Hemmelzen

Aus der Vergangenheit des Dorfes

Aus dem Jahrbuch 1983 des Kreis Heimatverein Altenkirchen - Westerwald

Gekürzter Nachdruck, mit dessen Erlaubnis

Autor: Artur Bitzer

Meines Wissens gibt es kein zweites Dorf gleichen Namens. Nun sind um das Jahr 1880 herum zwei Brüder mit dem Familiennamen Bay nach dem Staate Indiana/USA ausgewandert. Ob sie dort gesiedelt und der Ansiedlung den Namen ihres Heimatdorfes gegeben haben, wäre denkbar.

Zum Alter des Dorfes Hemmelzen ist zu sagen, daß es nach meinem Dafürhalten 2000 Jahre und mehr auf dem Buckel hat, wie alle anderen Dörfer hierzulande. Die Begründung da£ür habe ich in früher erschienenen Beiträgen über unsere Heimat veröffentlicht. Ausgangs des Mittelalters führte das Dorf den Namen Hemelhusen, später Himelsen, dann Hemelsen usw. Wann Hemmelzen (mit z) ,,geboren" wurde, kann leider nicht nachgewiesen werden. Fest steht: Hemmelzen ist leichter auszusprechen als Hemmelsen (mit s).

Anno 1491 taucht der Name erstmals in einer Urkunde auf. Am 27. Dezember, ,,zu miz Winter am Johannsdaach"' verpachtete die gräflich~sayniscbe Verwaltung dem Hyntze von Hemmelzen die Mühle in Nutershausen (Neitersen). 1492 ist Hyntze zum Richter an der Kirche zu Mehren bestellt worden. Folglich muß er ein vertrauenswürdiger Mensch gewesen sein. Familiennamen gab es zu der Zeit noch nicht. Auf den Dörfern kamen sie erst später in Mode. Aus dem Namen Hyntze ist dann der Vornamen Heinz entstanden.

In einem Aktenstück des Hessischen Hauptstaatsarchivs in Wiesbaden ist, anläßlich einer Kirchenvisitation, von einer Hemmelzer Frauensperson die Rede, die um die Zeit der Reformation die Emanzipierung erprobte, Mann und Kinder im Stich ließ, um sich anderweitig umzutun. Das ist ihr nicht gut bekommen. Zur Strafe für ihren ,,außerordentlichen" Lebenswandel ist sie mit ,,Tburn" (nicht Thurm) und einer Geldbuße bestraft worden. Dann mußte sie schwören, ihrem Ehemann fürderhin eine gute Hausfrau, den Kindern eine gute Mutter zu sein und der Freiheit endgültig zu entsagen. Mit ,,Tburn" bezeichnete man zur damaligen Zeit eine Kerkerzelle, die sich unterirdisch oder auch in einem Turm, beispielsweise in einem Kirchturm, befinden konnte. Eugen Heyn, Pfarrer zu Marienberg, bat in seinem 1893 herausgegebenen Buch ,,Der Westerwald und seine Bewohner von den ältesten Zeiten bis heute" Tbum und dazu eine Geldbuße zusammen als Strafe für ehebrecherisches Verhalten in der damaligen Zeit bezeichnet.

Für Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts weist Jakob Rausch in ,,Geschichte des Kreises Altenkirchen" für Hemmelzen nur fünf Feuerstellen nach. Ob es sich nicht um einen unbeabsichtigten Fehler gehandelt hat? Rund 100 Jahre später werden 18 Bauernhöfe nachgewiesen. Innerhalb eines Jahrhunderts 13 neue Bauernhöfe, wenn auch vielleicht nur kleine, erscheint mir, jedenfalls für die damalige Zeit, ein wenig unwahrscheinlich. Darüber, ob der 3ojährige Krieg Hemmelzen in Mitleidenschaft gezogen hat, ist nichts bekannt. Als in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts französisches Kriegsvolk unsere Heimat kreuz und quer durcbzog und mitnahm, was des Mitnehmens wert war, haben die Bauern des Dorfes ihr Vieh tief in die Wälder hineingetrieben und dort versteckt gehalten. Alte Leute haben das in meiner Jugend erzählt. Sie hatten es von ihren Eltern und Großeltern so gehört. Über die Kriegswirren in dieser Zeit siehe auch Heimat-Jahrbuch 1978, S.57/58.

