Kurt Kölbach

Die Mühle in Hemmelzen
(veröffentlicht im Heimatbuch des Kreisheimatvereins Altenkirchen - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Heimatvereins)

Siehe auch Fotos der Hemmelzener Mühle von Horst Ascheid

Die territoriale Neuordnung nach dem 30jährigen Krieg sorgte in den Grafschaften Sayn-Hachenburg und Sayn-Altenkirchen für elf Einzelgebiete mit einer Vielzahl von Grenzen. Aus der Grafschaft Sayn waren die beiden Reichsgrafschaften Sayn-Hachenburg und Sayn-Altenkirchen geworden. Mehrfach lagen Besitzungen in der einen der Wohnsitz in der anderen.

So auch bei Richter Johann Heinrich Cramer aus Weyerbusch, das zu Sayn-Hachenburg gehörte. 1703 schrieb er an die Sachsen-Sayn'sche Kammer in Altenkirchen - Sayn-Altenkirchen wurde vom Haus Sachsen-Eisenach regiert -, er wolle für die Bauern aus Wölmersen, Hemmelzen, Oberölfen und Birnbach eine neue Mühle bauen. Diese Dörfer gehörten mit dem Kirchspiel Birnbach zwar zu Sayn-Hachenburg, waren aber an die Mühle zu Altenkirchen gebannt und mussten praktisch ihr Korn im „Ausland" mahlen lassen. Vor allem die Wölmerser hatten sich darüber beschwert und Cramer wollte davon profitieren.

Tatsächlich erhielt er im November 1703 vom Herzog Johann Wilhelm von SachsenEisenach die Erlaubnis zum Bau.

Abschrift der Original-Urkunde:


Von Gottes Gnaden, Wir, Johann-Wilhelm, Herzen von Sachsen, Jülich, C1eve und Berg ( Raum Düsseldorf ), auch Engern und Westfalen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürste'ter Graf zu Henneberg ( östlich Fulda ), Graf zu der Mark Ravensburg ( südwestlich Minden ), Sayn und Wittgenstein, Herr zum Ravenstein, urkunden und bekennen für uns, unsere fürstlichen Erben und Nachkommen, daß Wir Johann-Heinrich Cramer, Richter zu WEyerbusch, gnädig zugestanden und erlaubt haben, für die ( Untertanen ) aus dem Kirchspiel Birnbach eine neue Mühle zu errichten. Diese Mühle soll den Mahlkunden der Dörfer Oberölfen, Hemmelzen, Völlmerschen und Birnbach, die zwischendurch nach Altenkirchen gebannt waren, dienen und an der Ölscher Bach entstehen. .Johann-Heinrich Cramer wird darauf hingewiesen, daß die Genehmigung zum Bau der neuen Mühle unter dem Vorbehalt der landesfürstlichen Hoheit und Erbgerechtigkeit verbleibt, wenn sie auf landesfürstlichem Territorium an dem Ölscher-Sach, an dem Goldbach, oder wo es sonst günstig ist, gebaut wird. Die Kosten für die neue Mühle hat Johann-Heinrich Cramer zu tragen; sie geht in sein Eigentum über und kann an seine Nachkommen vererbt werden. Er ist verpflichtet, die neue Mühle, mit dem Zugehör Wassergraben, Teich, Klaußen und den sonstigen Einrichtungen im Inneren, in einen guten Stand zu versetzen und zu erhalten. Seine Verpflichtungen erstrecken sich auch auf eine gute Bedienung der Mahlkunden und darauf, nicht mehr als 1/20 des Mehls als Mahllohn ( Malter ) zu nehmen, wie es auch in der Altenkirchener Mühle gehalten wird. Als Gegenleistung werden ihm jene Rechte zugestanden, die früher in Bezug auf die Mahlkunden im Kirchspiel Birnbach üblich waren: nämlich das Bannrecht, Dienste und Frohnden.

