Willroth - das Dorf an der Grenze
Aus dem Jahrbuch 1983 des Kreis- Heimatverein Altenkirchen - Westerwald
Nachdruck mit dessen Erlaubnis
Autor: Josef Marko
Dort, wo die Bundesstraße 256 die Autobahn Frankfurt-Köln überquert und diese die Kreise Altenkirchen und Neuwied auf einer Strecke von knapp drei Kilometer trennt, liegt der aufstrebende Ort Willroth.
Willroth ist eine alte Bergmannssiedlung, deren Wahrzeichen der Förderturm der Grube ,,Georg" - heute noch weithin sichtbar in den Himmel ragt. Das Gebiet ringsum ist altes Grenzland mit kirchlichen, landesherrschaftlichen und politischen Grenzziehungen. Mehr als 1000 Jahre ist es her, daß der in der Nähe von Willroth gelegene ,,Weiße Stein" in einer Urkunde des Erzbischofs von Trier erstmals genannt wurde. Er markierte eine kirchliche Abgrenzung. In der Nähe dieses ,,Weißen Steines" entspringt der Grenzbach, der schon mit seinem Namen auf Grenzgebiete hinweist. Jahrhunderte hindurch trennte der Grenzbach die Besitzungen von Kurtrier bzw. der Grafen von Isenburg (Herrschaft Horhausen) und die der Grafen zu Wied. Und selbst der Ortsname Willroth, mundartlich ,,Wernd", wird von einigen Kennern als Rodung am Wehr (Werre oder Wüere = Damm, Schlagbaum) gedeutet. Andere Kenner sehen im Ortsnamen Willroth die Bezeichnung für die Rodung und Ansiedlung eines Willo (Wilhelm) oder Werno (Werner).
Geschichtlich wird Willroth erstmals im Jahre 1509 als zum Gericht Horhausen gehörend erwähnt. Ein Schöffe des Gerichtes war Willrother. Da aber der Bergbau des hiesigen Raumes schon viel früher, nämlich im Jahre 1338 erwähnt wird und Willroth alter Bergbauort war, kann mit Sicherheit angenommen werden, daß das Dorf vor 1509 bestand und entsprechend älter ist. Leider sind uns aus seiner Vergangenheit nur wenige geschichtliche Tatsache bekannt, sodaß wir auf Vermutungen und spärliche Überlieferungen angewiesen sind. Eine von ihnen ist die Aussage alter Willrother, nach welcher der Ort einst an einer anderen Stelle, um die Komb herum oder in der Nähe des Pulverhäuschens gestanden haben soll. Erst später soll das heutige Willroth am westlichen Hang des Grenzbachtales neu errichtet worden sein; dort, wo heute noch der eigentliche Kern des Dorfes ist.
Die Quelle, die dort aus dem Boden sprudelt und als kleines Bächlein den Hang zum Grenzbach hinabtließt, bot eine Niederlassungsmöglichkeit. Wie viele Menschen in dem damaligen Willroth wohnten, ist unbekannt. Fest steht jedoch, daß Wilhelm schon seit frühen Zeiten zum Kirchspiel Horhausen - einem kurtrierischen Lehen der Grafen von Isenburg - gehört hat und nach einer Aufstellung aus dem Jahre 1684 mit sieben Feuerstellen der zweitgrößte Ort dieses Kirchspiels war. Ebenso steht fest, daß die Bewohner des Ortes ihren Lebensunterhalt vorwiegend durch den Erzbergbau und das Brennen von Holzkohle gesichert haben. Die Erzvorkommen im Inneren der Berge und der Wald auf den Hängen boten in bescheidenem Maße Verdienst und Auskommen. Außerdem bebauten die Bewohner die von ihnen selbst angelegten Felder und hielten auf den Wiesen und Weiden etwas Vieh.