Nach dem Steuerzettel aus dem Jahre 1821 besaß Hemmelzen 327 Morgen und 122 Rutben Wald und 30 Ruthen Weideplätze und Blößen. Mit Blöße bezeichnete man damals eine mit Gras und kurzem Gestrüpp bewachsene Stelle im Walde oder am Waldrand. Kurz vor der Jahrhundertwende ist das Wald- und Weidegelände unter den Bauern aufgeteilt worden. Die meisten veräußerten ihren Anteil an den preußischen Staat. Nur sechs Bauern verkauften nicht. Sie bildeten hinfort und bis auf den heutigen Tag eine Waldinteressenten-Gemeinschaft. Intern führen sie den Namen ,,Die Sechs", obwohl es mittlerweile durch Erbteilung einige mehr geworden sind. Der Staatswald in der Gemarkung besteht etwa je zur Hälfte aus Kiefern und Fichten, der Bewuchs im Interessentenwald in etwa zur Hälfte aus Laubwald. Die Kiefer war schon immer hier heimisch. Die Fichte/Rottanne, allgemein Tanne genannt, ist mit den Preußen 1817 ins Land gekommen. Dieser preußische Baum, so wurde er anfangs genannt, zierte jeden Garten am Hause, wurde dann aber seiner Schnellwüchsigkeit wegen forstmäßig angepflanzt. Heute wird er aber vielerorts, weil seine abgefallenen Nadeln den Waldboden so versauerten und ,,versauten", daß keine Heidelbeere (Blau-Schwarz-Bickbeere) mehr gedeihen konnte, als preußischer Scheißbaum beschimpft. Ohne diesen Preußenbaum jedoch wäre heute keine ertragreiche Wald- und Holzwirtschaft möglich.

Weiteres Eigentum der Gemeinde im Jahre 1821 waren der 13. Teil des Bimbacher Kirchen-und Schulvermögens, 2 Ortstafeln, 3 Feuerleitern, 4 Feuerhaken, 1 Brücke, 2 Steinschläger und 1 Wachthorn. Schöffe (Ortsvorsteher) war ein Mann namens Birkenbeul, und der Deputierte (Beigeordneter) hieß Zacharias Müller. Bis in die zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts stand, wo heute die Telefonzelle und die öffentlichen Waage ihren Standort haben, das sogenannte Leiterhäuschen, in dem Feuerleitern und Feuerhaken auf einem überdachten Gerüst lagerten. Der im Dorf herumstreunenden Jugend machte es einen Heidenspaß, auf den Geräten herumzuklettern und sich bei Regenwetter unterzustellen. Liebespärchen suchten dort bei Dunkelheit Unterschlupf, auch wenn es nicht gerade regnete.

Das Wachthorn diente unter anderem dazu, die Mitternachtsstunde ins Dorf ,,hineinzututen". Das besorgte jahrelang der ,,ahl Reckes Henner", ein ,,losslerrijer Ühm" (unverheirateter Oheim), der kein R sprechen konnte und sich als Ersatz dafür des Buchstabens J bediente. Bei nächtlichem Sauwetter zog Henner es vor, zur Mitternachtsstunde das Horn durch eine Öffnung im Erdgeschoß des Hauses zu schieben, um auf diese etwas bequemere Weise seiner Pflicht zu genügen. Zwei pfiffige aber doch auch böse Buben, die das spitzgekriegt hatten, beschlossen so aus ,jux und Dollerei" ihm nächstens bei Regenwetter ins Horn zu nässen. Das glückte den Burschen auch. Henner soll laut vor sich hingesagt haben: ,,Ett jähnd datt ett jouschd, awwe ett jähnd zu wajm". Die beiden Bösewichter sollen alt und ehrbare Männer geworden sein.

1837 standen in Hemmelzen 23 Häuser, 1 Mühle, von der nachhernoch die Rede sein wird, 21 Ställe, Schuppen und Scheunen. 123 evangelische und 2 katholische Christen bevölkerten die Ortschaft. 4 Pferde, 2 Stiere, 22 Zugochsen, 37 Kühe, 50 Stück Jungvieh, 12 Schafe, 10 Ziegen und 8 Schweine fristeten in den Ställen ihr Dasein.

