Das "Backes"

(Aus "650 Jahre Hardt. 1332-1982. Eine Westerwald-Gemeinde im Wandel der Zeit!")

 

Backhäuser in den nassauischen Gemeinden gab es bereits seit Ende des Mittelalters. Wann in Hardt ein erstes "Backes" errichtet wurde ist nicht bekannt. Das alte Backhaus stand auf der rechten Seite der Kreuzung Birkenstraße / Am Hang, es war ein aus Ziegelsteinen gemauerter Ofenraum mit einem aus Fachwerk errichtetem Vorraum. An der rechten Außenseite hatte man das Dach weiter herabgezogen und so einen Verschlag erhalten, in dem die Leitern, Stangen, Haken und Eimer der "Feuerwehr" untergebracht waren.

Vor dem alten Backes

Kiefersch Karl (ganz links), Auguste (4. v. l.),

Therese (im Vordergrund links) und Hilde (ganz rechts),

Rest unbekannt, 1936

Partie vorm Backes

Schandeise Gretel und Lisje - 1938

Schneirersch Pauline und Hilda (mit "Dill") 1937

1951 entschloß man sich, ein neues Backhaus in der Ortsmitte zu errichten und am 18.12.1951 wurde der Abbruch des alten Gebäudes beschlossen, welcher auch alsbald erfolgte. Dem neuen Backhaus wurden Räume für die Ausrüstung der Feuerwehr und die Gemeindeviehwagen angegliedert. Bis Ende der 60er Jahre wurde das "Backes" noch genutzt, doch dann hatten der heimische Herd und die immer größer werdende Zahl der Bäckereien endgültig das gemeinschaftliche Backhaus erübrigt. Zehn Jahre lang geriet das Gebäude scheinbar in Vergessenheit. Dann besinnt man sich wieder stärker auf die "gute alte Zeit", so dass schon zu so manchem Backesfest der Ofen wieder geheizt wurde und man sich zusammenfand, um bei schmackhaftem Brot und leckerem Hefekuchen ein paar gemütliche Stunden zu verbringen. Nicht nur der Gedanke des Ungewohnten, sondern auch der ganz eigene rauchige Geschmack machen das Backesbrot zu einer beliebten Delikatesse.

Blick ins "heutige Backes".

Ofenfrische Kuchen fürs Backesfest.

Doch für unsere Mütter und Großmütter lag darin wenig Romantisches. Nicht zu jeder Zeit konnte das Gebäude von ihnen benutzt werden, es gab eine Backesordnung, in der die Reihenfolge der Benutzer festgelegt war. Besonders großer Andrang herrschte natürlich vor Feiertagen, dann musste häufig das Los über die Reihenfolge entscheiden. Zum Kuchenbacken bei solchen Gelegenheiten schlossen sich oft mehrere Familien zusammen, da sie alleine den Ofen nicht hätten füllen können.

Nachdem die Hausfrauen den Brotteig geknetet und zu Brotlaiben - die meist länglich waren - geformt hatten, wurden diese auf das "Dill", ein circa 250 cm langes und 40 cm breites Brett, gelegt und zum Backhaus gebracht. Hier war der Ofen bereits geheizt worden, die Glut fast ganz entfernt und der Backraum grob mit dem nassen "Backeswisch" gesäubert, damit nicht zu viel Kohle in das Brot einbuk. hatte der Ofen die richtige Temperatur, so wurde das Brot nacheinander "eingeschossen". Der dazu benutzte Brotschieber (Schoß) bestand aus einem vorn abgeflachten Brett, das an einer langen Stange befestigt ist. Nachdem das Brot gebacken war, wurde es aus dem Ofen geholt, "gefrischt" und kurze Zeit abkühlen lassen, bevor man es auf dem "Dill" wieder nach Hause brachte.

Zurück / back