Rund um den ,,Stegskopf' bei Emmerzhausen
VOM HÖCHSTEN BERG DES HEIMATKREISES ALTENKIRCHEN IM RHEINISCHEN WESTERWALD
Aus dem Jahrbuch 1981 des Kreisheimat-Verein Altenkirchen-Westerwald
(Nachdruck mit dessen Erlaubnis)
Autor: Alfred Schneider
Dreißig Jahre sind es nun im Frühjahr 1981 her, seit der Stegskopf bei Emmerzhausen, mit 654 Meter über NN die höchste Erhebung im rheinischen Westerwald, durch die Errichtung eines militärischen Übungsgeländes dem Wanderer, Naturfreund und Skisportler als Eldorado £ür seine Interessen verschlossen ist.
Am Himmelfahrstag 1951 war dort das letzte große Treffen der Wanderer und Heimatfreunde aus nah und fern. Tausende waren damals bei der Sternwanderung des gesamten Westerwaldvereins dabei. Niemand ahnte, daß es das letzte Mal sein sollte, daß man den Stegskopf ungezwungen und ohne Einschränkung besuchen konnte.
"Maschinenpistolen gegen Skibretter" stand darauf in einer heimischen Zeitung. Die Sache schlug Wellen. Bei General Koenig, dem französischen Oberkommandierenden in BadenBaden, wurde sie abgeklärt und bereinigt. Der Redakteur der Heimatzeitung hatte Schwierigkeiten bekommen. Die Landesregierung in Mainz schaltete sich ein.
1957 belegte dann die 1956 gebildete Bundeswehr den Stegskopf und dehnte das Übungs- und Schießgelände beträchtlich aus.
Die ,,Siegfriedhütte", nach des Krieges- und der Nachkriegszeitwirren neu eingerichtet, war der Mittelpunkt des Wanderertreffens. Im darauffolgenden Monat gab es schon Einschränkungen. Die damalige französische Besatzungsmacht hatte das Lager Stegskopf beschlagnahmt. Bald darauf standen an allen Ecken und Enden die Schilder ,,Attention". Das Betreten des Stegskopfes und seiner umliegenden Gemarkungen zwischen Emmerzhausen, Derschen, Friedewald, Nisterberg, Hof, Salzburg, Stein, Neukirch und Lippe war verboten. Es wurde dort ein Truppenübungsplatz eingerichtet.
Als im Winter 1952/53 eine Skiläufer-Gruppe des Daadener Turnvereins zu einem SkiLanglauf nach den ,,Fuchskauten" bei Nister-Möhrendorf entlang der alten ,,Kühfelder Straße" laufen wollte, wurde sie von französischen Soldaten mit Maschinenpistolen daran gehindert.
Die Gemeinden des damaligen Amtes Daaden mußten viel Land abgeben und erhielten für die Waldflächen Ersatzwald aus Bundesbesitz; für Weide- und Ödland wurden sie entschädigt. Abgegeben werden mußten von Derschen 126,2 ha Wald, 49,9 ha Wiesen und Felder, von Emmerzhausen 83,1 ha Wald, 62,0 Wiesen und Felder, von Friedewald 177,8 ha Wald, 53,5 ha Wiesen und Felder, von Nisterberg 97,0 ha Wald und 39,3 ha Wiesen und Felder. Die Bundeswehr hat seither auch noch weitere größere Baulichkeiten erstellt.
Frohgemut waren nach der harten Kriegs- und Nachkriegszeit die Wander- und Heimatfreunde im Winter 1949/50 wieder an die Neueinrichtung der ,,Siegfriedhütte" gegangen.
Am 4. Juni1950 wurde sie nach durchführter Renovierung wieder ihrer alten Bestimmung übergeben. Doch alle Arbeit war vergebens, als dann das Gelände in zunehmendem Maße militärisch genutzt wurde.
