Niederfischbach
im Wandel der JahrhunderteAus dem Jahrbuch 1979 des Kreis Heimatverein Altenkirchen - Westerwald
Gekürzter Nachdruck, mit dessen Erlaubnis
Autor : Karl-Heinz Hinkel
Die im Nordostzipfel von Rheinland-Pfalz liegende, an die westfälische Stadt Freudenberg grenzende Gemeinde Niederfischbach zählt mit knapp 5.000 Einwohnern neben Betzdorf, Kirchen, Herdorf, Mudersbach und Wissen zu den sechs größten. Gemeinden des Kreises Altenkirchen. Von Laub- und Mischwäldern umgeben, liegt der Ort in reizvoller Mittelgebirgslandschaft. Von Junkernthal (215 m) bis zum Giebelwaldgipfel (527 m) weist das 15 qkm große Gemeindegebiet einen Höhenunterschied von mehr als 300 Meter auf. Vom Gipfel des markanten Berges kann der Wanderer eine herrliche Aussicht genießen, über das Rothaargebirge, Teile des Sauerlandes und des Bergischen Landes, bis zum Siebengebirge und über die Höhen des Westerwaldes.
Strukturwandel vom Bergbau zur Industrie
Die Berge um Niederfischbach lieferten den Bewohnern seit mehr als zweitausend Jahren den Lebensunterhalt. Daß das Giebelwaldgebiet schon in vorgermanischer Zeit besiedelt war, davon zeugen die Reste einer keltischen Fliehburg auf westfälischem Gebiet dicht an der Landesgrenze und zahlreiche ,,Schürflöcher genannte Einsenkungen in den Bergen, wo früher Erz im Tagebau gewonnen wurde. Ein im Giebelwald ausgegrabener und rekonstruierter keltischer Schmelzofen zeigt, auf welche Weise damals der Eisenstein verhüttet wurde. Brennstoff zur Erreichung der benötigten hohen Temperatur lieferte Holzkohle, die in den Wäldern des Giebelwaldes gewonnen wurde. Bergmann, Hüttenmann und Köhler waren die ersten Berufe, die sich aus diesen wirtschaftlichen Anfängen entwickelten. Hinzu kamen der Schmied, der die erzeugten. Metalle zu Gebrauchsgegenständen verarbeitete, sowie Bauer und Jäger, die für Nahrung sorgten.
Nach Verdrängung der Kelten setzten die germanischen Einwanderer die Bergbautradition fort. Zweitausend Jahre standen der Siegerländer Eisenerzbergbau und die Eisenverhüttung in Blüte, bis die wirtschaftliche Entwicklung vor einigen Jahren zur Schließung der letzten Gruben zwang. Für das alte Bergmannsdorf Niederfischbach, das neben zahlreichen anderen Gruben mit dem ,,Fischbacherwerk" zeitweise über die zweitgrößte Silbergrube Deutschlands verfügte, kam das Ende des Bergbaus schon einige Jahrzehnte früher. Neben zahlreichen alten Grubenhalden erinnert heute nur noch der Fischbacher Silbertaler aus dem Jahr 1750 an die Bergbautradition der Gemeinde. Eine Nachprägung dieses Silbertalers wird heute von der Raiffeisenbank Niederfischbach angeboten. Die "Fischbacher Hütte", von der nur noch der Name des Ortsteils verblieben ist, schloß schon Ende des vorigen Jahrhunderts, nachdem zahlreiche Gruben aufgegeben werden mußten. Nach der Jahrhundertwende kam auch für das Fischbacherwerk und die Eisenschmelze im Otterbachtal das Ende. Als auch die Gruben Wilhelmine (nach einem Schachteinsturz 1928) und Glücksbrunnen (1930) geschlossen werden mußten, war der Bergbau im Asdorftal völlig zum Erliegen gekommen. Arbeitslosigkeit und große Not der Bevölkerung waren die Folgen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnten in der Gemeinde Niederfischbach Betriebe verschiedener Branchen angesiedelt werden, so daß die Zahl der Pendler, die in Nachbargemeinden (meist im benachbarten Nordrhein-Westfalen) ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, ständig zurückgeht. Die steigende Steuerkraft der Gemeinde beweist, daß der durch den Niedergang des Bergbaus verursachte wirtschaftliche Rückschlag überwunden werden konnte.
Geschichtliche Entwicklung
Über die Anfänge der Gemeinde liegen keine Urkunden mehr vor. In der Festschrift die die Gemeindeverwaltung 1960 anläßlich der 400-Jahrfeier der Verleihung des Marktrechtes an die Gemeinde Niederfischbach herausgab, wurde versucht, durch die mundartliche Aussprache des Ortsnamens auf das Alter des Ortes zu schließen.,, Föschpe" lautet der Ortsname in der heimischen Mundart, eine außergewöhnliche Aussprache für die Endsilbe bach", die in anderen heimischen Ortsnamen als ,,bisch" (Harbisch -Harbach), als misch" (Wölimisch = Wöllenbach) oder als ,,wisch" (Wäwisch = Wehbach) ausgesprochen wird. Im Sauerland gibt es jedoch zahlreiche Orts- und Flußnamen, die auf pe enden, wie Olpe, Eispe, Muspe, Sorpe usw.. Orte mit dieser Endung wurden vor dem Jahr 500 n. Chr., teilweise sogar vor Beginn unserer Zeitrechnung gegründet. Die Schrift "400 Jahre Marktrecht" kommt zu dem Schluß, daß auch die Anfänge Niederfischbachs in dieser Zeit zu suchen sind.
