Der Westerwald

(von Torsten Schwarz)

Nach unserer Herkunft befragt würden viele von uns sicher ohne Zögern ‚Aus dem Westerwald’ antworten. Doch so selbstverständlich ist diese Antwort eigentlich gar nicht. Der Name Westerwald erscheint in der Überlieferung zuerst im Jahre 1048, als der Trierer Erzbischof Eberhard die Kirche von Haiger weihte und die Grenzen ihres Sprengels beschrieb. Dabei wurde der Teil des Waldes, der zwischen der Nister und der Südgrenze des Kirchensprengels lag, wegen seiner geografischen Lage "im Westen des Königshofes Herborn" Westerwald genannt. Dieser Wald mit seinen Außengrenzen, den Grenzen der Herrschaft zum Westerwald mit den späteren drei Kirchspielen Marienberg, Emmerichenhain und Neukirch, war zum Zeitpunkt seiner Ersterwähnung schon kein geschlossenes Waldgebiet mehr, sondern bereits besiedelt. Mehr als drei Jahrhunderte beschränkte sich der Name Westerwald auf dieses Gebiet.

Erst 1390 werden die sechs Diezer Kirchspiele Hundsangen, Nentershausen, Meudt, Salz, Rotenhain und Höhn "auf dem Walde" und 1470 als Kirchspiele "zum Westerwalde" genannt. Eine weitere Ausdehnung des Namens finden wir bereits im 15. Jahrhundert, als 1429 ein Landschreiber "uffem Westerwalde" für Hadamar, Ellar und Driedorf begegnet. Ein Reitergedicht um 1450 hat nicht nur den Reim "Kompstu denn auf den Westerwalt, da ist es sommer und winter kalt", sondern rechnet auch Schönstein und Koberstein im Nordwesten zum Westerwald, den Seelbacher Grund und Friedewald jedoch nicht eindeutig.

1517 werden Liebenscheid und Rabenscheid und 1527 Elsoff zum Westerwald gerechnet. Eine kaiserliche Schrift an die Reichsritterschaft kennt 1547 den Westerwald auf beiden Seiten der Lahn. 1608 wird in einem historischen Bericht der "Westerwald über der Lahn" zum Westerwald gerechnet, ebenso die Grafschaften Isenburg, Wied und Sayn. Der Geograf J. H. Dielhelm rechnet wenig später die Fürstentümer Nassau-Siegen, Dillenburg und Hadamar, Beilstein und die Grafschaften Wittgenstein, Leiningen-Westerburg und Wied zum Westerwald. Seit dem 17. Jahrhundert, als sich die Grafen von Wied, Sayn und Leiningen-Westerburg zu einem "Westerwälder Kreis" zusammenschlossen, hat sich der Name auch auf den vorderen Westerwald ausgedehnt. 1819 wird in einem geografischen Lehrbuch am rechten Rheinufer der Westerwald genannt, der "sich von Montabaur an zwischen den weithin befindlichen Quellen der Dill, Sieg und Lahn bis an das Wittgensteinische erstreckt". Ein anderes geografisches Handbuch rechnet 1823 noch die Fürstentümer Siegen und Dillenburg und die Herrschaft Homburg nördlich der Sieg zum Westerwald. Etwa seit 1900 wird der Name im heutigen Sinne gebraucht.

Der ‚Ur-Wäller’ stammt somit aus dem hohen Westerwald, während wir uns im unteren Westerwald genau genommen  erst seit etwa 400 Jahren als Wäller bezeichnen dürfen.

Grundsätzlich handelt es sich hierbei ausschließlich um eine landschaftliche Abgrenzung. Politisch gesehen gehörte unser Heimatgebiet ursprünglich zum so genannten Engersgau.

 

Der Engersgau

Der Engersgau war eine mittelalterliche fränkische Gaugrafschaft am Mittelrhein.

