Katzwinkel - eine Gemeinde und ihre Geschichte

Aus dem Jahrbuch 1987 des Kreisheimat-Verein Altenkirchen - Westerwald

Nachdruck mit dessen Erlaubnis

Autor: Hermann Reifenrath

KURZER GESCHICHTLICHER ÜBERLICK

Das Wildenburger Land, ein bergiges Gebiet mit hohem Waldanteil, umfaßt die Gemeinde Friesenhagen und den rechts der Sieg liegenden Teil des Amtes Wissen (heute Verbandsgemeinde Wissen). Somit bildet die Sieg die westliche Grenze des Wildenburger Landes. Das Landschaftsbild wird heute durch Dörfer, kleinere Ortschaften, Einzelhöfe, landwirtschaftliche Nutzflächen und Wald geprägt.

Jedoch hatte das Land nicht von jeher diesen Charakter, und es stellt sich uns die Frage nach der Entstehung dieser uns so vertrauten Kultur. Man nimmt an, daß dieses Gebiet in der Vorgeschichte von einer endlosen Waldfläche bedeckt war. Die ersten Spuren, die auf menschliches Siedeln hindeuten, führen uns zum Volksstamm der Kelten. Schon 2000 v. Chr. sollen die Kelten im Rheinland gelebt haben. Erst vor einem Jahr wurde im Wildenburger Land ein sog. "Napoleonshut" - ein Getreidereibstein -, der aus der Latenezeit stammt, gefunden. Nicht weit von Wippe entfernt, bei Rübengarten, findet man Überreste einer Wall- oder Fliehburg, eine für die Kelten typische Schutzanlage.

Etwa 200 v. Chr. wurden die Kelten von den Germanen in das heutige Frankreich verdrängt. In unserem Raum, d.h. in den Flußtälern der Sieg, Wied und Nister, siedelten vor allem der Stamm der Sigambrer, weiter östlich der Stamm der Chatten und am Unterlauf der Sieg die Usipeter. Aus diesen westgermanischen Stämmen entwickelte sich in der Zeit der großen Völkerwanderung das Volk der Franken, welches die Grundlage für das spätere Fränkische Reich unter König Chlodwig bildete. Mit ihm (482-511) veränderte sich auch die Grundbesitzverteilung. Während in der germanischen Zeit jedermann das von ihm bebaute Land sein eigen nennen durfte (Allod), konnte man nach fränkischem Recht kein Land mehr ohne ausdrückliche königliche Verleihung erwerben. Damit war der Grundstein für das Jahrhunderte lang währende Lehnswesen gelegt.

ERSTE BESIEDLUNG DES GEMEINDEGEBIETES

Der Hof Linden findet in unserem Gemeindegebiet mit großem Abstand die erste Erwähnung im Jahre 1330. Die meisten Höfe jedoch stammen aus der großen Rodungsperiode 1400 - 1600, und es gab zunächst nur die Einzelhofbesiedlung. Um die 25 Höfe, die alle Pacht- oder Lehnshöfe der Herrschaft Hatzfeldt-Wildenburg waren, bildeten die erste und lange Zeit die einzige Besiedlung unseres Gemeindegebietes. Die Höfe, belastet mit Abgaben in Form von Naturalien und Dienstleistungen, später in Form von Geldpacht, blieben in ihrer Erwerbsstruktur über Jahrhunderte fast unverändert (bis zur Bodenreform im Jahre 1951, siehe auch Ort Friesenhagen). Die Pachtverträge, die über einen Zeitraum von sieben Jahren Gültigkeit hatten, konnten nach Ablauf der Vertragsfrist verlängert werden. So war es möglich, daß ein Hof über mehrere Generationen in Händen einer Familie blieb. Trotzdem fehlte die von Generation zu Generation gewachsene Bindung an den Hof, wie es beim Eigentum der Fall ist. Daher ist auch erklärbar, daß es kaum Aufzeichnungen geschichtlicher, besonders familiengeschichtlicher Art bei den Pächtern der Höfe gab. Lediglich das Urkundenarchiv der Fürsten von Hatzfeldt Wildenburg als den Eigentümern gibt ein wenig Aufschluß über Ursprung und Geschichte der Höfe und damit unserer Gemeinde. Bei der dünnen Besiedlung unseres heimischen Raumes kamen unsere Vorfahren lange ohne Familiennamen aus. Daher sind die Pächter der Höfe (bis um 1700) nur mit dem Vornamen und dem Ortsnamen angegeben. Peter von Katzwinkel, 1493 erstmals erwähnt, war mit einem Hof zu Katzwinkel belehnt. 1505 ging der Hof an den Sohn Appel zu Lehen. In einer weiteren Urkunde vom 19 12.1505 heißt es: ,,Godert von Hetzfeldt, Herr zu Wildenburg, belehnt den Poppel von Katzwinkel mit dem von seinem Vorfahren Amt herrührenden Teil zu Katzwinkel". Daraus erklärt sich, daß um 1493 zwei Höfe in Katzwinkel existiert haben, denn auch in einer weiteren Urkunde aus dem Jahr 1584 ist von ,,den beiden" Höfen in Katzwinkel die Rede.

