Nomborn im Westerwald - 700 Jahre
Hans-Christian Kirsch (Frederik Hetmann)
(aus "Wäller Heimat" - Jahrbuch des Westerwaldkreises 1989 - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Westerwaldkreises)
1989 begeht das Dorf Nomborn seine 700-Jahrfeier. Das Datum wird abgeleitet aus einer Urkunde (Originum Nassoica-rum, II, 317), in der von dem Ort 1289 im Zusammenhang mit einem Lehen des Ritters Rorich von Montabaur die Rede ist.
Geht man weiter in die Vor- und Frühgeschichte zurück, so sind als frühestes Zeugnis der Siedlungsgeschichte zunächst die bei Nomborn auf dem Bornkasten entdeckten Reste eines Steinwalles von Bedeutung. Der Bornkasten liegt etwa 900 Meter (m) Luftlinie in nordwestlicher Richtung von der heutigen Ortsmitte entfernt. Durch die Topographie des Bergrückens, der nach Norden und Westen sehr steil, nach Osten weniger steil und nach Süden schwächer abfällt, wurden künstliche Schutzvorkehrungen nur an der Ost-und Südflanke notwendig. Möglicherweise war dem mindestens vier bis fünf m hohen Wall ein zweiter, kleinerer Wall vorgelagert, bei dem es sich allerdings auch um einen Grabenaushub handeln könnte.
Die Streuung von kleineren und größeren Hüttenlehmbrocken, die Funde von kleinflächigen Lesescherben und eines kleinen fragmentierten Steinbeils (12. Februar 1977), das Vorhandensein einer Quelle mit heilkräftigem Wasser, schließlich auch die sich heute noch auf der Anhöhe befindliche Kapelle all dies deutet darauf hin, daß der Bornkasten ein frühes Siedlungsgebiet ist.
In der Zusammenstellung wichtiger sichtbarer Bodendenkmäler im ehemaligen Regierungsbezirk Montabaur wurde der Bornkasten erstmals 1953 aufgeführt und 1956 auch im Heimatbuch erwähnt. Die damals geäußerten Vermutungen sprechen von einer Anlage aus der späten Eisenzeit, die mit der auf dem Malberg vergleichbar ist.
Genaueren Aufschluß über die Einordnung dieser Anlage in die keltisch geprägte Hunsrück-Eifel-Kultur könnte allerdings wohl nur eine systematische Grabung im Raum der Wallreste und im Umkreis der Hüttenlehmfunde bringen.
Allein vom topographischen Bild des größeren Landschaftsraumes her fällt auf, daß man vom Bornkasten einen guten Sichtkontakt zum Malberg hat. Begibt man sich in den Bereich der Spekulationen, aus dem ja häufig für die archäologische Forschung wichtige Anstöße kamen, so ließe sich vorstellen, daß auf dem Bornkasten ein Vorposten der größeren Befestigung auf dem Malberg gelegen haben könnte, der bei Angriffen vom Süden her (Limes) die Bevölkerung mit Feuerzeichen warnte. Jedenfalls aber bestätigen die günstige topographische Lage und die obenerwähnten Funde die Hypothese einer weit in die Frühgeschichte zurückreichenden Siedlung. Populär ausgedrückt: was später Nomborn wurde, begann auf dem Nomborner Hausberg, dem Bornkasten.
Fahren wir weiter auf der Zeitgeraden aus der fernen Vergangenheit in Richtung frühes Mittelalter, einer Epoche, aus der es Dokumente gibt, so stoßen wir bei dem Historiker Gensicke auf den Versuch, die Gründung des Ortes weit früher als erst vor 700 Jahren in die sogenannte vierte Besiedlungsschicht einzuordnen.
Er nimmt an, daß es unter dem Namen Meineburo (Meinborn) eine Nomborn vorangehende Siedlung gegeben hat. Diese findet Erwähnung im goldenen Buch der Abtei Prüm in einer auf den 16. Juli 821 datierten Urkunde, mit der Kaiser Ludwig dem Folkwin im Engersgau gewisse zum Fiskus eingezogene Güter zurückgibt. Im gleichen Jahr ist urkundlich eine Klause zu Nentershausen (cellam Nantershusanam) erwähnt.
