Die Grafen des Engersgaues

(Quelle: Hellmuth Gensicke: Landesgeschichte des Westerwaldes)

(Abschrift erstellt durch: Rolf Willmanns)



Als Erzbischof Tiergaud von Trier um 857 für das Koblenzer Kastorstift den Pfarrzehntbezirk zu Rengsdorf beschrieb, war ein Ruodger Graf im ostrheinischen Teil der Trierer Diözese, zu dem Rengsdorf gehörte. So dürfen wir wohl jene Stelle dieser Urkunde auslegen, nach der zu jener Zeit „Ruodger comes Franciae prefuit“. Da Ludwig der Deutsche 845 Güter zu Lierschied im Einrich und zu Hahnstätten im Niederlahngau, 868 zu Arenberg und Leutesdorf im Engersgau verschenken konnte, erklärt sich dieses „Franciae“ wohl aus dem Gegensatz zum lotharischen Hauptteil der Trierer Diözese (Die Angaben über die Reichsteilung von 843, bei der Lothar die „mosellana provincia“ erhielt, lassen allerdings ebenso wie die Nachricht, nach der 870 bei der Teilung der Lande Lothars Trier an Ludwig den Deutschen fiel die Zugehörigkeit des ostrheinischen Teiles dieser Diözese zwischen 843 und 870 offen). In Ruodger haben wir somit um 857 den ersten bekannten Grafen des Engersgau vor uns.


Dem Kloster Prüm überließ 880 ein Graf Ruodker Güter zu Gemmerich im Einrichgau in seiner Grafschaft, wofür er Güter des Klosters zu Immendorf im Engersgau erhielt, während sein Oheim Balduin ebenfalls für Güter zu Gemmerich solche zu Ems ertauschte. Der gleiche Vorname und dieser Gütererwerb im Engersgau lässt wohl die Vermutung zu, dass dieser Ruodker von 880 auch im Grafenamt des Engersgaues jenem älteren gefolgt war. Erst nach einer großen Lücke begegnet 958 der erste völlig sichere Graf des Engersgaues Waltbrath. Diese Lücke hat man bisher stets mit dem Schwabenherzog Hermann, einem Sohn des Konradiners Gebhard (888-910), ausgefüllt. Herzog Hermann, der am 10.12.949 starb, war im Engersgau reich begütert. Er besaß die Burg Humbach (Montabaur) mit einer bedeutenden Grundherrschaft, die wohl aus Reichsgut stammte und Vorort der Forst Spurkenberg war. Ob das Reich erst nach Hermanns Tod diesen Besitz eingezogen oder ob erst sein Schwiegersohn Liudolf bei seinem Sturz 954 ihn verloren, wissen wir nicht. Teile blieben jedenfalls seinem Hause erhalten. Nach Liudolfs Tod am 6.9.957 schenkte Kaiser Otto I. Herzog Hermanns Witwe Reginlind 958 im Bereich der Montabaurer Grundherrschaft den Hof Wirges, den sie später dem Florinstift in Koblenz überließ, dem Herzog Hermann die Kirche von Humbach (Montabaur) zugewandt hatte. Hermann Enkelin, Liudolfs Tochter Mathilde, Äbtissin von Essen, besaß hier den Hof Eschelbach, den sie dem Erzbischof Ludolf von Trier (994-1008) überließ, und die Grundherrschaft Schöneberg im nördlichen Grenzsaum des Engersgau (Einen Zusammenhang mit Herzog Hermann verrät vielleicht auch der Ortsname Schöneberg, der im Pfarrsitz Schönberg in Hermanns Grundherrschaft Höhn eine Entsprechung findet), die vielleicht ihr Großvater Hermann oder einer seiner Vorgänger im Grafenamt dort angerodet hatte. Denn daran, dass Hermann auch Graf im Engersgau war, besteht kaum Zweifel, da wir später seines Bruders Udo Enkel als Grafen hier bezeugt finden.


Graf Waltbraht, in dessen Grafschaft 958 Wirgis lag, begegnet auch 959 in der Zeugenreihe der Zehntbeschreibung von Humbach (Montabaur) und Findet sich zuletzt in einer undatierten Urkunde des Koblenzer Florinstiftes aus der Zeit von 957 bis 973 als Zeuge.