Die reizvolle Hütte hatte zwei Schlafräume und einen großen Aufenthaltsraum mit Küche.Von der großen überdachten Veranda konnte man weit ins Daadetal und auf die Höhen des Westerwaldes blicken. Nur noch eine Bank aus Eichenholz hat vom Inventar überlebt. Sie hat einen Ehrenplatz in def Skihütte des Daadener Turnvereins im ,,Steinchen" bekommen.
Der Westerwaldverein Daaden wurde damals vom Bund für die verloren gegangene "Siegfried-Hütte" entschädigt. Von der Entschädigung wurde eine neue Wandeterhütte am ,,Hochborn,, auf dem ,,Hommelshahn" in der Daadener Gemarkung gebaut. Deren bauliche Gestaltung gefällt jedoch nicht besonders und paßt sich nur wenig dem Landschaftsbild an. Auch ist die Hütte als offene Wandererhütte eingerichtet und also auch von daher kein Ersatz für die verlorengegangene ,,Siegfried-Hütte". Die Bundeswehr-Standortverwaltung läßt gegenwärtig jedoch nur rund 100 Meter unter dem alten Standort der ehemaligen ,,Siegfried-Hütte" eine neue erbauen. Sie soll die Erinnerung an die ehemalige Hütte wachhalten. Zivilpersonen werden allerdings zu ihr keinen Zugang haben, es sei denn bei besonderen Außnahmen, denn die Hütte liegt mitten im militärischen Sperrgebiet. Sie soll mehr oder weniger den Soldaten und Angehörigen der Standortverwaltung als Stätte für gesellige Feiern dienen.
Mit der ,,Siegfried-Hütte" ging auch die in der Nähe gelegene ,,Siegfried"-Quelle verloren. Hier holte sich der Wanderer frisches Wasser; wenn er in der Hütte kochen wollte. Hochbetrieb hatte der Stegskopf immer am Himmelfahrtstag und zu Pfingsten. Jedes Jahr einmal zum Stegskopf, das war für manchen Natur- und Heimatfreund im Daadetal und seiner Umgebung selbstverständlich. Die Vereine, darunter der Daadener Turnverein und auch die Feuerwehrkapelle Daaden (heute Daadetaler Knappenkapelle), wählten als ihr Wanderziel stets den Stegskop£ Morgens um 5 Uhr ging es schon über die ,,Steinchesmühle" und die " Maudener Stirn" dorthin los.
Im Frühjahr 1930 erhielt der Stegskopf eine besondere Attraktion. Es wurde dort ein 24 Meter hoher Aussichtsturm gebaut. Am 4. Mai 1930 wurde er im Beisein vieler Besucher eingeweiht. 124 Stufen konnte man in die Höhe klettern. Weit ging dann der Blick von der Plattform in das Land hinein. Bei schönem Wetter konnte man den Feldberg im Taunus, die Hohe Acht in der Eifel mit dem Nürburgring sowie den Giller und Kindelsberg im Siegerland sehen.
Der Aussichtsturm, in Stahlkonstruktion von den ,,Freier Grunder Eisenwerken" erbaut, steht heute noch. Er darf aber seit über 20 Jahren nicht mehr betreten werden. Am unteren Teil des Turmes sind große Stacheldrahtverhaue angebracht. Während des Krieges 1939/45 diente er als Beobachtungsstelle für Waldbrände, die inbesondere durch Brandplättchen feindlicher Flieger angeblich entstehen sollten. Der Beobachter hatte zu dieser Zeit eine kleine Hütte auf der Plattform des Aussichtsturms.
,,Militärisch" genutzt wurde der Turm auch noch einmal in den sechziger Jahren. Amerikanische Soldaten waren hier in einigen Zelten stationiert und unterhielten auf der Plattform eine militärische Sende- oder Beobachtungsstation.
Seither herrscht Ruhe um dem Aussichtsturm. Nur noch ,,illegal" wird der Turm hier und da einmal bestiegen. Die Tannen rings um den Turm, das sei jedoch den früheren Liebhabern des Stegskopfes mitgeteilt, sind jetzt fast so hoch wie der Aussichtsturm.