Die Ortslage von Elkhausen dagegen war lange nur mit einem Hof besiedelt. In den Regesten vom 24.3.1557 heißt es: ,Johann von Hatzfeldt-Wildenburg belehnt Johann, von Elkhausen (Elkhüisen) mit dem Hof zu Elkhausen". In einer Urkunde aus dem Jahr 1572 wird erwähnt, daß der Zirbes zu Elkhausen den halben Hof zu Elkhausen zu Mannlehen erhält, den bereits sein verstorbener Großvater Johann von Elkhausen zu Lehen trug.

Wenn im Nachfolgenden eine chronologische Reihenfolge der Höfe angegeben wird, kann dies doch keine Gewähr dafür sein, daß diese Reihenfolge stimmen muß. Auch waren in den Urkunden nicht alle Höfe im Gemeindegebiet erwähnt.

Jahr

Hof - Ort

frühere Hofbezeichnung

1330

Linden

zu den Lynden

1415

Reife nrath

Ryffe rode

1417

Helden

Helden b. Linden

1431

Hecke

Hecken

1431

Alsenthal

Altzsendaell

1437

Hönningen

Honnyngen

1475

Völzen

Fülßhaen

1478

Schönborn

Schombornen

1482

Mauswinkel

Meuswinkel

1493

Katzwinkel

Kantzwinkell

1495

Qbergüdeln

Obergüdelhofen

1502

Ottegsborn

Ottgesbornen

1504

Hassel, Fueln, Ebertseifen

 

1533

Bomberg

Bomberich

1557

Nochen

Nocher

1557

Elkhausen

Elkhuisen

1563

Büsche

Buische

1565

Pracht

 

1584

Bornhahn

Bomhagen

Das Gemeindegebiet in seiner Größe von 1581 ha reicht von seinem nördlichsten und gleichzeitig höchstgelegensten Punkt bei Neustockschlade 376 m. ü. NN bis nach Niedergüdeln im Süden und gleichzeitig an den am tiefsten gelegenen Punkt in der Gemeinde mit 185 m ü. NN. Im Osten könnte man den Hof Alteweiher als Gemeindegrenze nennen, im Westen den Wipperbach beim Hof Mauswinkel. In diesem großflächigen Gemeindegebiet mit Einzelhofbesiedlung gab es ursprünglich doch zwei Ausnahmen, mit je zwei Höfen in Katzwinkel und in Nochen. In Katzwinkel waren die Höfe in Unterkatzwinkel angesiedelt. Für Nochen waren die Wohnplätze der Höfe lange Zeit mit ,,Nochen" und ,,Oberst Nochen" deklariert. Vielleicht waren auch bei der ersten Erwähnung von Nochen 1557 schon drei Höfe vorhanden, woraus sich auch erklären könnte, daß Nochen (bi~ 1970) der Gemeinde ihren Namen gab.

Die Entwicklung der heute beiden größten Dörfer in der Gemeinde, Katzwinkel und Elkhausen, von Höfen zum Dorf begann etwa ab 1750. Wahrscheinlich ist das ehemalige Forsthaus in Katzwinkel mit den Häusern R. Schmidt und A. Dietershagen mit die erste Wohnbesiedlung in Katzwinkel gewesen (nach den beiden Höfen). Für Elkhausem werden nach ,,dem Hof' auch drei Häuser genannt, die in Oberelkhausen stehen und ursprünglich der Familie Hombach ,,Vührstehersch" gehörten und zwei Häuser der Familien Höfer. Erwähnenswert scheint mir, daß diese drei Familien einen Privatbesitz von um die 100 ha hatten, mit zeitweise Eigenjagden. Das war damals die Ausnahme in der Gemeinde. Dieser Waldbesitz in Verbindung mit einer Landwirtschaft gab den Familien eine gewisse Unabhängigkeit.