Indem von der Regierung vorgeschriebenen Protokollbuch aus dem Jahre 1846 besagt die erste Eintragung, daß dem Orstvorsteher eine jährliche Remuneratiön (Dienstaufwandsentschädigung) von 6,- Thalern zu zahlen sei. Der Satz war einheitlich für alle Dörfer festgesetzt. Ortsvorsteher waren Heinrich Birkenbeul und Andreas Müller; Wilhelrn Fuchs, Konrad Hassel, Johann Mathias Marenbach, Heinrich Katzwinkel und Georg Schumann waren Beigeordnete.

Am 7. April 1847 hat sich der Gemeinderat dahingehend geeinigt, 16 Scheffel Roggen unter den von der Regierung festgesetzten Zahlungsbedingungen aus dem Königlichen Magazin anzukaufen. Im Beisein von Bürgermeister Raiffeisen wurde ferner beschlossen, 15,- Thaler aus der Gemeindekasse zur Beschaffung von verbilligtem Brot für die Ärmsten der Gemeinde beizusteuern. Das oder ein ähnliches Verfahren zur Behebung der größten Not, hervorgerufen durch eine Mißernte im Jahre 1846, wurde in allen Gemeinden durchgeführt. Es waren die Anfänge des ,,Weyerbuscher Brodverein", über den es keinerlei geschriebene Unterlagen gibt, auch nicht gegeben hat. In Raiffeisens ,,Die Darlehenskassen-Vereine als Mittel zur Abhife der Not der ländlichen Bevölkerung, sowie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter" davon jedenfalls nichts zu lesen. Bemerken ist noch, daß Scheffel keine Gewichts-, sondern eine Maßeinheit war, ein Faß mit einem Rauminhalt von 54,96 Liter.

Hernmelzen liegt in einem Tal, etwas abseits von der B 8. Seitdem aber vor jedem Hause ein Auto steht, manchmal sind es auch zwei, ist die Verkehrsfrage kein allzugroßes Problem mehr, höchstens zur Winterzeit, wenn Schneeverwehungen es erschweren, aus dem Tal herauszukommen sei es nach Birnbach hin oder talabwärts nach Neitersen. Zwei Bäche vereinigen sich im Dorf, der Birnbach und der Hilkhauserbach. In einer Bekanntmachung der Bürgermeisterei Weyerbusch aus dem Jahre 1860 heißt es im Altenkirchener Kreisblatt, daß über den Hemmelzer Bach "Bau einer gewölbten Brücke bei Neidersen (Neitersen) für 278 Thaler in Verding gegeben werden soll. Aus der Vereinigung der beiden Bäche ist also vor über 120 Jahren amtlich der Hemmelzer Bach geworden

Es gibt ein Ober- und ein Unterdorf . Dazwischen lag auf halber Höhe früher ein kleines Fachaus, in dem Caspar Moritz und seine Frau Trinchen einen Kramladen betrieben. Salz, ,,Steinöl (Petroleum), ,,Onneschnuren" und wer weiß, was es sonst noch zu kaufen gab. Onneschnuren, übersetzt Unterschnüre, wurden am unteren Ende des Peitschenseiles befestigt, waren etwa 30 cm lang und aus Fasern irgendeiner Pflanze (Flachs, Hanf, Baumwolle usw.) hergestellt. Die Peitsche selbst wurde in Altenkirchen ,,bajm ahle Schillbock" oder in Steimel auf dem Markt gekauft ,,De Schmeck" (die Schmicke) diente dazu, den Zugtieren vor dem Wagen oder Pflug ab und zu eins überzuziehen, wenn sie gar zu langsam vorwärts trotteten. Caspar Moritz übte das ehrbare Handwerk eines Anstreichers aus, das heißt, er kälkte den Bauern ihre Häuser und Viebställe innen und außen. Heute steht an der Stelle des kleinen Hauses ein stattliches Gebäude, in dem ebenfalls ein Ladengeschäft betrieben wird.