Doch nicht nur Hütte, Aussichtsturm und ,,Siegfried"-Qielle hatte der Stegskopf als Anziehungspunkte aufzuweisen. Für die Skisportler und die Rodler wurden eine Sprungschanze und eine Rodelbahn angelegt. Die Ski-Sprungschanze wurde 1932 noch einmal neu gebaut. Der hölzerne Anlaufsteg verfiel jedoch in der Kriegs- und Nachkriegszeit, doch über die Piste der Schanze führten dann einige Jahre die Ski-Abfahrtsläufe bei den Meisterschaften der Skisportler, bis die Nutzuiig als Truppenübungsplatz dem ein Ende machte. Ende der dreißiger Jahre und auch in den ersten Kriegsjahren 1939/45 wurden auf dem Stegskopf namhafte Skimeisterschaften durchgeführt, so unter anderem auch die Gaumeisterschaften des ehem. Gaues Westmark.
Eingeführt hatte den Skilauf in diesem Teil des Westerwaldes der rheinische Skipionier Siegfried Koch, ein Kaufmann aus Neuwied. Unterstützt wurde er hierbei vom Grafen Alexander von Sayn-Hachenburg, dem Wiedererbauer des Schloßes Friedewald, der auch damals noch auf Schloß Friedewald residierte. Nach Siegfried Koch wurden damals auch die Hütte und die Ouelle benannt. Beim Bau der Hütte wirkte außer einigen Daadener Bürgern unter ihnen der Kaufmann Eugen Reusch (,,Kapperobert") und der unvergessene Gastwirt Ferdinand Fischbach aus dem abgebrochenen Gasthof zur Linde in Daaden, besonders die Lehrerschaft aus Daaden und Umgebung mit. Dr. Waldemar Lichtenberger, heute 89jährig in Sobemheim/Nahe als Akademiedirektor im Ruhestand lebend, ist der einzige heute noch lebende Miterbauer der ehemaligen ,,Siegfried-Hütte".
Besondere Verdienste um den Bau dieser Hütte und deren anschließende Betreuung erwarb sich außerdem der Emmerzhausener Lehrer Peter Hoffmann. Er war der getreue Ekkehard der Hütte, bis er 1935 in Emmerzhausen verstarb. Hilda Hoffmann führte die Verwaltung der Hütte im Sinne ihres Vaters weiter. In den zwanziger und dreißigerJahren war die Hütte oft von Dauergästen belegt, besonders im Sommer. Auch die Gastwirtsfamilie Ernst in Emmerzhausen ist mit der Hütte und dem Stegskopf immer eng verbunden gewesen. Gastwirt Edmund Ernst brachte mit Pferd und Wagen und im Winter mit Schlitten die Verpflegung auf die Höhe 654,4 Meter. Anfangs gab es hierhin überhaupt noch keinen Weg. Das wurde anders, als der Stegskopf durch die Kreisbahn Altenkirchen, heute ,,Westerwaldbahn" für den Schienenverkehr erschlossen wurde. Von Elkenroth, Weitefeld und Friedewald her verlief die Schienenspur oberhalb von Derschen und Emmerzhausen bis zur Lippe.
Der höchste Berg des rheinischen Westerwaldes war damit an die große Welt angeschlossen. Das wurde besonders deutlich als im Sommer eines Nachkriegsjahres Kinder aus Paris mit ,,Pullmann-Wagen" angereist kamen. Die verlebten in den Gebäuden des Lagers Stegskopf ihre Sommerferien.
Angefangen hatte es mit den Baulichkeiten auf dem Stegskopf mit dem Freiwilligen Arbeitsdienst, dem der staatliche ,,Reichs-Arbeitsdienst" bis 1936 folgte. Die Arbeitsdienstmänner bauten Wege und Straße, legten Sumpfgelände trocken und trugen zur Erschließung des ,,O, du schöner Westerwald" bei.
