Josef Kläser

Die Mühlen zu Elben an der Elbe (Elbbach)

(veröffentlicht im Heimatbuch des Kreisheimatvereins Altenkirchen - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Heimatvereins)

siehe hierzu auch Foto der Dauersberger Mühle von Horst Ascheid

Mitte des 18. Jahrhunderts treibt das nun immer häufiger als Elbbach statt Elbe bezeichnete Gewässer, das bei Schönstein in die Sieg mündet, die Räder dreier Bannmühlen im Kirchspiel Gebhardshain. Die Bewohner, Mahlgäste genannt, sind nicht nur "zu ihren drei Kirchspiels-Mühlen, als (nämlich) die Elkenroder, Dickendorffer und Dauersberger" zwangsverpflichtet, sondern haben auch "das sämmtliche Holz sowohl zur Erbauung als Reparatur derselben aus ihren gergeinen Waldungen gratis herzugeben" und beizufahren 1). Nachdem die beiden älteren Mühlen an dieser Stelle vorgestellt worden sind (HJB 1986, S. 292; 1989, S. 97; 1990, S. 79) soll nun auch die Geschichte der übrigern Mühlenbetriebe im Kirchspiel nachgezeichnet werden.

DER MÜHLENBANN IM KIRCHSPIEL GEBHARDSHAIN

Vor der Erbauung der Elkenrother Mühle, um 15902) waren die Einwohner von wahrscheinlich siebzehn Ortschaften der herrschaftlichen Mahlmühle zu Dickendorf verpflichtet. Elkenroth, Nauroth, Oberdreisbach und Weitefeld – letztere bis zur Errichtung einer eigenen Mühle Anfang des 18. Jahrhunderts – gehörten seitdem zum Mühlenbann von Elkenroth.

Die Erlaubnis zum Bau neuer Mühlen konnte wegen des dem Landesherren zustehenden Rechts der Wasserbenutzung nur durch die Grafen von Sayn ausgesprochen werden. Auf Bitten der Untertanen erteilte ihnen die Herrschaft zur "besseren Bequemlichkeit", d.h. zur Vermeidung längerer Anfahrt, die Konzession zum Mühlenbau. Nach Fertigstellung schenkten die Bauern gewöhnlich ihrem Herrn das Werk, damit er es in seinen Schutz nehmen und zu seinem Vorteil verpachten konnte.

So wird es wohl auch bei der Dauersberger Mühle gewesen sein, von der wir erstmals 1691 erfahren, indem die Kellerei (Finanzamt, Speicher) Freusburg von dem Müller Pachteinnahmen verzeichnet3). Unter den Einnahmen der gleichen Stelle von 1681 ist sie dagegen noch nicht aufgeführte. Aus Mangel an weiteren bekannten Nachrichten können wir also ihre Entstehungszeit ins vorletzte Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts ansetzen. Mit ihrer Etablierung ist die Entwicklung der Bannzugehörigkeit bis auf die zwei zuvor genannten Orte, Oberdreisbach und Weitefeld abgeschlossen.

Wie aus der Skizze zu ersehen ist, greift der Bannbezirk sowohl über die ehemaligen Grenzen des Kirchspiels als auch über die heutigen der Verbandsgemeinde Gebhardhain hinaus. Vergleichen wir einmal die der Staatskasse zufließenden Erträge aus den drei Bannmühlen1681(vor) und 1701 (nach Erbauung der Dauersberger Mühle).

16814) Korn Mengfrucht Schweine Kapaune
Dauersberger Mühle - - - -
Dickendorfer Mühle 10 16 1 6
Elkenrother Mühle 2 18 1 6
  12 34 2 12
         
17015)        
Dauersberger Mühle

6

8

1

1

Dickendorfer Mühle

5 1/2

8

1

6

Elkenrother Mühle

5

18

1

6

 

13 1/2

34

3

16

Die Einnahmen der Herrschaft haben sich durch die Konzessionierung einer dritten Mühle im Kirchspiel nur unwesentlich vermehrt. Richtet sich doch der Ertrag – sofern die Mühlen nicht auf Zeit- oder Erbpacht versteigert worden sind – nach der Leistungsfähigkeit des Betriebs. Die aber ist abhängig von der Nachfrage, also der Zahl der ihm zugewiesenen Kunden. Darin besteht kein großer Unterschied, indem der Dauersberger Mühle ein Teil der Dickendorfer Mühlenkundschaft übertragen wird.

