Kircheib

Kircheib und sein romanisches Gotteshaus

Das Grenzdorf Kircheib, erstmals im Jahre 1268 unter dem Namen ,,Eype" erwähnt, liegt an der Bundesstraße 8, der Höhenstraße Köln-Frankfurt und ist die am weitesten westlich gelegene Gemeinde des Kreises Altenkirchen.

Schaut der Wanderer, aus Richtung Weyerbusch kommend, vom ,,Köppchen" hinunter west- und südwestwärts, so bietet sich ihm ein Rundblick über das Asbacher-Land und über die romantischen ,,Sieben Berge". Im Nordwesten kann man bei klarer Sicht sogar in weiter Ferne den Kölner Dom sehen.

Am Eingang des Ortes liegt rechts der B 8 unser Friedhof mit der würdigen Gedenkstätte für die Gefallenen und Vermißten in den beiden Weltkriegen, die im Hintergrund stehende schmucke Friedhofshalle wurde im Jahre 1970 gebaut.

Kircheib ist zwar ein Straßendorf, jedoch fast kreisförmig um dieses herum liegen die Ortsteile Grünewald, Reisbitzen, Eckenbach, Neuenhof, Tente und Bleckhausen, die alle zur Ortsgemeinde Kircheib gehören. Am westlichen Ende des Dorfes steht die alte romanische Kirche. Sie stammt aus der Mitte des 12. Jahrhunderts und gehört zu den ältesten der Umgebung.

Unterhalb Kircheibs bei Vierwinden grenzte die alte Grafschaft Sayn an das Herzogtum Berg und das Kurfürstentum Köln. Der Grenzpunkt Vierwinden war durch den ,,Dreiherrenstein" kenntlich gemacht. Hier ganz in der Nähe stießen auch drei Landwehren zusammen, die bergische, die kölnische und die saynische. In alten Zeiten hat man viele Streitigkeiten an der Grenze erlebt, und davon zeugen auch die alten Landwehren, die früher bis an die Wehrkirche heranreichten. Die saynische Landwehr zog sich über die Eyper-Heide in der Höhe von Bleckhausen über Neuenhof bis ins Mehrbachtal. Verschiedene Reste der Verteidigungswälle sind hier in der Gegend noch deutlich zu erkennen, so auch im Vogelschutz- und Heidegebiet nahe der Kirche wie auch im Lindscheider Wäldchen an der heutigen Kreisgrenze.

Unser heute pensionierter Oberlehrer Schebesch legte während seiner 2o-jährigen Tätigkeit in Kircheib besonderen Wert darauf, Grenzbegehungen in der Heimat mit seinen Schülern zu unternehmen und ihnen so manches von früher zu erzählen. ,,Oben im Wehrbüsch" heißt noch heute die Flurbezeichnung an der Fiersbacher Straße in Reisbitzen. Die Fluren ,,Unten im Wehrbüsch" ziehen sich hin bis nach Neuenho£

Kircheib ist reich an geschichtlichen Ereignissen. Es ist Durchzugsgebiet und Schauplatz so mancher Kämpfe gewesen. Gerade die Gemeinden an der Köln-Frankfurter Heeresstraße mußten viel über sich ergehen lassen. Während der Koalitionskriege wurde bei Kircheib am 19. Juni 1796 eine französische Abteilung unter General Kleber durch die Kaiserlichen unter General Kray geschlagen. Der Gesamtverlust der Franzosen wird auf mehr als 3000 Mann geschätzt, während die Osterreicher 18 Offiziere und 544 Mann tot und verwundet auf dem Platz ließen. Der Bajonettkampf tobte auf dem ,,Köppchen" östlich von Kircheib, wo die Straße in kurzem Anlauf zum großen Wald des Leuscheider Höhenrückens ansteigt. Daher hat auch dieses Gefecht im Volksmund den Namen des ,,Bajonettkampfes von Kircheip" erhalten. Die meisten Gefallenen sind wohl auf der Höhe zu beiden Seiten des großen Waldes bestattet worden. Um die Kirche herum lagen verschiedenen Gräber verstreut. Es dürfte anzunehmen sein, daß auch hier tote Franzosen oder Österreicher begraben worden sind. Fest steht, daß viele Gefangene eine Nacht lang in der Kirche eingesperrt waren.

Das Gotteshaus in Kircheib wurde einst als Wehrkirche gebaut und war möglicherweise dem Erzengel Michael geweiht. In der Reformationszeit wurde die Gemeinde protestantisch. Im Jahre 1589 erscheint sie als Filiale von Mehren. Sie wurde 1879 von dort abgetrennt und der evangelischen Gemeinde Asbach (Kreis Neuwied) unterstellt, zu der sie noch heute gehört.