Vor und mit den ersten Arbeitsdienstlern hatten neben den Wanderern und Skiläufern auch die Segelflieger den Stegskopf entdeckt. Sie errichteten eine Baracke im Weichbild der Stegskopf-Höhe und führten mit einfachen Schulgleitern hier ihre ersten Segelflüge durch. Als 1936 der Reichsarbeitsdienst das 1934 errichtete Lager ,,York von Wartenburg" räumte und nach Hasselbach bei Altenkirchen ging, war es mit dem Domröschenschlaf des Stegskopfes endgültig vorbei. Das ,,Reich" errichtete anschließend ein Polizeiübungslager. Mehrere Hundertschaften junger Polizisten wurden hier ausgebildet, und am Wochenende wimmelte es in den Dörfern um den Stegskopf herum nur so von ,,Grünen". 29 große Barakken wurden damals gebaut. Pausenlos rollten die Lkw's vom Bahnhof Daaden über Emmerzhausen~ nach dem Stegskopf mit Baumaterialien. Bei der Einweihung gab es in Daaden vor dem Gasthof zur Linde eine große Parade in Anwesenheit hoher Vertreter von ,,Partei, Staat und Wehrmacht bezw. Polizei". Nachfolger der Polizei in der Nutzung des Lagers wurde die Hitlerjugend, die Jugendorganisation der NSDAP.
Das Reichsausbildungslager ,,Prinz Eugen" wurde hier eröffnet und bildete HJ-Führern vormilitärisch aus. Eine Oberschule und Hochfrequenz-Forschungsstelle wurde angeliedert. Als der Krieg im Westerwald in den letzten Märztagen des Jahres 1945 zu Ende ging, wurde das Lager in vielen Bereichen ausgeplündert. Anschließend war dort ein Sammellager für die Frauen und Männer aus den europäischen Ländern, die während des Krieges als ,,Fremdarbeiter" zur Arbeit nach hier geholt worden waren. Sie hatten insbesondere auf den Erzgruben des Daade- und HeIlertales gearbeitet.
Das war damals eine schlimme Zeit für die Anlieger des Stegskopfes; raubend und plündernd zogen diese jetzigen Bewohner des Stegskopfes durch Dörfer, auch zur Nachtzeit. Laienprediger Schutte aus Niederdreisbach wurde sogar anläßlich einer Fahrradfahrt nach Nisterberg ermordet. Die eigentlichen Kriegshandlungen in den Wochen und Monaten zuvor waren recht harmlos vorbeigegangen. Einige Bomben feindlicher Flugzeuge zerstörten zwei Unterkunftsgebäude, Menschen kamen nicht zu Schaden. Als dann anschließend die französische Besatzungsmacht auf dem Stegskopf neuer Herr wurde, kam es - wie erwähnt wieder zur Neueinrichtung des Lagers. So ging es dann nach den zwei Jahren Sommer -Ferienlager für Pariser Kinder alsbald auf dem Stegskopf wieder militärisch zu.
Heute ist er fast 25 Jahre in der Hand der Bundeswehr. Für viele Bürger aus den umliegenden Dörfern bietet der Truppenübungsplatz seither einen sicheren Arbeitsplatz und guten Verdienst. Allerdings hat er auch seine Nachteile. In den anliegenden Dörfern wird oft Beschwerde über starken Verkehrslärm, auch zur Nachtzeit, geführt. Noch größer sind die Beschwerden über den Schießlärm, der besonders zur Nachtzeit als sehr störend empfunden wird.
Das ist die Geschichte des Stegskopfes in den letzten 75 Jahren. Viel hat sich dort seither verändert. Aber auch in den Jahrhunderten und Jahrzehnten davor hatte der Stegskopf seine Geschichte. Hieran erinnern die Flurnamen ,,Läusewiese", ,,Kühfelder Stein", ,,Drei-Ländereck" und ,,Adolfsburg".