Dieser grenzte im Norden an die ripuarischen Landschaften Ahrgau und Auelgau an der Sieg. Vom heutigen Kasbach-Ohlenberg (südlich der Landesgrenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz) aus folgte die Grenze der Wasserscheide zwischen Sieg und Wied bis zur Wiedquelle, sprang zur Gelbachquelle über und folgte diesem Bach bis zur Mündung der Lahn in Langenau. Lahn und Rhein umschlossen den Gau nach Süden und Westen.

Gaugrafen waren:

v      Otto von Hammerstein, 1002 bezeugt, † wohl 5. Juni 1036, 1016 Graf in der Wetterau, 1019 Graf im Engersgau (Konradiner)

v      Metfried, um 1129, Graf im Engersgau, später Metfried von Wied genannt, Gründer der Burg Altwied

Die Gaugrafen nannten sich ab 1219 Grafen von Wied, der Engersgau ging dann weitgehend in dieser Grafschaft auf.

Die Gemarkung des Dorfes Welschneudorf lag in den Grenzen des Pfarr- und Zehntbezirkes der Kirche von Humbach-Montabaur. Zehntherren waren hier zunächst die Erzbischöfe von Trier, bis der Zehnt von Erzbischof Ruotbert von Trier (931-956) dem St. Florins-Stift in Koblenz geschenkt und die Schenkung durch seinen Nachfolger Erzbischof Heinrich (956-964) nochmals bestätigt wurde. Für Welschneudorf handelte es sich noch um einen so genannten Neurod-Zehnten für eine spätere neue Ansiedlung im Wald Spurkenberg.

Mit dem Erwerb des Hofes Eschelbach vor 1008 , des Waldes Spurkenberg mit dem Wildbann und Jagdrecht und des Hofes Humbach-Montabaur vor 1047 durch Kurtrier wurde dann der Bann Humbach-Montabaur aus der Grafschaft Wied herausgelöst. Die Erzbischöfe von Trier blieben nun bis zum Jahre 1803 für fast 800 Jahre die Landesherren unseres Heimatgebietes. Die Grundherrschaft und somit Steuerhoheit, die vom Landesherren als Lehen vergeben wurde, wechselte jedoch häufiger. Sie wurde u. a. durch die Herren von Helfenstein und später die Grafen von Nassau ausgeübt.


 

Die Besiedelung unseres Heimatgebietes

 

Nach der landschaftlichen und politischen Abgrenzung möchte ich mich in den nächsten Abschnitten verstärkt mit der Besiedlung unseres Heimatgebietes und den Menschen beschäftigen, die in hier gelebt haben.

 

Die nachfolgende Übersicht zeigt zunächst auszugsweise die bisher erste urkundliche Erwähnung verschiedener Ortsgemeinden im südlichen Westerwald und an der Lahn:

 

 

1. urkundliche Erwähnung

Besiedlung nach Gensicke

Ems

880

n. Chr.

bis 500

n. Chr.

Nassau

915

n. Chr.

bis 500

n. Chr.

Montabaur

959

n. Chr.

bis 600

n. Chr.

Wirges

959

n. Chr.

bis 500

n. Chr.

Steinefrenz

959

n. Chr.

bis 500

n. Chr.

Hillscheid

994

n. Chr.

bis 1.000

n. Chr.

Kloster Arnstein

1.052

n. Chr.

 

n. Chr.

Meudt

1.097

n. Chr.

bis 500

n. Chr.

Kadenbach

1.110

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Singhofen

1.139

n. Chr.

bis 1.100

n. Chr.

Attenhausen

1.142

n. Chr.

bis 1.100

n. Chr.

Simmern

1.198

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Niederelbert

1.211

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Boden

1.211

n. Chr.

bis 500

n. Chr.

Untershausen

1.220

n. Chr.

bis 1.100

n. Chr.

Dernbach

1.220

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Holler

1.228

n. Chr.

bis 500

n. Chr.

Dausenau

1.234

n. Chr.

bis 500

n. Chr.

Girod

1.235

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Arzbach

1.235

n. Chr.

bis 600

n. Chr.

Winden

1.250

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Welschneudorf

13. Jh.

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Goldhausen

1.259

n. Chr.

bis 1.100

n. Chr.

