Die Limbacher Mühle

-Wechselvolle Geschichte eines Hauses an der Kleinen Nister -

Dieter Trautmann

(aus: Heimatjahrbuch für den Kreis Altenkirchen 1990 - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Kreisheimatvereins)

Zur Vorgeschichte

Von den ehemaligen Wasserwerken an der Nister hat die Limbacher Mühle eine abwechslungsreiche Geschichte hinter sich. Erst Drahtzug, dann Knochen- und Getreidemühle bis zur Gaststätte heute, dies war sicher ein Weg, dem es nachzuspüren lohnt.

Wie war es um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert im Hachenburger Land? Der Westerwald war in diesen Jahren oft Kriegsschauplatz; insbesondere Frankreich überzog infolge der Französischen Revolution Europa mit Krieg. Aber nicht nur dies, auch die Ideen von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ faßten überall Fuß. Eine neue Zeit brach an, das alte Feudalsystem des Adelsstandes ging langsam zu Ende. In Hachenburg starb 1799 der letzte Burggraf Johann August von Kirberg, Graf von Sayn-Hachenburg. Die ehemalige Grafschaft Sayn-Hachenburg gehörte jetzt als Landesteil zu Nassau-Weilburg. Aber auch das technische Zeitalter kündete sich an; überall wurden neue Maschinen konstruiert, Fabriken entstanden. Insbesondere die Eisenverarbeitung machte schnelle Fortschritte.

Die Errichtung des Drahtzuges

Am 18. 3.1801 stellte der aus Hohenlimburg (bei Hagen in Westfalen) stammende Drahtziehermeister Johann Peter Büker einen Antrag an die Fürstliche Hofkammer zu Weilburg, in Limbach einen Drahtzug zu errichten. Was mag Büker zu diesem Schritt bewogen haben? Büker war bei Bergrat Freudenberg auf dem Nisterer Drahtzug beschäftigt und wurde oft als guter Drahtzieher bezeichnet. Differenzen mit Freudenberg waren ein Anlaß, aber auch die Veräußerung des Nisterer Drahtzuges spielten eine Rolle. Am 23. 4. 1801 bekam Büker die Genehmigung von der Fürstin Louise Isabelle von Nassau (Erbin von Sayn-Hachenburg) und dem Fürsten Friedrich Wilhelm von Nassau. Da Büker völlig mittellos war, erhielt er zugleich ein Darlehen von 700 Reichstalern und das nötige Bauholz aus den Herrschaftlichen Waldungen. Trotzdem war der Bau der Anlage ein schweres Stück Arbeit. Allein der Wassergraben hatte eine Länge von 800 m. Auch mußte Büker feststellen, daß seine Mittel und der bewilligte Vorschuß nicht ausreichten. Er sah sich nach finanzstarken Teilhabern um und fand sie in August Armack, Sohn des Forstrats Armack, und in dem jüdischen Finanzrat Herz Drucker aus Hachenburg. Büker gab das am 20.10.1801 zur Anzeige, so daß am 15. 3. 1802 die Konzession auf diese beiden Teilhaber erweitert wurde. Vom 1.1. 1802 an mußte jährlich eine Wasserlaufabgabe in Höhe von 5 Reichstalern gezahlt werden.

In der Genehmigungsurkunde heißt es weiter: „So wie Wir nun unterstellen, daß dieses Werk zum Nutzen und Vorteil Unserer Untertanen und des Landes betrieben werden wird, so versichern Wir die Compagnie und ihre Nachkommen, oder dem oder diejenige, worauf dieses Werk in der Folge justo titulo gelangen möge, daß sie und dieselbe bei allem obigen Inhalt dieser Unserer Concession Obrigkeitlich gehandhabt — auch sonsten zu des Werks Beförderung und Erhaltung aller Vorschub und Beistand geleistet werden soll.“

Büker trat allerdings als Teilhaber aus dieser Gesellschaft aus und wurde als Meister zu „sehr vorteilhaften Bedingungen“ angestellt (Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden — HHSTAW — Abt. 211 Nr. 8574).

Was ist ein Drahtzug?

Wer kann sich heute ein Leben ohne Draht vorstellen? Ihn gibt es in allen Stärken und aus den verschiedensten Werkstoffen. Doch damals war der Bedarf lange nicht so hoch wie heute, aber man stellte fest, daß er in vielen Bereichen unentbehrlich wurde. Im Westfälischen Freilichtmuseum Technischer Kulturdenkmale in Hagen in Westfalen wurde ein ehemaliges Drahtzuggebäude mit kompletter Inneneinrichtung wieder aufgebaut und so der Nachwelt erhalten. Nach dem gleichen Prinzip dürfte der Drahtzug in Limbach betrieben worden sein.