Bis heute gibt es in Nomborn mündliche Überlieferungen über ein Kloster, das in sehr früher Zeit auf dem Ortsgebiet gestanden haben soll. Von daher kommt auch eine Ableitung des Ortsnamens als Non-
Die in den 70er Jahren angelegte Rotdornallee prägt das Bild der Garten- und Wiesenstraße in Nomborn.
nenborn. Das Kloster(areal) wahrscheinlicher ist ein Ableger der cellam Nanterhusanam soll von einer großen Mauer umgeben gewesen sein. An der Mauer hat sich als Gemarkungsname in Nomborn ebenfalls noch lange erhalten.
Sowohl der frühere Ortsname Meinborn, wie auch der Name des Schutzheiligen der in ihren Ursprüngen romanischen Nomborner Kirche, stellen Bezüge zu dem irischen Bischof Kilian her, der gegen Ende des 7. Jahrhunderts mit wenigstens zwei Gefährten in Würzburg und Umgebung das Evangelium predigte und dort wahrscheinlich um das Jahr 689 ermordet wurde. Aus der Passio (Leidensgeschichte) des Scotus (Iren) Killena (Kilian), die um das Jahr 840 entstanden ist, lassen sich zumindest gewisse Anhaltspunkte für das Itinerar (Verzeichnis der Stationen) des Frankenapostels ermitteln. Die Wanderwege des Iren und seiner Begleiter führten immerhin bis nach Büchenwerra bei Kassel, in die Rhön und ins Werratal. Er war übrigens nicht der Schutzpatron der Winzer, zu dem ihn Victor von Scheffel ernennt, sondern der Weißbinder und Scheffler. Ohne dem voreiligen Schluß Nahrung geben zu wollen, Meinborn sei eine Gründung Kilians oder einer seiner Mitarbeiter, ist vorstellbar, daß der Begründer der Nentershauser Klause ein Mönch war, welcher sich der Eremitentradition verbunden fühlte, die gerade in irischen Klöstern besonders gepflegt worden war.
Freilich kann die Wahl des Ortsnamens Meinborn als Vorläufer von Nomborn und die Wahl Kilians als Schutzpatron des Dorfes Nomborn auch in viel allgemeinerem Sinn mit einem frühen Kult um den Frankenapostel zusammenhängen. Die Aufklärung der Frage, ob und wo es in Nomborn ein Kloster oder eine Einsiedlerzelle gegeben hat, die den Kristallisationskern der frühmittelalterlichen, und nun nicht mehr auf dem Bornkasten, sondern in der Talmulde gelegenen Siedlung darstellt, wäre eine für die Heimatforschung interessante Aufgabe.
Sie ließe sich vorantreiben durch eine Situationsbeschreibung in der fränkischen Zeit und die in ihr praktizierten Muster bei der Christianisierung und im Mönchswesen; eventuell aber auch durch Grabungen auf dem als Klosterareal durch die mündliche Überlieferung bezeichneten Grundstück, das sich heute im Besitz der Gemeinde befindet.
Rund 700 Jahre alt sind die Tanzlinden, die auf dem Platz vor der Kirche stehen.
Im 12. Jahrhundert gehörte Nomborn dann zunächst zu der in Nentershausen entstandenen Pfarrei. Nomborns 1525 erstmals beurkundete Kirche oder Kapelle (St. Kilian) dürfte in ihrer ursprünglichen Form zwischen 1150 und 1220 als einschiffiger romanischer Bau entstanden sein. Sie enthält heute unter anderem eine kunsthistorisch interessante Madonnenfigur mit dem Kopf eines sarazenischen Kriegers unter einer Mondsichel, was auf Erinnerungen an die Zeit der Kreuzzüge verweist. Objektive Anhaltspunkte und konkrete Jahreszahlen bieten in Hinblick auf das Alter der Kirche zwei noch heute vorhandene Glocken. Die eine stammt laut Glockenurkunde von Walter aus dem Jahre 1299 und trägt die Inschrift: O Rex glorie vene cum pace. Auf einer größeren Glocke liest man in gotischen Schriftzeichen Jesus Maria heissen ich. Johann Brunvillre gois mich. A. D. 1447.
Aus Urkunden geht hervor, daß 1332 Erzbischof Balduin von Trier dem Grafen Gerhard von Limburg die Hälfte des Dorfes Nomborn zum Lehen gab. In den Jahrhunderten danach wechselte das Dorf häufig seinen Besitzer. In der Rechtspflege gehörte Nomborn zum Niederlahngau. Nach Aufgabe der Gaueinteilung kam es zur Grafschaft Diez, die es 1564 an Kurtrier abtrat. In diesem Jahre standen in Nomborn vierundzwanzig Häuser, die von dreißig Familien bewohnt wurden. Von den Einwohnern die genaue Zahl ist nicht bekannt gehörten neun als Leibeigene zu Trier, fünf zum landgräflichen Walderdorff, sechs zu Nassau, sechs zu Diez und vier zu Isenburg.