Weinähr

1.267

n. Chr.

bis 500

n. Chr.

Nomborn

1.289

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Gackebach

1.290

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Kemmenau

1.320

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Ransbach

1.330

n. Chr.

bis 600

n. Chr.

Hübingen

1.347

n. Chr.

bis 1.100

n. Chr.

Daubach

1.348

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Oberelbert

(indirekte Erwähnung)

1.362

n. Chr.

 

bis 1.400

n. Chr.

Heilberscheid

1.362

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Moschheim

1.362

n. Chr.

bis 600

n. Chr.

Staudt

1.367

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Stahlhofen

1.387

n. Chr.

bis 1.100

n. Chr.

Zimmerschied

1.398

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Oberelbert

1.436

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Welschneudorf

1.453

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Horbach

1.486

n. Chr.

bis 1.400

n. Chr.

Neuhäusel

1.675

n. Chr.

 

 

 

Wie der wohl bedeutendste Landesgeschichtler Hellmuth Gensicke in seinem Standard-Werk ‚Landesgeschichte des Westerwaldes’ ausführt, kann jedoch davon ausgegangen werden, dass in den meisten Fällen die tatsächliche Besiedlung deutlich früher stattgefunden hat.

 

Es gibt archäologische Funde, die bereits auf sehr frühe Besiedlungsansätze in der näheren Umgebung im Laufe der letzten Jahrhunderte und Jahrtausende hindeuten.  Funde in  Nassau, Kammerforst, Bannberscheid und Wirzenborn sind der Glockenbecherkultur aus dem 3. vorchristlichen Jahrtausend zuzurechnen.

 

Aus der La-Tène-Zeit, etwa 500 Jahre vor Christus, existieren Reste einer keltischen Fluchtburg am Großen Dielkopf in Welschneudorf. Auch aus der Römerzeit finden sich mit dem Limes eindrucksvolle zeitgeschichtliche Belege direkt vor unserer Haustür. Damals gehörte unsere Gemarkung zu germanischem Territorium.

 

Im Jahre 260 nach Christus gaben die Römer den Limes als befestigten Grenzwall auf. Die Besiedelung unseres Heimatgebietes erfolgte nun im Wesentlichen in insgesamt vier Besiedelungsschichten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Römerturm bei Arzbach

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Erste Besiedlungsschicht war etwa mit dem Ende der Völkerwanderung um 500 nach Christus abgeschlossen. Ihr werden gem. H. Gensicke aus der näheren Umgebung Wirges, Ems, Steinefrenz, Holler, Meudt, Nassau, Kirchähr, Weinähr und  Dausenau zugerechnet.

 

Die zweite Besiedlungsschicht beginnt mit der Eingliederung der Region in den fränkischen Staatsverband und endete im 6. Jahrhundert nach Christus. In dieser Zeit entstanden insbesondere die auf  -heim endenden Ortschaften wie z. B. Moschheim und Bladernheim aber auch Ransbach, Arzbach und Humbach (=Montabaur).

 

In der dritten und stärksten Besiedlungsschicht (6. bis 11. Jahrhundert) folgten insbesondere die –ingen - (z. B. Hübingen) und –hausen-Orte. Hierbei handelte es sich überwiegend um Einzelhof- und Weilersiedlungen, die sich erst später zu Dorfsiedlungen weiterentwickelten. Sie beschränkten sich immer noch auf waldfreie Gebiete drang aber schon in ungünstigere Lagen vor, während die ersten beiden Schichten überwiegend in den Niederungen und an Bachläufen zu finden waren.  Viele Orte der dritten Besiedlungsschicht wurden wieder aufgegeben, was die  hohe Zahl von Wüstungen aus dieser Schicht erklärt. Hierzu zählt unter anderem die Wüstung Nentzingen bei Horbach.

 

Erst mit der vierten Besiedlungsschicht (11. bis 14. Jahrhundert) wurde der Ackerbau in den  Wald hineingetragen. Auf die Waldrodungen sind die zahlreichen –rod-Namen zurückzuführen.