Mahlgäste 17046) der

Dauersberger Mühle 72 Hausgesäß

Dickendorfer Mühle 85 Hausgesäß

Elkenrother Mühle 84 Hausgesäß

Auch in Bezug auf die in Geld gerechnete Pacht stehen sie sich fast gleich. Als nämlich 1691 alle drei Mühlen ihre Abgaben bar entrichten, zahlen die Dauersberger 100, die Dickendorfer 102 und die Elkenrother ebenfalls 100 fl. (Gulden), wobei die Leistung für letztere wohl deshalb etwas niedriger ausgefallen ist, weil sie gerade repariert wurde3).

Halten wird fest: Sämtliche Gemeinden und Höfe des Kirchspiels Gebhardshain sind auf eine bestimmte Mühle gebannt. Es gibt drei Bannmühlen im Kirchspiel, die sich in Bezug auf die Zahl ihrer Bannmahlgäste und auf die Höhe der Pachtabgaben nicht sehr unterscheiden.

DIE DAUERSBERGER MÜHLE

Wer die Straße von Eiben über Dauersberg nach Betzdorf befährt, dem wird nach etwa eineinhalb Kilometer die auf der linken Straßenseite gelegene Häusergruppe nicht entgehen. Die Karte weist sie als "Dauersberger Mühle" aus. Das dem Bach am nächsten gelegene Gebäude ist die eigentliche Mühle. Seit ihrer Erbauung hat sie ihren Namen nie verändert, obwohl er zu falschen Schlüssen Anlaß geben kann. Der Mühlenplatz befindet sich nämlich nicht im Gemarkungsbereich von Dauersberg (heute Stadt Betzdorf), sondern auf dem Boden der Gemeinde Elben. Wie die Dickendorfer Mühle (in der Gemarkung Molzhain), so ist auch die Dauersberger keine Mühle in, sondern für Dauersberg gewesen. Da aber auch die Einwohner von Elben ihr Getreide dorthin zum Mahlen gebracht haben, wären die Namen Elber oder Elbener Mühle stimmiger. Das aber erschwerte die Unterscheidung, denn die Dickendorfer ist bis fast zur Mitte des 18. Jahrhunderts als Elbener Mühle bezeichnet worden. Diese Kennzeichnung hat sich aber vermutlich nicht auf den Ort Elben, sondern auf den Bach bezogen, an dem sie sich befindet: die Elbe, heute Elbbach.

Auch die Dauersberger Mühle ist fast 300 Jahre lang durch die Kraft des Elbbaches angetrieben warden. Versuchen wir nun, den Gang ihrer Geschichte zu verfolgen! Aus ihrer Entstehungszeit zwischen 1681 und 1691 wissen wir wenig. Erst 30 Jahre nach ihrem Aufbau lernen wir 1710 in Hans Jakob Praß erstmals einen Pachter kennen7). In dieser frühen Zeit der Mühlengeschichte wechseln die Pachter häufig, denn die Pachtzeit ist nur auf vier oder sechs Jahre ausgelegt. Vier Jahre ist auch Schulze Capito ihr Betreiber (1731-35). 1735 und 1743 treffen wir dort Johann Schäfer, 1759-61 einen Johann Christian Schäfer von Kausen, der van 1754-59 die Dickendorfer Mühle betrieben hat8). Wahrscheinlich sind beide identisch, denn 1761 hat er schon erwachsene Kinder, von denen gesagt wird, ihr Vater habe – obwohl er selbst Protestant sei – es "zugelassen, daß alle seine Kinder nach und nach zur paptistischen Religion übergetreten sind"9).