Die Schreibweise des Namens Nomborn hat sich im Laufe der Jahrhunderte öfter geändert:
1289 Numburn, später Numern
1525 Numoorn
1564 Naumoorn
1664 Naumborn, später Numborn und dann endlich Nomborn.
Als einzige Kirche in der näheren Umgebung wurde die Kirche von Nomborn während des 30jährigen Krieges nicht zerstört. Die Pfarrei Nentershausen, zu der auch Nomborn immer noch gehörte, wurde damals schwer heimgesucht. 1633 brannten die Schweden die dortige Kirche und das Pfarrhaus vollständig nieder. Wegen der Verarmung der Bevölkerung konnte erst nach 22 Jahren, also im Jahr 1655 mit dem
In Anlehnung an die guterhaltene alte Bausubstanz wurde ein typisches Westerwälder Brunnenhäuschen mit Ziehbrunnen an der Ecke Hohlweg/Hauptstraße rekonstruiert.
Wiederaufbau der Pfarrkirche begonnen werden.
Als 1632 der Pfarrer von Nentershausen starb, blieb die Pfarrei wegen der Armut und der geringen Zahl der Pfarrkinder bis 1662, also 30 Jahre lang, unbesetzt. In dieser Zeit kamen die Nentershäuser in die Kapelle nach Nomborn. Die Messe lasen Priester aus dem Stift in Dietkirchen.
Aus dem Jahr 1711 wird mitgeteilt, daß dem Pfarrer zu Nomborn von jedem Haushalt jährlich ein hausgebackenes Brot zustand.
1726 wird in einem Glockenstreit, den Nomborn mit Nentershausen hatte, Leonhard Noll als Bürgermeister und Sendschöffe erwähnt.
Beraubt und entweiht wurde die Nomborner Kirche allerdings dann 1795 von französischen Truppen. Diese entwendeten einen silbernen Kelch aus dem Jahre 1659, zwei Alben und einen Chorrock.
Mit diesem Ereignis in Zusammenhang stehen könnte der Fund, den ein Einwohner von Nomborn beim Roden eines Gartens 1837 machte. Er entdeckte drei Fuß tief im Erdreich einen schönen Kelch, der in Koblenz verkauft wurde und 38 Gulden brachte.
Erst 1870 erteilte ein päpstliches Dekret wieder die Erlaubnis, das Allerheiligste in der Kirche zu Nomborn aufzubewahren. 1903 endlich legte man den alten, baufällig gewordenen Kirchturm nieder und errichtete einen neuen. Dabei wurde auch der Kirchenraum selbst erweitert. Die Kosten des Umbaus beliefen sich damals auf 10000 Mark.
Nicht weniger interessant ist die Geschichte der Nomborner Schule: Im 18. Jahrhundert gingen die Kinder aus Nomborn hinüber nach Nentershausen in die Schule. Ein Schulbesuch fand damals nur im Winter statt, weil im Sommer die Kinder den Eltern auf dem Feld helfen mußten. 1790 gab es in Nomborn immerhin 45 Schulkinder. Zwischen den Nombornem und den Nentershäusern scheint es zu einem Streit gekommen zu sein. Die Nomborner mußten zusätzlich zu einem Schulgeld Feuerholz liefern, und es wurden Klagen darüber laut, daß die Schulstube dennoch nur schlecht geheizt werde. Im Winter 1794/95 kam ein durch die Ereignisse der Französischen Revolution aus seinem
Beim jährlichen Lindenblütenfest bildet der neugestaltete Lindenplatz mit Dorfbrunnen den Mittelpunkt des Geschehens.
Kloster vertriebener Mönch in seinen Heimatort Nentershausen zurück und hielt in Nomborn Schule, und zwar zwischen dem 1. November und dem 1. Mai sechs Stunden täglich. Für jeden Schüler wurde ihm dafür ein Gulden gezahlt. Als der Mönch wieder in sein Kloster in Trier zurückging, übernahm der Nomborner Schneider Peter Frink den Unterricht, den er in seiner Werkstatt abhielt.
