Die Grafschaft Wied

(Quelle: Hellmuth Gensicke: Landesgeschichte des Westerwaldes)

(Abschrift erstellt durch: Rolf Willmanns)


a) Die Grafschaft bis zur wiedischen Stammesvereinigung von 1613


Durch den Verzicht seiner Brüder hatte Graf Johann von Wied 1505 die wiedischen, Isenburger und Runkeler Erblande als Erster vereinigen können. Ein beträchtlicher Besitz war so zusammengekommen. Ein fast geschlossener Komplex am Rhein und im vorderen Westerwald, allerdings getrennt durch die breite Landzone in der Hand mächtiger Nachbarn von dem Runkeler Besitz an der mittleren Lahn. Kaiserliche Privilege bestätigten Graf Johann 1516 den Gerichtsstand am Reichskammergericht und Reichshofgericht und das Bergregal. Dazu gelang es ihm 1523 die Herrschaft Reichenstein zu erwerben und damit erhebliche fremde Rechte in der Grafschaft auszuschalten. Seinem Bruder Friedrich von Wied verpfändete er 1532 auf dessen Lebzeit Schloss Wied mit dem Amt, allen Rechten und Einkünften. Dabei behielt er sich jedoch die Lehens-Angelegenheiten und die Schuldenzahlungen aus der Kellerei vor. Seit 1543 war Friedrich auch Pfandherr zu Braunsberg, das er mit seinem Haus zu Wied 1551 seinem Bruder, dem Erzbischof Hermann überließ. Der Tod Graf Cunos von Virneburg eröffnete ihm wegen seiner Mutter Erbansprüche auf die Grafschaft Virneburg, die er 1547 seinen Neffen Johann und Friedrich von Wied abtrat, doch überließen diese für eine Geldabfindung jene Grafschaft dem Grafen Dietrich von Manderscheid. Nach Graf Johanns Tod führten zunächst sein Bruder Erzbischof Hermann von Köln und seine Witwe Elisabeth von Nassau die Vormundschaftsregierung für den ältesten Sohn Graf Philipp, der schon am 1.6.1535 starb, dann für den zweiten Sohn Graf Johann.


Am 16.7.1542 nahm Erzbischof Hermann dann für seine Neffen eine Erbteilung vor. Dabei erhielt Graf Johann (1534-1581)(1534-1538 Domherr zu Köln; starb am 15.6.1581) die Grafschaft Wied, dazu sollten ihm nach seines Oheims Friedrich Tod die Herrschaft Runkel, Isenburg und Dierdorf und das Amt Altenwied als kölnische Pfandschaft zufallen. Dem Jüngeren Bruder Friedrich (1538-1568) (1562-1568 Erzbischof von Köln; starb am 23.12.1568) wurden Haus und Herrschaft Olbrück zuteil, die sein Vater Johann 1526/27 von den Gemeinherren zum Teil zurück erworben hatte, doch konnte er nicht in den vollen Genuss jener Herrschaft kommen, da die Waldbott von Bassenheim den Rückkauf ihres Teiles verweigerten, worauf er ihnen vor 1556 die ganze Herrschaft überließ. Durch Erzbischof Hermann von Wied, der nach einem misslungenen Reformationsversuch 1547 sein Kölner Erzstift aufgeben musste, war in der Grafschaft Wied der Boden für die Reformation vorbereitet, die Graf Johann seit 1556 durchführte (über Hermann zuletzt Niessen; jedoch gingen noch 1561 eine Präsentation zur Pfarrei Heddesdorf an den Archidiakon zu Dietkirchen und wurde erst 1564 die erste Landessynode abgehalten). Schon zu seinen Lebzeiten hatte Graf Johann seinem ältesten Sohn Graf Hermann, der seit 1576 mit Gräfin Walpurg von Bentheim vermählt war, einen Landesteil eingeräumt. Seine Gemahlin Katharina von Hanau (1543-1592) hatte Johann 1575 auf das Amt Dierdorf, Braunsberg, das Kirchspiel Anhausen, den Zehnten, Personat und Kollatur zu Heddesdorf bewittumt. Nach seinem Tod nahm Katharina ihren Witwensitz zu Braunsberg, überließ jedoch schon 1591 ihrem Sohn Wilhelm das Amt Dierdorf.