In alten Aufzeichnungen aus dem Jahre 1787 wird erstmals eine Einwohnerzahl des Dorfes genannt. Willroth hatte damals 54, im Jahre 1853 127 und im Jahre 1919 bereits 274. Einwohner. Wie schon erwähnt, gingen die Bewohner des Ortes seit frühen Zeiten dem ehrbaren, aber gefahrvollen Bergmannsberuf und dem des Köhlers nach. Es war ein schwerer Broterwerb. Ursprünglich wurde das Eisenerz in Pingen gegraben, im Tagebau also. Später, als immer mehr Eisenerz benötigt wurde, grub man es in Stollen. Die Komb ist heute noch als jener Ort bekannt, wo der erste Stollen des heimischen Bergbaues angelegt wurde. Es war um das Jahr 1835. Mit Pferde- und Ochsengespannen wurde der nun unter Tage geförderte Eisenstein aus der Komb über die Steinstraße zu den Hütten von Mülhofen und Sayn gebracht.
Im Jahre 1865 kaufte die Firma Friedrich Krupp, Essen, die Grubenanlagen, und drei Jahre später, 1868 also, wurde am ,,Wender Berg" mit dem Abteufen des ersten Schachtes begonnen. Aus dem Stollenbetrieb in der Komp entstand die Schachtanlage der Grube ,,Georg" auf der Willrother Höhe. Ab 1899 wurde das geförderte Erz mit einer Seilbahn zur Grube ,,Louise" gebracht und von dort mit einer Schmalspurbahn zum Bahnhof Seifen. Die Grube wurde immer weiter ausgebaut und bot den Bergleuten von Willroth - aber auch denen aus der näheren und weiteren Umgebung - Arbeit und Brot.
Es gab aber auch Notzeiten des heimischen Bergbaus, vor allem dann, wenn wirtschaftlicher Niedergang oder politische Wirren Land und Leute bedrängten.
Nach dem Ersten Weltkrieg mußte die Erzförderung aus verschiedenen Gründen wiederholt eingestellt werden. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Grubenanlagen stark beschädigt, doch bereits im Herbst 1945 der Betrieb wieder aufgenommen.
Im Jahre 1950 begannen die Arbeiten an der zweiten Schachtanlage. Die Grube ,,Georg" wurde weiter ausgebaut und war zuletzt eine der modernsten Gruben der Siegerländer Erzbergbau AG. Sie war weit über die Grenzen des Landes bekannt, bot Ausbildungsplätze für ausländische Bergbaufachkräfte und wurde sogar von gekrönten Häuptern, so dem Vizekönig von Jemen im März 1953 besucht und befahren. Weltweite wirtschaftliche Umschichtungen führten jedoch dazu, daß die Grube ,,Georg" im März 1965 geschlossen wurde.
Auf dem Grubengelände errichtet die Firma Edgar Georg aus Neitersen eine Gesenkschmiede, in der heute noch eine Reihe von Willrother Bürgern arbeiten.
Kirchlich gehörte und gehört Willroth dem Kirchspiel Horhausen an. Jahrzehnte, ja Jahrhunderte lang gingen die Willrother nach Horhausen zur Kirche. Im Jahre 1932 erbauten sie sich jedoch eine Kapelle, die der kleinen HI. Theresia geweiht wurde. Das kleine Gotteshaus, das unter erheblichen Opfern der Wilirother errichtet worden war, wurde im Laufe derJahre zu klein. Viele Besucher des Gottesdienstes konnten keinen Platz in der Kapelle finden. Deshalb wurde in den Jahren 1964/65 die Kapelle zum größten Teil eingerissen und an ihrer Stelle eine geräumige Kirche erbaut. Sie bietet den Bewohnern genügend Platz, um am Gottesdienst teilnehmen zu können.