Ab 1761 fließen die Nachrichten reichlicher. Um in den Genuß eines Erbpachtverhältnisses zu gelangen, will Johann Heinrich Schmelzer, der jüngste Stiefsohn des "unlängst" verstorbenen Müllers der Freusburger Mühle 58 fl zusätzlich zur bisherigen Pacht von 192 fl und 8 Malter Korn geben. Damit überbietet er die laufenden Abgaben um 25 Prozent (1Mltr. Korn zu 18 fl. gerechnet). Um Konkurrenten zuvorzukommen, erhöht er die Geldpacht sogar "auf vieles Zureden" noch einmal (von 250 fl) auf 256 fl. Mit einer Gesamtbelastung von jahrlich 400 fl setzt sich der 25jährige zu Beginn seiner Laufbahn als selbständiger Müller in eine denkbar ungünstige Lage, denn die Mühle hat nur einen Gang und befindet sich in einem schlechten Zustand. Außer dem "Mühlengebiet" enthalt sic nur ein Zimmer als Warteraum für die Gäste, aber keine Wohnung für den Müller. Was hat den Müller Schmelzer, dessen Vater vor Jahren auch schon einmal Pächter dieser Mühle gewesen ist, veranlaßt, sich eine solche Belastung aufzubürden?

Liebe ist es gewesen. Liebe zu seiner zukünftigen Frau Maria Regina Jung von Freusburg. Ihr Vater Hermann Jung hat ihm die Erlaubnis zur Hochzeit mit seiner Tochter so lange verweigert, bis er als gelernter Müller, da er "sonst keine Hantierung" versteht, zu einer Mühle gekommen ist. Erst dann hat er "ihm endlich seine Tochter zum Weib" gegeben10).

Am 21. Juni 1772 überträgt Markgraf Christian Friedrich Carl Alexander, Herzog in Preußen, Graf zu Sayn und Wittgenstein die Dauersberger Mühle an Heinrich Schmelzer und seine Frau als Erblehen fur eine jährliche Pacht von 256 fl und 8 Malter Kom. Für die Übemahme des Gebäudes zahlt er noch einmal 190 fl extra. Mit Unterstützung seines Schwiegervaters baut er alsbald eine Wohnung und eine Scheune für 621 fl in Dauersberg, einem "mit lauter catholischen bewohnten Dorf, wozu ihm sein Landesherr auf sein Bitten hin eine "Baugnade" von 20 fl gewahrt.

Ein Erblehen, wie es Schmelzer erhalten hat, "beutelt" (um bei einem Müllerausdruck zu bleiben) Müller und Mahlgäste sehr. So muß der Müller

– das Holz zum Bau und zur Reparatur selbst beschaffen,

– den Stroh- (- Dach-)decker selbst bezahlen,

– die Kunden redlich und der Reihe nach bedienen. Den Kunden obliegt es,

– das Gebäude in Dach und Fach zu unterhalten,

– das Baumaterial zu Reparaturen unentgeltlich beizufahren,

– Handfrondienste zu leisten,

– Stroh furs Dach zu beschaffen,

– den Mühlengraben zu säubern,

– die Mühlsteine herbeizuschaffen und den Zoll dafür zu bezahlen,

– die Pachtfrüchte auf den herrschaftlichen Speicher nach Freusburg zu besorgen,

– den Ofen im "unteren Stüblein" anzuschaffen.

Die meisten der 102 Mahlgäste von Dauersberg, Gebhardshain, Fensdorf, Elben und Steineroth lassen nur "schlechte" Frucht (Mengfrucht), "Heydloff (Heidekorn = Buchweizen) und Hafer mahlen, genauer gesagt: schroten, denn beuteln, d.h. feines Mehl machen, konnen zu dieser Zeit nur größere Mühlen mit mehreren Gängen (Freusburg, Nistermühle Hachenburg). Eine 1762 vorgenommene Schätzung beziffert den Ertrag der Mühle auf 375 fl; der Müller aber gibt 400 fl in Frucht und Geld. Das ist der Grund, weshalb er häufig mit seinen Geldzahlungen in Rückstand gerät. Aus Mangel an Bargeld ist er gezwungen, die Pacht in Frucht zu entrichten, vermag sich aber auch damit nicht zu sanieren. In der Altenkichener Kanzlei findet er 1768 Fürsprecher, die beim Landesherren darum bitten, die Pacht nachzulassen, um "in einem pur paptistischen Ort eine neu etablierte protestantische Familie nicht untergehen zu lassen" 11). Die Gewährung eines Nachlasses von 30 Fl an der Jahrespacht verschafft ihm etwas Luft, aber keine Gesundung, zumal der Amtmann in Freusburg ihn für ökonomisch unbegabt halt. So ist es nicht verwunderlich, daß der Müller 1776 in Armut stirbt und seine Witwe mit ihren sechs kleinen Kindern schleunigst die Mühle loswerden will, obwohl sie aufgrund des Erbleihvertrages von 1762 durchaus das Nutzungsrecht (dominium utile), z.B. durch Einheirat eines Müllers, wahren könnte.

