Die Steinches Mühle

Aus dem Heimatbuch"Unser Daadener Land" von Rektor Heinrich Groh u.a. 1953

Kaum ein Fleckchen unseres schönen Daadener Landes dürfte Fotografen und Malern sovielmal als Motiv gedient haben wie die Steinches Mühle.

Sie liegt wirklich malerisch an der Gabelung des Derscher und Emmerzhäuser Tälchens und wird von allen als eine Perle unserer Heimat empfunden.

Wegen ihres Alters - oder trotz ihres Alters ? Wer will es sagen ?

Ja, sie ist sehr alt. Wann ihr Geklapper zum ersten Mal erscholl, weiß man nicht; doch sind es mehr als 350 Jahre her.

"Es soll der Landschultheiss zu Kirchen - Freuspurg Henrich Fischer die beiden Müller auf der Steinges und Birstorfer Mhülen dahin anweisen, das sie nunmehr den gedachten Mhüllon abziehen und den Mhalgästen derselben beiden Mhülen alles dasselbige, was auf den beiden Mhülen befunden worden, so zu derselben gehörig, aufrichtig liefern und dabei nicht vervortheilen. Darob auch ermelten beiden Müllern das sie das erschienen Vierteljahres Mhülenpacht, so der Landschultheiss inkünftig zu verrechnen hatt, vor allen Dingen genau zu machen und liefern, ohne dafür geringsten betrug zu setzen. Danach sich zu richten.

Sayn Hachenburg, den 29ten Marti 1610."

Eine herrschaftliche Anordnung. Es handelte sich also auch hier um eine herrschaftliche Mühle.

Der Müller war Pächter. Die Mahlgäste waren zu der Mühle gebannt (zugeteilt, verpflichtet). Der Landesherr erhielt Pacht. Des Müllers Entlohnung war ein kleiner Teil der zum Mahlen angelieferten Frucht.


© 2003 by Horst Ascheid, Almersbach

Das Verhältnis zwischen Herrschaft und Müller (Pächter) war durch einen genauen Pachtvertrag geregelt.

Vertragliche Regelungen irgendwelcher Art liegen aus den Jahren 1610, 1636, 1639, 1640, 1641, 1660, 1688, 1705, 1808, 1855 und 1856 vor. Unberücksichtigt bleiben die Akten der "Neuzeit."

Die angeführten Unterlagen breit auszuwerten, verbietet der Raum. Darum in aller Kürze :

Pächter im Jahre 1636 war Johann Grahen (Krah) zu Daaden. Es wird von ihm verlangt,: Ehrliche Arbeit, christlicher Lebenswandel, Instandhaltung der Mühle, jährlich 8 Malter Frucht und ein "fett Mühlenschwein". Die geringe Pacht ergab sich aus den Notzeiten des dreißigjährigen Krieges.

Im Jahre 1640 wurde die Steinchesmühle (und die Friedewälder Mühle) an Adam Pauschert aus Derschen verpachtet. Ob der Pachtvertrag wegen der Kriegszeiten nur auf ein Jahr lautete, oder ob wegen der schlechten Zeiten der Pachtsatz einer jährlichen Nachprüfung unterzogen wurde, ist nicht gesagt. Doch wurde nach einjährigem Lauf der Pachtzeit der Vertrag auch auf das Jahr 1641 ausgedehnt. Pacht : 8 Malter Molterfrucht, 7 Rthlr an Geld.

Die Capaune wurden wegen der schlechten Zeiten "gnädigst" erlassen.

Am 6. April 1660 tritt laut Vertrag der "Underthan Thomas Cra" zu Daaden als Pächter "unser zwo Mhülen : Steingesmühle und Friedewälder" in Erscheinung.

Ab 1. Januar 1688 ist es der "Underthan Engelbert Cra", mit dem der "geheibe Rath und Oberamtmann v. Schütz den "Leih-Contrakt" in 15 Artikeln abschließt. Er soll zehn Jahre gelten. Für beiderseitige Aufkündigung ist im Laufe der zehn Jahre einmal Gelegenheit gegeben, und zwar "ein halb Jahr für ende des Fünften Jahres".