Wie auf der Zeichnung zu ersehen ist, wurde eine Trommel über Zahnräder von einem Wasserrad angetrieben. Diese Ziehtrommel zog den Draht durch ein Zieheisen, auch Holeisen genannt, das mit einer Reihe Löcher der verschiedensten Größe versehen war. Zur Herstellung einer bestimmten Drahtstärke mußte der Draht so oft durch das Zieheisen mit immer kleinerer Öffnung gezogen werden, bis der gewünschte Durchmesser erreicht war. Um den Draht ziehbar zu machen, wurde seine Molekularstruktur im Glühofen verändert. Anschließend wurde er in der Drahtwäsche mit Hilfe der Polterbank gereinigt, um ihn danach z. B. in einer Beize aus Buchenrauch und Essigdämpfen für den Ziehvorgang gleitfähiger zu machen. Gute Drahtzieher hatten meistens noch ihre eigenen Rezepte, die sie streng als Geheimnisse hüteten. Auf einer Karte des Jahres 1821 ist neben dem Drahtzuggebäude ein eigenes Gebäude für den Glühofen (Glühhaus) eingezeichnet. Und eine kurze Beschreibung des Drahtzuges gab im Jahre 1804 der preußische Bergrat und Fabrikkommissar F. A. A. Eversmann: „Diese Anlage geschah 1801. Sie besteht aus zwey Grobbänken und 6 Feinscheiben, die ein 14 Fuß (fast 5 m) hohes, mächtiges, oberschlächtiges Rad treibt.“ Bedeuten die Feinscheiben eine Anlage, wie sie auf der Zeichnung wiedergegeben ist, so sind die Grobbänke ältere Zangenziehvorrichtungen. Auf den Grobbänken wurde der ,,grobe“ und dickere Draht gezogen, auf den Feinscheiben dagegen der „feinere“ Draht.

Das Geschäft mit Draht florierte

Anscheinend gingen die Geschäfte gut, denn schon am 4.6.1802 stellte Drucker & Co. den Antrag auf Errichtung eines zweiten Drahtzuges etwas oberhalb des ersten am selben Wassergraben. An der für den Bau vorgesehenen Stelle hatte der Wassergraben einiges Gefälle, so daß die Zwischenschaltung eines Wasserrades ohne weiteres möglich war. Doch der Aufbau dieses zweiten Werkes hat sich verzögert; Büker war damit nicht einverstanden, er sah Schwierigkeiten für „seinen Drahtzug“ (HHSTAW Abt. 342 Nr. 463). Die Fürstlich Nassauisch-Saynsche Regierungsstelle in Hachenburg versuchte zwischen Büker und Drucker/Armack zu ver-

Drahtzug im Westfälischen Freilichtmuseum Technischer Kulturdenkmale in Hagen.

Zieheisen, auch Hole genannt.

mitteln. Erst am 20.12.1805 berichtete der Kirchspielschultheiß Müller von Kroppach: „Der neueste Drahtzug bey Limbach ist zwischen dem 20. und 25. 11. dieses Jahres in Gang gekommen.“

Die Differenzen zwischen Büker und Drucker waren aber so groß, daß Büker Limbach verließ und Arbeit bei der Firma Achenbach in Marienborn annahm. Doch schon bald versuchte Drucker, der jetzt Alleininhaber der Drahtzüge war, Büker wieder nach Limbach zurückzuholen. Ein Zeichen mehr dafür, daß Büker absoluter Fachmann war und der Betrieb ohne ihn anscheinend nicht so richtig funktionierte. Zwei Jahre später war Büker wieder in Limbach.

Die Geschäfte der Drucker & Co. mit Eisendraht gingen sehr gut, so daß sogar im Jahre 1813 in Wiesbaden eine Niederlassung errichtet wurde. Gab es schon zu Anfang Streit zwischen Büker und Drucker & Co., so erreichte dieser im Jahre 1817 einen Höhepunkt. Zwischen Büker und dem Sohn von Herz Drucker kam es im Februar des Jahres zu einem heftigen Wortwechsel und Tätlichkeiten. Infolge dieser wurde Büker entlassen. Am 7. 3. 1817 stellte Büker beim Herzoglichen Amt in Hachenburg den Antrag auf Erbauung eines neuen Drahtzuges und bat gleichzeitig um ein neues Darlehen. Büker wollte für 550 Reichstaler die Ölmühle Leonhardt in Atzelgift erwerben und sie zu einem Drahtzug umbauen. Zuerst wurde Bükers Gesuch abgelehnt, doch nach dessen Verzicht auf das Darlehen erhielt er die Genehmigung. Sein Vorhaben wurde allerdings nie ausgeführt. Sein Name tauchte in nächster Zeit nicht mehr auf (HHSTAW Abt. 211 Nr.8574).