Hier ist noch nachzutragen, daß nach dern Tod des Freusburger Müllers Johann Jakob Schmelzer seine Witwe, also unseres Müllers Mutter, den Johann Jost Becker geheiratet hat, der bald nach 1760 stirbt, wahrend unseres Müllers Bruder Johannes, Pächter der dortigen Mühle wird. Beider Brüder Großvater Johannes Runkel ist der Stammvater der Müllerfamilie Bender zu Freusburger Mühle12).

Der Müller Schmelzer zu Dauersberg bestätigt das geflügelte Wort, daß ein Müller "den Bach runtergeht", wenn er nicht wirtschaften kann, indem er z.B. nicht bei niedrigen Getreidepreisen Frucht einkauft, Schweine mästet und mit Gewinn verkauft ader billige Fruchtarten aufkauft, sie lagert, vermahlt und dann als teueres Mehl absetzt. Er wie sein Nachfolger sind aber auch Beispiele dafür, daß ein Müller dem anderen "das Wasser nicht auf die Mühle gönnt", indem die Pachtpreise in eine Hohe getrieben werden, die keinen Verdienst mehr ermöglichen. Wir werden es erleben.

Nach Schmelzers Tod wird die Erb- in eine Zeitpacht umgewandelt. Zu einer revidierten, d.h. ermäßigten Pacht von 196 fl und 96 Mesten Kom übernimmt sie der Freusburger Burgschulze Jung, der Vater der Müllerwitwe Schmelzer11).

Bei der Neuverpachtung 1784 "treibt" Johann Adam Schnell von Elben die Pacht auf 352 fl, um Konkurrenten auszuschalten. Als er vier Jahre spater ein Erblehen anstrebt, erhält er die Belehnung jedoch nur "auf seine Lebenszeit" (ad dies vitae)13).

Diese Pachtform, nicht Erb-, sondern Zeitpacht, und zwar auf Lebenszeit, ist allgemein nicht üblich gewesen. Die Beamten in Freusburg und Altenkirchen haben deshalb auch kräftig auf Erbpacht plädiert, damit sich der Pächter bei beständigem Aufenthalt "ökonimisch entwickeln" kann und eher "aus seinen Kindern taugliche Unterthanen erwartet werden können als bei einem zeitlichen Pächter". Da Schnell auch den Erbbestand vorzieht, bittet er die heimischen Beamten um schleunige Befürwortung, "damit nicht hier und da durch öffentlichen Aufruf ein auswärtiger hungriger Mühlenknecht angereizt werden möge, ihn abzubieten" 14).

Schnells Pacht liegt zwar um 12 Prozent unter der seines Vorgängers bei dessen Eintritt in die Mühle 1761, ist aber nur unter Vermögensverlust aufzubringen. Nachdem 1791 der preußische König in den Besitz der Grafschaft gelangt ist, bleibt auch unter der neuen Herrschaft die Abgabenhöhe gleich. Mehrere Versuche, aus dem Zeit- ein Erblehen zu machen, kann Schnell nicht zum Erfolg führen. Im Gegenzug klagt er über die "viel zu hohe" Pacht, worin ihn die Kreiskasse in Altenkirchen unterstützt, besonders weil er nachweisen kann, daß er schon 2000 fl "zugesetzt" hat. Wie es ihm dennoch gelungen ist, ein Wohnhaus und eine Scheune bei der Mühle zu bauen, verrät uns der Umstand, daß er zeitweise auch die Alsdorfer Mühle gepachtet hat15).