 

 

Die Entstehung Welschneudorfs

 

In allen bisherigen Veröffentlichungen wird von einer verhältnismäßig späten Besiedlung Welschneudorfs ausgegangen, so bezeichnet z. B. Dr. Wachter in unserer Chronik eine Quelle aus dem Jahr 1452 (‚Kuhgeld in Nudorff’) als erste urkundliche Erwähnung von Welschneudorf.

 

Bei dem gemäß Gensicke erst im 16. Jahrhundert entstandenen Neudorf’ handelte es sich bei richtiger Interpretation des Gesamtkontextes allerdings nicht um unser (Welsch)Neudorf sondern vielmehr um den 1937 eingemeindeten Stadtteil Neudorf von Koblenz.

 

Zweifelsohne gehörte Welschneudorf zu den ungünstiger gelegenen Regionen, die  erst in der erwähnten vierten Besiedlungsschicht besiedelt wurden.  Während die Täler von Emsbach und Gelbach sowie das Lahntal bereits seit mehreren Hundert Jahren bewohnt waren, und auch bereits die ersten Siedlungen auf den Gelbachhöhen gegründet wurden, bestand die Region zwischen Montabaur (Humbach) und Ems bzw. Nassau an der Lahn noch aus einem zum Spurkenforst gehörigen durchgängigen Waldgebiet. In diesem lebten damals neben dem heute noch heimischen Wild auch Wölfe und Elche. Das Jagdrecht stand dem Kurfürsten von Trier zu, der zum Schutz des Wildes Förster vor Ort beschäftigte, die in mehreren Försterhuben lebten. Eine dieser Försterhuben war das 1211/14 erstmals urkundlich erwähnte ‚elewartin’ = Elchwarte, das heutige Niederelbert. Die erste ausdrückliche Erwähnung von Oberelbert finden wir im  Jahre 1436 ‚Dörfern Obern und Nyddern Elwart’. Es kann allerdings bereits im Jahre 1362 mit der Erwähnung von ‚inferiore (=Nieder) Elewart’ indirekt auch auf das Bestehen von Oberelbert geschlossen werden, da diese Unterscheidung ansonsten keinen Sinn gemacht hätte. Diese Angaben dürften der tatsächlichen Besiedlung bereits recht nahe kommen, da noch im Jahre 1332 nur vom Dorf (villa) ‚Elewarten’ in der Einzahl gesprochen wurde.

 

Nachdem also bei Gensicke keine ausdrückliche ersturkundliche Erwähnung von Welschneudorf verzeichnet ist, werden wir jedoch in ‚Arnstein a. d. Lahn im Mittelalter’ von Bruno Krings fündig: Hier wird ausgeführt, dass die Eheleute Heinrich und Guda von (Welsch)Neudorf im 13. Jahrhundert dem Stift (von Arnstein) ein Seelgerät einen Zins von 6 sh. schenkten.

 

Demzufolge wurde (Welsch)Neudorf also zwischen den beiden Elberts und nicht wie bislang überwiegend angenommen als letzte der Elbertgemeinden gegründet und dürfte inzwischen an die 750 Jahre alt sein. Die Bezeichnung Nuwen- oder Neudorf diente somit zunächst ausschließlich zur Differenzierung zum bereits bestehenden (Nieder)elbert. Erst mit der späteren Gründung von Oberelbert und der erneut notwendigen begrifflichen Abgrenzung unterschied man dann zusätzlich Nieder- und Oberelbert.

 

Was aber waren die Hintergründe zur Gründung von Welschneudorf in diesem bewaldeten, unwegsamen und klimatisch benachteiligten Gebiet?

 

Der Trierer Erzbischof Dietrich von Wied ließ nach 1217 die zerstörte Burg Humbach wieder aufbauen und nannte den Ort fortan Mons Tabor. Dieser gewann zunehmend an Bedeutung und erhielt wenig später auch die Stattrechte.

