Steinshardt
(von Eberhard Krebs)
Nach dem Neustädter Hahnenbruch
zählte Steinshardt zwanzig und Schönessen, das heute
zu Steinshardt gehört, drei Häuser.
„Schönessen“ ist noch im Flurnamen
„Schünester“ erhalten. Das Kloster St.
Katharinen besaß in Steinshardt ein Feld von mehr als drei
Morgen Größe, das 1743 für einen
cölln. Gulden je Morgen verlehnt war. 1787 brachte das Feld
dem Kloster noch einen Malter ein Sester Hafer an Pacht ein. 1797
musste es aber wegen der Finanznot des Klosters für 166 rth 61
Alb 9 hlr verkauft werden.
Im selben Jahr hatten die Steinshardter an den Kurfürsten und
Erzbischof von Köln , der ja der Landesherr war, ein
Bittgesuch um das notwendige Holz für eine eigene Kapelle
gerichtet mit der Begründung , dass der Weg zur Pfarrkirche
nach Neustadt zu weit sei. Der Kurfürst hatte wohl ein
Einsehen und den Holzschlag bewilligt. Wie die Urkunde aussagt, wurde
die Kapelle von den Bewohnern des kleinen Ortes selbst, der damals etwa
100 Einwohner zählte, errichtet. Laut einer handschriftlichen
Errichtungsurkunde vom 20. September 1801 wurde die Kapelle unter
Probst Zaun und Pastor Josef Hecker von Neustadt erbaut. Sie war 6 m
tief, 4 m breit, mit drei Seiten des Achtecks geschlossen und mit einer
Holztonne überwölbt. In einer Nische über
der Eingangstür auf der Westseite stand eine 60 cm hohe
Petrusfigur, die leider beim oder nach dem Abriss der Kapelle verloren
gegangen ist. Auf dem First des Daches saß sein
zwiebelförmiger Dachreiter mit einer gotischen Helmspitze, in
dem spätestens seit 1852 eine kleine Bronzeglocke von 30 kg
Gewicht hing, die einen Durchmesser von 36 cm hatte. Der Glockenmund
wurde durch ein umlaufendes Weinlaubenfries geschmückt.
Früher rief sie täglich zum
„Angelusgebet“, manchmal zur Messe oder einer
Andacht, und wahrscheinlich kündigte sie auch Fest- und
Hochzeiten, Ungewitter und Nöte an. Die kleine Glocke wurde in
beiden Weltkriegen eingezogen, aber beide Male blieb sie verschont,
konnte später wieder heimkehren und ihren Dienst versehen.
Nach den „Kunstdenkmälern der
Rheinprovinz“ wurde der kleine Hochaltar aus Holz um 1700
gefertigt. In seinen Wangen waren zwei kleine
Reliquienbehälter angebracht und im oberen Bogen schwebten
zwei Engel, die einen Märtyrer- oder Siegeskranz trugen. Wie
eine Urkunde ausweist, wurde die Kapelle „aufs neue
errichtet“ und diesmal die Erlaubnis erteilt, in ihr die
heilige Messe lesen zu dürfen. Es gab als vorher schon eine
Kapelle. Die Reliquienplatte, die in den Altartisch der alten Kapelle
versenkt war, bezeugte, dass in Steinshardt schon seit 1511 eine
Kapelle stand, die den heiligen Crispin und Crispinianus
geweiht war. Der Holzaltar weist daraufhin, dass sie wohl um 1700
renoviert oder neu errichtet wurde. Wir dürfen annehmen, dass
es sich dabei „Öm e
Hellijehüsje“, eine Hof- oder Wegekapelle in
Fachwerk gehandelt hat.
