Dieter Trautmann

Die Hachenburger Mühlen

aus: Heimatjahrbuch für den Kreis Altenkirchen - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Kreisheimatvereins

Auch die Stadt Hachenburg kam vor der allgemeinen Einführung der Dampfmaschinen und der Elektromotore nicht ohne die Antriebskraft des Wassers aus. Um Hachenburg gab es:

1. Die Nistermühle an der Großen Nister 4. Die Freiheitsmühle am Rothenbach 2. Die Schneidmühle an der Großen Nister 5. Die Altstadter Mühle am Rothenbach 3. Drei Lohmühlen am Rothenbach

Alle diese wassergetriebenen Werke sind im Laufe der Jahrhunderte oft der Zeit und der Wirtschaftlichkeit entsprechend verändert und umgebaut worden. Auch waren die mit der Mühle zusammenhangenden Rechte des öfteren Streitobjekt, oft haben sie auch den Besitzer oder Pächter gewechselt.

DIE ALTSTADTER MÜHLE

Die Altstadter Mühle, die zuletzt als Sägewerk betrieben wurde, steht schon lange still. Sie war, und dies ist ganz eindeutig, die ehemalige Walkmühle der Hachenburger Wollenweber. Dies dokumentiert auch schon die Tatsache, dass das Mühlengrundstück, trotz der Nähe zum Dorf Altstadt, immer zur Gemarkung Hachenburg gehörte.

Söhngen berichtet in seiner Geschichte der Stadt Hachenburg, dass die Wollenweber der Stadt sich 1343 zu einer Zunft zusammengeschlossen und vom Grafen darüber einen Zunftbrief erhielten. In diesem Jahr wechselte die Walkmühle der Wollenweber in der Altstadt schon zum drittenmal den Besitzer. Vom Jahre 1444 berichtet Söhngen, dass Johann und Katharina van Heymbach ihre Walkmühle in der Altstadt mit allen Freiheiten und Zubehör, wie sie Hermann Eschmann lange besessen hatte, an den Hachenburger Bürger Jakob Ferber verkaufen.

Im Jahre 1617 wurde ein Weiher der Wollenweber (auch Wollenschlager) "in der Rodenbach" erwahnt. Wahscheinlich war es ein Weiher zum 5ammeln des Wassers von der Walkmühle. Nach einer Liste des Wiegemeisters der Wollenwaage, Diederich Frantz, hatten im Jahre 1688 insgesamt 11 Wollenweber 13 Gulden und 8 Albus an die Stadt zu zahlen. Von einem Kleudt Wolle musste 1 Albus abgeführt werden.

Als der Amtsverwalter Johann Wilhelm Grün den ehemaligen Brendershof (heute Brauerei) erwarb, führte er auch Veränderungen an der Wasserzufuhr zu seinem Weiher aus, die sich nachteilig auf den Betrieb der Walkmühle auswirkten. Dagegen protestierten im Jahre 1696 "sämbtliche Wüllenweber zunfft genossen zu Hachenburg". Von der Herrschaftlichen Kanzlei zu Hachenburg erging am 13. 6. 1696 an Grün die Anordnung, dies zu ändern. Der Streit zog sich länger hin, so dass zwischenzeitlich die Wollenweber zur Selbsthilfe griffen. Dafür wurden sie von der Kanzlei mit 20 Gulden bestraft (Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 340 Nr. 4751).

Im Zunftbrief des Burggrafen Georg Friedrich vom Jahre 1729 heißt es unter anderem: "In der Walkmühle soll keiner den anderen belästigen. Wer an der Reihe ist, dem soll der Walkmeister beistehen. Wer sich nicht fügt, zahlt 1 Gulden Strafe."

Hier wird deutlich, dass die Walkmühle für alle Weber zur Verfugung stand, aber von einem Walkmeister überwacht wurde. Als Gebühr für die Benutzung des Wassers vom Rothenbach für die Mühle (Wasserlaufzins) musste jedes Mitglied der Zunft zu Lichtmess dem Grafen ein Pfund Wachs liefern.

In der Walkmühle wurden die frisch gewebten Tuche der Wollenweber in einer Flüssigkeit, die Seife und Walkerde enthielt, mit Holzhämmern bearbeitet. Durch dieses Walken und Stampfen erhielten die Tuche ihre Festigkeit und Geschmeidigkeit. Von Hand waren diese Arbeiten anstrengend und zeitraubend, so dass eine Walkmühle die Arbeit wesentlich erleichterte.