Als nächster Graf im Engersgau ist ein Konradiner bezeugt. Graf Otto, in dessen Grafschaft 1019 Hönningen genannt wird. Sein Vater Heribert war ein Sohn des Grafen Udo von der Wetterau, eines Bruders des Schwabenherzogs Hermann. Heribert wird zwar sonst nur 976 als Graf im Kinziggau erwähnt, doch dürfen wir ihn vielleicht mit dem Pfalzgrafen Hernbertus, der an zweiter Stelle der Montabaurer Zeugenliste 959 vor dem Gaugrafen Waldbert genannt wird, gleichsetzen. Auf das Pfalzgrafenamt mag er früh verzichtet haben, da bereits vor seinem Tod 992 der Pfalzgraf Hermann seit 989 begegnet. Als Vertreter der konradinischen Familie bezeugt Heribert wohl 959 die Bestätigung des Montabaurer Besitzes des Florinstiftes. Er war wohl selbst noch im Engersgau begütert und hat vielleicht die Grafenrechte bereits wieder an sich bringen können und seinem Sohn Otto vererbt. Otto, der 1002 zuerst begegnet, ist vor allem durch seine Ehe mit seiner Verwandten Irmingard bekannt geworden. Obwohl er sie 1018 durch Spruch der Fürstenversammlung verlor, trotzte er dem Kaiser, der gegen den Gebannten ein Heer ausrüstete. Kaiser Heinrich II. belagerte seit September 1020 Otto in seiner Burg Hammerstein, bis dieser am 26.12.1020 dem Kaiser die Burg übergab. Otto verlor damals nicht nur Hammerstein, sondern auch die Grafschaft im Engersgau. Als Otto Nachfolger finden wir 1021 hier einen Grafen Ello, 1022 Hello, in dessen Grafschaft 1021 Oberbieber und 1022 Irlich und Krümmel lagen. Graf Otto selbst gelobte zwar 1023 Besserung, sein Gemahlin Irmingard aber blieb unbeugsam. Seit 1027 lebten beide ohne Zweifel wieder zusammen, unter Konrad II., der selbst mit seiner Gemahlin verwandt war, hat sich Ottos Lage wieder gebessert, 1033 begegnen Otto und sein Sohn Udo in der Umgebung Konrads. Die Hildesheimer Annalen nennen Otto zwar 1034 Graf von Hammerstein, da jedoch 1034 hier bereits ein Graf Wigger begegnet hat Otto sicher die Grafschaft nicht zurück erhalten. Ob er jedoch die Burg Hammerstein zurück erhalten, muss dahin gestellt bleiben, die Hildesheimer Annalen konnten ihn sehr wohl Graf von Hammerstein nennen, da er unter diesem Namen nach der denkwürdigen Belagerung bekannt war. Nachweisen können wir ihn nur noch als Graf der Wetterau 1035, da sein Sohn Udo schon 1034 gestorben war. erlosch mit Otto am 5.6.1036 sein Zweig des konradinischen Hauses. Ein Bruder Graf Ottos war vielleicht der Edle Erembrecht, der um 1000 dem Koblenzer Kastorstift den Hof Arzheim und vor 1018 der Abtei Deutz Güter zu Mühlen (Ehrenbreitstein) schenkte, den der Aedituus Tuitiensis einen „comes Herembertus de castro Herembrechtstein“ nennt und der wohl als Erbauer des Ehrenbreitstein gelten darf. Diese Annahme wird vielleicht durch das Auftreten seines vermutlichen Vaters Hernbertus als Pfalzgrafen im benachbarten Montabaur erhärtet.


Obwohl die ungenaue Angabe der Urkunde von 1034 Nassau in den Lahngau in die Grafschaften der Grafen Wigger und Arnold legt, besteht kein Zweifel, dass Engers- und Einrichgau gemeint sind. Unseren Grafen Wigger erkennen wir wieder in dem Grafen Wittechind, zu dessen Grafschaft 1044 Arenberg und Leutesdorf rechneten und wohl auch in dem Wyckardus, der dem Koblenzer Kastorstift sein Gut Vrilingoim (Freilingen), die spätere Grundherrschaft Weidenhahn, am Ende des Engersgaues schenkte. Erst nach einer neuen Lücke von fast fünfzig Jahren wird ein Graf Meffried im Engersgau genannt, in dessen Grafschaft 1084/1101 Denzerhaid und 1105 Bendorf lagen und der wahrscheinlich ein Nachkomme Graf Wigger-Widekinds war. Graf Meffried, den die gefälschte Laacher Stiftungsurkunde bereits 1093 Graf von Wied nennt, begegnet seit 1103 mehrfach als Zeuge und hat vor 1129 die Burg Altwied gebaut, nach der er und seine Nachkommen die Grafen von Wied, die seitdem die Reste der alten Gaugrafschaft behaupteten, ihren Namen führten.


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