Im Jahre 1818 waren beide Drahtzüge noch in Betrieb und gehörten den Erben Drucker. 1823 wurde hier ein Eisenblechwalzwerk genannt, doch dieses Walzwerk hat es in Limbach nicht gegeben, es finden sich darüber keine Unterlagen. Die Erwähnung bei Demian 1823 beruht sicherlich auf falschen Angaben, oder es ist ein anderer Standort gemeint, denn Demians übrige Ausführungen für unser Gebiet sind ebenfalls nicht sehr zuverlässig. Die Jahre 1829 (HHSTAW Abt. 224 Nr. 3374) und 1840 (Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 510.23 Nr. 99) wiesen dafür eindeutig zwei Drahtzüge aus, die noch immer den Erben Drucker gehörten. Doch die Herstellung von Draht war in diesen Jahren stark zurückgegangen. So wurde der zuletzt erbaute Drahtzug 1842 abgerissen, während der ältere im Jahre 1845 an die Englische Eisenwerksgesellschaft, der auch das Nisterhammerwerk gehörte, verkauft wurde (HHSTAW Abt. 224 Nr. 960).

Der Umbau der Knochenmühle

Doch der neuen Besitzerin war kein langes Leben beschieden. Das Werk ging in den Besitz der Witwe Franz Ruppel aus Hachenburg über, und diese stellte im April 1849 beim Herzoglichen Amt in Hachenburg den Antrag auf Errichtung einer Knochenmühle (Herzoglich Nassauisches Allgemeines Intelligenzblatt vom 5. 5. 1849). Dem Antrag wurde stattgegeben und die Einrichtung auf Knochenstampfen umgebaut.

Gerade die Verwendung von tierischen Knochen in Form von Knochenmehl als Dünger hatte sich in den letzten 20 bis 30 Jahren sehr gesteigert und überall gute Erfolge gebracht. So waren natürlich eine Reihe von Knochenmühlen neu entstanden oder vorhandene Wasserwerke umgebaut worden.

Allerdings gab es noch Schwierigkeiten in den Besitzverhältnissen der Mühle. Ähnlich wie auf dem Nisterhammer spielte ein Dr. Lange eine zwielichtige Rolle und machte der Witwe Ruppel den Besitz streitig.

Anscheinend sind die Besitzansprüche zu Gunsten der Witwe Ruppel ausgefallen, denn am 28. 4. 1850 berichtete diese dem Amt in Hachenburg, daß auf ihrer Knochenmühle alles wieder seinen ordentlichen Gang gehe (HHSTAW Abt. 224 Nr. 3342). Doch dem steht die Eintragung im Limbacher Brandkataster vom 4. 12. 1850 entgegen. Als Besitzer werden dort die Ha-chenburger Stahl- und Eisenwerke genannt. Das Gebäude mit der Mühleneinrichtung wird im Wert auf 2300 Gulden geschätzt (Akten Gemeinde Limbach).

Von der Knochen- zur Getreidemühle

Bürgermeister Gerhard Lang von Streithausen erwarb um 1860 die Knochenmühle und stellte 1861 den Antrag, diese umzubauen und als Getreidemühle zu nutzen. Obwohl von den Müllern der Nachbarschaft Einwendungen gemacht wurden, gab es praktisch kaum Hindernisse, denn die Bannrechte waren längst abgeschafft. Nur muß man das Vorhaben von Lang schon ein Wagnis nennen, denn Getreidemühlen gab es in Lützelau, Streithausen, Atzelgift, Luckenbach und Marienstatt. Allerdings, unternehmerischen Mut hat die Familie Lang schon immer besessen.

Das Limbacher Brandkataster, um 1870 aufgestellt, gibt erstmals Auskunft über die Größe des Gebäudes: ,,13 m lang, 10 m breit, und der 1. Stock ist über 3 m hoch. Das Gebäude ist in gutem Zustand, von Holz erbaut und mit Ziegeln gedeckt.“

Der Wert mit der Inneneinrichtung wird mit 1320 Talern angegeben (HHSTAW Abt. 360 Nr. 6). Lang zahlte 1867 5 Taler, 21 Silbergroschen und 5 Pfennig an jährlichem Wasserlaufzins. Dieser Wasserlaufzins wurde 1874 durch eine einmalige Ablösesumme für immer abgegolten. Lang zahlte diese Summe von 66 Talern in zwei Jahren ((HHSTAW Abt. 405 Nr. 24415).