Von Montabaur und Wirges führten bereits damals Straßen zu den älteren Zentren Nassau und Ems an der Lahn. Was liegt daher näher, als auf halber Wegestrecke, dort wo die beiden Straßen sich kreuzten eine Siedlung zu errichten? Welschneudorf war somit wohl ursprünglich ein Etappenziel zwischen Montabaur / Wirges und Nassau / Ems an der Lahn.

 

 

Die Menschen von Welschneudorf

 

Nach den o. a. Eheleuten Heinz und Guda aus dem 13. Jahrhundert werden als nächstes im Jahre 1454 eine Katharina Nusnitz aus Nuwendorff und 1475 ein Heinz Beltzert zu Neudorf erwähnt.

 

Bei Gensicke finden wir für Welschneudorf die nachfolgenden Heimburger verzeichnet:

 

1541                 Fritgin

1589       Thiln Peter

1597       Hammes Johann

1630   Velten

 

Welschneudorf gehörte sicherlich von Beginn an zu den ärmsten Landstrichen in unserer Heimatregion. Rund 400 Jahre lebten unser Vorfahren in (Welsch)Neudorf, haben in mühevoller Arbeit den Wald gerodet und das Land urbar gemacht. Schwere Zeiten und Krankheiten insbesondere im ausgehenden Mittelalter wurden überstanden und dennoch können wir heute bei diesen Menschen nicht von unseren Vorfahren sprechen: Um 1630 erreichten die Wirren des 30jährigen Krieges auch den südlichen Westerwald. Marodierende schwedische Söldnertruppen zogen mordend und brandschatzend durchs Land. Die drei Elbertgemeinden wurden am schlimmsten hiervon getroffen: In Niederelbert überlebten nur wenige Personen in Oberelbert konnte sich mit Peters Clasen ein einziger Bewohner nach Montabaur retten, Welschneudorf wurde vollständig ausgerottet.

 

Während Oberelbert jedoch bereits 1642 wieder bewohnt war, blieb Welschneudorf zunächst brach. Eine erste Wiederbesiedlung ist wohl gescheitert, da in den Einwohnerlisten von 1653 zwar ein Kohlenbrenner und ein Soldat erwähnt werden, die aber beide bereits wieder verzogen waren. Etwa zehn Jahre später siedelte der Lütticher Industrielle Jean von Marioth  wallonische Köhlerfamilien in der verlassenen Gemeinde an. In der Einwohnerliste von 1663 werden u. a. Gieles und Laudi die Welschen geführt. Ob es sich bei besagtem Laudi um eine Verballhornung des heutigen Familiennamens Labonte handelte, oder ob dieser erst später dazugekommen ist, bleibt offen. Auch die angeblich dritte walonische Köhlerfamilie gemäß mündlicher Überlieferung Lorenz konnte aus den Archivunterlagen des Hauptstaatsarchives in Wiesbaden nicht belegt werden. Zwar wird zu Beginn der Kirchenbuchaufzeichnungen im Jahre 1698 bereits ein Johannes Lorenz erwähnt, allerdings kann dessen Herkunft nicht abschließend geklärt werden. Tatsache ist, dass der Familienname Lorenz bereits um 1600 z. B. in Seelbach verbreitet war. 

 

In der Einwohnerliste von 1663 werden weiterhin ein Simon Kürßener und ‚Molspurger Hoffleute’ erwähnt, deren Spur sich in den nächsten Jahren allerdings vollständig verloren hat, während dafür andere Familien aus der  näheren  Umgebung – in der Regel durch Heirat – dazugekommen sind. Hierzu zählen u. a.  die Familien Leyendecker, Hubert, Ludwig und auch Dommermuth.