Für die Erlaubnis, eine neue Mühle zu bauen, hat Johann-Heinrich Cramer einen iährlichen Erbzins von 25 Reichsthalern an unser Rentamt in Altenkirchen in bar zu bezahlen, die Hälfte am Johannistag und die andere Hälfte am Martinstag. Seine Pflichten als Erbzinsmann hat er korrekt zu erfüllen. Sofern aber Kriegs- oder Sterbezeiten kommen sollten, wollen Wir in einem Erlaß ausdrücken, wie die Verpflichtungen der Erbzinsleute verändert werden können. Für den Fall, daß der Richter Cramer oder seine Erben die Absicht haben sollten, die Mühle zu veräußern, gestehen sie Uns das Vorkaufsrecht zu. Um die Verkaufssumme festsetzen zu können, werden verständige und unparteiische Männer beauftragt, den Wert der Mühle zu taxieren. Wenn Johann-Heinrich Cramer an einen anderen Erbzinsmann verkaufen möchte, dann ist das nur mit unserer Genehmigung möglich.

Dieser Erbverleihbrief ist als Urkunde zweifach ausgefertigt, beiderseits unterschrieben und gegeneinander ausgehändigt.So geschehen, Eisenach, den 29 ten August 1707.
gez. Johann-Wilhelm, Herzog von Sachsen

Die Mühle sollte am Ölfer Bach an der Landesgrenze auf Altenkirchener Territorium gebaut werden. Dagegen äußerten die Wölmerser Bedenken, da der Bach dort zu wenig Wasser führte. Die Oberölfer wollten gar nicht wechseln. So kam es zu einem jahrelangen Hin und Her, in das sich auch der Altenkirchener Mühlenpächter Neuhoff einmischte.

1713 platzte Richter Cramer der Kragen und er baute einfach seine Mühle in Hemmelzen und „von Martini" an wurde dort gemahlen. Es gab wieder Ärger, denn sie klapperte nicht am vereinbarten Standort am Ölfer Bach auf Sayn-Altenkirchener Gebiet, sondern sie lag in Sayn-Hachenburg. Die Kunden (Mahlgäste) waren verunsichert. So nutzte nur ein Teil die Mühle in Hemmelzen. Die Oberölfener blieben allein der Altenkirchener Mühle, bis 1719 die Sayn-Hachenburger Regierung mit Strafen drohte, wenn sie nicht zur neuen Mühle fahren würden.

1799 ging das Kirchspiel Birnbach und somit auch die Hemmelzer Mühle durch Heirat in den Besitz der Fürsten von Nassau Weilburg über. Diese verkauften die Mühle dann an die Witwe Hörder, deren Sohn Christian von 1817 bis 1845 in Weyerbusch Bürgermeister war. Die Witwe Hörder veräußerte die Mühle etliche Jahre später an den Zacharias Müller aus Hemmelzen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts brannte die Mühle infolge von Brandstiftung ab. Nach dem Wiederaufbau sah die Mühle wahrscheinlich (mit ihrem Fachwerkaufbau) genau so aus, wie sie heute größtenteils zu bewundern ist. Im Jahre 1900 verkauften die Erben des letzten Müllers namens Müller die Mühle an meinen Großvater Wilhelm Kölbach, der von der Helmerother Mühle stammte. Bis in die 60-er Jahre des 20. Jahrhunderts hat mein Vater Heinrich Kölbach die Mühle noch betrieben, bis diese endgültig stillgelegt wurde.

Erläuterungen wichtiger Begriffe:

Molter: Das Recht des Müllers, Mehl als Mahllohn einzubehalten

Bannrecht: Die Verpflichtung der Bewohner bestimmter Dörfer; in einer bestimmten Mühle ihr Getreide mahlen zu lassen. Damit wurde die Existenz eines herrschaftlichen Müllers gesichert.

Mühlenklauß: Zu den Außenanlagen einer Mühle gehörten ein Zuflussgraben, ein Teich und ein Klauß. Der Teich konnte Wasser für Trockenzeiten speichern. Der "Klauß " war nichts anderes als ein veränderbarer Wasserschieber, mit dem die Wasserzufuhr zum Mühlrad geregelt werden konnte

Dienste und Frohnden: Sie standen nur den Herrschaften zu und wurden aber in diesem Falle an den Richter Crnmer delegiert, d.h.: er konnte die Dienste der Untertanen beim Bau usw. im Anspruch nehmen. Gegenleistung. Essen und 'trinken.

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