Beide Teile scheinen von der Aufkündigung keinen Gebrauch gemacht zu haben, denn am 1. Oktober 1705 wird von Johann Wilhelm, Herzog zu Sachsen, Jülich usw. Dem "Pachtmüller in der Steingesmühle unter Derschen, Engelbert Cra, die Zahlung eines Pfandschillings (Kaution) in der Höhe von 50 Rthlrn. Bestätigt und die unverkürzte Rückzahlung (ohne Zinsen) bei Ablauf des Vertrages zugesichert. Der Pachtvertrag selbst bleibt in Gültigkeit.

Und dann folgt eine "Aktenlücke" von 60 Jahren.

Anmerkung des Verfassers : Im Jahr 1753 wird in den Akten der Grafen von Sayn von einem Verkauf der Mühle an einen Gerlach Steinsäufer berichtet.

1765 ist Pächter auf Zeit : Johann Anton Schnell zu Daaden. Die Zeitpacht soll in Erbpacht umgewandelt werden.

"Es bietet sich an als Erbpächter Johann Christian Müller, ledigen Standes, aus der Friedewälder Mühl gebürtig, jetziger Mahlknecht in der Altenkirchener Mühl."

Sein Angebot von 152 Gulden und 4 Malter Korn als jährliche Pacht und dazu 100 Gulden Caution erscheint selbst der Herrschaft zu hoch. Die Ansicht wird rechnerisch begründet :

44 Mahlgäste von Derschen und Mauden und 26 von Emmerzhausen. Für jeden der 70 Mahlgäste werden 2 Gulden und 30 Kreuzer (höchstens 2 Gulden 45 Kreuzer) in Ansatz gebracht.

Bei diesen Einnahmen einerseits, der Pacht, dem Zinsverlust von der Caution und der Instandhaltung von Mühle und Einrichtung könnten sich bestenfalls Einnahme und Ausgabe decken. Gewinn ??

Der bisherige Zeitpächter Joh. Anton Schnell ist vorsichtiger. Er lehnt es unter dem 1.10.1765 ab, mehr als bisher zu zahlen. (137 Gulden, 4 Malter Korn als Jahrespacht und 82 Gulden Caution).

Da kamen auch dem anderen Bewerber Bedenken. Am 5.10.1765 bittet er mündlich und am 14.10.1765 schriftlich, ihn von seinem Angebot loszusprechen, da ihm der neue Münzkurs nicht bekannt gewesen sei. Die Herrschaft sieht sich durch diese Entwicklung der Dinge gezwungen, wiederum die Verpachtung auf Zeit (sechs Jahre) zu "publizieren".

Und am 6. Dez. 1765 finden sich der bisherige Zeitpächter Joh. Anton Schnell und Theiss Krah von Daaden in Friedewald ein und überbieten sich gegenseitig, so daß nach einem ersten Angebot von 82 Gulden Caution, 100 Gulden und 4 Malter Korn als Pacht schließlich der Theiss Krah mit 82 Gulden Caution, 131 Gulden und 4 Malter Korn als Jahrespacht ab 1.1.1766 neuer Zeitpächter für sechs Jahre wird.

In 17 Artikeln ist der Pachtbrief verfaßt.

Es folgt die Abschätzung der Mühleneinrichtung, da der neue Pächter seinem Vorgänger diesen Schätzwert mit Caution erstatten muß. Und nun folgt in diesem Zusammenhang eine kleine Aufstellung, welche die Gewirrnis der damaligen Zeit beleuchtet :

Die Abschätzung ergab einen Wert von 134 Gulden und 23 Kreuzern (alter Kurs, denn dieser war dem Schätzer, Joh. Henrich Hof von Neunkirchen geläufiger).

Die Summe entsprach 115 Gulden nach rheinischem Kurs. Dazu die 82 Gulden Caution egaben 197 Gulden. Diese wurden von Theiss Krah wie folgt bezahlt:

15 Lüneburger Pistolen

a`7 Gulden 17 Kreuzer

= 109 Gulden 15 Kreuzer

3 französische Pistolen

a`7 Gulden 20 Kreuzer

= 22 Gulden - Kreuzer

6 Carl d`or

a`9 Gulden 12 Kreuzer

= 55 Gulden 12 Kreuzer

1 Louis d`or

 

= 8 Gulden 50 Kreuzer

mit Münz

 

= 1 Gulden 43 Kreuzer

Johann Schnell quittiert am 7. Januar 1766 in Friedewald den Empfang.