Unser Gotteshaus war ursprünglich eine Pfarrkirche; dafür spricht auch der alte romanische Taufstein, der aus dem Anfang des 13.Jahrhunderts stammt und 1,09 m hoch ist. Er besteht aus zwei Teilen, dem einer Säulenbasis ähnlichen Unterbau aus Tuffstein mit Wulststab am oberen Ende und dem kelchförmigen Becken aus Basaltlava.

Die Kirche ist eine dreischiffige Basilika mit Westturm. Sie ist aus Bruchstein gebaut und zeigt noch Reste von Außenputz. Um das Jahr 1767 hat eine offenbar umfangreiche Reparatur am Kapellenturm stattgefunden. Der Maurer, der sie ausführte, Johannes Wild aus dem Homburgischen, haftete mit seinem Vermögen. 1799 heißt es, daß die durch die Franzosenkriege gegen die Osterreicher beschädigte Kapelle wieder mit Türen, Fenstern, Kanzel, Tisch und Sitzplätzen

versehen worden ist. Der Fußboden wurde ausgebessert und die Wände getüncht. Am 26. Mai 1799 wurde sie wieder in Gebrauch genommen. 1845 wurden die Decken der beiden Seitenschiffe neu verschalt. Die Kosten beliefen sich auf 34 Taler, die aus dem Kapellenfonds und aus Naturalienspenden aufgebracht wurden.

In den Jahren 1859 und 1898 wurde die Kapelle, weil im Innern baufällig und vom Einsturz bedroht, polizeilich geschlossen. Der Plan, eine neue Kirche im Mittelpunkt von Kircheib und Neuenhof zu bauen, mußte aufgegeben werden, weil der Staat dazu keine Mittel zur Verfügung stellte.

So wurde dann im Jahre 1902 eine gründliche Restaurierung der Kapelle vorgenommen. Architekt Hoffmann aus Herborn hatte die Pläne entworfen. Staat, Provinz und Gustav-Adolf-Verein hatten 14.000 Mark aufgebracht. Das Schleppdach der Kapelle fiel. Die beiden Seitenschiff-Außenmauern wurden fast gänzlich abgerissen und wieder aufgebaut. Die Seitenschiffe erhielten besondere Dächer, und so bekam die Kapelle im Laufe des Jahres 1902 ein ganz neues, würdiges Aussehen. Der basilikale Charakter war wiederhergestellt.

Innen wurden Reste der ehemaligen Ausmalung freigelegt und zum Teil wieder erneuert; im Gewölbe des Chorquadrates Rankenornamente und Rosettenmuster, in der Leibung des Triumphbogens Rankenornamente, auf den Stirnseiten der Mittelschiffarkaden Quaderbemalung.

An der Nordwand des Chorquadrates wurden figürliche Malereien entdeckt, die wegen ihres schlechten Zustandes aber nur in Bruchstücken erhalten blieben: die Figur einer weiblichen Heiligen in der schlanken Stilisierung aus der Wende des 13. zum 14. Jahrhundert mit grünem, eng anliegendem Untergewand, weißem Kopftuch und rotbraunem Mantel, der über die Schultern gelegt und um den Oberkörper herumgeschlungen war. Zur linken Seite des Nordfensters gab es die große Figur eines Heiligen in rotbraunem Mantel, und in der Chorapsis links oben eine Frauenfigur in betender Stellung, beide Hände erhoben, mit edler Gesichtsbildung - wohl Maria als Fürbitterin aus der üblichen Gruppe des thronenden Erlösers.

Von damals, als ich 1934 als Schulkind nach Kircheib kam, habe ich das Gotteshaus als eine besondere Kostbarkeit in Erinnerung. Wir Kinder mußten sonntags die Gottesdienste regelmäßig besuchen. Die Wandmalereien - heute leider nicht mehr zu sehen - waren sehr faszinierend. Wenn wir auch des öfteren miterlebten, daß diese Malereien weiß übertüncht wurden, so stellten wir genau so oft mit großer Bewunderung fest, daß die Heiligen mit ihren bunten Gewändern wieder hervorschimmerten.

Der Turm des Gotteshauses ist etwas schmaler als das Mittelschiff. Das Dach des Turmes bildet einen gebrochenen achteckigen Helm mit einem Kreuz und Hahn auf der Spitze.

Im ersten Obergeschoß des Turmes befinden sich, zum Mittelschiff gerichtet, zwei ganz unsymmetrisch angeordnete Wandöffnungen.