Wenige Tage nach dem Tod Graf Johanns nahmen seine Söhne am 20.8.1581 zu Altwied eine vorläufige, auf ein Jahr befristete, Erbteilung vor. Dabei erhielt Hermann (1576-1592) (starb am 10.12.1592 vor Rouan in Frankreich) die Grafschaft Wied und die Herrschaft Isenburg. Wilhelm (1581-1612) (starb am 8.11.1612) die Herrschaft Runkel. Der Marienstätter Vergleich vom 24.9.1582 sprach Hermann Wied, Isenburg, Braunsberg und die Feste Urbach, jährlich 100 Malter Korn aus dem Amt Dierdorf, das Personat zu Heddesdorf und die Forderung an Moers und Rodemachern zu. Wilhelm sollte außer Runkel nunmehr Dierdorf, die Feste Puderbach und Rückeroth und 15 Fuder Wein jährlich aus der Grafschaft zuteil werden. Die Dierdorfer Teilung vom 29.10.1582 bestätigte im wesentlichen diesen Vergleich, der erst durch den Abschied, den Pfalzgraf Richard bei Rhein am 14.7.1589 zu Simmern zwischen den Brüdern vermittelte, ergänzt und verändert wurde. Nunmehr sollte Graf Hermann Schloss und Burgfrieden Wied, die Kirchspiele Feldkirchen, Niederbieber, Honnefeld, Rengsdorf, Urbach, Raubach, Puderbach, Wambach, Oberdreis, Rückeroth, Den Bann Maxsain und die Gerichte Hauserbach (Freirachdorf) und Dierdorf erhalten. Wilhelm die Herrschaft Runkel, den „Bienfang“ (Gmünden), den Westerwald, das Kirchspiel Heddesdorf, Oberbieber, Schloss Braunsberg mit Anhausen, Schloss und Herrschaft Isenburg mit Meudt und Nordhofen. Vorgesehen war ein Austausch von Heddesdorf gegen den Bann Maxsain und „die Hauserbach“. Doch blieb der Abschied praktisch ohne Bedeutung. Graf Wilhelm nahm vielmehr 1591 in dem ihm 1582 zugedachten Teil des Wittums seiner Mutter Huldigung zu Puderbach, Rückeroth und Dierdorf ein.


Der Tod Graf Hermanns und seiner Mutter Katharina im Jahre 1592 brachte an Stelle der vorläufigen, nunmehr am 31.8.1595 eine endgültige Erbteilung zustande, die einen Teil der alten Bestandteile der Grafschaft Wied zerschlug und im wesentlichen zwei neue Territorien, die Niedergrafschaft (Wied-Neuwied) und die Obergrafschaft (Wied-Runkel) schuf. Graf Hermanns Söhnen Wilhelm, Hermann, Johann Casimir und Philipp Ludwig wurde zugeteilt: Schloss, Flecken und Burgfrieden Altwied mit den Kirchspielen Feldkirchen, Heddesdorf, Niederbieber, Rengsdorf, Honnefeld, Anhausen, Rückeroth und Nordhofen. Der Bann Maxsain, das Dorf Niederbieber, Schloss und Burgfrieden Braunsberg, das runkelsche und wiedische Haus Isenburg mit Zubehör, der Teil der Meudter Gerechtigkeit, Grenzhausen, Hilgert, Alsbach, Hundsdorf und Rembs. Graf Wilhelm: Schloss, Flecken und Kirchspiel Dierdorf, die Kirchspiele Urbach, Raubach und Puderbach mit dem verfallenen Schloss Reichenstein, die Kirchspiele Wambach, Oberdeis und das Gericht auf der Hauserbach (Freirachdorf), die Herrschaft Runkel mit den drei Dörfern, die Zenten Schupbach und Aumenau, der mit Westerburg gemeinsame „Bienfang“ (Gmünden), die runkelsche „Gepur“ zum Westerwald in den Kirchspielen Neukirch, Marienberg und Emmerichhain und das nassauische Mannlehen im Kirchspiel Nordhofen.