Als 1750 die "verfallene Walkmühle in der Altstadt" repariert werden soll, "ist den hiesigen statt wollen duch machern auf bitt und anhalten ein baum zu ihrer Walkmühlen zu fällen erlaubt warden." Ein Stamm zu einem Wellbaum für das Wasserrad musste 1752 allerdings bezahlt werden.

Im Siebenjährigen Krieg (1760) wurde die Walkmühle von französischen Truppen stark beschädigt. Insgesamt entstand ein Sachschaden von 40 Reichstalern (Söhngen).

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts scheint die Walkmühle kaum in Betrieb gewesen zu sein. Und als Anfang des 19. Jahrhunderts die Wollenweberzunft von der Herzoglich Nassauischen Regierung aufgelöst wurde, ist der Betrieb wahrscheinlich gänzlich zum Stillstand gekommen. Auf der Karte van Tranchot aus dern Jahre 1819 ist hier auch keine Mühle mehr eingezeichnet.

Die Reste der Mühle und die Wasserrechte erwarb Henrich Daniel Klein aus Hachenburg. Gleichzeitig erwarb er das Recht der Knochenmehlherstellung unter anderem auch im Amt Hachenburg und baute die alte Walkmühle zu einer Knochenmühle um. Bezüglich der Wasserentnahme wurde mit der Gemeinde Altstadt vereinbart, dass das Wasser des Rothenbaches van den Lohmühlen her frei zu nutzen sei, das Wasser des Gehlerter Baches nur, wenn es genügend Wasser gibt. Die Altstädter Bewässerungsgraben sollten auf keinen Fall ohne Wasser sein. Doch gerade daran hat sich Klein nicht immer gehalten, denn im Jahre 1825 ging von der Gemeinde Altstadt diesbezüglich eine Beschwerde an das Herzogliche Amt in Hachenburg. Ein Jahr später wurde sogar ein Sachverständiger eingeschaltet, der die Wasserregulierung überprüfen sollte. Die Herstellung van Knochenmehl, das als Dünger in der Landwirtschaft beste Ergebnisse brachte, wurde ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor. Es enthielt etwa 3,5 – 4 Prozent Stickstoff und 18 – 20 Prozent Phosphorsäure.

Die Herstellung brachte einen Aufschwung der Mühlenindustrie, wobei unrentable Mahlmühlen auf Knochenstampfen umgebaut, aber auch neue Knochenmühlen errichtet wurden.

Das etwa um 1830 erstellte Gebäudesteuerkataster von Hachenburg gibt Auskunft über die Größe der Mühlengebaude:

1 Knochenmühle 9,6 m lang, 8,0 m breit
1 Knochenmühlenanbau 10,3 m lang, 5,3 m breit
1 Scheune 14,0 m lang, 9,0 m breit
1 Werkstätte 13,3 m lang, 4,6 m breit

Im Jahre 1833 stehen die vorgenannten Gebäude des Henrich Daniel Klein im Herzoglich Nassauisches allgemeinen Intelligenzblatt "amtlicher Verfügung zufolge" erstmals zur Versteigerung an.

Doch in dieser Zeit fand sich kein Käufer, noch 1834 beschwert sich die Altstädter Gemeinde über die Wasserentnahme aus dern Gehlerter Bach zum Nachteil der Weidenbesitzer, die noch nicht einmal Wasser zum Tränken des Viehes erhalten. Das Herzogliche Amt verfügte, dass notfalls die Knochenmühle stillgesetzt werden muss, wenn nicht genügend Wasser zur Verfügung stehe.

Die nächste Nachricht ist die Anzeige der Kinder des Henrich Daniel Klein im vorgenannten Blatt vom 31. 3. 1846:

Trotz der oft geringen Wassermenge vom Gehlerter Bach, stellte Adam Bell aus der Altstadt im Jahre 1848 den Antrag, an diesem Bach noch zusätzlich eine Mahl- und Schneidmühle zu errichten. Dies wurde, insbesondere auf den Einspruch des Henrich Daniel Klein hin, abschlägig beschieden.