In den folgenden Jahren erfahren wir wenig von der Mühle. Alle die Höhen und Tiefen, die Sorgen und Nöte des Müllerstandes stehen nicht in den Akten. Als Jacob Lang, der die Mühle von seinem Vater Gerhard Lang geerbt hatte, in jungen Jahren starb, heiratete seine Witwe Caroline (geb. Reifenrath) 1892 Alois Kind aus Limbach. Alois Kind war der Sohn des Bürgermeisters Carl Kind, und seine Mutter war ebenfalls eine geborene Lang.

Alois Kind modernisierte seine Mühle erheblich, er baute auch einen zweiten Mahlgang ein. Viele der hölzernen Räder und Wellen wurden durch solche aus Eisen und Gußeisen ersetzt. Die zwei „Niedermendiger Mühlsteine“ hatten einen Durchmesser von 1,5 und 1,4 m. Die vollständige Einrichtung steht in einer „Nachweisung zum Brandkataster“ der Gemeinde vom Jahre 1899. Neben dem Mühlbetrieb wurde auch ausgiebig Landwirtschaft betrieben, so daß die Gebäude nicht mehr ausreichten. 1903 und 1915 wurden die An- und Umbauten im Brandkataster nachgetragen. 1915 gehörten zur Mühle und zum Wohnhaus noch Küche, Stall, Scheune, Viehstall, Schweinestall, Wagenremise, Viehküche und eine weitere Scheune. Der Wert aller Gebäude betrug über 20 000 Mark.

Nach dem 1. Weltkrieg baute Kind eine Sägehalle von 7,6 m Länge und 3,8 m Breite an seine Mühle an. Er installierte eine Baukreissäge und eine zweite Kreissäge mit Schlitten (Akten Gemeinde).

Eine weitere Brandkatasternachweisung vom Jahre 1930 verzeichnete in der Mühle zwei Mahlgänge und einen Walzenstuhl. Die Holzschneiderei wurde als unbedeutend bezeichnet. Die Auflistung der Mühleneinrichtung allerdings zeigte eine wesentliche Verbesserung und Modernisierung. Wohl war das eichene Wasserrad noch vorhanden, doch die weitere Einrichtung mit Plan- und Vorsichter, Schnecke, Druckschlauchfilter, Becherwerk, Mehlmischmaschine, Spitz- und Schälmaschine, Saugfilter, Putzzylinder, Magnetapparat u. a. zeigte deutlich den Fortschritt an.

Obwohl im Brandkataster nicht erwähnt, gehörte zur Mühle eine Ölquetsche, die bis in den 2. Weltkrieg hinein in Betrieb war. Vielleicht ist diese mit dem unterschlächtigen Mühlrad betrieben worden, das am Auslauf des Mühlgrabens zusätzlich angebracht war? Bis nach dem 2. Weltkrieg wurde das Mehl in die Dörfer Kundert, Mörsbach und Hommelsberg ausgefahren. Dazu kam die nicht geringe Landwirtschaft, so daß für Robert Kind und seine Töchter an Arbeit kein Mangel herrschte. Robert Kind war der Sohn von Alois Kind und wie dieser auch Bürgermeister von Limbach. Die

Mühle wird Gaststätte

Das vorläufig letzte Kapitel in der abwechslungsreichen Geschichte leitete das große Mühlensterben nach dem 2. Weltkrieg ein. Als durch den Druck der großen Müllereien das Geschäft für unsere kleinen Mühlen unrentabel wurde, schlossen viele Mühlen den Betrieb und suchten nach neuen Erwerbsmöglichkeiten. Robert Kind hörte 1955 mit der Müllerei auf und richtete eine Gaststätte ein, die alsbald seine Tochter Adelheid und ihr aus Augsburg stammender Mann Oswald Wengenmayer übernahmen. Dazu kam bald ein Pensionsbetrieb, der 1966 durch ein Gästehaus erweitert wurde. Ein zweites Gästehaus entstand 1983. Schließlich übernahmen Sohn Ulrich und Schwiegertochter Martina am 1. 8. 1983 den Betrieb.

Trotz aller Um- und Neubauten ist der Kern des Drahtzuggebäudes geblieben. Die schweren Eichenbalken im Keller, das Fachwerk, die Bruchsteinmauern und die Fenster auf der Nord- und Südseite sind Zeugen aus der Zeit des Johann Peter Büker. Nur schade um so manche Einrichtung, wie zum Beispiel das mächtige Wasserrad, das als Denkmal heute eine Sehenswürdigkeit wäre.

Bleibt abschließend zu sagen, daß die neuen Besitzer die Geheimnisse der guten Küche verstehen, und wer z. B. ihr Mühlengeheimnis probiert hat, kann dem nur zustimmen. Vielleicht ließe sich die Speisekarte durch Geheimrezepte der Drahtzieher (mit Buchenrauch und Essigdämpfen) oder durch Knochenmüllergerichte erweitern?

Die Mühle um 1912.

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