Die Hardtmühle oder Mehrener Mühle

Von Julius Seifen

(Veröffentlicht im Heimatbuch des Kreises Altenkirchen - Hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Heimatvereins)

Dort unten in der Mühle saß ich in süßer Ruh!
und sah dem Räderspiele und sah den Wassern zu.

Ja, manchesmal bin ich in der alten und neuen Mühle eingekehrt!

Der Mehrbach, ein etwas größerer Wasserlauf im vorderen Westerwald, hat bis vor einigen Jahrzehnten zahlreichen Mühlen das notwendige Lebenselexier - sprich Wasser - gegeben, um den im Tal selbst und den Nebentälern wohnenden Menschen und Tieren Brat und Futterschrot zu liefern. Das Quellgebiet des Mehrbaches befindet sich oberhalb der Ortschaft Werkhausen in einem Waldgebiet bei dem im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden zerstörten Dorf Obermehren.

Als erste Mühle ist die Hasselbacher Mühle am oberen Mehrbach bekannt, dann folgen die Forstmehrener-, die Kraamer-, die Mehrener- oder Hardtmühle, die Niedermühlener- und schließlich als letzte die Kapaunsmühle mit Sägewerk.

Hier soll nun versucht werden, näher auf die Geschichte der Hardtermühle einzugehen: Über ihr Alter ist wenig bekannt. Die alte, aus Fachwerk errichtete kleine Mühle war nach der Struktur ihrer Bauweise mehrere hundert Jahre alt und lag etwa 1.300 Meter westlich des Dorfes Mehren, direkt am Fuße des Mühlenberges, einer aus dern Mehrbachtal steil aufsteigenden Bergkuppe.

Diese Flurbezeichnung ist noch heute katasteramtlich im Grundbuch aufgeführt. Das Wohnhaus, ebenfalls aus Fachwerk errichtet, ist neueren Datums und steht auf der Grundfläche der Gemeinde Hirz-Maulsbach. Zwischen Mühle und Wohnhaus stehen Stall- und Ökonomiegebäude. Mitten durch den Stall verläuft die Gemarkungsgrenze zwischen den Ortschaften Hirz-Maulsbach und Mehren.

In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts war ein Heinrich Werkhausen aus Rettersen, verheiratet mit Henriette Seifen aus Nieder-Maulsbach, Besitzer der Mühle. Die Eheleute Werkhausen hatten zwei Kinder, Sohn Willi und Tochter Martha. Der Sohn, der die große Hoffnung der Müllersfamilie war, fiel im Ersten Weltkrieg. Die Tochter heiratete nach dem Krieg Karl Eckenbach aus Ziegenhain. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor. Der älteste Sohn Willi und zwei Töchter.

Nun begann neues Leben in der Hardtmühle. Schwiegersohn Karl Eckenbach erwies sich als ein strebsamer und tüchtiger Müller. Die alte Fachwerkmühle wurde durch eine neue, größere in Massivbauweise ersetzt. Die beiden Mahlgänge aus der alten Mühle wurden übernommen, und durch den Einbau neuer technischer Einrichtungen konnte auch feines Brot- und Kuchenmehl hergestellt werden. Der Mahllohn, genannt Molter, wurde in Form von Naturalien abgegolten.

Für einen Zentner Brotgetreide wurden acht Pfund Mehl und für Futtergetreide (Hafer, Gerste) zehn Pfund einbehalten.

Ächzend und stöhnend drehte sich das große Mühlrad, das man durch eine große Öffnung zum Hof beobachten konnte. Hier befand sich auch der Eingang zur Grube "Flora" welcher durch eine Hinweistafel gekennzeichnet war. Als Außenlager der Achse diente ein halber Mühlstein, in dem eine Kerbe eingemeißelt war, die hin und wieder geölt werden mußte. Der Mühlteich, im Volksmund "Mühlklaus", hatte eine Länge von ca. 300 Metern und ein ansehnliches Wasservolumen. Da die Mühle etwa am mittleren Lauf des Mehrbaches lag, war die Wassermenge optimal gut, und in Regenzeiten wie auch nach der Ernte und vor Weihnachten standen die Räder Tag und Nacht nicht still. Die Mühlsteine selbst wurden nach einem eigenen entwickelten Verfahren hergestellt.

lm Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs in den zwanziger Jahren entschlossen sich die Müllersleute dem Mühlenbetrieb ein Sägewerk anzugliedern. Die technischen Möglichkeiten wurden erweitert, die vorhandene Wasserkraft war ein billiges Betriebsmittel. lm Notfall und bei langer Trockenheit konnte man auf elektrische Energie ausweichen, und so wurden dann die Maschinen zur Holzverarbeitung installiert.

Sah zu der blanken Säge - es war mir wie im Traum-
die bahnte lange Wege in einen Tannenbaum.

Die Tanne war wie lebend, in Trauermelodie
durch alle Fasern bebend, sang diese Worte sie:

Du kehrst zur rechten Stunde, o Wanderer, hier ein,
du bist's, für den die Wunde mir dringt ins Herz hinein.

Du bist's, für den wird werden, wenn kurz gewandert du,
dies Holz - im Schoß der Erden ein Schrein zur langen Ruh
'.

Bald mußte man feststellen, daß Langholz, welches von Mehren aus angefahren werden sollte, nicht zum Betriebsgelände gebracht werden konnte, da die Zufahrt einen zu spitzen Winkel hatte. Gezwungenermaßen mußte ein Brücke an der Westseite des Wohnhauses über den Vorfluterabfluß des Mühlwassers gebaut werden. Das Unternehmen lief gut an, und einige Arbeitskräfte konnten beschäftigt werden.

Müller Werkhausen war ein angesehener, liebenswerter und freundlicher Mann und auch ein passionierter Jäger. Er liebte und hatte immer Gäste und Kunden au der Nachbarschaft und dem etwas entfernteren Mehren. Man unterhielt sich gerne in gemütlicher Art, wie es früher auf dem Lande üblich war. Beim Kartenspiel kam auch die Geselligkeit nicht zu kurz.

Als dann aber in den Dreißiger Jahren auf den Bauernhöfen die kleinen und leistungsfähigen Schrot- und Hammermühlen ihren Einzug hielten, bedeutete dies für die kleinen Wassermühlen den Anfang vom Ende. Die Konzentration von größeren und noch leistungsfähigeren Mühlen und Holzverarbeitungsbetrieben taten dann das ihrige dazu. Die Idylle im ländlichen Raum büßte weiter an Romantik ein.

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