1802 bedachte der Pfarrer Göbel aus Nentershausen in seinem Testament das Dorf Nomborn mit einer Stiftung von 150 Gulden. Die Zinsen wurden von nun an dazu verwendet, einen Kirchendiener zu bezahlen. Im ersten Stock des 1803 erbauten Backhauses gab es nun auch einen Schulraum. Als der Schneider Frink 1813 starb, ging das Amt des Lehrers auf den Schuster Jakob Weidenfeiler über. Es dauerte noch bis 1820, ehe mit Johann Acht aus Montabaur der erste an einem Seminar ausgebildete Lehrer nach Nomborn kam. Er verdiente im Jahr 50 Gulden und 30 Kreuzer. Hinzu kam eine Wohnungsvergünstigung von 20 Gulden. Aufgebessert wurde dieses nicht gerade üppige Gehalt durch sieben Gulden und 30 Kreuzer für die zusätzliche Tätigkeit als Kirchendiener, ein Geldbetrag, der aus den Zinsen der oben erwähnten Stiftung von Pfarrer Göbel stammte.
Eine bis ins 20. Jahrhundert benutzte Schule wurde 1839 auf dem Grundstück des heutigen Gemeindehauses errichtet, wobei sich im Schulhaus auch die Lehrerwohnung befand.
Aus dem Jahr 1846 stammt eine im Hessischen Staatsarchiv in Wiesbaden einzusehende Anzeige des Schultheiß Diefenbach, Ortsvorstand Nomborn auf dem Amte zu Wallmerod, gegen den Lehrer Weil zu Nomborn, in der es heißt: Wenn Lehrer Weil zum Unterricht die Schulkinder versammeln läßt, gibt er den großen Schulkindern den Auftrag, manchmal Schule zu halten. Er verläßt die Schule dann, geht seinen zu verrichtenden Arbeiten nach, wodurch viele Unordnung im Haus und Feindschaft unter den Kindern sich ergeben. (. . .) hat er Bestellungen für seine häuslichen Geschäfte in einem Ort oder in der Stadt, sei es nah oder weit oder sonstige Arbeit in Feld oder Wiesen zu verrichten, so bedient er sich der Schulkinder dazu, während er mit den anderen den
Die vom Nomborner Vereinsring gestiftete Brunnenpumpe verschönert die Ecke Mittelstraße/Hauptstraße.
Schulunterricht fortsetzte. (. . .) Straft er die Kinder mit Arrest, so behält er dieselben von morgens bis abends, manchmal bis Dunkelnacht, ohne sie nach Hause gehen zu lassen, ohne Essen innerhalb der Schule. I
st die Schule mit den anderen beendet, so verschließt er den Schulsaal und können die Kinder, wenn die Not(durft) erfolgt, nicht einmal auf den Abtritt kommen, deswegen öfters Schweinereien in dem Schulsaal und bei manchen Kindern Krankheiten entstehen können.
Dies sind einige Daten und Episoden aus der Vergangenheit des Dorfes, die es uns ermöglichen, wenigstens eine ungefähre Vorstellung vom Leben damals zu gewinnen.
Daß sie sich in einem so kleinen Dorf erhalten haben, ist nicht zuletzt besonders einem Einwohner von Nomborn zu verdanken: Alois Noll (geb. 1899), der 1930 damit begann, die Geschichte seiner Familie über 300 Jahre hin zurückzuverfolgen. Er hat in seiner Familienchronik, die im Rahmen einer Publikation zur 700-Jahrfeier der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden wird, nicht nur Einzelheiten über Lebensumstände, Sitten und Gebräuche und Arbeitsverhältnisse im Dorf zwischen 1855 und heute festgehalten, sondern auch zuverlässig wichtige Daten der Dorfgeschichte notiert, die sonst wahrscheinlich verloren gegangen wären.
An die von ihm begründete Tradition anschließend, erarbeitet eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern einen Bericht, der vor allem die Ereignisse und den Dorfalltag seit 1900 genauer darstellen wird. Es wurde dazu ein Raster von circa 100 Fragen für alle Lebensbereiche (Haus- und Flurnamen, wann gab es das erste Telefon, wann das erste Auto, alte Rezepte, welche Gemüsesorten wurden angebaut, bis wann wurden Tischgebete gesprochen und wie lauteten sie, welche Kinderspiele und Abzählreime sind noch bekannt etc.?) entwickelt. Mit diesem befragten die Mitglieder der Arbeitsgruppe die Angehörigen der älteren Generation. Oft wurden die alten Männer und Frauen durch solche Fragen und Stichworte zu höchst lebendigen Darstellungen von Episoden aus dem Dorfleben angeregt, die dann in die Chronik zur 700-Jahrfeier eingehen werden.