In den ältesten erhalten gebliebenen Urkunden aus dem 14. und 15. Jahrhundert wechselt die Schreibweise Niederfischbachs von ,,Vispe" über ,,Fischpe", ,,Niedernfischpe", ,,Nie dernfeßpe" und ,,Niederfischpach" bis zur heutigen Schreibweise. Die heimische Mundart machte diesen Wandel nicht mit. Hier lautet der Gemeindename noch heute ,,Föschpe", und zwar ohne den Zusatz ,,Nieder", der die Gemeinde vom westfälischen Nachbarort Oberfischbach unterscheidet.
Hinweise auf die geschichtliche Vergangenheit gibt auch die kirchliche Entwicklung. Das Gebiet der Gemeinde Niederfischbach gehörte vor der Jahrtausendwende zur Pfarrei Haiger, aus der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Gebhardshain und Daaden, noch etwas früher Kirchen und Niederfischbach als selbständige Pfarreien ausgegliedert worden sein sollen. Einen Anhaltspunkt gibt das älteste erhaltene Bauwerk in der Gemeinde, der im romanischen Stil erbaute Turm der evangelischen Kirche. Welcher romanischen Epoche er zuzuordnen ist, konnte noch nicht geklärt werden. Das 12. Jahrhundert wird allgemein angenommen, andere Sachkenner datieren diese Bauweise auf das 11 - Jahrhundert. Josef Hermann, früherer Hauptlehrer der kath. Volksschule Niederfischbach, schloß aus einigen Anzeichen, daß der Turm sogar um die Jahrtausendwende entstanden sein könnte. In den Wirren des dreißigjährigen Krieges gingen leider die alten Unterlagen verloren.
Kirchliche Entwicklung
Als Haiger in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts lutherisch geworden war, wurde der Sitz des Landkapitals Haiger nach Niederfischbach verlegt - ein Beweis für die damalige Bedeutung des Ortes. Einige Jahre später führte der Landesherr, Graf Sebastian II. von Sayn, auch in Niederfischbach die Reformation ein. Mehrfach mußten die Bürger auf Befehl der wechselnden Landesherren die Religionszugehörigkeit wechseln. 1561 wurde zunächst der evangelisch-lutherische Glauben eingeführt, 1605 der kalvinistisch-reformierte, 1628 der römisch-katholische,
1633 wiederum der lutherische und 1652 erneut der katholische Glauben, doch behielten die lutherischen Glaubens gebliebenen Christen ihr Recht auf freie Religionsausübung. Das regelte der Vertrag zwischen Kurfürst Carl Caspar von der Leyen (Trier) und Gräfin Johannetta von Sayn. Zwei Jahrzehnte lang wurden jedoch die Katholiken durch die protestantische Gräfin in ihrer Religionsausübung behindert, bis 1672 der Simultanvertrag erneuert und von beiden Seiten respektiert wurde. Seitdem nutzten beide Konfessionen gemeinsam die Kirche und bauten 1821 ein neues, größeres Gotteshaus, wobei von der alten romanischen Kirche nur der Turm erhalten blieb. Das Simultaneum endete 1898, als die Katholiken eine eigene Kirche bauten, den "Siegerländer Dom", der seitdem das Wahrzeichen Niederfischbachs darstellt. Mit einer Länge von 52 m, einer Breite von 26,50 m und ihren 44 m hohen Haupttürmen ist sie eine der größten und die einzige viertürmige Kirche im Kreis. Die frühere Simultankirche mit ihrem romanischen Turm und einer aus dem Jahre 1510 stammenden Glocke dient seit 1898 der evangelischen Gemeinde als Gotteshaus und wurde vor einigen Jahren zum Gemeindezentrum ausgebaut.
Gleichzeitig wurde das Pfarramt der evangelischen Gemeinde Freusburg-Niederfischbach, dessen Sitz 344 Jahre lang in Freusburg war, nach Niederfischbach zurück verlegt.