Die entscheidende Entwicklung zum Dorf hin gab es in Katzwinkel im Jahre 1837 mit der oftiziellen Inbetriebnahme der Grube ,,Vereinigung" - gleichzeitig der Beginn einer neuen Erwerbsstruktur für den Ort. Aus dem ruhigen Wohnplatz für zwei Bauern wurde von nun ab ein Industrieort, in dem zeitweise 700 Menschen beschäftigt wurden. Aus dem Weiler Katzwinkel wurde ein Dorf- eine Entwicklung, die fast zeitgleich für den Ort Elkhausen galt.

DIE GRUBE ,,VEREINIGUNG"

Wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Grube ,,Vereinigung" in Katzwinkel für die Gemeinde und weit über deren Grenzen hinaus soll hier auch auf die Geschichte dieser Grube näher eingegangen werden:

Der Gewerke A. Böhmer aus Kirchen war es, der im Jahre 1836 die Zusammenlegung der Grubenfelder Pingengang, Katzwinkler Nebengang, Florentinus und Neue Hoffnungsgang beim Landesherrn, dem Grafen von Hatzfeldt, beantragte und bald genehmigt bekam. Damit war die Grube "Vereinigung" gegründet, die ihren Namen aus dem Zusammenschluß der vier Grubenfelder herleitet Auf dreien dieser Grubenfelder ist, wie aus der Konsolidationsurkunde hervorgeht, schon lange vorher Bergbau umgegangen. Jedoch fehlen aus jener Zeit die entsprechenden schriftlichen Auskünfte. Nach dem Erwerb der Grube durch die Firma Daniel Stein aus Kirchen setzte im Jahre 1837 ein regelmäßig geführter Abbau der Erze ein. 1840 wird die erste Jahresförderung in den Büchern mit 1350 t Erz angegeben.

Schon 1850 gab es erneut einen Besitzwechsel der Grube. Die Firma Wissener Bergwerke und Hütten Wissen-Brückhöfe übernahmen das Unternehmen. Um 1860 dann wurde der ersteMaschinenschacht geteuft mit Aufstellung einer Förder- und Wasserhaltungsmaschine.

Die auf der "Vereinigung" gewonnenen Erze wurden mit Pferden und Wagen von Katzwinkel über die Eisenstraße nach Steeg bei Friesenhagen zur Danielshütte gebracht. Im Jahre 1864 bereits ließ der Kölner Kaufmann Wilhelm Meurer, dem die Grube Wingertshardt sowie die "Alte Hütte" bei Brückhöfe gehörte, eine Pferdeeisenbahn von Katzwinke~ über Mühlenthal zur "Alten Hütte" bauen. Nach vierjähriger Bauzeit rollten die ersten Erze im Jahre 1868 per Schiene von Katzwinkel nach Wissen.

Die Aufbereitung "Alte Hütte" wird bereits im Jahre 1766 erwähnt, nahe der Mündung des Bröhlbachs in die Sieg gelegen und in einer Zeit, wo der erste Ofen noch mit Holzkohle betrieben wurde. Ende der siebziger Jahre gehörte die "Vereinigung" zu einer der zehn größten Gruben des Eisenerzbezirkes mit 25.708 t Förderung 1878.

Ein neuer Tagesschacht wurde 1881 angesetzt und zügig abgeteuft, 1883 die 190 m Sohle erreicht, 1891 schon die 310 m Sohle. Doch ein Wassereinbruch brachte eine vorübergehende Störung, nach deren Behebung die Förderung weiter stieg. Die Grube zählte 1896 schon zu einer der fünf größten des Siegerlandes.

Die Vereinigte Stahlwerke van der Zypen und Wissener Eisenhütte AG mit dem Sitz in Wissen übernahm um 1900 die Grube "Vereinigung" und begann bald mit weitergehenden Modernisierungsmaßnahmen. Ein neuer Hauptförderschacht wurde geteuft, versehen mit einer elektrischen Fördermaschine. Die Pumpen untertage wurden elektrifiziert und erste Seilbahnen auf der 500 und 540 m Sohle eingebaut. Der tiefere Aufschluß der Grube erfolgte danach ab der 580 m Sohle bzw. 660 m Sohle durch die Blindschächte 3, 4 und darunter Blindschacht 5.

Um eine Zentralisierung der Förderung der Nachbargruben ,,Vereinigung" und Wingertshardt zu erreichen, wurde auf der 460 m Sohle eine Verbindungsstrecke zur Wingertshardt gehauen. Zunächst wurde ein Teil der Förderung, später die gesamte Förderung der Grube Wingertshardt zur Vereinigung gebracht und dort zu Tage gefördert. Nach dem Verbund der ,,Vereinigung" mit Wingertshardt, die einem Besitzer gehörten, hatte die Grube in Katzwinkel 1926 die höchste Förderkapazität im Siegerland mit 192.000 t und zusammen über 800 Mann Belegschaft. Die Wirtschaftskrisen der Jahre 1925/26 und 1931 bis 1933 konnte die Grube einigermaßen gut überstehen.