Der Ertrag der Dauersberger Mühle liegt erheblich unter dem der abzuführenden Abgaben. 1822 steht er bei der Kreiskasse mit 400 fl im Rückstand. Zur Rechtfertigung trägt er vor, daß weniger Frucht angebaut werde als früher. Die Bauern bauten mehr Kartoffeln an. Diese würden gekocht, verdrückt, getrocknet und statt Mehl mit rohen Kartoffeln zu Brot gebacken. Amtlich wird eine Ertragsberechnung vorgenommen. Ausgaben von 574 fl stehen Einnahmen von 282 fl gegenuber, mithin ein Verlust von 292 fl. Der Müller drängt auf Pachtminderung um ein Drittel und droht, die 131 gebannten Haushaltungen nicht mehr zu bedienen. Doch Berlin, wo die Angelegenheit an höchster Stelle entschieden wird, bleibt hart: keinerlei Ermäßigung, denn er besitzt noch Vermögenswerte van über 1500 fl16).

Die Folge ist eine Neuverpachtung am 24. 2. 1824 an den ehemaligen Alsdorfer Müller Peter Stinner als Erblehen fur jahrlich 194 preußische Taler (Tlr.). Wiederum geht ein Unternehmer einen dornenreichen Gang. Die Mühle ist ein "überall baufälliges Gerippe"17), das einsturzgefährdet ist. Das Gebaude ist einstockig und besitzt nur eine Stube (für die Kunden gedacht). Sie wird seit Jahren von einer ganz armen Familie bewohnt, die im Dorf kein Unterkommen finden kann. Nach mehreren Anläufen wird Stinner 1829, dern die Kreiskasse bescheinigt, daß er jährlich 71 Tlr aus seinem Vermögen zulegen muß, vom König die Pacht auf 123 Tlr ermäßigt18). Trotzdem wiederholt er seine Nachlaßgesuche, denn die Bauern verkaufen ihr Getreide und essen stattdessen Kartoffeln und Kartoffelbrot. Der Müller kann also durch seinen Betrieb wenig verdienen.

Das sieht auch die Rentei (Finanzstelle) in Altenkirchen ein und berichtet an die Regierung nach Koblenz, Stinner sei ein fleißiger und redlicher Mann. Er könne wegen der als nassauischer Soldat in Spanien erlittenen Wunden keine schwere Arbeit verrichten; er sei 52 Jahre alt, seine Frau 12 Jahre jünger und das älteste der sieben Kinder gerade 20. An Vermögen besäße er 5 Morgen Acker und Wiesen, 5 Morgen Hauberge, 1 Ochse, 3 Kühe, 4 Schweine und 5 Hühner. Nach einem "Nutzungsanschlag" überstiegen seine Verluste die Einnahmen um 40 Tlr. Danach dürfe die Pacht statt 123 nur 73 Tlr betragen und sei nach 15jähriger Beobachtung (so lange hat er die Mühle schon gepachtet) viel zu hoch. Das überzeugt. Der König setzt die neue Pacht 1839 auf 73 Tlr fest und erläßt die Abgabenrückstande. Damit muß er aber die Verpflichtung zum Neubauen übernehmen. So kann noch im gleichen Jahre von Altenkirchen nach Koblenz berichtet werden, die Mühle habe jetzt innen und außen ein "freundliches Aussehen", sie sei fast ganz neu hergestellt warden. Außerdem habe der Müller vor acht Jahren (1831) ein zweistöckiges Fachwerk-(Wohn-)haus mit sechs Zimmem unter einem gemeinsamen Strohdach mit der Scheune erbaut19).

1845, als in Preußen durch die Allgemeine Gewerbeordnung das Bannrecht aufgehoben und der Müller fur den Verlust seiner Zwangsgäste entschädigt wird, erfolgt die letzte Pachtreduzierung auf 33 Tlr 15 Sgr (Silbergroschen). Diesen Betrag löst Peter Stinner jun., nachdem sein Vater am 1 2. 1848 verstorben ist und Mutter und Geschwister ihm 1854 die Mühle übertragen haben, 1860 mit dern 18fachen Jahresbetrag ab20). Seit diesem Jahre (1860) ist die Mühle unumschranktes Eigentum der Familie Stinner.