Nach der Bestätigung durch Kaiser Rudolf II. vom 9.11.1597 übergab Graf Wilhelm am 24.5.1598 die drei Kirchspiele Rückeroth, Nordhofen mit dem Bann Maxsain und Anhausen dem Grafen Georg von Nassau-Katzenelnbogen, der seit 1593 die Vormundschaft über Graf Hermanns Söhne führte. Graf Wilhelm von Wied-Runkel erwarb während seiner Regierungszeit zahlreiche Höfe und Güter, die jedoch nach seinen Testamenten von 1604 und 1612 an seine Töchter fielen. Er starb am 8.9.1612. Seine Witwe Johanna Sibylla von Hanau-Lichtenberg (1582-1635) (Verheiratet am 24.4.1582; starb 1635) nahm 1614 Huldigung in ihrem Wittum Dierdorf ein. Mit ihrem Schwiegersohn Graf Christoph von Leiningen-Westerburg verkaufte sie 1617 den Rest der Runkeler Rechte in der Herrschaft zum Westerwald an Nassau und verschleuderte bis 1621 beinahe sämtliche Erwerbungen ihres Gemahls.


Die Vormundschaft über Hermanns Söhne war am 20.10.1606 beendigt worden. Am 26.7.1607 kamen die Brüder Johann Wilhelm, Hermann und Philipp Ludwig unter Vermittlung ihres früheren Vormunds und Graf Wilhelms von Wied zu einem Vergleich, der aber nur vorläufig blieb, da Graf Hermann sich den Verhandlungen entzog. Auch die Einigung vom 10.8.1611, die vorsah, dass Johann Wilhelm als Ältester mit gemeinsamen Dienern drei Jahre das Land verwalten sollte, wurde durch des Oheims Tod 1612 vorzeitig beendet.


Die „Wiedische Stammesvereinigung“ vom 20.5.1613 bestätigte den 1595 geschaffenen Zustand. Die Niedergrafschaft Wied mit Isenburg und Braunsberg erhielt Graf Johann Wilhelm, sein Bruder Hermann die Obergrafschaft, das Amt Dierdorf und die Herrschaft Runkel. Der jüngste Bruder Graf Philipp Ludwig sollte mit 100'000 Gulden abgefunden werden. Für diese Summe wurden ihm 1615 die Kirchspiele Feldkirchen und Honnefeld, die Schupbacher Zent und, falls diese nicht reichen sollten, die Kirchspiele Oberdreis und Freirachdorf verpfändet. Nach dem Weilburger Abschied von 1615 wurden ihm 1615 bis 1620 Abschlagzahlungen entrichtet, doch kam es schon 1617 zu Irrungen, 1622 zu offenem Streit, in dessen Verlauf Graf Philipp Ludwig 1622 Schloss und Herrschaft Runkel besetzte und es auch bis zu seinem Tod 1634 behauptete. Da seine Ehe mit Ernesta von Nassau-Saarbrücken (1615-1665) (geboren 24.3.1584; starb 20.10.1665, Heirat am 11.3.1616) kinderlos blieb, beerbten ihn seine Neffen.



b. Die Grafen und Fürsten der Niedergrafschaft Wied (Wied-Neuwied).


