Widderstein

Die Anfänge des Ortes Widderstein

1. Erste Erwähnung von Widderstein

Aus dem Jahrbuch 1996 des Kreisheimat - Verein Altenkirchen-Westerwald

Nachdruck mit dessen Erlaubnis

Autor: Marco Janke

Bei Beginn meiner Arbeit lag die erste Erwähnung von Widderstein im Jahre 1346. In diesem Jahr wird von einem Ort Leckerode unterhalb von Ingelbach gesprochen. Man kann also mit großer Sicherheit sagen, daß dieses Leckerode der heutige Ort Widderstein ist.

Der Name kam vermutlich folgendermaßen zustande: ,,Lecke" scheint ein eigenständiger Name oder Begriff zu sein, den man heute, nach über 600 Jahren wohl nur noch schwerlich nachvollziehen kann. Das ,,rode" im zweiten Teil des Namens deutet auf eine Rodung hin, auf eine Lichtung im Wald. Später, etwa im Jahr 1375, spricht man nicht mehr von Lecklode, sondern von Wiederstein, Widderstein, Wyderstein oder Wederstein (die Bezeichnung Weddastein gab es auch). Je nach Jahrhundert und Urkundenaussteller veränderte sich die Schreibweise des Ortes und somit auch die der Ritter von Widderstein, die hier lebten.

Warum man im Jahre 1375 bereits von Widderstein spricht, erkläre ich mir folgendermaßen: Die Ritter von Widderbach, deren Stammsitz sich in Widderbach bei Wissen befand, erhielten unter anderem den Ort Leckerode von den Grafen von Sayn als Lehen. Die Widderbacher errichteten schließlich im Ort ein steinernes Haus. Diejenigen des Geschlechtes der Widderbacher, die im Ort Leckerode lebten, benannten sich daraufhin von Widderbach in Widderstein um. Der Teil ,,bach" des Namens der Widderbacher fiel weg, da man in Leckerode ein steinernes Haus erbaut hatte und daher den Teil ,,stein" hinzufügte. Daß die Ritter von Widderbach und von Widderstein miteinander verwandt sind, erklärt Helmut Gensicke in seinem Buch ,,Westerwald" folgendermaßen: ,,Beide führen den Widderkopf im Schild, gemeinsamer Besitz und gleiche Vornamen erhärten die Vermutung", daß die Widdersteiner ein Zweig der Ritter von Widderbach sind, ,,doch fehlt der sichere Anschluß". Kurze Zeit vor dem Abgabetermin erführ ich, daß Leckerode schon früher erwähnt wurde. Es wurden kürzlich Urkunden im Luxemburgischen und Kölner Archiv entdeckt, die für die Öffentlichkeit noch nicht zugänglich sind, da sie noch ausgearbeitet und übersetzt werden müssen.

Prof Gensicke befaßt sich zur Zeit mit der Ausarbeitung, da er selbst über Widderstein forscht. Im August 1994 erlaubten sich die Widdersteiner Einwohner, das 650 jährige Bestehen des Ortes zu feiern, auch wenn sie damit zwei Jahre zu früh waren. Sie gingen davon aus, daß die erste Erwähnung im Jahre 1344 war, hatten sich allerdings geirrt.

2. Die Grafen von Sayn als Lehnsherren

Die Grafen von Sayn waren Lehnsherren von vielen adligen Bewohnern der Grafschaft. Diese Vertreter des niederen Adels nennt man Ministerialen, Landsassen oder Ritter. Sie waren als Lehnsträger Vasallen der Grafen.

Ursprünglich waren es teils Unfreie, die in gräflichen Diensten standen. Im Kriege waren sie als Reiter (Ritter) die Hauptmacht des Landesherren; daher standen sie im hohen Ansehen, so daß man bald vergaß, daß sie von unfreier Abstammung waren. In Friedenszeiten verwalteten sie vielfach die Meierhöfe des Grafen. Der Graf belehnte sie sogar mit diesen Höfen, so daß sie fast wie Besitzer dort schalten und walten konnten. Mit der Belehnung des Grundbesitzes war die Belehnung verschiedener Aniter verbunden. Vögte, Schultheiße oder Amtleute über einen kleinen Verwaltungs- und Gerichtsbezirk wurden sie. Dadurch stieg das Ansehen der Ritter noch mehr. Sie durften sich sogar, wie ihr adeliger Herr auch, einen adeligen Namen beilegen. Nach dem Lehnsitz bzw. nach dem Amtsbezirk nannten sie sich. So waren die einstigen Ministeralen zu hohem Ansehen gelangt, sie bildeten den Ritterstand, der im Mittelalter zur hohen Blüte gelangte.