Die Bedeutung dieser Öffnungen war bisher nicht erkannt, bis Diethard Bahles von der Kreisverwaltung Altenkirchen eine Lösung fand. Bei der im November1987 von der VHS Altenkirchen veranstalteten Rundfahrt durch die ,,Schönen Dörfer", bei der auch unsere alte Kirche besichtigt wurde, gab er folgende Erklärung:

,,Es ist eine kleine ländliche Fürstenloge (kleiner Landadel), vermutlich der Herren von Neuenhof. Die linke kleinere Öffnung läßt in der Mauer- und Putzfuge erkennen, daß aller Wahrscheinlichkeit nach dort der direkte Zugang zur Loge war, entweder über eine Empore oder über eine Treppe. Die Fürstenloge zeigt rechts und links kleine Zieransätze".

In der an der Nordseite des Chors schlichten, angebauten Sakristei ist eine Piscina erhalten geblieben (rechteckige Nische mit vortretendem Ausflußbecken). Man findet hier in der Gegend nur noch zwei dieser Becken, in Marienstatt und Kircheib.Zu unserer ältesten Kirche gehört aber auch die älteste Glocke des Kreises. Zwei Glocken befinden sich in dem Gotteshaus von Kircheib:

- eine große Glocke in romanischem Stil, deren Entstehung der Zeit um 1200 zugeschrieben wird.

Sie hat keine Inschrift trägt aber oben einen Fries aus kleinen Kreuzen. Der Durchmesser am Schlagring ist 89 cm.

-Und eine kleine Glocke mit Inschrift in gotischen kleinen Buchstaben:

,,jhesus heissen ich, tzo der ehren gotz bin ich, anno 1535."

Beide Glocken werden heute noch geläutet.

Auf dem Altar der Heimatkirche hat die sogenannte ,,Mackensenbibel" ihren Platz. Sie wurde im Jahre 1939 von Geldspenden der damaligen Jugend angeschafft. Als Widmung wurden vom Pfarrer Scholze die 40 Namen der Jugendlichen handschriftlich in die Bibel eingetragen.

Im gleichen Jahr wurde von Generalfeldmarschall von Mackensen, der noch in seinem 90. Lebensjahr den Westerwald bereiste, eine weitere Widmung hinzugefügt:

,,Wachet, stehet im Glauben; seit männlich und seid stark!"

(1. Kor. 16, 13)

Durch Kriegseinwirkungen beschädigt, konnte unsere Heimatkirche nach 1945 nicht genutzt werden. Daher wurden die Gottesdienste mehrere Jahre lang im Saale Richard Altgeld abgehalten.

Bei der Renovierung in den Jahren 1956 bis 1960 bekam die Kirche einen neuen Innenputz und neue Glasfenster. Die hohe schwere Steinkanzel wurde entfernt und durch eine niedrige schlichte Holzkanzel mit Kupferplatten ersetzt, auf denen Bilder aus dem Leben Jesu dargestellt werden. Auch wurden die Rundbögen und die Holzdecke in den gleichen Farben wie früher neu bemalt.

Bei den Restaurationsarbeiten in den Jahren 1965 bis 1970 ging es hauptsächlich um die Befestigung der Außenwände und des Turmes.

Zwei Jahre zuvor waren bereits Aufräumungsarbeiten um die Kirche herum vorgenommen worden. Pfarrer Bräunig und die beiden damaligen Presbyter Walter Hoffmann und Heinrich Molly hatten fleißig mit angepackt. Pfarrer Bräunig berichtete, daß der Boden rings um die Kirche herum zu unebenen Flächen angewachsen war. Beim Aufräumen wurden mehrere Knochen und ein Schädel gefunden. Diese Reste der alten Gräber wurden zum Kircheiber Friedhofgebracht und dort, während einer kleinen Andacht, neben dem alten Eichenkreuz bestattet. Heute steht die Friedhofshalle davor, und das Kreuz ist durch die hintere Glaswand zu sehen. Einen nicht zerfallenen Grabstein findet man noch heute an der Kirche.

Zum Ausklang des Jahres 1978 konnte die evangelische Kirchengemeinde Kircheib ihre neue Orgel in Dienst stellen, wozu die Kircheiber Bürger mit großen Spenden beigetragen hatten.

Den Bauauftrag zu dieser Orgel erhielt die Firma Cartellieri aus Wittlich. Kantor Füg aus Siegburg konnte sie der Kirchengemeinde übergeben. Sie hat fünf Register und 280 Pfeifen.

Im unteren Turmraum wurde außerdem eine neue Gedenktafel für die Gefallenen und Vermißten der beiden Weltkriege angebracht.

Gebe Gott, daß wir dort nie noch eine solche Tafel anbringen müssen.

Quellen:

Kiech, Dr. P.: Die Revolutionskriege am Rhein und im Westerwald 1795-97.

Auszug aus der Pfarrchronik Mehren.

Verteilerblatt der ev. Kirchengemeinde Asbach: ,,Die Dorfkirche von Kircheib".

Bitterauf-Remy, Margot: Kunstdenkmäler des Kreises Altenkirchen", Düsseldorf 1935.

Eigenes Archiv.


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