Güllesheim

Zur Frühgeschichte von Güllesheim

Aus dem Jahrbuch 1983 des Kreis Heimatverein Altenkirchen - Westerwald

Nachdruck mit dessen Erlaubnis

Autor: Dr. Albert Hardt

Graf Waitgerus lebte zur Zeit Ludwigs des Frommen. Im Jahre 832 faßte er den Entschluß, zu Auhlenhierwe - in der unmittelbaren Nähe von Herford - ein Marienstift zu errichten. Somit war die gefürstete und freiweltliche Abtei zu ,,Hervorden" gegründet. Diese Abtei sollte in der Folgezeit auf dem Westerwald zu stattlichem Besitztum gelangen.

Es begann damit, daß Ludwig der Deutsche auf Veranlassung seiner Gemahlin Emma aus dem alten Königsgut zu Leutesdorf eine Schenkung vornahm: er gründete zwei Herrenhöfe. Der kleinere Hof befind sich zu Arenberg. Anfänglich übten die Herforder Stiftsfräulein noch einen großen Einfluß auf die Besetzung des dortigen Meieramts aus; doch spätestens im dreizehnten Jahrhundert ging der Besitz in die Familie Helfenstein über, die ihn nachweislich bis 1692 halten konnten. Der größere Hof wurde indes in Leutesdorf angelegt, der auch als die Verwaltungsstelle aller Güter angesehen werden kann. Von hier aus gelang es den Stiftsfräulein der Fürstabtei, in Güllesheim einen Hof anzulegen, deren Güter sie möglicherweise geschenkt erhielten aus Anlaß des Eintritts in die klösterliche Abtei.

In den Heberollen des Stifts ist die ,,cun.a" Güllesheim erstmals 1250 erwähnt. Jedoch deutet deren Text daraufhin, daß der Hof schon längere Zeit besteht. Er wird zunächst als ,,curia Gundelshagen", später aber als Godelshagen ausgewiesen. Es heißt, daß der Hof abgabepflichtig war; jährlich waren den Leutesdorfern drei Gulden zu entrichten. Fast im ganzen dreizehnten Jahrhundert blieb es bei dieser Abgabenhöhe. Außerdem war der Güllesbeimer Meier verpflichtet, die Äbtissin zu beherbergen, wenn sie einmal im Jahr mit ihren sechs Pferden eintraf. Die zu entrichtenden Abgaben legen die Annahme nahe, daß der Hof zunächst bescheidenen Umfangs war. Die Herforder Stiftsleitung wußte die Güllesheimer anderweitig in die Pflicht zu nehmen; sie mußten ein Schiff anheuern und es gebührend ausstatten, um den Leutesdorfer Wein rheinabwärts zu transportieren. Es war ausdrücklich vorgeschrieben, daß das Schiff vier Ruder aufweisen mußte. Auch mußten die Güllesheimer auf dem Schiff ihren Dienst tun. Bei Düsseldorf wurden sie abgelöst, wenn die Eigenleute des Meiers von Stochem das Schiffübernahmen. Nach Ablauf von fünf Jahren mußte dann der Meier von Stochem die Transportdienste übernehmen. Die Güllesheimer brauchten sich nicht zu beklagen, denn die Äbtissin hatte sich dazu verpflichtet, nahezu alle anfallenden Kosten zu übernehmen; so wurden sie reichlich bewirtet, auch Wein - nicht gerade der beste - wurde ihnen gewährt, sogar das Schuhwerk wurde instandgehalten. Jahrhunderte hindurch änderte sich bei den Weinfuhren nicht .

Neben diesem Brauchtum hatte sich auf dem Herforder Hof zu Güllesheim ein besonderes Rechtswesen herausgebildet. In der Ortschaft Bürdenbach, die in späterer Zeit von Güllesheim unabhängig wurde und einen eigenen Meier hatte, mußte das sogenannte ,,niderval" an Herford geleistet werden. Damit war nicht nur der Brauch des Besthaupts gemeint, sondern wohl das Gesamt aller eingespielten Rechte und Pflichten. Das ,,niderval" - so heißt es - stehe ausschließlich der Äbtissin zu. Dem Bürdenbacher Meier wurde aufgetragen, Tordo mit zu verwalten. Dabei wird auch der Hiserenberg erwähnt, über den die Abtissin auch rechtlich verfügen könne. Der Ort Burtelbag oder Bortellenbachg (Bürdenbach) erscheint nach dem 14. Jahrhundert in den Heberollen nicht mehr.

Im 14. - 15. Jahrhundert konnte der Meier in Güllesheim seinen Besitz um ein beträchtliches vermehren. Auch die Bindung mit Leutesdorf scheint sich gelockert zu haben. In der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts werden in Güllesheim durchgängig vier Mansen angetroffen. Sogleich konnten in Steinebach noch zwei Mansen dazu erworben werden. Den größten Besitz sollte alsbald Bürdenbach mit fünf Mansen haben. Die Güter dieser drei Ortschaften sind wohl die ältesten. Neben den Geldabgaben mußten die Liten - also Zinsleute - spätestens im fünfzehnten Jahrhundert der Äbtissin jährlich drei Maß Hafer abliefern, wenn sie ihre Güter ebendort inspizierte. Die Meier in Güllesheim und Bürdenbach waren außergewöhnlich rührig. Eine Manse wurde in Dutesvelde (Döttesfeld) eingerichtet, desgleichen eine in Duvenbag (Taufenbach). Dagegen wurde die Manse in Rupag (Raubach> etwas später erworben, etwa gleichzeitig mit der von Hoenberg, womit wohl die Ortschaft Hombach gemeint sein könnte. Umstritten müssen die drei Mansen von Breteskede bleiben; es spricht einiges dafür, daß damit jenes nahe gelegene Breitscheid gemeint ist. Jedoch schließt die Ortsgeschichte von Breitscheid bei Waldbreitbach keineswegs Herforder Aktivitäten aus. Übrigens werden noch Wedene (oder Vinnethen) und Sconenholte erwähnt. Man wird nicht fehlgehen, Weden mit dem Ort Wienau gleichzusetzen. Sconenholte könnte Schöneberg sein.

Im Jahre 1293 wurde das Officiat Güllesheim nochmals an Siegfried von Leutesdorf vergeben. Als Vermittler trat dabei Gerlach von Isenburg und der Vogt von Leutesdorf Werner, auf. Offensichtlich hatten die Herren von Niederisenburg, die auf Arenfels residierten, ein großes Interesse daran, den Güllesheimer Besitz der Herforder Stiftsfräulein an sich zu bringen. Dies scheint ihnen auch spätestens 1336 gelungen zu sein. Jedoch bestätigte Gerlach von Isenburg noch in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, daß er zwar die Güter zu Güllesheim nutze, aber die Fürstabtei zu Herford der rechtmäßige Eigentümer sei. Im 15. Jahrhundert rangen der Graf zu Wied und die Herren zu Arenfels um den Hof zu Güllesheim. Der Graf zu Wied zog jedenfalls 1432 den kürzeren. Die Spur der Güllesheimer Besitzungen verliert sich sodann, bis es den wiedischen Grafen gelungen war, den Hof zu Güllesheim mit den dazu gehörigen Mansen mit den Besitzungen zu Horhausen zu vereinigen. Somit bestimmte die Herforder ,,curia Gundelshagen" im wesentlichen geschichtlich die ersten Tage des kleinen Westerwalddorfes Güllesheim.