Der Giftmord von Marzhausen
Manfred Hofmann
(aus: Rhein - Lahnfreund Band 1966 Seite 64)
Es geschah vor 200 Jahren im oberen Westerwald - Aus einer alten
Chronik berichtet.
Als sich vor rund 200 Jahren die ersten Herbstnebel über die Stadt
Hachenburg im Westerwald senkte. Und die Einwohner hier und da in
diesem oder jenem Haus bei früh einbrechender Dunkelheit bis
zum Ertönen des Nachtwächtershornes zu Gespräch und
Plauderei zusammenkamen,beherrschte immer wieder ein Thema die Runde am
trauten Feuer:das grausige Schauspiel auf dem alten Markt,die
Hinrichtúng einer Giftmörderin.Es war soweit sich
feststellen ließ die letzte öffentliche Hinrichtung auf dem
oberen Westerwald überhaupt.
Was war geschehen?Die zittrige Hand eines Chronisten hat uns
authentische Nachrichten über die Ereignisse im einzelnen
hinterlassen.Ihren Ausgangspunkt nahmen die aufregenden Vorfälle
in Marzhausen,einem kleinen Dörfchen am Rande der Kroppacher
Schweiz. Dort heiratete am 21.Februar 1764 ein Johann Peter Thiel aus
Heuzert,just 30 Jahre,die Anna Maria Dünschmann von dort,Tochter
der Eheleute Johann Heinrich Dünschmann und Anna Gertrud
geb.Birck,16 jahre alt.Obgleich Ehen mit derartigen Altersunterschieden
damals keine Seltenheit waren ,hatte mancher beim Zusammenkommen diese
merkwürdigen Paares bedenklich den Kopf geschüttelt. Doch
schienen diese Befürchtungen - zunächst wenigstens - nicht
angebracht gewesen zu sein. Der junge Mann zog zu seiner Frau und deren
Eltern nach Marzhausen und wohnte hinfort als "Eidam" im Hause seiner
Schwiegereltern.Ging es auch anfänglich gut,so wurde das
Verhältnis zwichen Schwiegermutter und Schwiegersohn doch
gespannter, offenbar aus Verschulden der ersteren,die einen boshaften
Charakter bezichtigt wurde.
Dann kam jener denkwürdige 28.Januar 1766. Johann Peter Thiel hate
am frühen Morgen dieses grauen Wintertages, wie es damals
üblich war, mit dem Dreschen in der Scheune begonnen. Doch der
Schlag seines Dreschfleges wurde immer langsamer und beständig
unregelmaßiger. Schließlich klagte er üner Unwohlsein
und Schmerzen und zog sich zurück. Am Abend des gleichen Tages noch
war er tot.
Begreiflicherweise verursachte das merkwürdige und plötzliche
Ableben dieses fleißigen und vor Gesundheit strozenden Mannes
einiges Aufsehen. Man war höchst verwundert, und ganz
allmählich wurden in zunehmenden Maße stimmen laut, erst
munkelte man heimlich, dann sprach man es offen aus, der verstorbene sei
vergiftet worden. Es war naheligend,daß der erste Verdacht gleich
auf die Schwiegermutter fiel. Er verstärkte und verdichtete
sich, als man in Erfahrung gebracht hatte,daß sie vor kurzer Zeit
Mäusegift erworben hatte. Als diese Nachricht bis zur Obrigkeit
drang,wurde befohlen,das Begräbnis
zurückzustellen. Außerdem wurden die Schwiegermutter und des
Verstorbenen Frau, "die nur noch ein Kind von Jahren und von Gestalt
ist", mit Arrest belegt und in Marzhausen in Verwahr gehalten.
Die Leiche wurde am 30.Januar durch einen Gerichtskommissar in
Anwesenheit des Pfarrers von Kroppach, Wilhelm Heinrich
Seel, seziert. Hatten schon bei dem plötzlichen Tod und einigen
anschließenden Ereignissen die Umstände auf einen Giftmord
schließen lassen, so erlangte man jetzt die
Gewißheit,daß dem tatsächlich so war. Während der
allerseits beliebte tote am folgendem Tage ,also am 31.01.1766 beerdigt
wurde,brachte man Schwiegermutter und Ehefrau sogleich nach
Hachenburg. Schon bei dem ersten Verhör bekannte die
Schwiegermutter, diese abscheuliche Tat begangen zu haben.Sie hatte sie
alleine ausgeführt, und Ihre Tochter, die nichts davon gewußt
hatte, wurde daraufhin wieder auf freien Fuß gesetzt und
entlassen. Die Mörderin aber wartete nun im
Schloßgefängnis auf ihr Urteil, dessen Spruch keinerlei
Zweifel aufkommen oder Milde erwarten ließ. Sie verlangte oft nach
geistlichen Beistand, und der Pfarrer von Kroppach besuchte sie
während ihrer Haftzeit mehr als dreißigmal.
Der Hinrichtungstag wurde auf den 19.August.1766 festgesetzt. Noch keine
sieben Monate waren seit der Tat verflossen. Alt und jung waren seit dem
frühen Morgen in Hachenburg auf den Beinen, um der Exekution mit
dem Schwert beizuwohnen.Aus der gesamten Hachenburger
Umgebung, namentlich aberf auch aus Marzhausen und Heimborn, dem
Geburtsort der Täterin, waren viele Schaulustige mit Wagen und zu
Fuß in die Stadt gekommen. Die Verurteilte zeigte sich sehr
bußfertig und verhielt sich standhaft dann bis zu ihrem Tode, wozu
sie von den Pastoren Seel aus Kroppach und Lorsbach aus Hachenburg
begleitet wurde.
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