Im Jahre darauf erhaät sie die Bauerlaubnis, an die Mehl- eine Ölmuhle anzuhängen, um der Kundschaft eine zusatzliche Dienstleistung zu bieten. Mittlerweile ist ihr aber im nahen Elben durch die Mahlmühle des Gebhardshainer Schultheißen Beinhauer eine Konkurrenz erwachsen. Die Gewerbeordnung läßt dies ohne weiteres zu. Das abgeschaffte Bannrecht und die Beibehaltung des vorher schon von Beinhauer genutzten Wasserlaufs (fur seine Öl- und Knochenmühle) geben dem Dauersberger Müller keine Möglichkeit, dagegen Einspruch zu erheben21). Als jedoch in Elben der Schmiedebesitzer Heinrich Meyer seiner mechanischen (wassergetriebenen) Werkstatt eine Fruchtmahlmühle angliedern möchte und dazu 1884 das Wasser des Steinebachs aufzustauen gedenkt, erhält er dazu nicht eher die Erlaubnis, bis er den Dauersberger Müller dazu bewogen hat, seinen Protest zuruckzunehmen. Das erreicht Meyer durch Zahlung einer einmaligen Abfindung van 250 M und der Zusage, dem Wasser bei Tag freien Lauf zu lassen und es nur nachts zu sammeln22).

Den beiden Getreidemühlen in Elben ist aber keine allzu lange Lebensdauer beschieden. Die Dauersberger mahlt und mahlt. 1927 wird das alte Mühlengebaude abgerissen und durch ein neues mit moderner Einrichtung ersetzt23). Einige Jahre (bis 1930) liefert die Mühle außer Mehl auch elektrischen Strom nach Dauersberg24). In diese Zeit fällt auch die Eröffnung einer Böckerei in Betzdorf und 1933 die Einrichtung eines Backbetriebes in der Mühle. Mit dem Einzug des Müllers Richard Stinner in den Krieg steht das Mühlrad still, und der Schornstein bleibt kalt. Erst nach Kriegsende nehmen die zur Kriegerwitwe gewordene Müllerin und ihre Tochter Brunhilde den Mahlbetrieb wieder auf. Auch die Bäckerei ist seit 1948 wieder auf die Wünsche der Kundschaft eingestellt25). Richard Stinner setzt alsdann die Tradition seines im Krieg gefallenen Vaters Richard als Müller und Bäcker fort. Ende der 60er Jahre entschließt er sich, dem Müllerhandwerk zu entsagen, die Bäckerei zu verpachten und sich ganz der Landwirtschaft zu widmen.

Als "Dauersberger Müller" sind die Stinners über funf Generationen im Land bekannter als unter ihrem Familiennamen. Nicht Unvermögen des Müllers, nicht mangelnde Leistungsfahigkeit der Mühleneinrichtung führen zur Stillegung. Großmuhlen und veränderte Gewohnheiten der Landbevölkerung haben den "Kleinen" an den Bächen das Verdienen fast unmöglich gemacht. Von allen Wassermühlen im Kreis haben nur zwei bis heute ihren Betrieb fortführen konnen: die Michelbacher und die Dickendorfer. Die Geschichte der Alsdorfer, Herdorfer, Dauersberger sowie der ehemals der Abtei Marienstatt zugehorigen Altenkloster-Mühle (Gemeinde Neunkhausen) jedoch ist mit dern Namen der Müllerfamilie Stinner verbunden.24)

Quellennachweis:

1) Landeshauptarchiv Koblenz (KO) Best. 30 Nr. 3496, S. 51 2) J. Klaser, Die Dickendorfer Mühle, HJB 1989, S. 98

3) KO 30 Nr. 5608

4) KO 30 Nr. 5607 5) KO 30 Nr. 5580 6) KO 30 Nr. 838

7) KO 30 Nr. 5609

8) KO 30 Nr. 3495 I

9) KO 30 Nr. 3507 I

10, 11-9

12) Aus der Geschichte der Freusburger Mühle, Herausg. E. Bender (Freusburg, 1940)

13) KO 30 Nr. 3507 üI

14) – 13

15) KO 342, 3 Nr. 1130

16) KO 441 Nr. 8675

17) = 16 2

18) Ko 441 Nr. 8676

19) – 18

20) KO 441 Nr. 8677

21) KO 441 Nr. 14309

22) Ko 655, 181 Nr. 14S

23) Mdl. Auskunft Richard Stinner vom 30. 6. 1989

24) O. Zimmermann, Dauersberg, S. 11

5) Die Alte Mühle hat eine lange Geschichte, in "Rhein-Zeitung, Weihnachten 1986, S. 22

Fotos nach Bildvorlagen der Familie Stinner, Dauersberger Mühle