Der Mühlenbann
(von Hannelore Neffgen)
Mit der Übertragung der Wasserberechtigung durch den Landesherrn war in den meisten Fällen auch die Verleihung der Banngerechtigkeit, des Mühlenbannes, verbunden. Der Mühlenbann, der sich schon in frühester Zeit entwickelt hatte, verlieh der jeweiligen Mühle das Privileg auf alleinige Vermahlung des Getreides aller Einwohner des Bannbereichs; die Einwohner eines oder mehrerer Orte, die sogen. Mahlgäste, waren hingegen verpflichtet, ihr Getreide auf einer oder mehreren bestimmten Bann - oder Zwangsmühlen mahlen zu lassen. Das Bannrecht verbot ihnen die Benutzung anderer Mühlen, ebenso wie fremden Müllern die Einfahrt in den Bannbezirk.
In Abgrenzung und Größe zeigten die einzelnen Bannbezirke große
Unterschiede. In der Regel umfasste ein Bannbezirk mehrere
Gemeinden. Die Landesherrschaft wachte streng über die
Einhaltung des Bannrechtes, zumal hiermit auch beträchtliche
Einnahmen verknüpft waren. Vor allem den Inhabern der Privatmühlen
scheint es aber nicht leicht gefallen zu sein, den Mühlenbann zu
beachten. Er wurde offenbar so häufig verletzt, dass die
Landesregierung ihre Beamten in einer Regierungsverordnung von
1731 sehr nachdrücklich anweisen musste, darauf zu sehen, dass
die Privatmühlen nicht einander in die Mühlengerechtigkeit
einfahren, und die Mahlgäste von denselben entführen. Darüber
hinaus waren die gebannten Gemeinden oft dazu verpflichtet, die Mühlengebäude
in Fronarbeit zu erhalten, während die Müller wegen ihres für
die Allgemeinheit so wichtigen und ständig beanspruchten
Nahrungsgewerbes von jeglichen Frondiensten der Gemeinden
verschont blieben. Der Inhaber einer Bannmühle besaß durch das
Bannrecht ein Monopol, das jegliche Konkurrenz ausschloss. Wegen
dieser fehlenden Konkurrenz kam es des Öfteren zu einer nachlässigen
Handhabung des Mühlenwesens von Seiten der Müller und darum zu
Klagen der Mahlgäste, die sich auf die im Bannrecht enthaltene
Verpflichtung des Müllers zur sorgsamen Behandlung und
Verarbeitung des Getreides beriefen.
Der Mahllohn der Müller betrug im Hadamarischen ein Sechzehntel
des Getreides, das vermahlen werden sollte. Dieses Getreide
brachte entweder der Bauer selbst zur Mühle, um es dort
vermahlen oder zu Tierfutter verschroten zu lassen, und holte das
Mehl auch wieder ab, oder der Müller holte es bei ihm ab und
lieferte das Mehl auch wieder zurück - in aller Regel mit seinem
Esel; denn der Esel war wegen der nicht weiter ausgebauten,
feldwegeartigen und nicht selten recht steilen Pfade zur Mühle
das wichtigste Transportmittel für den Müller. Im 19.
Jahrhundert wurde der Mehl - und Getreidetransport schon fast
ausschließlich mit Pferdefuhrwerken bewerkstelligt, und die Müller
besaßen jeweils bis zu vier Pferde.
Da nicht alle Landleute, z.B. die besitzlosen Tagelöhner,
Getreide anbauten, betrieben die Müller in geringem Umfang auch
Mehlhandel. Besonders auf den Märkten setzten sie ihre Überschüsse
an Käufer aus der Stadt, aber auch an Käufer vom getreidearmen
Westerwald, ab.
Die alten rechtlichen Bindungen des Mühlenzwangs und - bannes
dauerten bis in die napoleonische Zeit. Durch die französische
Gesetzgebung des Code Napoleon im ehemaligen Fürstentum Nassau -
Hadamar wurde durch Artikel 16 des Dekrets vom 13. September 1811
im Departement der Sieg des Großherzogtums Berg das Bannrecht
ohne alle Entschädigung für abgeschafft erklärt. Im Gegensatz
zum Bannrecht wurde die ebenfalls 1811 aufgehobene Erbleihe nach
dem Sturz der französisch - bergischen Herrschaft durch
Ministerialverordnung vom 16.12.1817 wiederhergestellt.
Nachdem durch die Aufhebung des Bannrechts die Monopolstellung
der Müller in den künstlich geschützten Märkten
verloren war, deckten die Müller mit der Lohnmüllerei den noch
immer unmittelbaren Bedarf der Landbevölkerung und des Bäckergewerbes.
Doch erst die auch in diesem Wirtschaftszweig einsetzende
Konzentration und Entwicklung zu Großmühlen seit Ende des 19.
Jahrhunderts brachte wegen der starken Konkurrenz viele kleine
Lohn - und Handelsmühlen um ihre Existenz. Einige Mühlen in der
Heimat meines Großvaters versuchten zwar noch nach
Modernisierung und Elektrifizierung ( Generatoren - und
Turbineneinbau ) bis in die 1969er und - 70 Jahre die Lohnmüllerei
weiterzuführen, doch es mussten auch hier nach und nach die Mühlen
wegen Unrentabilität schließen. Die Wasserkraft wird heute
lediglich noch für den Betrieb der Turbinen benutzt.