschlossen wurden. 1815 kam im Rahmen umfangreicher Gebietsabtretungen (Wiener Kongress) die Grafschaft Sayn-Altenkirchen zu Preußen (Rheinprovinz), wobei der Landkreis Altenkirchen und unter anderem auch die Bürgermeisterei Gebhardshain als Verwaltungseinheiten 1816 neu gegründet wurden.

Mittlerweile sind aus dem Kirchspiel Gebhardshain vier katholische Pfarreien entstanden, während die evangelische Kirchengemeinde Gebhardshain alle Gemeinden der Verbandsgemeinde umfasst.

 

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