Um ebenfalls dem ehrenwerten Ritterstand anzugehören, ging mancher freier Großgrundbesitzer hin und übertrug sein Land dem Grafen von Sayn, um es von ihm als Lehen mit Lehnsämter und mit der Ritterwürde wiederzuerhalten. So wurde der Kreis der Ritter vermehrt. Die Ritter, welche den Titel Herr von . . . führten, bildeten mit dem Freiherrn den niederen Adel, während die Grafen zum höheren Adel gehörten.

Die Urkunden nennen uns 216 Geschlechter aus dem niederen Adel, die Vasallen der Grafen von Sayn waren. Manches Dorf hatte seine Vasallen und Ritter. Es gab z.B. Ritter von Alsdorf, von Au, von Betzdorf, von Dermbach, von Hof, von Langenbach, von Seelbach, von Steinebach und eben auch von Widderstein.

3. Die Besitzer des Gutes von Widderstein

Nach dem Ableben der letzten beiden Ritter von Widderstein im Jahre 1513 stirbt auch das Geschlecht der Widdersteiner aus.

Die Ritter von Widderbach waren nach Helmut Gensicke bereits im Jahre 1512 ausgestorben. Da beide Geschlechter kurz hintereinander aussterben und es keine Lehensträger der Güter der Ritter von Widderbach und Widderstein mehr gibt, kann man wieder annehmen, daß die Geschlechter verwandt und die Widdersteiner ein Zweig der Ritter von Widderbach waren. Die letzten Widdersteiner Ritter waren Johann und Heinrich von Wiederstein. Heinrich stand in holländischen Diensten und blieb wohl aus diesem Grund unverheiratet. Johann von Wiederstein war zwar verheiratet, hatte allerdings keine männlichen Nachkommen, was zum Aussterben des Geschlechts führte.

Der Graf von Sayn setzte nach dem Ableben der Gebrüder zunächst die Verwalter Stroe und Brender ein. Später jedoch kaufte Heinrich Brender, einer der beiden Verwalter, das Gut. Warum das Gut später von Graf Adolph an die Erbgemeinschaft verkauft wird, kann niemand nachvollziehen. Theoretisch gehörte das Gut zu dieser Zeit Heinrich Bender. Es ist allerdings möglich, daß Heinrich Brender nur einen Teil des Gutes erhalten hat, der andere Teil wurde später an die Nachkommen verkauft. Bekannt ist auch, daß die Töchter des Johann von Wiederstein mit ihren Ehegatten um die Lehen des Vaters kämpften. Der Lehensherr verfügte später, nach dem sich die Erbengemeinschaft untereinander über die verschiedenen Lehen nicht einigen konnte, daß die Töchter des verstorbenen Ritters nicht als Mannerben belehnt werden konnten, wohl aus dem Grunde, weil es sich um Frauen handelte.

Hierauf kam es im Jahre 1565 zum Erbkaufvertrag zwischen dem Grafen Adolph von Sayn und den Vertretern der Erbengemeinschaft, den Gebrüdern Wilhelm und Adolf Quad von Isengarten, die beide mit Töchtern des verstorbenen Ritters verheiratet waren. Verheiratet war auch die Tochter Johanna von Wiederstein mit Heinrich von HoIdinghausen, Amtmann in Siegen.

Lediglich eine Tochter war zu dieser Zeit noch unverheiratet, ihr Name war Magarethe. Ihr muß man allerdings keine Betrachtung schenken, da sie später nicht mehr erwähnt wird, es ist ebenfalls unbekannt, welchen Teil des Erbes sie erhalten hat.

Nach den Verhandlungen kam das Widdersteiner Lehen durch Erbkauf an Adolf Quad von Isengarten. Wahrscheinlich ist, daß er das Gut Widderstein nicht alleine vom Grafen erhielt, sondern nur einen Teil. Wichtig allerdings ist, daß er später mit seiner Frau

Elisabeth Velbrück auf dem Gut gelebt hat. Das Ehepaar hatte eine Tochter namens Magarethe, die mit Heinrich von Holdinghausen verheiratet war (vermutlich der Sohn des Heinrich v. Holdinghausen, der mit Johanna v. Wiederstein verheiratet war). Nach dem Ableben des Adolf Quad von Isengarten ging das Gut auf seine Frau Elisabeth über. Diese wollte nach ihrem Ableben das Gut ihrer Tochter Magarethe vermachen, die unglücklicherweise aber vor ihrer Mutter starb.

Elisabeth verfügte daraufhin, daß das Gut nach ihrem Ableben an ihren Schwiegersohn Heinrich von Holdinghausen kommt.