Graf Johann Wilhelm von Wied, dem die Niedergrafschaft zugefallen war, beendete den Streit mit Sayn um den Bann Maxsain im Herborner Vertrag vom 4.11.1615, wobei er die Westhälfte des Bannes mit Selters erhielt. In den Kriegsnöten musste er die Grafschaft verlassen. Er starb am 12.7.1633 zu Mainz. Auch sein Sohn Graf Philipp Ludwig musste zunächst außer Landes bleiben. Nach seiner Gefangenschaft in Österreich 1634 bis 1636, fand er das Land 1636 in „ehlendem Zustande“ vor. Nach kurzer kinderloser Ehe mit Anna Amalia von Nassau-Dillenburg (Vermählt 25.4.1638) starb er am 6.10.1638 und hinterließ seiner Mutter (Magdalena Gräfin von Hardeck starb am 2.4.1657) und Schwester (Johanna Walpurgis Gräfin von Wied starb zwischen 29.2.1672 und 10.4.1672), die ihn überlebten, nur Teile des Eigengutes der Niedergrafschaft. In der Grafschaft folgten ihm seine Vettern, Graf Hermann Söhne, von denen Graf Friedrich am 12.8.1641 die Allodialgüter der Niedergrafschaft in Besitz nahm und im gleichen Jahre deren Regierung antrat.


Graf Friedrich von Wied (1634-1698) (Geboren am 16.11.1618 zu Neuenhof; starb 3.5.1698) verdient eine nähere Betrachtung. In Schlimmster Zeit hatte er die Regierung angetreten. Wenige Jahre nach dem Kriegsende gründete er 1653 die Stadt Neuwied, die durch ihre günstige Lage im Neuwieder Becken und vor allem die religiöse Toleranz Friedrich überraschend aufblühte und bald alle die kleinen alten Ackerbaustädte des Westerwaldes überflügelte. Noch im Kriege hatte Friedrich 1645 den Bau des Schlosses Friedrichstein begonnen. Als Trier nach dem Verzicht der saynischen Erbtöchter 1652 sich in Irlich fest eingenistet hatte und versuchte das ganze Rheinufer von Hönningen bis zur Lahn in seine Hand zu bringen, schob Friedrich diesem Bestreben durch die Gründung Neuwieds einen Riegel vor, beschleunigte er aber auch den Bau von Friedrichstein. Die hohen Fronleistungen, die er dazu verlangte, brachten die Gemeinden, die von seinen Vorgängern eine patriarchalische Behandlung gewöhnt waren, gegen ihn auf. Der Kaiser ernannte eine kölnische Unterkommission zur Beilegung des Streites. Kurpfalz griff als Lehnherr ein und besetzte 1660 Braunsberg, doch konnte Friedrich mit kölnischer Hilfe Braunsberg zurückerobern. Nach dem Abzug der Kölner kam es im Februar 1662 erneut zu Unruhen, die er gewaltsam unterdrückte. Der Tod des Grafen Ernst von Isenburg 1664 bracht zudem neuen Streit mit Kurtrier, dass die Grafschaft Isenburg einzog, doch gelang es Friedrich wenigstens die Hälfte des fuldischen Lehens Isenburg und Maischeid im Schönerler Vertrag mit den von Walderdorff 1665 an sich zu bringen. In jenen Jahren des Kampfes hatte Friedrich die Weiher der Dreifelder Seenplatte angelegt und dadurch den vielen landschaftlichen Schönheiten des Westerwaldes ein Stück von einzigartigem Reiz hinzugefügt. Oft weilte er in Schönerlen und auf der Seeburg, die er ebenso wie Fischhaus damals erbauen ließ, doch nahm er in späteren Jahren seinen Sitz zu Friedrichstein.


