Die Hardter Mühle

(Aus "650 Jahre Hardt. 1332-1982. Eine Westerwald-Gemeinde im Wandel der Zeit!"- hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Ortsgemeinde Hardt)

Das Mühlengewerbe als Verarbeiter landwirtschaftlicher Produkte nahm im Verlauf unserer germanisch-deutschen Geschichte eine eigentümliche Stellung ein.

In der Steinzeit und noch in späteren geschichtlichen Epochen kannten die Menschen nur die kleinen Handmühlen, oder die größeren Tretmühlen (meist von Tieren oder Sklaven betrieben), die heute zum Teil noch bei weniger entwickelten Völkerschaften anzutreffen sind.

Um 50 v.Chr. kamen bei den Römern die Wassermühlen auf. Belisar, der Oströmer, erfand bei der Belagerung Roms durch die Goten im Jahre 536 die Schiffsmühlen, die er auf dem Tiber betreiben ließ. In Norddeutschland kamen um 1150 die ersten Windmühlen auf; die erste Dampfmühle wurde 1784 in England in Betrieb genommen. In unserer Heimat handelt es sich (mit wenigen Ausnahmen) um unter- und oberschächtige Wassermühlen. Sie repräsentierten lange Zeit das Mühlengewerbe schlechthin, wurden jedoch während der letzten Jahrzehnte beinahe ausnahmslos durch moderne »Mahlfabriken« vom Markt verdrängt.

Ursprünglich waren die Mühlen Eigentum der Markgenossenschaft. Das Wasserrecht gehörte allen Bewohnern einer Gemarkung gemeinsam, somit war auch das Mühlenrecht gemeinschaftliches Recht; jedoch nicht nur Recht, sondern auch Pflicht! Die Unterhaltskosten der Mühle, der Verwalter oder Bewirtschafter, der seinen Anteil von dem Gemahlenen bezog, die Mehlabgabe (Molter), das alles trug die Markgenossenschaft gemeinsam. Als diese sich erweiterten, entstanden die Zenten, welche bald auf die Kirchspiele übergingen. In dieser Zeit kam auf jedes Kirchspiel eine Mühle, die der Fronhofsgenossenschaft, der Zente oder dem Kirchspiel diente. Sie unterstand dem Grundherrn, der aus dem weltlichen oder geistlichen Stand sein konnte. Somit war aus dem freien Bauer der Markgenossenschaft und aus dem Müller ein Höriger geworden. Der Bauer wurde zum Teil sogar Leibeigener; viele Müller waren ebenso »Ding und Sach des Herrn, dem sie mit Leib und Seele gehörten, der sie verkaufen und verschenken konnte...«.

Bei der Auflösung der Eigenwirtschaft gegen 1200 wurden die Mühlen an Kolonen gegen zu entrichtende Abgaben verliehen. Als nach 1250 die Regale - also auch das Wasserregal - an die Landesherren übergingen, nahmen dieselben auch das Mühlenrecht in Anspruch. Sie vergaben die Mühle gegen Wasserzins und Abgaben in Erbleihe. Diese Mühlen hatten fast durchweg das Monopolrecht, Bannrecht oder den Mühlenzwang, d.h., die Einwohner des Kirchspiels oder auch nur bestimmter Orte desselben, mußten gegen Molter und Wiegegeld auf einer ihnen angewiesenen Mühle mahlen lassen.

 

 

Besondere Mahl- und Wiegeordnungen wurden bereits im 17. Jahrhundert erlassen; im Herzogtum Nassau erschien sie am 12. Januar 1829.

Fast überall hört man aus dieser Zeit in den Chroniken und Gerichtsverhandlungen die Klage, die Müller versuchten ihre Kunden auf vielerlei Weise zu betrügen. Sie hätten dem Mehl Staub und Streu beigemischt, bei der Fruchtmessung betrogen oder das Mahlgut vertauscht. Das mag wohl auch die Ursache sein, daß das Mühlengewerbe bis zum Ausgang des Mittelalters - und oft noch darüber hinaus -als »unehrliches Gewerbe« galt.