 

Während Welschneudorf ortsgeschichtlich also auf eine fast 750jährige Geschichte zurückblicken kann, handelt es sich familiengeschichtlich de facto um eine vergleichsweise junge Immigrantengemeinde. Niemand kann hier vor Ort seine Wurzeln länger als rund 350 Jahre lang zurückverfolgen. Die ersten Siedler bezogen teilweise wohl die verlassenen Gebäude und profitierten von dem, was die Dorfgründer aufgebaut hatten. Unter dem Strich scheint also unser Beiname ‚die Kuckucke’ nicht ganz unbegründet …

 

 

Die Namensherkunft

Welsche oder Walsche (althochdeutsch Singular walh, Plural walha, Zugehörigkeitsadjektiv walhisk, mittelhochdeutsch walhisch) ist die alte germanische Bezeichnung für die Kelten. In der deutschen Sprache werden heute unter Welschen als Exonym jeweils die am nächsten wohnenden romanischen Völker bezeichnet, und in seinen Varianten ist diese Bezeichnung über ganz Europa zu finden.

Das Wort wird etymologisch hergeleitet vom Namen der Volcae[1][2], einem keltischen Stamm, der in historischer Zeit in der Nachbarschaft von Germanen lebte, um die Zeitenwende im südfranzösischen Aquitanien. Die Volcae waren sehr einflussreich in Moravia, und zusammen mit anderen (die Boii, die Cotini und andere Donau-Stammen) kontrollierten sie ein sehr aktives Netzwerk von Handelswegen zwischen den mediterranischen und den germanischen Ländern. Die Prominenz dieser Stammen und deren Nähe brachten die Germanen dazu ihren Namen zu entleihen als *walha, ein allgemeiner Term für "Kelten" und später "Romanen", wenn die beiden Kulturen allmählich in einander übergingen. Die Bedeutung Kelten war noch lebendig, als im 5. Jahrhundert die Angeln, Jüten und Sachsen die Insel Britannien besetzten und dort auf Kelten trafen.

Die Familie von Marioth

Jean Mariot (auch: Mariotte, Marioth), aus Lüttich, ältester Sohn von Bertrand Mariot aus Remagne, heiratet 1625 die Schwester von Lambert de Tornaco, Sekretär und Ratgeber des Kölner Erzbischofs. Jean Mariot, ein genialer Geschäftsmann, erkennt und nutzt die Möglichkeiten der brachliegenden Eisenindustrie in dem im Dreißigjährigen Krieg ausgebluteten Land an Rhein, Mosel und Lahn. Seine erste Belehnung erhält er 1639 vom Trierer Kurfürsten für den Bau eines Hammerwerkes in der Nähe von Montabaur (Elgendorf). Er soll insgesamt 14 dieser Werke hier errichtet haben, u.a. die Nieverner Hütte zu Fachbach.

1646 wird die Belehnung von Johann Mariot auf Bergbau und Eisen im Amt Montabaur um 20 Jahre verlängert und erweitert. Er gründet vor allem das Eisenbergwerk Dernbach und schafft damit die Grundlage für sein weiteres industrielles Engagement.

1662 erhält Mariot die Erbbelehnung mit den Schürf- und Verhüttungsrechten in der Vogtei Ems. Etwa in diese Zeit muß auch die Ansiedlung der ersten walonischen Köhler in Welschneudorf gefallen sein. 1663 werden in den Steuerlisten die Welschen  Gieles und Laudi erwähnt.

1667 stirbt Jean Mariot sen. und wird in der Klosterkirche Arnstein beigesetzt. Der zweite Sohn, Jean Mariot der Jüngere, leitet jetzt die Geschäfte im Auftrage seiner Mutter; nach seinem Tode 1670 führt die Werke seine energische und geschäftstüchtige Witwe Suzanne, geb. Gal, für ihre beiden Söhne Johann Frantz und Anton Mariot weiter.

1669 erhält Pierre Michel Mariot mit dem Bruder Bertrand die Unternehmen in Kurtrier aus dem Erbe des Hüttengründers Jean Mariot. Peter Michael Marioth und die Ehemänner seiner Schwestern, Gerhard Frank Bouille und Gottfried Eberhard Nottemannß, erhalten am 21. Mai in Ehrenbreitstein vom Trierer Kurfürsten Kaspar von der Leyen, Vormund seiner minderjährigen Neffen, die Konzession auf einen Eisenhammerschlag und eine Schneidmühle auf dem unter Nievern gelegenen "kleinen Wertgen", incl. dem Recht auf Holzeinschlag. 1693 stirbt der Mitbegründer der "Nieverner Hütte", Peter Michael Mariot, und hinterlässt eine Witwe mit drei Töchtern. Diese, Maria Laurentia, geb. Malaise, erhält 1694 einen neuen Lehnsbrief für sich und ihre Töchter, die mit den Hüttenmeistern Johann Wilhelm de Requile aus Lüttich und Etienne de Barme verheiratet sind, die die Betriebsleitung übernehmen. Die Schwiegersöhne führen die Companie weiter. Nottemans zieht sich in der Folge langsam aus dem Geschäft zurück.