Ober- und Unterdorf gliedern sich in einzelne Ortsteile. Im Oberdorf liegt ,,datt Hesderholz" (Heisterholz), wo eine Fremdenpension ihren Standort hat. Im Unterdorf sind zu nennen der Ortsteil ,,Om Höfehen", im Grundbuch und Kataster heißt der Ortsteil allerdings ,,Auf dem Fürstenberg". Der Ursprung dieser ,,adeligen" Flurbenennung ist schwer zu erklären. Dann gibt es noch ,,An de Au" und ,,Am Böschgaaden". In letzterem wird ein Gasthaus mit Pension, Kegelbahn und allem Drum und Dran betrieben. Nicht vergessen werden darf der ,,Hohnsberg" im Unterdorf wo etwa auf halbem Hang noch etliche Jahre nach dem Zeiten Weltkrieg ein kleines Fachwerk-Doppelhaus mit je zwei nicht allzugroßen Räumen stand.

Daß in der Gemarkung Hemmelzen im vorigen Jahrhundert und wahrscheinlich auch früher schon nach Erz gegraben worden ist, darf nicht unerwähnt bleiben. Die Bergwerksfelder Glücksfund und Maria III waren auf Blei- und Zinkerze verliehen. Daneben kamen auch Antimonerze vor. Eine Grube lag in der ,,Qwwedörfer Haard" und die andere im Unterdorf in der ,,Rusbedell". Verängstigte Dorfbewohner haben gegen Ende des Krieges die längst verschütteten Eingänge zu den Stollen freigelegt, um gegen Bomben und Granaten besser geschützt zu sein. Nach Kriegsende sind sie wieder zugeschüttet worden. An der Grenze nach Hilkhausen hin gab es ein drittes Bergwerk, das ,,Fuchsbergloch"' so genannt nach einer in Hemmelzen in der männlichen Linie ausgestorbenen Familie namens Fuchs, die, wer weiß wann, dort einmal privat geschürft hat, wahrscheinlich ohne fündig zu werden.

Einen Wegweiser habe ich noch im Gedächtnis. Er stand, als ich noch ein Knirps war, an einer Wegekreuzung ,,Ob de Schdalleechen", eine Flurbezeichnung, die es im Kataster zu Altenkirchen nicht gibt. Im Kataster heißt es: ,,Auf den obersten Schwisseln". Hier kreuzten und kreuzen sich noch heute zwei uralte Wege, die jetzt geteert sind. Der eine Weg kommt von Hemmelzen und führt nach Oberölfen und der andere von Neitersen/Niederölfen geht nach Birnbach. Letzterer ist der alte Kirchen- und Schulweg aus der Zeit, als die beiden Dörfer noch zum Kirchspiel Birnbach gehörten. In einem alten Aktenstück wird er auch als ,,Niddeschcr" (Neiterser) Leichenweg bezeichnet. Der Wegweiser war ein massiver dunkelgrün gefärbter Holzstamm, wahrscheinlich aus Eichenholz. Er war viereckig. Die hoch angebrachten stabilen, mit den Dorfnamen versehenen Hinweisschilder, ebenfalls aus Holz, sahen einem ausgestreckten menschlichen Arm mit Hand und Zeigefinger ähnlich.

Jede Dorfmühle war, ist und bleibt ein Stück Dorfgeschichte. So auch die Hemmelzer Mühle. Wann sie gebaut worden ist, steht nicht fest. 1688 ist sie als Bannmühle in Betrieb genommen worden. 18 Bauern von Hemmelzen 14 von Wölmersen, 13 von Oberölfen und 9 von Birnbach an der Kirche waren durch gräflich-saynische Verordnung an die Hemmelzer Mühle gebannt. Sie durften nirgendwo anders ihr Getreide mahlen lassen. Mahlgäste nannte man diese Mühlenkunden. Die Namen der Hemmelzer Mahlgäste waren nach einer Liste vom Jahre 1709:1. Georg Wilhelm Müller, 2. Bieler Wittib, 3.JohannJakobs Wittib, 4. Peter Birkenbeul, 5. Martin Bitter, 6. Erna Bielgen, 7. Johann Jakob Fuchs, 8. Hans Gotthard Kohl, 9. Peter Birke nbeul, der Sendschöffe, 10. Eugen Luckendey, 11. Hans Maurer, 12. Christian Hasselbach, 13. Georg Bergmann, 14. Johann Theis, 15. Gerhard Bindgen, 16. Georg Göbler, Christian Göbler. Den Namen des 18. Mahlgastes konnte ich im Staatsarchiv Koblenz nicht entziffern.