Die 2. Anzeige erschien im Intelligenzblatt im März 1849, allerdings ist jetzt vom Verkauf der Gebäude die Rede. Die nächste Anzeige, jetzt wieder Versteigerung, datiert vom April 1850. Hier wurde gleichzeitig der "Grünsche Hof’ mit angeboten, der ebenfalls den Kleins gehörte. Jetzt findet sich für die Knochenmühle ein Käufer in dem Müller Heinrich Schütz von der Nistermühle. Derselbe stellte am 4. 3. 1853 beim Herzoglichen Kreisamt in Hachenburg den Antrag auf Umbau der Knochenmühle. Ebenfalls aufgrund von Einsprüchen wurde dieses Vorhaben abgelehnt. Noch im Jahre 1860 gibt Schütz aber zur Kenntnis (Amtsblatt 14. 8): "Da ich meine in der Altstadt bestehende Knochenmühle wieder selbst in Betrieb genommen, so bringe ich hiermit zur Kenntnis, dass von jetzt ab fortwährend echtes Knochenmehl bei mir vorrätig zu haben ist".

Heinrich Schütz legte, um trockene Jahreszeiten auszugleichen, vor seiner Mühle einen Sammelweiher an, der vom Gehlerter Bach gespeist wurde. Als dies nicht ausreichte, baute er noch eine Verbindung zum Rothenbach. Zum selben Zeitpunkt protestierte er aber gegen die Anlegung eines Sammelweihers der Hachenburger Lohmüller Friedrich Altbürger, Friedrich Eichelhardt und Wilhelm Montanus. Nach anfanglichem Erfolg mit seinen Einsprüchen verlor jedoch Schütz in der Sache, und der Lohmühlenweiher wurde gebaut. Zudem war seine Knochenmühle selten in Betrieb. Sie profitierte nur von diesem Weiher, der das Wasser nachts staute und am Tage dem Rothenbach zuführte.

Da der Gebrauch des Knochenmehls stark zurückging und die Bannrechte in Preußischer Zeit restlos aufgehoben wurden, baute Schütz seine Knochenmühle in eine Mahl- und Schneidmühle um. Nach dern Tode von Gustav Schütz verkaufte dessen Witwe die Mühle (Westerwälder Zeitung 6. 6. 1893):

Das Gebäude erwarb Jacob Brenner, der hier zusätzlich eine Holzhandlung und Zimmerei einrichtete. Nachfolgebesitzer war Wilhelm Brenner, in dessen Familie das Sägewerk noch bis nach dem 2. Weltkrieg betrieben wurde.

Neben den Mühlengebäuden standen hier früher die Gebäude einer Färberei, die um 1830 dem Johann Philipp Lorsbach gehörten. Die Familie Brenner erwarb diese Gebäude, damals Färberei Schmidt, und vergrößerte damit ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Wie ein aufgefundener Briefkopf (Rechnung über Arbeiten für die Gemeinde Atzelgift am Schulgebäude) zeigt, rauchten auf der Brennerschen Säge- und Mahlmühle zwei Schornsteine. Brenner machte sich also die Kraft der Dampfmaschine zunutze. Allerdings blieb die Anlage für die Wasserkraftnutzung bestehen, eine Kreissäge konnte auch damit betrieben werden.

Der Sammelweiher, der jetzt nur vom Gehlerter Bach gespeist wurde, blieb für den Betrieb immer in Benutzung. Mittels eines Kanals oder Rohres wurde das Wasser hoch über den Rothenbach in die Rinne eines aufgeschütteten Dammes gefuhrt. Von diesem Damm-Mühlengraben lief das Wasser bis zum Wasserrad der Mühle, eine seltene Konstruktion im Mühlenbauwesen des Hachenburger Landes. Der Weiher war im Sommer (Baden) und im Winter (Schlittschuhlaufen) ein beliebter Spielplatz der Kinder.

Bei der Anschaffung eines leistungsstarken Elektromotors stellte sich die Zugehörigkeit zur Gemarkung Hachenburg als großer Nachteil heraus. Die Stromversorgung fur die Gebäude erfolgte vom Elektrizitätswerk der Stadt Hachenburg mit einer separaten Leitung aus der Stadt. Diese ließ den Betrieb eines großen Motors nicht zu. Der Anschluss an die nahebei in der Altstadt gelegene Trafostation der KEVAG wurde von dern Betriebsleiter des Hachenburger Elektrizitätswerkes nicht erlaubt.

Vergangen ist die Betriebsamkeit der Mühle, das Schlagen der Knochenstampfen und das Singen der Kreissägen, heute dient das Gebäude nur noch Wohnzwecken. Über 600 Jahre Wasserkraftnutzung ging mit den modernen Techniken unserer Zeit zu Ende.

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