Ebenso gingen die Willrother Kinder viele Jahre bei Wind und Wetter nach Horhausen zur Schule; zu Fuß natürlich, und oft zweimal am Tage! Die Willrother Eltern wollten ihren Kindern den Weg nach Horhausen, der besonders bei schlechtem Wetter und in den Herbst- und Wintermonaten sehr mühsam war, ersparen und bauten im Jahre 1902 eine Schule. Wegen des damals herrschenden Lehrermangels konnte der Unterricht in der neuen Schule aber erst im Jahre 1904 aufgenommen werden. Fast sieben Jahrzehnte wurden die Kinder von Willroth in der 1902 gebauten und in den Jahren 1960/61 erweiterten und der gestiegenen Kinderzahl angepaßten Schule unterrichtet.
Im Zuge der Schulreformen wurde diese schöne, gut ausgestattete und funktionierende zweiklassige Schule verkleinert und 1971 geschlossen. Die Kinder von Willroth besuchen wieder die Schule in Horhausen, brauchen aber den Weg dorthin nicht zu Fuß zurückzulegen.
Von den gesellschaftlichen Gruppierungen des Ortes sind vor allem der Gesangverein und der Sportverein zu nennen. Der Gesangverein, der den stolzen Namen ,,Edelweiß" trägt, wurde im Jahre 1921 als Männergesangverein gegründet. Im Laufe der sechs Jahrzehnte, die er besteht, hat er nicht nur den Gesang und die Geselligkeit gepflegt, sondern auch die Bürger des Ortes und viele Gäste mit Liedern, Spielen und Dorfabenden erfreut. Heute ist der Gesangverein ein gemischter Chor mit 45 aktiven und einer stattlichen Zahl fördernder Mitglieder.
Die 1902 erbaute Schule vor der Erweiterung
Im Sportverein ,,FC Willroth" haben sich im Jahre 1925 die Fußballfreunde des Ortes zusammengeschlossen, um den damals sich ausbreitenden Sport zu treiben. Vorher mußten sie aber in Eigenleistung auf einem von der Gemeinde Willroth zur Verfügung gestellten Gelände einen brauchbaren Sportplatz errichten. Auf ihm wurden Trainingsabende abgehalten und Fußball-, ja Meisterschaftsspiele ausgetragen. Sechs Jahre vor seinem 5O jährigen Bestehen - im Jahre 1969 - konnte der Sportverein einen neuen Sportplatz, heute mit Umkleideräumen und Duschen ausgestattet, einweihen und der Sport treibenden Jugend zur fleißigen Benutzung übergeben.
Willroth zählt heute fast 700 Einwohner und ist mit seinen Geschäften, Handwerksbetrieben, Gastwirtschaften und der schon genannten Gesenkschmiede eine aufstrebende Gemeinde.
In den letzten zwanzig Jahren sind viele neue Häuser gebaut worden, so daß die beiden Onsteile Willroth und Willrother Höhe zusammenwuchsen und außerdem das Dorf an mehreren Stellen größer und schöner geworden ist. Der Ort hat eine gute Kanalisation mit Kläranlage, ordentliche Straßen, einen Kinderspielplatz' ein Dorfgemeinschaftshaus, saubere Anlagen und viele schmucke Häuser mit schönen Vorgärten' in welchen vom frühen Frühjahr bis in den Herbst hinein farbenprächtige Blumen blühen.
Seit Juni 1980 führt die Gemeinde Willroth ein Wappen, das dreigeteilt ist und die Geschicke des Ortes darstellt. Das trierische Kreuz symbolisiert die Zugehörigkeit zu Kurtrier, die alte, mit Öl gespeiste Bergmannslampe erinnert daran, daß Willroth ein alter Bergmannsort war, und die silberne Rose weist auf die Schutzpatronin des Ortes und der Kirche, auf die kleine heilige Theresia, hin.
Die Willrother selbst fühlen sich offensichtlich dem verpflichtet, was das Wappen auch noch symbolisiert, dem Kreuz als dem Zeichen des Beständigen, dem Licht als dem Zeichen des Wegweisenden und der Rose als dem Zeichen des Schönen.