Doch es geht nicht immer nach menschlicher Voraussicht. Im Februar 1768 stirbt Theiss Krah. Der Pachtvertrag läuft noch bis Ende 1771. Die Witwe läßt durch ihren Vater, Wilhelm Pfeiffer, um Aufhebung des Vertrages bitten. - Auf den Bericht von Friedewald ordnet die Hochfürstlich - Brandenb.-Onolzbachsche Canzley in Altenkirchen die Verpachtung zu Johanni laufenden Jahres an. Die Neuverpachtung muß vorher dreimal vor den "Kirchen in Daaden, Freuspurg, Altenkirchen, Hachenburg, Neunkirchen und Burbach publiziert werden".

Termin der Verpachtung ist der 2. Mai 1768.

Nur der frühere Pächter Anton Schnell gibt ein Gebot ab : 82 Gulden Caution, 30 Gulden Jahrespacht an Geld, dazu 4 Malter Korn und 8 Malter Molterfrucht.

Bei dieser Lage wird die Verpachtung abgebrochen. Da meldet sich am 27. Mai 1768 der Bewerber "Joh. Christ. Nöllius von der Hintermühl aus dem Fürstenthum Hadamar, katholish, 30 Jahre alt."

Sein Angebot : 100 Gulden Jahrespacht, 4 Malter Korn, 100 Gulden Caution. Pachtzeit bis 31.12.1771. Die Canzlei in Altenkirchen entscheidet menschlich. Witwe Krah kann bei verminderter Pacht die Mühle bis zum Ende 1768 behalten.

Trotz höchster Genehmigung kann die Verpachtung an Nöllius nicht stattfinden, da er nie wieder erscheint.

Da bietet sich der Bruder der Witwe Krah, Joh. Engel Pfeiffer an, die Mühle pachtweise zu übernehmen. Sein Angebot liegt nur um 1 Malter Molterfrucht über dem des Anton Schnell. Der Zuschlag erfolgte und Joh. Engel Pfeiffer übernimmt die durch Theiss Krah begonnene Pachtzeit.

Nun scheint sich eine Wendung anzubahnen. Am 14. August 1771 erscheinen Vertreter der zur Steinchesmühle gebannten Orte Derschen, Mauden und Emmerzhausen und bieten an, die Mühle in Erbpacht der Gemeinden zu nehmen.

70 Gulden, 4 Malter Korn und 9 Malter Molterfrucht als Jahrespacht und 100 Gulden Caution.(79 Räuche sind jetzt gebannt : 51 Derschen-Mauden, 28 Emmerzhausen)

Bei einer Vermehrung um 10 Räuche steigert sich die Pacht; bei einer Verminderung um 10 wird sie herabgesetzt. Ein Mann der gebannten Gemeinden wird als "Lehnsträger" bestimmt. Bei Übergang auf einen anderen Lehnsträger erhält die Herrschaft 15 Gulden. So der Vorschlag. - Derschen und Mauden nennen als künftige Lehnsträger Joh. Gerlach Pauschert und Johann Engel Meyer aus Derschen. Emmerzhausen den Johann Henrich Langenbach. Das am 22. August 1771 in Friedewald gezogene Los fällt auf Joh Gerlach Pauschert.

14 ausführliche Artikel enthält der erste Erbpachtbrief. Der Bürgermeister Anton Henrich zu Derschen erhält am 18. Dezember 1771 das Original. Die drei Gemeinden sind somit Erbpächter.

Am 2. und 4. Januar 1772erfolgt die Einweisung der neuen Erbpächter. Die 152 Gulden Schätzungswert und die Caution müssen von den neuen Erbpächtern erlegt werden. Es tragen : Derschen und Mauden zusammen 156 Gulden und Emmerzhausen 78 Gulden. Wie dies geschieht, ist wert, festgehalten zu werden :

Derschen :

Mauden :

8 Carolin = 88 Gulden

2 Pisthol = 18 Gulden

1 Carolin = 11 Gulden

2 Cour. Thaler = 5 Gulden 30 Kreuzer

1 Pisthol = 9 Gulden

1 Cour. Thaler = 2 Gulden 24 Kreuzer

1 Thaler = 2 Gulden 45 Kreuzer

Cour. Geld = 2 Gulden 6 Kreuzer

2 Thaler = 5 Gulden 30 Kreuzer

 

7 Bayr. Halbgulden = 3 Gulden 30 Kreuzer

Emmerzhausen :

1 Cour. Thaler = 2 Gulden 24 Kreuzer

7 Pisthol = 63 Gulden

Cour. Geld = 3 Gulden 45 Kreuzer

1 Dukaten = 5 Gulden

Münz = 1 Gulden 6 Kreuzer

2 Cour. Thaler = 4 Gulden 48 Kronen

 

Münz = 5 Gulden 12 Kronen

Johann Engel Pfeiffer quittiert am 4.1.1772 die 234 Gulden.