Aber wie kamen die heute fast unbekannten Heiligen, Crispin und
Crispinianus, in unsere Gegend? Wer waren sie überhaupt? Die
beiden Heiligen sind nämlich die Patrone der Schuster, Gerber,
Sattler, Handschuhmacher, eben der Lederverarbeiter. Ihre Biographien
berichten, dass sie als vornehme Römer geboren, ihr Hab und
Gut verkauften und nach Soissons in Frankreich zogen, wo sie das
Evangelium verkündeten und ihren Lebensunter- halt als
Schuster verdienten. In der Verfolgung unter Kaiser Maximilian
verweigerten sie Götzenopfer und wurden deshalb auf
vielfältige Weise gefoltert und schließlich
enthauptet. Ihre Gebeine ruhen in den Domen von Soissons und
Osnabrück. Von dort hat sich ihr Kult, vor allem im 13.
Jahrhundert, über ganz Europa verbreitet. Durch gemalte
Darstellungen ihres Lebens wissen wir, dass sie einmal ein ertrunkenes
Kind gerettet und andere Wunderzeichen gewirkt haben. Die Rettung des
ertrunkenen Kindes durch die Heiligen war wohl für unsere
Westerwälder Vorfahren Grund genug, bei den beiden Heiligen
Hilfe zu erbitten, wenn ihre Kleinsten von Krämpfen
geschüttelt wurden. Wo sonst hätten Sie hingehen
können? Sie haben keine großen theologischen
Hintergrundfragen gewälzt, sondern sich dort und bei dem Hilfe
gesucht, der für ihre Note greifbar war. So kamen sie
vertrauensvoll von weit her zu der kleinen Walfahrtsstätte.
Als Opfer- und Dankgabe brachten sie eine Schütte Korn mit,
die sie in ein Kinderhemdchen gebunden in die Kornkiste der Kapelle
legten.
Wir dürfen davon ausgehen, dass in den beiden
Reliquienkästchen des Altares kleine Partikel der Heiligen
aufbewahrt wurden. Wo sie herkamen und wer sie mitbrachte, wird wohl
immer in Dunkeln bleiben. Dass die Kapelle von 1801 dem heiligen Petrus
geweiht wurde, geht wohl auf die Cistercienser von Heisterbach
zurück, die ja über Jahrhunderte die Pfarrer von
Neustadt stellten. Jedenfalls dürfte der fromme Brauch der
Anrufung des heiligen Petrus bei Tod die Wallfahrt zu Crispin und
Crispinianus nach und nach verdrängt haben. Bis in unsere Zeit
war es gute Gewohnheit, bei Todesfällen sowohl eine
Petruskapelle, als auch eine solche der Schmerzhaften Mutter
aufzusuchen. „Am dritten Daach“ nach dem Tode
machten sich jeweils drei Mädchen aus der Nachbarschaft betend
zu den Gnadenkapellen auf den Weg, um Gnade und Erbarmen für
die Verstorbenen zu erflehen. Zu Petrus ging man, weil er die
Schlüssel zum Himmelreich besitzt, zur Schmerzensmutter um
Fürbitte von ihr bei ihrem Sohn am Tage des Gerichts zu
erflehen.
1945 wurden die neun Bewohner aus Steinshardt, die am 15. März
durch deutschen Artillerie-beschuß umkamen, sowie drei
deutsche Soldaten neben der Kapelle begraben. Ein sinnvoller Ort. 1947
wurde die Kapelle noch einmal gründlich von heimischen
Handwerkern saniert, so dass am Kirmestag wieder ein feierliches
Hochamt mit Segen zelebriert werden konnte.
Warum 1974 die traditionsreiche und viel besuchte Kapelle dem Abriss
zum Opfer fiel, ist heute nicht mehr verständlich. An ihrer
Stelle wurde durch eine Stiftung der Familie Borgner vom
Rödderhof eine Art Wege- oder Gedächtniskapelle
errichtet, die am 30. Juni 1975 ebenfalls auf den
Apostelfürsten Petrus geweiht wurde. Auf dem linken
Türpfosten sind die 1945 umgekommenen Steinshardter namentlich
verzeichnet.
-
Quelle:
1) Rund um den Hummelsberg – die
Verbandsgemeinde Linz/Rhein
Verfasser: Adalbert N. Schmitz
2) Festschrift „100 Jahre St.
Hubertus Schützenbruderschaft Steinshardt e.V.“
von 2000 – Artikel „Die Kapelle von Steinshardt