1799 ging das Kirchspiel Bimbach und somit auch die Hemmelzer Mühle durch Heirat in den Besitz der Fürsten von Nassau-Weilburg über. Sie verkauften die Mühle dann an die Witwe Hoerder, deren Sohn Christian von 1817 bis 1845 Bürgermeister auf dem Weyerbusch war. Sein Nachfolger wurde Friedrich Wilhelm Raiffeisen.

Die Witwe Hoerder veräußerte die Mühle etliche Jahre später an den Zacharias Müller von Hemmelzen. Einer seiner Nachkommen, zugleich einer meiner Vorfahren mütterlicherseits, hat um die Mitte des vorigen Jahrhunderts - gelinde gesagt - Feuer ans Mühlwerk gelegt und dafür schwer büßen müssen. Die Erben des letzten Müllers, namens Müller verkauften die Mühle im Jahre 1900 an den Müller Wilhelm Kölbach, der aus der Helmerother Mühle stammte. Er wurde im Jahre 1906 als Gemeinderatsmitglied von Hemmelzen zum Waisenrat bei der Bügermeisterei Weyerbusch bestellt.

Als in den Zwanzigerjahren dieses Jahrhunderts die Elektrizität ihren Siegeszug in den Dörfern antrat, war das der Anfang vom Ende der Dorfmühlen und ihrer Romantik. Elektrisch angetriebene Hausmühlen kamen in Mode und versetzten den Wassermühlen allmählich des Todesstoß. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte der ,,Todeskampf', dann hatte der "Fortschritt" endgültig gesiegt. Der ,,Müllegrawwen" (Mühlenbach, ein künstlich angelegter Wasserlauf zur Mühle hin) ist nicht mehr und auf der verlandeten Klaus, an deren Ufern einmal der farbenprächtige Eisvogel zu Hause war, weiden heute Schwarzkopfschafe. Der Eisvogel stibitzte dem Müller kleinere Forellen, den größeren konnte er nichts anhaben.

1925 sind in Hemmelzen die Petroleumlampen in die Ecke gestellt worden. Zwei Haushalte, ,,Hüwwelz onn Bouersch" waren für die elektrischen Neuheiten nicht zu begeistern. ,,Mir senn oos Lewedaach mett Schdeenollich usskummen onn datt wäre mir och noch länger konnen". Ortsvorsteher war zu der Zeit August Räder (de Schnejresch Aujüsd)' vom ,,looojährigen Reich" nicht akzeptiert, danach aber wieder in Amt und Würden eingesetzt. Für besondere Verdienste in der Kommunalpolitik ist er vom Lande Rheinland-Pfalz mit der Freiherr-vom-Stein-Plakette ausgezeichnet worden.

Am 5. Juni 1961 tobte im Bereich der ehemaligen Bürgermeisterei Weyerbusch ein seit Menschengedenken nicht dagewesenes Unwetter. Sintflutartige Regenfälle zerstörten nicht nur Straßen und Wege, sie verursachten auch größere Erdrutsche an Berghängen und Böschungen. Am stärksten betroffen wurde das Dorf Hemmelzen. Das hurtige Bächlein war zu einem reißenden Strom angeschwollen. Als sich das Wasser verzogen hatte, bot die Ortschaft einen trostlosen Anblick. Der verstorbene Redakteur Willi Müller, Altenkirchen, hat in der RheinZeitung ausführlich darüber berichtet. Die Behebung des Schadens hat damals 121.000,- DM gekostet Hemmelzen hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Häuserbau von Grund auf erneuert und modernisiert. Noch bewohnte Fachwerkhäuser sind so gut wie keine mehr vorhanden, mit Ausnahme der alten Mühle. 42 Wohnhäuser stehen im Dorfe Hemmelzen, und die Einwohnezahl beträgt so um die 200 Seelen. Davon sind 13 Personen zwischen 60 und 70, 18 zwischen 70 und 80 und 8 zwischen 80 und 90 Jahre alt.