1696 erwarb die Familie Marioth das Gut Langenau bei Weinähr als  Wohnsitz und ließ sie bis 1698 zum Schloss umbauen.  Das Schloss blieb rund 150 Jahre im Familienbesitz. 1847 verkaufte der letzte Marioth Langenau an die Gräfin Giech, eine Tochter des preußischen Ministers Freiherr vom und zum Stein aus Nassau / Lahn.

1729 wird die Auflösung der "Mariotschen Companie" beschlossen, nachdem Jean Wilhelm de Requile gestorben ist. Die Erben streiten untereinander und der Trierer Kurfürst droht mit der Rücknahme der Nutzungsrechte und der Regieübernahme. Johann Albert de Requile beginnt aber die mariotschen Gründungen neu zu beleben und führt mit seinen Geschwistern die Betriebe fort.

Die Dommermuths

- eine echte Köhlerfamilie

 

Obwohl die Köhlerei in Welschneudorf ursprünglich wie zuvor beschrieben auf die erwähnten wallonischen Einwanderer zurückzuführen ist, ist die Tradition des Köhlergewerbes doch mit keinem Namen so eng verknüpft wie mit dem Namen Dommermuth.

 

Die Familie gehört sowohl in Welschneudorf als auch in Oberelbert zu den ältesten Familien am Ort. Eine Verbindung zwischen beiden Linien ist zwar wahrscheinlich kann aber nicht abschließend nachgewiesen werden. Vielmehr scheinen sich beide Linien völlig unabhängig voneinander zu entwickeln. Beide Familien gehörten jeweils zur besser situierten Bevölkerungsschicht.

 

Der 1649 geborene Landwirt Simon Dommermuth war einer der drei Bürger, die 1701 mit der Erstellung des neuen Einwohnerverzeichnisses von Oberelbert beauftragt wurden. Er selbst wird erstmals in der Steuerliste von 1689 erwähnt und ist vermutlich zuvor zugeheiratet.

 

Sein Sohn Joannes Jacobus heiratete die Müllerstochter Elisabeth Nebgen. Mit ihr hatte er insgesamt sechs Kinder, von denen aber nur drei überlebten. Sein Sohn Henricus war insgesamt 33 Jahre Heimburger von Oberelbert, und auch dessen Sohn Joannes übte dieses Amt nach dem Tode seines Vaters rund 15 Jahre aus, während sein Bruder Petrus etwa zur gleichen Zeit als Feldschütz fungierte. Der dritte Bruder Joannes Michael ehelichte die verwitwete Tochter des Kanzlers/Schreibers Bartholomäus Theis. Die drei Brüder hatten zusammen rund 20 Kinder.

 

Gemäß Schulchronik von Holler stammt der 1675 geborene Hollerer Schullehrer Petrus Dommermuth aus Welschneudorf. Dieser war insgesamt 50 Jahre und sein Sohn Cornelius nochmals 18 Jahre Lehrer in Holler.

 

Bei Petrus Dommermuth hat es sich wohl um einen Bruder des Welschneudorfer Dommermuth-Urvaters Joannes Martinus gehandelt.  Dieser übernahm im Jahre 1695 das Amt des Waldförsters in der Masseroth und am Stelzenbach von seinem Vorgänger Johann Balmert. Nach dem Bau des damaligen Jagdzeughauses, unserer heutigen Kurfürstenhalle im Jahre 1705 durch Kurfürst Johann VIII. Hugo von Orsbeck wurde Joannes Ludovicus Triumph als kurfürstlicher  Oberförster und Jagdzeugaufseher eingesetzt. Gleichzeitig pachtete er das dazugehörige kurfürstliche Hofgut. Er fungierte insgesamt 33 Jahre als Präfekt in Welschneudorf.

