Weiselstein

950 Jahre Weiselstein

Aus dem Jahrbuch 1999 des Kreisheimat-Verein Altenkirchen - Westerwald

Gekürzter Nachdruck mit dessen Erlaubnis

Autor: Norbert Lorsbach

In der Grenzbeschreibung des Pfarrsprengels zu Haiger, welche Erzbischof Eberhard von Trier am 4. Mai des Jahres 1048 anläßlich der Benediktion der dortigen Pfarrkirche niederschreiben ließ, begegnet uns neben einigen anderen Siedlungsnamen wie z.B. Scheuerfeld oder Freusburg auch erstmals die Ortsbezeichnung Weiselstein (Wizzenstein). Mit dem Dokument des Jahres 1048 bestätigt der Trierer Erzbischof eine ältere, aus dem Jahr 913 datierende Grenzbeschreibung, welche seinerzeit durch König Konrad 1. erstmals festgelegt wurde. Von dieser Urkunde ist jedoch lediglich die Präambel überliefert. Man kann aber davon ausgehen, daß dieser Präambel eine ähnlich wenn nicht sogar gleichlautende Grenzbeschreibung folgte, wie sie Erzbischof Eberhard niederschreiben ließ, da sich der Trierer Erzbischof in seinem Dokument ausdrücklich auf die von König Konrad 1. festgelegten Grenzen bezieht. Wörtlich heißt es in der Urkunde des Jahres 1048:

Eodem vero die prefatus archiepiscopus Eberhardus eiusdem ecclesie terminationem sua episcopali potestate publice confirmavit, sicut eandem terminationem simul cum ecclesia Cunradus rex ad altare sancte WaIburgis virginis in Willanaburg constructum regali potestate, sicut infra sciptum continet exemplum, antea tradiderat.

Vor diesem Hintergrund kann man wohl mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß die eingangs erwähnten Siedlungsnamen schon im Jahr 913 erstmals schriftlich dokumentiert wurden. Ob sich, bezogen auf die Ortsbezeichnung Weiselstein, zu diesem Zeitpunkt, respektive um 1048, dort bereits eine Hofsiedlung befand, liegt im Dunkel der Geschichte, ist aber relativ wahrscheinlich, zumal andere Siedlugen unserer Heimat, wie etwa Weitefeld im Jahr 848 oder der Hof Hombach im Jahr 927 beurkundet ist.

Der Name des bis heute lediglich zu einem Weiler herangewachsenen Hofes im EIbbachtal leitet sich von dem ehemals dort zu Tage tretenden mächtigen Quarzitfelsen ab, dessen Farbgebung sich in dem althochdeutschen Bestimmungswort der Ortsbezeichnung wiederfindet. Dieser, nur unweit vom Hof am linken Ufer des Elbbaches gelegene Fels wurde beirn Bau der Trasse der Westerwaldbahn gesprengt und ist seit dieser Zeit aus dem Landschaftsbildes des Eibbachtales verschwunden. Die Markanz dieses Felsen mag wohl die Verfasser der Grenzbeschreibung des Haigerer Pfarrsprengels, respektive König Konrad 1., dazu veranlaßt haben, dieses natürliche Wahrzeichen als einen Fixpunkt der Pfarrgrenze zu benennen.

Die Überlieferung nach soll der hl. Bonifatius vom Weiselstein herab gepredigt haben, um die heidnischen Siedler der hiesigen Gegend zum Christentum zu bekehren. Da auch Kröll in seinem Werk ,,Die Pfarrei Gebhardihain im Gebiete der ehemaligen Herrschaft Freusburg", die Auffassung vertritt, Bonifatius habe in der hiesigen Gegend gewirkt, so ist die mündliche Überlieferung vielleicht gar nicht so abwegig. Als belegt gilt jedenfalls die Tatsache, das die christlichen Missionare des ersten Jahrtausends germanische Kultstätten oder Heiligtümer zur Verkündung ihrer Lehre bevorzugten, konnten sie doch damit deutlich machen, daß die germanischen Gottheiten den Verkündern des Evangeliums nichts anzuhaben vermochten. Im Christentum wurzelt wohl auch der im Volksmund überlieferte andere Name des Weiselsteines, welcher dort als Teufelsley bezeichnet wird. Mit dem Bestimmungswort dieses Namens wird vielleicht die am Weiselstein vermutete germanische Kult- oder Opferstätte reflektiert, welche aus christlicher Sicht teuflisch, weil heidnisch war. Ob nun Bonifatius persönlich oder einer seiner Mitstreiter oder Nachfolger tatsächlich vom Weiselstein respektive der Teufelsley herab das Evangelium verkündeten, bleibt letzdich im Dunkel der Geschichte verborgen.

Als mutmaßliches Heiligtum der Germanen war der Weiselstein möglicherweise auch Malstart, d.h. Gerichts- und Versammlungsstätte. Diese Auffassung vertritt August Wolf in seiner Geschichte von Betzdorf. Wolf sucht sogar die Wurzel der bis ins Mittelalter belegten, uralten Gebhardshainer Gerichtsbarkeit in der dort vermuteten germanischen Malstatt.

Von dem ehemals mächtigen Quarzirfelsen am linken Ufer des Eibbaches, Heiligtum der Germanen, Kanzel der Verkünder des Evangeliums in unserer Heimat und markantem Fixpunkt der Grenze des Haigerer Pfarrsprengels, zeugen heute nur noch zwei Fotodokumente, welche dem in Hommelsberg gebürtigen Peter Weiler zuzuordnen sind, dessen fotograflsches Schaffen zu Beginn unseres Jahrhunderts überregionale Bedeutung erlangt hat. Von der Geschichte des nach dem Quarzitfelsen benannten und unmittelbar benachbarten Hofes künden dessen Gemarkungsnamen, deren Ursprung - wie anderswo auch - oft im Dunkel der Vergangenheit verborgen liegt. Obwohl der heutige Zustand der Weiselsteiner Gemarkungen in Teilen sicher nicht mehr deren historischen Bild entspricht, so gibt dies von Menschenhand geschaffene Kulturlandschaft dennoch interessanten Aufschluß, da sich zumindest der Umfang der zur Hofsiedlung Weiselstein gehörenden Wirtschaftsflächen über die Jahrhunderte hinweg so gut wie kaum verändert haben dürfte. Da die Siedlung bis heute nicht über die Größe eines Weilers hinausgewachsen ist, können wir in Verbindung mit den überlieferten Gemarkungsnamen ziemlich genau erkennen, wieviel Land in welcher Form bewirtschaftet werden mußte, um eine Siedlung dieser Größenordnung über die Jahrhunderte hinweg lebensfähig zu erhalten. Dabei ist bemerkenswert, daß auch noch in den Katasterkarte des Jahres 1910 eine relativ geringe Parzellierung festzustellen ist. Dies läßt den Schluß zu, daß das zum Hof gehörende Land sich zu diesem Zeitpunkt auch noch nach Jahrhunderten Siedlungsgeschichte in nur wenigen Händen befunden hat. Erst mit dem Beginn der Neuzeit ist die Abhängigkeit der Existenz des Hofes von Größe und Nutzung seiner Kulturlandschaft zunehmend in den Hintergrund getreten, so daß das heutige Erscheinungsbild seiner Gemarkungen nur noch teilweise mit deren überlieferten Namen übereinstimmt.