Nach dem Ableben seiner Frau heiratete Heinrich eine zweite Frau mit Namen Magdalena Reifenberg. Als Elisabeth Velbrück schließlich verstarb, erhielten beide das Gut. Das Ehepaar hatte fünf Söhne; die Ehe mit Magarethe war vermutlich kinderlos. Die Söhne des Heinrich von Holdinghausen hatten folgenden Namen: Philipp Albrecht, Hans Jorgh, Kaspar von Holdinhausen, Eberhard von Holdinghausen und Dietrich von Holdinghausen. Von diesen Söhnen erhielt später Philipp Albrecht das Gut Widderstein. Seine Frau ist mir unbekannt, seine Söhne sind allerdings überliefert, es waren dies: Hans Heinrich und Hans Georg von Holdinghausen.

Die Nachfolger dieser beiden Söhne sind mir unbekannt.

Es tritt wenig später eine weibliche Nachfolgerin des Geschlechts derer von Holdinghausen auf, die vermutlich eine Enkelin des Philipp Albrecht ist. Sie heiratete den Rat der Grafschaft Jakob Brender, der vor 1668 verstarb. Ihre Tochter Katharina, geboren 1647, heiratete den Richter des Kirchspiels, Johann Heinrich Kramer, der in Weyerbusch lebte, allerdings mit seiner Frau später auf das ererbte Gut Widderstein zog. Ihre Tochter Maria Elisabeth wiederum heiratet einen Johann Georg Dormann im Jahre 1690. Johann Georg Dormann war Leutnant, wer wurde später Major und verstarb im Jahre 1747. Seit dem Zeitpunkt, an dem Johann Georg Dormann Maria Elisabeth heiratete, blieb das Gut in den Händen von Nachkommen des Geschlechts der Dormanns. Maria Elisabeth- und Johann Georg Dormann hatten ebenfalls Nachkommen. Von diesen ist allerdings keiner bekannt. Der Enkel Johann Georg Dormanns, Friedrich Ernst Dormann, ist allerdings wieder bekannt. Er wurde im Jahre 1699 geboren und wurde in den Jahren 1737 und 1740 Fähnrich. Im Jahre 1743 wurde er Hauptmann.

Friedrich Ernst Dormann lebte in Widderstein und suchte anscheinend gerne Streit. So kam es zu folgendem Ereignis: Widderstein gehört nur mit zwei Häusern zum Kirchspiel Almersbach und mit dem anderen Teil zum Kirchspiel Altenkirchen. Der Dormann'sche Besitz befand sich hierbei auf der rechten Wiedseite und war somit nach Altenklrchen eingepfarrt. Trotzdem ließ sich Friedrich Ernst Dormann in der Kirche zu Almersbach gegen den Willen der Kirchspieleinwohner einen neuen Kirchenstuhl errichten. Auch sonst standen er und seine Frau auf Kriegsfuß mit den Almersbachern. Im November 1795 feierten junge Leute in Almersbach einen Geburtstag. Um drei Uhr nachts zogen sie unter dem Einfluß des ,,genossenen Rheinweins" zur Kirche, drangen ein und zerschlugen den neu errichteten Kirchenstuhl.

Die Trümmer warfen sie vor die Türe der Kirche. Die Almersbacher verlangten damals auch, daß die Grabsteine der Dormanns vom Almersbacher Friedhof entfernt wurden, da sie dort unberechtigt stünden. Der Streit zwischen Almersbacher und den Dormanns wurde erst beigelegt, als der Sohn des Friedrich Ernst Dormann, Georg Viemar Dormann als Pfarrer nach Almersbach kam.

Um den Stammbaum zu vervollständigen: Friedrich Ernst Dormann hatte wohl mit seiner Frau zwölf Kinder. Von diesen sind nur wichtig sein Sohn Georg Viemar Dormann, der als Pfarrer in Almersbach den Streit zwischen Vater und Almersbach beseitigte, und eine Tochter Christina Wilhelmina Dormann, die die spätere Besitzerin des Gutes wurde. Sie war mit Christian Friedrich Krausoldt verheiratet. Ihre Nachkommen sind mir unbekannt, daher wird der Stammbaum der Herren von Widderstein hier beendet.

Interessant zu erwähnen ist noch, daß Herr Sanders Urgroßmutter eine geborene Dormann war. Herr Sander hat heute auf dem Grundstück, auf dem zu jener Zeit die Burg gestanden hat, sein Haus stehen. Man könnte ihn also als Nachkommen der Dormanns bezeichnen. Die Ausarbeitung des Stammbaumes Christiane Wilhelmina Dormann und ihren Geschwistern bis heute wäre zu zeitaufwendig, da es hierüber nur wenige Urkunden gibt. In den Kriegen sind zahlreiche Unterlagen abhanden gekommen.

(Auszug aus der Facharbeit Geschichte-Leistung, Peter Schmitt, Westerwald-Gymnasium, Altenkirchen 1994)