 

Zu seinem Nachfolger dem Oberförster Joannes Rouff und seiner Familie pflegten die Dommermuths augenscheinlich ein freundschaftliches Verhältnis, da die Rouffs immer wieder als Paten bei den Dommermuths in Erscheinung traten.

 

Adamus Dommermuth der Sohn des Joannes Martinus heiratete eine Tochter des Bartholomäus Gilles. Dieser gehörte zur ersten in Welschneudorf geborenen Generation der wallonischen Einwanderer. Es kann davon ausgegangen werden, dass Adam Dommermuth von seinem Schwiegervater das Köhlerhandwerk erlernt hat, da dieses in der Familie Dommermuth anschließend in den nächsten drei Generationen nachweislich betrieben wurde.

 

Die Dommermuths verkehrten im Kreise von Lehrern und Förstern, also kurtrierischen Staatsbeamten. Die Schwester des Adamus Dommermuth Anna Maria heiratete den Welschneudorfer Lehrer Albertus Klein, der allerdings bereits ein Jahr nach der Hochzeit verstarb. Neben dem Vater von dessen Nachfolger im Amt Lehrer Steinborn und der bereits erwähnten Oberförsterfamilie Rouff fungierten auch die Hollerer Lehrer Petrus und Cornelius Dommermuth und der Arzbacher Förster Lauerbach als Paten bei Dommermuth-Nachkommen.

 

Der 1763 geborene Enkel Joannes des Adamus Dommermuth brachte es als Kohlenfactor verschiedener Hüttenwerke sogar zu einem gewissen Wohlstand, so dass er in der Lage war im Jahre 1811 beim Verkauf der ehemals kurtrierischen Besitztümer insgesamt 95 Hektar der Metternicher Hecke zu ersteigern.

 

Eine weitere Enkelin des Adamus Dommermuth Elisabeth zog zunächst mit ihrem zweimal verwitweten Vater Simon und ihren Geschwistern vorübergehend nach Nievern, heiratete aber später den Jakob Knopp vom Graf Metternicher Hofgut auf der Denzerheide. Dessen Mutter Gertrud Steinborn war wiederum die Schwester des Lehrers Jacob Steinborn.

Der Name Dommermuth verbreitete sich in unserer Region in Windeseile. Alleine Adam Dommermuth hatte rund 40 Enkelkinder!

 

Trotzdem ist es bis heute immer noch bei einem klar regionalen Bezug geblieben. Der Name ist fast nur im Westen der Bundesrepublik vorzufinden, der Schwerpunkt der Namensverteilung liegt eindeutig im Westerwald. Hieraus kann geschlossen werden, dass wohl alle Dommermuths tatsächlich auf einen einzigen Stammvater zurückzuführen sind.

 

Der Name wird wie gesagt erstmals in den kurtrierischen Einwohnerlisten von 1689 in Oberelbert erwähnt. In den Steuerlisten von 1663 ist er jedoch noch in keinem der umliegenden Kirchspiele vorzufinden. Seine Herkunft und Bedeutung bleiben somit bis heute zunächst ungeklärt…

 

 

Die ‚Drei Kreuze’

 

Am Spazierweg Richtung Arzbach / Römerturm finden wir heute die auf der Titelseite abgebildeten ‚Drei Kreuze’. Sie wurden zum Gedenken an drei im Wald verbrannte Köhler errichtetet.

 

Hierbei handelt es sich allerdings um eine mündliche Überlieferung, die bis heute nicht anhand von amtlichen Quellen belegt werden konnte. So finden wir z. B. in den Sterbeeintragungen der Kirchenbücher in der Zeit zwischen 1698 bis 1818 keinerlei Hinweise auf einen solchen Unglücksfall.

 

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