Nach 18 Jahren tritt Emmerzhausen von dem Erbpachtvertrag zurück. Es erhält 84 Gulden 20 Kreuzer als Abfindung. Derschen und Mauden gelten ab 1.1.1790 als alleinige Erbpächter.

Am 29. November 1805 zeigt Bürgermeister Dücker von Derschen den Tod des "Lehnträgers" Johann Gerlach Pauschert an und benennt als Nachfolger Anton Pauschert zu Derschen.

Ein neuer Schritt in der Besitzrechtsform bahnt sich 1852 an. Die Gemeinde Derschen (und Nisterberg für seine Mühle) will den Erbpachtvertrag mit dem 18fachen Jahrespachtbetrag ablösen. Die Umwandlung scheint am 12.03.1853 vollzogen und Derschen somit Eigentümer der Mühle geworden zu sein.

Jedenfalls wird Derschen 1856 vom Königl. Landratsamt in Altenkirchen als Besitzer genannt, nachdem es auch in eigener Machtvollkommenheit am 29.9.1855 den Mühlenknecht Christian Schmidt wegen Unregelmäßigkeiten entlassen und dafür den Müller Wilhelm Röder aus Höhn vorläufig eingesetzt hatte.

So blieb die Steinchesmühle im Besitz von Derschen bis jetzt und blieb ihrer ursprünglichen Aufgabe treu bis zum heutigen Tag. (Stand 1953).

Anmerkung des Verfassers : Nicht die politische Gemeinde Derschen, sondern die Interessenten von Derschen wurden Eigentümer der Mühle. Gegen einen Besitz der Gemeinde schon seit 1856 spricht ein Gemeinderatsbeschluß von 1911, in dem beschlossen wird, die Steinchesmühle mit allen Rechten und Gerechtigkeiten käuflich zu erwerben. Als Kaufpreis werden für den Anteil 2 250 Mark bezahlt. Hierbei ist der Waldanteil mit 2 123 Mark und der Mühlenanteil mit 127 Mark bewertet.

Der Müllerlohn wird im Jahr 1927 von 25 Mark auf 30 RM monatlich erhöht.

Das Mahlgeld beträgt für einen Zentner Hafer 80 Pfennig, für einen Zentner Korn 1 Reichsmark.

Im Jahre 1954 erhält die Mühle ein neues Reet-Dach durch Dachdecker aus Friesland.

1959 verpachtet die Gemeinde die Mühle an den Bund Deutscher Pfadfinder und im Jahr 1966 wird die Mühle an einen Antiquitätenhändler aus Köln für 26 000 DM verkauft.

Arbeiter entdecken 1967 die Jahreszahl 1525 auf einem Balken in der Steinchesmühle.

Seit diesem Zeitpunkt befindet sich die Mühle in Privatbesitz und ist zur Zeit sehr gut erhalten und gepflegt.

Ergänzung (2022):

1579 wurde die Steinches Mühle erstmal urkundlich erwähnt, die heute auf der Gemarkung Daaden liegt und zu dieser Zeit Bannmühle für die umliegenden Ortschaften war. Es handelt sich um eine Wassermühle, an der Straßengabelung Emmerzhausen/Derschen, die sich heute im Privatbesitz befindet.

Lange galt das Jahr 1610 als erste urkundliche Erwähnung, aber das wurde inzwischen revidiert. Vielmehr datiert (bis dato) die erste urkundliche Erwähnung von 1579. 
In der Mühle gibt es sogar einen Balken, der die Jahreszahl 1525 trägt. Bis in die 50er-Jahre wurde in der ursprünglichen „Bannmühle“ noch Korn gemahlen. (Stand: 2022)