Neben den Bannmühlen gab es noch Mühlen, die das Bannrecht nicht besaßen. Sie befaßten sich hauptsächlich mit dem Schneiden von Stämmen, der Öl-, Loh- und Walkmüllerei. Häufig war es den Bannmühlen verboten, diese Arbeiten auszuführen. Unter französischer Verwaltung wurde in Nassau-Oranien das Mühlenbannrecht am 13. September 1811 beseitigt. Die herzoglich nassauische Regierung führte es am 16. Dezember 1817 jedoch wieder ein und erst unter preußischer Herrschaft wurde es am 17. März 1868 vollständig aufgehoben,

Das Mühlengewerbe war auch in Notzeiten, die der Westerwald oft genug erlebte, ein beständiges und konnte seinen Ausübenden recht gut ernähren. Waren doch schon bis zum 18. Jahrhundert alle Teile des Westerwaldes bewohnt. Neusiedlungen kamen nach dieser Zeit selten vor, höchstens Teilungen. So ist es verständlich, daß auch in den folgenden Jahren, in denen die ersten »Dorfwüstungen« vorkommen, die Mühlen oft bestehen konnten, und ihre Erwerbsgrundlage erst innerhalb der letzten 50 Jahre verloren haben. Dieses Schicksal traf auch die Hardter Mühle, die bereits im Jahre 1239 bestanden haben soll und in deren Zusammenhang Hardt 1332 das erste Mal urkundlich erwähnt worden ist. 1438 bewirtschaftete Bruder Heyneze, Profeß im Kloster Marienstatt die Mühle (die Bestandteil des Klosterbesitzes war). Im Namen des Abtes zu Marienstatt, Graf Johann von Nassau, bat er, keine zweite Mühle an der Nister zu errichten, um die genannte »Mühl zer Hart« nicht zu schädigen, was dieser auch zusagte. 1487 wurde die Klostermühle an Contzgen von Zinhain auf 24 Jahre gegen 6 Ml. Molterfrucht und zwei Achtel Breimehl, die er jährlich am 22. Februar oder acht Tage davor oder danach auf eigene Unkosten zu liefern hatte, verliehen. Weitere Urkunden, die Beilsteiner Kellereirechnungen besagen, daß im Jahre 1575 der Vater von Theis Denker als freier Vogtmann von Neukirch von Hardt verzog und die Mühle in Pacht übernahm.

Am 10. März 1608 wurde die Hardter Mühle zum Preis von 200 Gulden an den obengenannten Theis Denker verkauft. Die Urkunde über diesen Kaufabschluß, der sogenannte Mühlenbrief, liegt im Staatsarchiv zu Wiesbaden. Mit seinem Einzug übernahm Theis Denker das Schultheißenamt zu Hardt. Diesem Umstand, der seine öftere Nennung in den Beilsteiner Kellereirechnungen verursachte, verdanken wir die Kunde vom Fortbestand der Mühle zu Hardt (die zwar heute politisch zur Gemarkung Hahn gehört, deren Einwohner sich jedoch immer als zu Hardt gehörig verstanden).

Die Mühle nach ihrem Wiederaufbau im Jahre 1928.

Von 1605 lebte des Theis Denkers Sohn, Hans Gerhard auf der Mühle. Er war Gerichtsschöffe, Kirchenältester und ebenfalls Schultheiß von Hardt. Als Erheber des Gefälles für das Kloster Marienstatt trug er die Bezeichnung »Mönchsdiener«. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, wurde Helene, Hans Gerhard Denkers Witwe, als Hexe angeklagt. Der Kläger war ein im Dorf droben wohnender Paulus Müller. Als Motiv für diese Klage kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit Mißgunst und Neid vermuten. Helene Denker hatte jedoch das Glück, aufgeschlossene Richter zu finden und freigesprochen zu werden.

Leider verstummten mit dieser Meldung von 1672 an alle Nachrichten über die weiteren Besitzer der Mühle, bis zum Jahre 1843. Zu diesem Zeitpunkt liegt bereits das Gesuch des Müllers Martin Leyendecker um Bestimmung der Breite seines Mühlgrabens im Staatsarchiv in Wiesbaden vor. Von ihm erwarb Gottfried Becher die Mühle 1860 im Konkurs. Dessen Sohn Anton Becher übernahm dann später die Leitung der Mühle. Ein Kurzschluß bildete 1928 die Ursache, daß die alte Mühle, die wahrscheinlich in der Zeit vorher verschiedentlich umgebaut worden war, restlos niederbrannte. An ihrer Stelle wurde eine neue Mühle errichtet, über deren Rampe man einen im Eiskeller gefundenen Stein mit der Jahreszahl 1677 einmauerte. Schon in der Folgezeit wurde die Mühle wieder umgebaut und vergrößert, bis schließlich im Jahre 1959 Anton Becher, der letzte Müllermeister in der Hardter Mühle, ein über 600 Jahre an dieser Stelle verrichtetes Gewerbe für immer einstellte und die Gebäude an Franz-Josef Möser veräußerte.

Seit diesem Zeitpunkt ist die Mühle als Pension und Reiterhof umgestaltet und nach umfangreichen Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten ein beliebtes Ausflugsziel.


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