Durch Artillerie-Beschuß der Amerikaner vom ,,Köppelchen" (Heuberg) her kamen im Ortsteil ,,An de Au" ums Leben: August Adorf, sein Schwiegersohn Heinrich Fuchs und Heinrich Sander, Vater von Erich Sander. Der im Ersten Weltkrieg gefallene Wilhelm Sander war nicht identisch mit dem Landwirt Wilhelm Sander. Es bestand auch kein verwandtschaftliches Verhältnis. Der erstere wohnte im Oberdorf und der andere im Unterdorf.

Zum Ausklang der Hemmelzer Chronik und Dorfgeschichten eine ebenfalls wahre Begebenheit, die an das anklingt, was der Mundartdichter Willi Scharfenstein, Walterschen, in seiner erzählenden Dichtung ,,Glänzt wie berost Ahlekerch" veranschaulicht hat (Heimat-Jahrbuch) 1982, S.215>.

EIN BAUER TREIBT IN GUTER RUH

SEIN FETTES SCHWEIN DEM METZGER ZU

(frei nach Wilhem Busch)

,,Der ahl Helmes Henner" hatte zu Beginn dieses Jahrhunderts ein altes, gut genährtes Mutterschwein mit Handschlag einem Metzger von Altenkirchen zum Schlachtgewicht und freier Lieferung verkauft. In aller Herrgottsfrühe ,,zockelten der Henner onn die ahl Sau dorch de Schwesseln, de Gommelsbich onn Owwerölefen ob Ahlekerch loss". Um ein Abweichen des Tieres vom geraden Wege zu verhindern, hatte er ihm einen haltbaren Strick ums rechte Hinterbein gebunden, dessen anderes Ende er in der Hand hielt. Mit einer kleinen Rute und vielen guten und aufmunternden Worten mußte das Borstenvieh vorwärts getrieben werden. Das war zur damaligen Zeit der übliche Schweinetransport. Wilhelm Busch hat ein derartiges ,,Sautreiben" in einer Skizze festgehalten.

Während des Schlachtens besorgte Henner im Städtchen verschiedene Kleinigkeiten für den Haushalt, die er in einem alten Rucksack verstaute. Dann lenkte er seine Schritte zur Metzgerei hin, um beim Wiegen zugegen zu sein und den Erlös einzuheimsen. Baß erstaunt war er beim Anblick seiner früheren Ferkelsau. Er schüttelte mit dem Kopf, nahm die halblange Tabakpfeife aus dem Mund und mit der Pfeifenspitze auf das in zwei Teile zerschnittene Tier zeigend, räsonierte er mit schneidender Stimme: ,,Datt es nett meng Sau, meng Sau hatte Mimmen, wo senn die?" Hierzulande nennt man das ,,Milchzeug" weiblicher Lebewesen ,,Mimmen" (steht weder im Duden noch im Lexikon).

Da hatten doch die Kerle den Bauchspeck samt Zitzen verschwinden lassen, um den Henner übers Ohr zu hauen. Vielleicht mit dem dümmlichen Gedanken; ,,Der domm Bauer merkt datt garnedd". Weit gefehlt! Als Henner mit sofortiger Anzeige drohte, wurden die beiseite geschafften Stücke herbeigeholt. Der Metzger war wie umgewandelt, wurde recht ,,schlieh" (kleinlaut) und gleichzeitig sehr großzügig. Henner war zufrieden mit dem, was ihm als Draufgabe angeboten wurde. Nachher kaufte er sich ein Paket Tabak, eins von der besten Sorte. Das und noch einiges dazu war bei diesem ,,Sauhandel" für ihn herausgesprungen.

Mit der unumstößlichen Gewißheit, ,,mech bedrejßen (bescheißen) die Ahlekercher nedd su schwinn", wanderte er fröhlichen Herzens heimwärts, wo er die Geschichte jedem Nachbarn mit allen Einzelheiten und einer angemessenen Portion Schadenfreude zum besten gab.

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