Mit zunehmender Teufe erreichte die Grube bei 620 m und 660 m die größten Gangvorkommen. So wurde der Hauptgang auf der 660 m Sohle so mächtig, daß er in ein hängendes und liegendes Mittel durch einen Sicherheitspfeiler geteilt werden mußte. Mächtigkeiten von 24 m waren keine Seltenheit Monatsförderungen bis um 18.000 t wurden in den 3o.er Jahren erreicht und konnten fast konstant bis Kriegsende beibehalten werden. Nach dem Krieg dann gingen die Fördermengen zurück. Die Gangausbildung verschlechterte sich ab der 700 m Sohle schnell. Auch auf der 900 und 1000 m Sohle betrug die Gangfläche nur noch einen Bruchteil von den oberen Sohlen. Eine zunehmende Verquarzung und Verengung der Gangspalten wurde hier vorgefunden. Eine ganze Reihe Untersuchungsarbeiten ergaben auf den tieferen Sohlen wenig hoffnungsvolle Ergebnisse. Lediglich auf der 660 m Sohle erreichte man den Gang Reutersbruch mit einer Gangfläche von rund 1.000 m2. Dieses Gangmittel Reutersbruch konnte ab 1960 abgebaut werden mit einer Monatsförderung von 5.000 t. Die in Schachtnähe gelegenen Gangmittel waren zu diesem Zeitpunkt erschöpft. Die tieferen Sohlen bis 660 m wurden unter Wasser gesetzt. Für den Abbau des Gangmittels Reutersbruch blieben die Tagesschächte und Anlagen erhalten. Die Belegschaft von 185 Mann 1960 wurde weiter abgebaut auf 150 Bergleute. Die hier freigewordenen Arbeitskräfte konnten von der Grube Eupel übernommen werden. Eine Strukturkrise im Eisenerzbergbau, bedingt durch Absatzschwierigkeiten, zeichnete sich ab Anfang 1960 immer deutlicher ab. Hinzu kam für die ,,Vereinigung" die Erschöpfung ihrer Lagerstätten. Am 30.7.1963 wurde die Förderung auf Reutersbruch eingestellt, und dies bedeutete das Ende der Grube ,,Vereinigung".

127 Jahre Grubengeschichte der "Vereinigung" waren damit zu Ende. Eine der größten Gruben im Siegerland hatte damit für immer die Förderung eingestellt. Bei einer Tiefe von 1.000 m wurden hier im Laufe ihrer Geschichte 9.348 Mio. t Eisenerz gefördert. Viele Menschen fanden hier Arbeit und Brot, aber auch viele ließen hier ihre Gesundheit oder gar ihr Leben. Frühinvalidität durch Silikose bedeutete für manchen Bergmann und dessen Familie ein hartes Schicksal. In der geschichtlichen Entwicklung der Grube, die geprägt war von kontinuierlicher Aufwärtsentwicklung mit besonderen zeitlichen Höhepunkten, gab es stolze Bilanzen über Gangmächtigkeiten, Fördermengen und Belegschaftszahlen. Leider gibt es keine Zahlen, die Aufschluß geben über die Anzahl der Silikosenkranken und der dadurch verursachten Frühinvalidität, die für die Betroffenen und ihre Familien ein hartes Los war. In der Erinnerung der noch wenigen lebenden Bergbauveteranen ist lebendig, daß mit dem Bergbau der früheren Jahre oft schwere menschliche Schicksale einhergingen. Besonders das Aufkommen der Bohrhämmer forderte hohen Tribut an Gesundheit und Leben der Bergleute. Das Grubengelände erinnert heute noch an die große Vergangenheit der Grube mit einer Reihe noch vorhandener Grubengebäude. Vor allem die ,,Beng" ist in Katzwinkel noch eine nicht zu übersehende Veränderung der Topographie und läßt ahnen, daß hier eine Grube etabliert war. Ehemalige Grubengebäude sind heute längst anderen Zweckbestimmungen zugeführt worden. Mehrere Unternehmen haben sich hier niedergelassen, wobei der weitaus größte Teil der Fläche einem hiesigen Unternehmen der Kreisabfallbeseitigung und zum Teil dem Recycling dient.

(Quelle: Erzbergbau Siegerland AG, Betzdorf, Nr.10. Juli1959)


Zu dem Ort Katzwinkel finden Sie ausführliche Informationen unter: www.glist.com/katzwinkel


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