Der Lebensabend brachte ihm neue Kämpfe innerhalb seiner Familie, die hohe Schuldenlast der Grafschaft, das Erbübel der meisten kleineren Territorien, zwang ihn 1685 mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel einen Erbkaufvertrag über Neuwied und Umgebung abzuschließen, der vorerst zu einem Schutzverhältnis Hessen-Kassels über Neuwied führte. Friedrichs ältester Sohn Graf Georg Hermann Reinhard (Vermählt 1. Ehe 1670 mit Anna Trajektina Gräfin von Holland-Brederode; 2. Ehe 1676 mit Johanna Elisabeth Gräfin von Leiningen-Westerburg) klagte beim Reichshofrat, dass sein Vater ihm sein Erbe abwendig machen wolle und bat um kaiserliche Sequestration auf dessen Lebzeit, zu deren Durchführung Kurpfalz 1687 vom Reichshofrat bestimmt wurde. Aber auch Hessen-Kassel legt seinerseits im Jahre 1688 ein Sequester auf die Grafschaft Wied. Graf Friedrich, der am 29.6.1688 seinen Söhnen Georg Hermann und Friedrich Wilhelm die Grafschaft vererben wollte, enterbte nach neuerlichem Streit am 24.3.1690 seinen Sohn Georg Hermann. Georgs Hermanns Tod am 7.6.1690 (Neuwied Grabinschrift abweichend 7.7.1690) und der Anfall der Obergrafschaft Wied 1691 veränderte die Lage völlig. Am 27.8.1692 überließ Friedrich die Obergrafschaft den Kindern Georg Hermanns und trat am 9/19.11.1693 auch von der Regierung der Niedergrafschaft zurück, die Graf August zur Lippe für Friedrichs jüngeren Sohn Friedrich Wilhelm übernahm. Graf Friedrich behielt sich jedoch ein Gelddeputat, Schloss und Hof Braunsberg und den Hof Schönerlen vor. Friedrich Wilhelm wurde 1694 die Nachfolge in der Niedergrafschaft zugesprochen, 1696 vorübergehend jedoch geplant, dass er in der Obergrafschaft folgen sollte (noch 1696 rückgängig gemacht). Am 3.5.1698 starb Graf Friedrich zu Neuwied. Nunmehr wurde endlich die kurpfälzische Sequestration 1699 aufgehoben. Graf Friedrich Wilhelm, dessen Vormund 1700 Isenburg an Wied-Runkel überließ, trat 1706 die Regierung an. Nach seinem Tod am 17.9.1737 folgte ihm sein Sohn Johann Friedrich Alexander. Da dieser sich damals in Wien aufhielt, versah dessen Bruder 1737 bis 1738 die Landesverwaltung. Mit Kurtrier, das auf Grund seines Hofgerichts in Grenzhausen die Landeshoheit beanspruchte, war es bereits 1727 und verschärft seit 1743 zu Auseinandersetzungen gekommen. Bei gegenseitigen bewaffneten Übergriffen konnte Wied nur durch Eingreifen Friedrichs II. von Preußen seine Rechte 1750 wahren. Erst 1787 wurde der Streit dadurch beigelegt, dass Trier das Hofgericht mit den Gefällen des Hauses Grenzau zu Grenzhausen an Wied vertauschte (bereits 1766 geplant). Johann Friedrich Alexander wurde am 29.5.1784 in den Reichsfürstenstand erhoben und starb am 7.8.1791. Durch sein Heirat mit Karoline Burggräfin von Kirchberg-Sayn erhielt sein Haus eine Anwartschaft auf die Grafschaft Sayn-Hachenburg, doch konnte sein Sohn Fürst Friedrich Karl von Wied-Neuwied nur den Bann Maxsain und eine Geldabfindung für den Erbanspruch seiner Mutter erhalten (starb am 7.3.1809). Am 20.9.1802 verzichtete er auf das Fürstentum.


Nach zweijähriger Regentschaft seiner Gemahlin Fürstin Maria Luisa Wilhelmina trat am 18.7.1804 sein Sohn Fürst Johann August Karl die Regierung an. Doch wurde das Fürstentum schon zwei Jahre später dem Herzogtum Nassau und 1815 zum größten teil dem Königreich Preußen einverleibt, in dessen Rahmen es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorübergehend als standesherrliche Regierung wieder auflebte. Doch verblieben dem Fürstenhaus, das 1824 die ausgestorbene Linie Wied-Runkel beerbte, außer ausgedehntem Grundbesitz nur noch Patronatsrechte.



c. Die Grafen und Fürsten der Obergrafschaft (Wied-Runkel)


