Leuscheid

Leuscheid und seine 850-Jahr-Feier im Jahre 1984

Aus dem Jahrbuch 1985 des Kreis Heimatverein Altenkirchen - Westerwald

Nachdruck mit dessen Erlaubnis

Autor: Hans Lahr

Ein heimatgeschichtlich geprägter Festzug bildete den Höhepunkt der 850-Jahr-Feier von Leuscheid. Etwa 10.000 Menschen säumten am 1. Juli 1984 bei schönstem Sommerwetter den fünf Kilometer langen und festlich geschmückten Zugweg. 24 Wagen, 30 Fußgruppen sowie acht Kapellen, Spielmannszüge und Hegerings-Gruppen ließen die Vorzeit des Leuscheider Ländchens aufleben.

Bis ins kleinste Detail wurden Ereignisse, Sagen, Geschichten und natürlich das Dorfleben der vergangenen Jahrhunderte wirklichkeitsnahe dargestellt. Fachbücher waren gewälzt und Experten befragt worden. Schließlich sollte ja alles echt aussehen, jedes Fell und jeder Fußlappen sollte am richtigen Platz sitzen. Neben den Replikas hatte man manch Echtes auf den Speichern aufgestöbert und zum Festzug hervorgeholt. Unter der Regie des Bürger- und Verschönerungsvereins machten alle mit, die Vereine und Gruppen aus dem Zentralort ebenso wie die Dorfgemeinschaften aus dem großen Kirchspiel. Mit viel Aufwand, Ideen- und Einfallsreichtum hatte man sich für den großen Tag ein Jahr lang vorbereitet.

Im Mittelpunkt des historischen Festzuges stand eine Pferdekutsche mit Papst Innozenz II. Ihm schulden die Leuscheider heute noch Dank. Ohne ihn wäre das urkundlich nachweisbare Alter des Ortes nicht bekannt. 1131 unterschrieb er nämlich eine Urkunde, in der dem Caisiusstift in Bonn sein kirchlicher Besitz garantiert wird. Neben 35 anderen Kirchengemeinden wird darin auch die Kirche in ,,Luuenskeit" mit zahlreichen Zehnthöfen genannt. Eine Geburtsurkunde der damals schon bedeutenden und begüterten Kirche in Leuscheid gibt es nicht. Sie war aber damals schon eine Art Oberkirche, wie auch der zweitürmige Bau vermuten läßt. Der Sage nach waren ursprünglich sogar drei Türme vorgesehen.

Auf Überlieferungen stützt sich ohnehin sehr vieles im Leuscheider Ländchen, das seit jeher von Trennlinien bestimmt worden ist. Zeitweise zogen sich die Grenzen der Saynischen Grafen und Bergischen Herzöge sowie der kirchlichen Vormünder quer durch das Kirchspiel, und die Leidtragenden der ständigen Rivalitäten und Grenzkalarnitäten waren die Bürger. Sie mußten mit diesem Los leben und verstanden es, ,,knorrig wie Eichen", zu überleben. Nur der Pest, die von kriegerischen Heerscharen eingeschleppt wurde und ganz schrecklich im Leuscheider Land gewütet haben muß, waren die Menschen nicht gewachsen. Ganze Dörfer, wie zum Beispiel die Wohnsiedlung ,,Augebiche" bei Reidershof, wurden entvölkert und verschwanden von der Landkarte.

Eines der markantesten Kapitel der Leuscheider Heimatgeschichte begann im Jahre 1560, als die Reformation in den Saynischen Landesteilen ,,amtlich" wurde. Wenig später wurde in Leuscheid die evangelische Lehre landesherrlich angeordnet, und der Kampf um die Kirche begann - einer Kirche im Grenzland zwischen weltlichen und kirchlichen Gewalten. Aber auch das haben die Leuscheider durchgestanden. Leuscheid ist ein Gemeinwesen mit geschichtlich gewachsenen Strukturen und Einrichtungen, die Generationen gestaltet und fortentwickelt haben.

All dies wurde beim Festzug lebendig, kein geschichtlich bedeutungsvoller Zeitraum wurde ausgelassen. Gleichzeitig informierte während den Festtagen in der Schule eine eindrucksvolle Fotoausstellung mit zum Teil schon historischen Fotos und Landkarten über die jüngere Geschichte unter dem Motto ,,Das Leuscheider Land im Spiegel der Zeit". Eine eigene Dokumentation hatte man dem während des Zweiten Weltkrieges hier in Kuchhausen bei Leuscheid evakuierten Foto-Pioniers August Sander gewidmet.

An einer alten Münzprägemaschinen konnten die interessierten Festbesucher sich nach der historischen Fallhammermethode selber eine Silbermedaille prägen. Die Vorderseite der aus zehn Gramm Feinsilber bestehenden Münze zeigte - ebenfalls wie der Sonderstempel der Bundespost - die Leuscheider Kirche und auf der Rückseite das Gemeindewappen.

Die Festlichkeiten zum 85ojährigen Bestehen von Leuscheid dürften so schnell nicht wieder vergessen werden.