Raumordnung im Nordteil der Verbandsgemeinde Kirchen
Um die Ende der sechziger Jahre populären Raumordnungspläne ist es in jüngster Zeit still geworden. Damals wurde versucht, das in mehrere Gemeinden zerfallende, jedoch kulturell eine Einheit bildende Kirchspiel Fischbach zu einer Großgemeinde zusammen zu fassen. Schwierigkeiten ergaben sich beim Gebiet der Gemeinde Wingendorf, da der Ort Wingendorf seit 40 Jahren nicht mehr zur Pfarrei Niederfischbach gehört, sondern nur noch die zahlreichen Gehöfte im nördlichen Teil der Gemeinde, die sich nicht freiwillig auflösen wollte. Die Gemeinde Hüttseifen faßte als erste den Zusammenlegungsbeschluß. Bezeichnend ist, daß dessen Ratsvertreter als Namen der künftigen Großgemeinde nicht etwa ihren eigenen Namen wählten, sondern für ,,Niederfischbach" plädierten. Die Gemeinde Niederfischbach stimmte bald darauf zu, doch scheiterte das Vorhaben, eine Großgemeinde zu bilden, am Widerstand der anfangs nicht abgeneigten Gemeinde Harbach, die sich später jedoch, da sie in die Großgemeinde nur zehn Prozent der gesamten Einwohnerzahl einbringen konnte, dann unterrepräsentiert fühlte.
Da die Gemeinden des Kirchspiels Fischbach zu keiner einheitlichen Lösung kamen, regelte schließlich der Landtag in Mainz die Raurnordnungsfrage durch Gesetz. Hüttseifen und Niederfischbach wurden - wie von den Gemeinderäten schon beschlossen worden war -zu einer Gemeinde vereinigt, an die Harbach seinen im Asdorftal liegenden Ortsteil Oberasdorf abtreten mußte. Die Restgemeinde Harbach blieb mit ihren etwas mehr als 500 Einwohnern jedoch selbständig, und die Gemeinde Wingendorf wurde - auch deren nach Niederfischbach tendierender nördlicher Teil - in die Gemeinde Kirchen eingegliedert. Nach dieser Entscheidung erscheint es als unwahrscheinlich, daß die von Niederfischbach angestrebte Lösung später noch verwirklicht werden könnte, obwohl die von Niederfischbach seinerzeit vorgelegten Karten mit den nach eigenen Wünschen eingetragenen Gemeindegrenzen als die klarere Lösung anzusehen war. Hieraus wären Kirchen und Niederfischbach als in etwa flächenmäßig gleich große und leistungsfähige kommunale Einheiten hervorgegangen.
Baufreudige Gemeinde
Die Bürger Niederfischbachs zeichneten sich stets durch ihre Baufreudigkeit aus. Drei große Dorfbrände vernichteten Hab und Gut der Bürger. Am Donnerstag, dem 29. Juli 1694, brannte das Dorf bis auf fünf Häuser und die Kirche nieder. Neun Häuser und die Kirche blieben verschont, als am 4. November 1776 eine weitere Brandkatastrophe den Ort heimsuchte, der 57 Häuser sowie zahlreiche Scheunen und Schuppen zum Opfer fielen. Am 16. August 1885, also vor 94 Jahren, wurden weitere zehn Wohnhäuser und eine ganze Anzahl Scheunen Opfer eines Großbrandes. Der Wille zum Wiederaufbau blieb stets erhalten. Auch in unserer Zeit ist die Baufreudigkeit ungebrochen. In den letzten zehn Jahren wurden in der Gemeinde mehr als 200 Häuser gebaut. Platz für weitere 100 Häuser bieten die schon erschlossenen Baugebiete Eicherfeld, Betzelseifen, Rothenberg II und Hahnseifen. Obwohl hier noch für einige Jahre Baugelände zur Verfügung steht, hat der Gemeinderat - in die Zukunft blickend - Vorarbeiten für die Erschließung des ,,Steinseifens" aufgenommen - 150 Bauplätze für die achtziger Jahre Die Gemeinde legte bei ihren Bauplanungen besonderen Wert auf Schul- und Sportstättenbau. 1840 wurde in der Donzenbachstraße, 1857 In der Hauptstraße eine Schule gebaut. Eine 1894 in der Hahnseifenstraße gebaute Schule wurde bei wachsender Schülerzahl auch bald zu klein, so daß 1914 im Auengarten eine weitere Schule gebaut werden mußte. In diesen beiden Schulen wurde bis 1962 Unterricht erteilt, bis am Rothenberg eine neue größere Schule eingeweiht wurde.
In Fischbacherhütte wurde 1881 eine einklassige Schule gebaut, 1931 eine vierklassige Schule, die in den sechziger Jahren erheblich erweitert wurde. Alle diese Schulen dienten der katholischen Konfessionsschule. Die evangelischen Schüler wurden zunächst in gemieteten Räumen, seit 1872 in einem eigenen Schulgebäude am Rothenberg unterrichtet. Die Anfang der sechziger Jahre gebaute evangelische Paul-Gerard-Schule in Fischbacherhütte diente nur wenige Jahre als Schulgebäude. Durch die Auflösung der Konfessionsschulen und die Gliederung der Volksschule in Grund- und Hauptschule wurde die Paul-Gerard-Schule bald überflüssig. Das Gebäude diente noch einige Jahre als Kindergarten und mußte dann dem Autobahnzubringer weichen.