Seit dem Verlust Runkels im Jahre 1622 war Graf Hermann auf Dierdorf beschränkt, wo er am 13.1.1631 starb. Für seine Söhne Friedrich, Moritz Christian, Hermann und Johann Ernst führten deren Mutter Juliana Elisabeth von Solms-Lich und Graf Philipp Reinhard von Solms die Vormundschaft. Nach seines Oheims Philipp Ludwigs Tod nahm Friedrich 1634 Huldigung zu Runkel ein. Als 1638 ihr Vetter Graf Philipp Ludwig starb, fiel den Brüdern auch die Niedergrafschaft Wied zu. Nach Vorverhandlungen über die erhebliche Verschuldung der Grafschaft verglichen sich die Brüder Friedrich und Moritz Christian am 14.8.1640 wegen der Übernahme von Land und Leuten und Schuldenteilung.


Graf Friedrich übernahm 1641 die Niedergrafschaft und überließ Moritz Christian die Obergrafschaft, wo er diesem schon 1638 hatte huldigen lassen (1641 von Moritz Christian persönlich wiederholt. In Lehnssachen handelten die Brüder noch 1642 gemeinsam). Graf Moritz Christian (1641-1653) Starb am 25.1.1653) erhielt 1649 auch die Wittumsgüter seiner Mutter im Amt Dierdorf. Da seine Ehe mit Katharina Juliana von Hanau (1642-1668) (Vermählt 31.3.1642; Witwe Graf Albert Ottos von Solms-Laubach (1610-1631); starb am 28.12.1668 zu Hanau) kinderlos blieb, folgte ihm sein Bruder Johann Ernst in der Obergrafschaft. Wegen der hohen Schuldenlast der Grafschaft zog dieser 1654 auf die Güter seiner Frau Massow und Naugarten in Pommern. Er weilte nur 1662 noch einmal in Runkel und starb 1664 zu Stettin (152'625 Gulden Schulden). Seine Witwe Hedwig Eleonora von Eberstein-Naugard-Massow kehrte 1667 zurück und führte mit ihrem Schwager Graf Friedrich von Wied bis 1674 die Vormundschaftsregierung für ihren Sohn Graf Ludwig Friedrich (Beendet 13.10.1674). Der Trierer Kurfürst konnte den jungen und unerfahrenen Grafen 1675 zum Abschluss eines ungünstigen Vertrages über Dierdorf bewegen. Graf Ludwig Friedrichs erste Ehe mit Salome Sophie Ursula, einer Manderscheid-Sayner Erbtochter (Vermählt 1675; starb 1678), war kinderlos geblieben. Ebenso die zweite mit Dorothea Amalia von Nassau-Idstein. Ehewiderwärtigkeiten (Ein 1691 vom Reichshofrat vermittelter Versöhnungsversuch blieb 1692 erfolglos) und die Schulden der Grafschaft, die 1685 eine Hessen-Casselsche Exekution ins Land führten, veranlassten ihn von der Regierung zurückzutreten und für 1'200 Reichstaler Apanage am 31.12.1691 zu Braunsberg die Obergrafschaft seinem Oheim Graf Friedrich von Wied zu überlassen. Doch übergab dieser schon am 27.8.1692 die Regierung der Obergrafschaft dem Vormund der Kinder seines Sohnes Georg Hermann, Graf Johann Anthon von Leiningen-Westerburg, mit dem 1665 erhaltenen Anteil an der Herrschaft Isenburg. Der Vertrag von 1675 mit Kurtrier über Dierdorf konnte 1692 rückgängig gemacht werden. Ein Vergleich vom 18./28.11.1693 bestätigte Graf Ludwig Friedrichs Verzicht, doch wurde dessen Deputat auf 2'000 Reichtaler erhöht und bestimmt, dass er noch als Landesherr anzusehen sei. Die Verwaltung übernahm Graf Wilhelm Moritz von Solms, der seit 1693 die Vormundschaft über Georg Hermanns Söhne führte.


Die nächsten Jahre zogen auch die Obergrafschaft in den Strudel, den die Frage der Nachfolge Graf Friedrichs von Wied verursachte. Am 10.4. und 13.12.1694 war die Obergrafschaft Graf Georg Hermanns Söhnen zugesichert worden. Graf Ludwig Friedrich hatte dann seinen Verzicht angefochten, aber schließlich am 29.7.1695 endgültig anerkannt. Am 30.9.1696 beanspruchte Graf August zur Lippe, als Vormund Friedrich Wilhelms, des jüngeren Sohnes Graf Friedrichs, für diesen die Obergrafschaft, die dann noch 1696 erneut für Georg Hermanns Söhne vorgesehen wurde, die sie auch im Vergleich vom 13./23.1.1698 zwischen Graf August zur Lippe und dem Grafen Johann Anthon von Leiningen-Westerburg, der seit 1697 wieder die Vormundschaft für diesen führte, endgültig erhielten (14./24.1.1698 vom Reichskammergericht bestätigt). Graf Johann Anthon von Leiningen-Westerburg verkaufte für seine Mündel 1698 noch die Ruine Reichenstein an die Freiherren von Nesselrode und ließ am 4.1.1700 den Grafen Max Heinrich (1700-1706) (Fiel im Duell am 21.4.1706) zu Schadeck für volljährig erklären. Für seinen Verzicht auf die Niedergrafschaft konnte dieser am 27.4.1700 von seinem Oheim die Hälfte des Kirchspiels Maischeid, Schloss und Flecken Isenburg und die Herrschaft Meudt zu seinem Landesteil bringen. Die Güter in Pommern fielen, als Graf Ludwig Friedrich nach langen Jahren der Ruhe am 1.11.1709 zu Hartenfels starb, an die von Eberstein zurück (Seine Witwe nahm 1710 Eleonorenburg in Besitz).


Graf Maximilian Heinrichs früher Tod 1706 machte erneut eine vormundschaftliche Regierung notwendig, die seine Witwe Sophie Florentine von Lippe-Detmold unter Oberaufsicht des Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen für ihren Sohn Johann Ludwig Adolph führte. Sie verteidigte den Besitz der Grafschaft nicht nur mannhaft gegen die Ansprüche ihres Schwagers Graf Karl von Wied, sondern verweigerte ihrem Sohn, dem das Reichskammergericht schon 1725 die Regierung zugesprochen hatte, die Nachfolge, so dass dieser erst 1730 nach langem Streit mit der Mutter die Grafschaft übernehmen konnte. Seine Heirat mit Gräfin Christina Louise von Ostfriesland und Kriechingen eröffnete ihm die Aussicht auf ein reiches Erbe. Er musste zwar Ostfriesland dem mächtigen Preußen überlassen, doch konnte er die Grafschaft Kriechingen (Créange), die Herrschaften Saarwellingen, Püttlingen und Rollingen in Lothringen und an der Saar, Voimhout in Luxemburg an sein Haus bringen. Am 31.3.1762 übergab er seinem Sohn Christian Ludwig die Regierung und starb wenige Wochen später am 18.5.1762.


Graf Christian Ludwig (1762-1791) (starb am 31.10.1791) wurde am 22.7.1791 in den Reichsfürstenstand erhoben. Sein Sohn Fürst Karl Ludwig Friedrich Alexander von Wied-Runkel verlor 1796 das linksrheinische Erbe seiner Großmutter, wurde aber dafür 1803 mit den Ämtern Neuerburg und Altenwied entschädigt, die eine wertvolle Ergänzung der Westerwälder Stammlande bedeuteten. Schon 1806 wurde jedoch sein Fürstentum Nassau und 1815 zum Teil dem Königsreich Preußen einverleibt. Als er am 9.3.1824 kinderlos starb, folgte ihm sein Bruder Fürst Friedrich Ludwig von Wied-Runkel, mit dem am 28.4.1824 diese Linie erlosch.



Weiterreichende Informationen und Stammbaum der

Familie „zu Wied“ unter


www.zuwied.de/familie_de.htm




E n d e

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